Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Heller, Julius
Band: 8 (1862), ab Seite: 277. (Quelle)
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Heller, Stephan (Compositeur und Claviervirtuos, geb. zu Pesth 15. Mai 1813). Sein Vater, Techniker an einer Pesther Fabrik, hatte ihn dem Rechtsstudium bestimmt. H. besuchte demnach das Gymnasium, erhielt aber zugleich Musikunterricht. Als er eine ganz besondere Vorliebe für die Kunst an den Tag legte, so wurde der bisher nur nebenbei betriebene Unterricht darin mit Sorgfalt und Umsicht geleitet. Franz Bräuer war des Knaben Lehrer im Pianospiele. Der Erfolg, mit welchem der Knabe in einem Concerte öffentlich aufgetreten war, bestimmte den Vater, die Kunst zum Berufe desselben zu machen, ihn aber auch für dieselbe gründlich ausbilden zu lassen. Stephan kam nun – 13 Jahre alt – nach Wien und erhielt den trefflichen Pianisten Anton Halm [Bd. VII, S. 257] zum Lehrer. Nachdem er bis 1828 in Wien geblieben, kehrte er dann, dem Wunsche seines Vaters gemäß, nach Pesth zurück. Einige Concerte, die er daselbst gab, erwarben ihm den enthusiastischen Beifall seiner Landsleute. Er unternahm nun in Begleitung seines Vaters eine Kunstreise, zuerst durch einen Theil Ungarns, dann über Krakau nach Warschau, zuletzt durch Deutschland, wo er in Breslau, Dresden, Leipzig, Hamburg, Cassel, Frankfurt a. M. und Augsburg öffentlich auftrat. In Augsburg, müde des ewigen Concertirens und von der bisherigen Jagd nach Virtuosenerfolgen, so ergiebig sie sonst war, erschöpft, machte H. Halt und ruhte daselbst aus, um sich zu sammeln und im Verkehre mit tüchtigen Menschen, deren diese deutsche Stadt immer eine gehörige Anzahl besaß, sich für etwas Edleres auszubilden, als es das fahrende Virtuosenthum ist, das durch den Mißbrauch, den die Mittelmäßigkeit davon machte, sehr im Ansehen gesunken ist. Der Umgang mit Musikern und Kunstkennern daselbst, wie Chélard, Drobisch, Graf Fugger, Stetten, blieb nicht ohne wohlthätigen Einfluß auf den talentvollen empfänglichen jungen Mann. H. warf sich auf die Composition und mit entschiedenem Glücke; schon seine [278] ersten Arbeiten lenkten Robert Schumann’s Aufmerksamkeit auf den jungen Tondichter. Das ermunternde Urtheil, welches der Meister über den kunstbegabten Jünger in seiner Musikzeitung öffentlich aussprach, hatte die Folge, daß sich zwischen Heller und Schumann ein brieflicher Verkehr entspann, worin es an aufmunternder Anregung für die von H. betretene neue Bahn nicht fehlte. Die Bekanntschaft mit Kalkbrenner, welche Heller in Augsburg gemacht, veranlaßte ihn im Jahre 1838 Paris zu besuchen, wo er Anfangs nur einige Zeit zu verweilen gedachte; bald aber fesselte ihn das großartige Leben dieser Metropole derart, daß er in derselben seinen bleibenden Aufenthalt nahm, nachdem er mehrere Jahre bitterer Täuschungen und niederdrückender Erlebnisse an sich vorbeistreichen sehen mußte, ehe es ihm glückte, als Pianist, Lehrer seines Instruments und Componist zur Geltung zu gelangen. Unverdrossen auf der einmal betretenen Bahn fortschreitend, ist es dem ausharrenden Künstler endlich gelungen, durchzugreifen und der Magyare Heller zählt nun zu den Koryphäen der Kunst in der Seinestadt. Von seinen Compositionen, deren Zahl sich nahe an die Hundert belaufen dürfte, sind die dem Herausgeber bekannten unten angegeben. Nach dem Urtheile von berechtigten Musikkritikern zeigen Heller’s Compositionen ein feines liebenswürdiges Wesen, sind voll interessanter Züge, sowohl in melodischer, wie in harmonischer Beziehung. Ein richtiges Gefühl hat ihn immer vor hyper-romantischen Auswüchsen und Uebergriffen bewahrt und Form und Inhalt sind bei ihm stets im schönsten künstlerischen Einklange. Der neu-romantischen musikalischen Schule angehörend, schloß er sich zu Anfang der dreißiger Jahre mit warmer sympathischer Hingebung den edeln künstlerischen Bestrebungen Robert Schumann’s an, zu welchem Meister er dann auch dauernd im geistigen Verkehr stand, obwohl sich in seinen zahlreichen Tondichtungen seltsamer Weise vielmehr Mendelssohn- und Chopin’scher, als Schumann’scher Einfluß bemerkbar macht. In seinen Tonwerken beurkundet sich H. als geistreich, formell gewandt, anmuthig und graziös. So productiv er übrigens ist, so ist er doch etwas einseitig, und Leidenschaft, tiefere Empfindung mangeln seinem Gestaltungsvermögen. Aber was er bringt, trägt den Stempel des Empfundenen in sich, und das Banale der neuen componirenden Virtuosen ist ihm ebenso fremd, als das Ueberreitzte, Ueberschwängliche einer Schule, welche in der Weltschmerzelei der Dichtung ein trauriges, aber beinahe kaum mehr gewürdigtes Seitenstück besitzt.

I. Stephan Heller’s Compositionen. „Trois Impromptus in D-m., As, F-m.“ (Op. 7); – „Rondo. Scherzo in G“ (Op. 8); – „Sonate in D“ (Op. 9); – „Rondo brillant“ (Op. 11); – „L’art de phraser. Morceaux de Salon en forme d’étude mélodiques 5 Livraisons“ (Op. 16); – „Improvisata sur une Mélodie de Reber“ (Op. 18); – „Deux Caprices sur „la Captive“, Melodie de H. Reber in A“ (Op. 19); – „Deux Impromptus sur une Mélodie de H. Reber“ (Op. 20); – „Deux Impromptus“ (Op. 21); – „Quatro Rondos trés facil. sur des Motifs de la „Favorita“ de Donizetti.“ 2 livr. (Op. 22); – „Quatro Rondos brillants sur des Motifs favor. de l’opera „le Guitarero“ de Halovy“. 2 livr. (Op. 23); – „Scherzo in D“ (Op. 24); – „Deux Paraphrases de l’opera: Richard, Coeur de Lion“, de Gretry“. Nr. 1: „Une fièvre brulante“ (Op. 25); – Dasselbe, Nr. 2: „Un bandeau couvre les yeux“ (Op. 26); – „Caprice brillant in Es“ (Op. 27); – „Caprice symphonique in A“ (Op. 28); – „La Chasse“ (Op. 29); – „Pensées fugitives d’apres St. Heller et [279] Ernst“, Nr. 1–10 (Op. 30); – „Fantaisie. Motif fav. de la „Juive“ de Halévy“ (Op. 31); – „Melodies de Schubert. Nr. 1 : Die Forelle. Caprice brillante“ (Op. 33) ; Nr. 2: „Erlkönig. Ballade“ (Op. 34) ; Nr. 3: „Die Post. Improvisata(Op. 35); Nr. 4: „Lob der Thränen. Morceau de Salon“ (Op. 36); – Fantaisie sur la Romance: „En respect mon amour se change“ de l’opera „Charles VI.“ de Halévy in Es (Op. 37); – Caprice brillante sur „Avec la Dame“. Chansonette de l’opera „Charles VI.“ de Halévy. Es (Op. 38); – „Miscellanées. Trois pieces caracteristiques (Rêverie. – La petite mendiante. – Eclogue)“ (Op. 40); – „Pasquita. Valse élégante“ (Op. 42); – „Valse sentimentale“ (Op. 43); – „Valse villageoise“ (Op. 44); – „25 melodische Uebungsstücke in fortschreitender Folge mit genauem Fingersatze zur Vorbereitung .... der Etuden und Compositionen der neueren Schule“. 3 Lfrgn. (Op. 45); – „30 fortschreitende Etuden mit genauer Bezeichnung des Fingersatzes“. 3 Lieferungen (Op. 46); – „25 Etuden zur Bildung des Gefühls für musikalischen Rhythmus und Ausdruck“. 2 Liefrgn. (Op. 47); – „Silvana. Pastorale“ (Op. 48); – „Quatre Arabesques“. Nr. 1–4 (Op. 49); – „Scènes pastorales“. 2 livraisons (Op. 50); – „Venitienne“ (Op. 52); – „Tarantelle Nr. 1, E-m.“ (Op. 53); – „Fantaisie“ (Op. 54); – „Lieder von Schubert, Nr. 5: Wohin? Caprice brill.“ (Op. 55); – „Serénade in Cis“ (Op. 56); – „Scherzo fantastique in E“ (Op. 57); – „Rêveries“ (Op. 58); – „Valse brill.“ (Op. 59); – „Canzonetta“ (Op. 60); – „Tarantelle Nr. 2 in Es“ (Op. 61); – „Deux Valses Nr. 1 Des; Nr. 2 As“ (Op. 62); – „Capriccio“ (Op. 63); – „Humoreske. Phantasiestück“ (Op. 64); – „Sonate. Nr. 2 in H-m.“ (Op. 65); – „La Marguerite du Val d’Andorre. Opera d’Halévy. Caprice brillant in F“ (Op. 66); – „Auf Flügeln des Gesanges“. Lied von F. Mendelssohn. Improvisata (Op. 67); – „Horch horch, die Lerch’ im Aetherblau. Ständchen von Schubert(Op. 68); – „Es ist bestimmt in Gottes Rath. Volkslied von Mendelssohn. B-Phantasie in Form einer Sonate“ (Op. 69); – „Caprice brillant sur „le Prophète“ de Meyerbeer“ (Op. 70); – „Aux mânes de Fr. Chopin. Elegie et Marche funèbre“ (Op. 71); – „Capricen, Impromptu’s. Improvisationen über Lieder von Mendelssohn-Bartholdy, Nr. 1–3: Volkslied, Minnelied, Sonntagslied“ (Op. 72); – „Jägerlied, Soldaten-Abschied, Wiegenlied“ (Op. 73); – „Fantaisie sur des Motifs de l’Enfant prodigne d’Auber“. Nr. 1 et 2 (Op. 74); – „Rondeau. Caprice sur la „Dame de Pique“ de Halévy“ (Op. 75); – „Capriccio über Motive aus dem Liederspiele: Heimkehr aus der Fremde, von Mendelssohn-Bartholdy(Op. 76); – „Saltarello über ein Thema der 4. Symphonie von Mendelssohn-Bartholdy(Op. 77); – „Spaziergänge eines Einsamen. 6 Charakterstücke“. 2 Hefte (Op. 78); – „Traumbilder“. 6 Stücke, 2 Hefte (Op. 79); – „Wanderstunden“. 6 Charakterstücke, 2 Hefte (Op. 80); – „24 Präludien“. 3 Hefte (Op. 81); – „Blumen-, Frucht- und Dornenstücke“. 3 Hefte (Op. 82); – „Six Feuillets d’Album“ (Op. 85); – „Impromptu in F“ (Op. 84); – „Deux Tarantelles. Nr. 1 A-m., Nr. 2 As“ (Op. 85); – „Im Walde. 6 Charakterstücke“. 3 Hefte (Op. 86); – „Tarantelle. Nr. 5 E-m.“ (Op. 87); – „Sonate. Nr. 3. C“ (Op. 88). – Die Opusnummern der Folgenden sind mir nicht bekannt: „Bagatelle sur une Romance de la chaste Susanne“; – „Eglogue“; – „Les charmes de Hambourg. Rondeau brillant“; – „Serenade in A-m.“; – „Thême de Paganini, varié in F“. Der größere Theil der Compositionen H.’s ist bei Maho in Paris erschienen.
II. Quellen zur Biographie Stephan Heller’s. Westermann’s Jahrbuch der illustrirten deutschen Monathefte (Braunschweig, gr. 8°.) Bd. VI, S. 301. – Männer der Zeit. Biographisches Lexikon der Gegenwart (Leipzig, Carl B. Lorck, 4°.) Serie II, S. 150 [nach diesem geb. 1813]. – Schilling (G. Dr.), Das musikalische Europa (Speyer 1842, F. C. Neidhardt, gr. 8°.) S. 159. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Franz Köhler, Lex. 8°.) S. 425. – Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Dresden 1836. Schäfer, gr. 8°.) Bd. II, S. 372 [nach diesem geb. 1815]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris, 1852, Firm. Didot, 8°.) Bd. XXIII, Sp. 845 [nach dieser geb. 1813]. – Meyer [280] (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.) III. Suppl. Bd. S. 1368. – Brendel. Geschichte der Musik. – Porträt. Gez. von Vaines, lith. von Feckert (Berlin. Schlesinger, Fol.). –