Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section/H02
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Der im Munde des Volks stets „Bichen“ lautende Ort, mit einem ansehnlichem Rittergute des Majoratsherrn, Grafen Carl Julius Leopold von Hohenthal, liegt ziemlich 1½ Stunde von Wurzen und ebenso entfernt von Eilenburg, in dem sich immer hüglicher gestaltenden Thale oder vielmehr der höhern Aue des sehr nahen linken Ufers der Mulde, in der ehemaligen Eilenburger Pflege, dessen Parochie sich zum fünften Theile über die Grenze des preussischen Herzogthums Sachsen erstreckt. Püchau, das, vermöge seiner natürlichen Situation, in vier Theile zerfällt, in das untere und obere Dorf, welche beide durch den Kirchberg, auf dem auch die 1609 erbaute Pfarre liegt, getrennt sind, und den sogenannten „Bichnerberg,“ auf dessen steilstem Vorsprunge das Schloss mit den Gutsgebäuden erbaut ist, hat im Vergleich zu der bei Weitem plattern Umgebung des benachbarten Wurzens und der grossen Fläche des fünf Stunden entfernten Leipzigs, eine in Wahrheit reizende Lage. – Die Lage und Umgebung dieses nicht eben bedeutenden Orts ist in der That eine wirklich malerische zu nennen. Die auf einem ansehnlichen Hügel erbaute Kirche mit schlankem Thurme, welche allerdings ihr alterthümliches Gepräge, das nur einige Theile des Chors und der Kreuzvorlage noch haben, durch neuere An- und Einbaue sehr verloren hat, das ihr nachbarliche nach Aussen und Innen fast burgähnliche Pfarrhaus mit einem von Pappeln und Zaune umschlossenen Vorplatze, und das gegenüber auf noch etwas steilerer Höhe mit seinen Thürmchen und Giebeln sich erhebende Schloss mit den schönen und zweckmässigen Wirthschaftsgebäuden von grossem Umfange, und endlich das darum gelegte freundliche Dorf machen einen wahrhaft schönen Eindruck. Schloss und Kirche beherrschen die Gegend; ein wirklich schönes Bild, das in der Nähe und Ferne von einem anmuthigen Hügellande eingerahmt wird.
Der jetzige Canzleiname „Püchau“ ist unbedingt, wie viele andere Ortsnamen Sachsens nach seinem ursprünglichen Wortlaute verfälscht. Der Volksname, der meist den besten Leiter zur Etymologie der Ortsnamen slavischer Entstehung, die in Sachsen vorherrschend sind, abgiebt, und zumeist mit den ältesten Urkundennamen übereinstimmt, leitet uns von selbst auf das slavische Etymon Picni oder Picheni, was so viel als einen futterreichen Ort, eine fette Gegend bedeutet.
Die Geschichte Püchaus hat ein reiches Material. Wie es so manchem Orte Sachsens ergangen ist, dass er von seiner ehemaligen Grösse und Bedeutung zu einem blossen Flecken oder Dorfe herabgekommen ist, so ist es auch mit Püchau der Fall, das schon sehr frühe „Stadt“ (oppidum) genannt wird. – Der Ort war unstreitig eine der ältesten slavischen Ansiedelungen, die bereits beim Beginn der Germanisirung des Osterlandes, was hier früher, als es mit dem Meissnerlande vor sich ging, geschah, eine stadtähnliche genannt werden konnte. – Wituchind von Corbei, im 1. Buche seiner Annalen, sowie Annalista Saxo beim Jahre 922 gedenken zuerst des Orts unter dem Namen Bichni. – Nachdem Ersterer die festere Einrichtung oder Anlegung von Städten in den von Slaven bewohnten Gegenden zwischen der Elbe, Mulde und Saale noch vor dem Kriege mit den Hungarn anzunehmen scheint, gedenkt er eines Vorfalls, der Püchau gewissermassen eine hohe Bedeutung in der ältesten Geschichte Sachsens verleiht. König Heinrich, der Städterbauer und Begründer der sächsischen Cultur, den man aus Curiosität den Finkler zu nennen pflegt, ward nämlich in einem Gefechte mit den Hungarn von diesen geschlagen und gelangte auf der Flucht noch glücklicher Weise bis zur Stadt Bichni oder Bicni, und hier war es, wo er zuerst zur Einsicht kam, dass dergleichen ummauerte Orte sehr nützlich gegen die meistens aus Reiterei bestehende Macht der Hungarn seien; auf welche Erfahrung er auch sein neues Kriegs- und Vertheidigungssystem begründete, welche Anekdote gleichfalls Annalista Saxo ähnlich erzählt. Ebenso berichtet Bischof Diethmar von Merseburg in seinem Chronikon (um das Jahr 932, im ersten Buche), dass die Avaren den König geschlagen hätten, als er sie mit zu geringer Macht angegriffen, und dass er bei der augenscheinlichen Gefahr, noch auf der Flucht von den ihn verfolgenden Barbaren erschlagen zu werden, die Mauern von Bichni erreicht habe. Auch fügt der Chronist diesem Factum noch hinzu, dass der König deshalb die Bürger von Bichni nicht nur sehr ansehnlich beschenkt, sondern sie auch noch ausserdem einer grösseren Ehre gewürdigt hätte, als sie bisher erfahren hatten, oder zur Zeit des Berichterstatters Diethmar die Einwohner anderer Städte genossen. – Es ist nun fast zu vermuthen, dass die Bürger Bichni’s, das später auch als Hauptort des Burgwards oder Militärbezirks Bichni, in dem kaiserliche Bergmannen oder die eigentlichen Milites urbici oder Satellites Senioris lagen, schon zu dieser Zeit zum Theil Deutsche waren, weil die Slaven, die doch damals als Bundesgenossen der Hungarn stets erscheinen, sich gewiss nicht so für den König interessirt haben würden. Uebrigens ist diese Erzählung aus Diethmars Feder keineswegs zu bezweifeln, da er doch der Zeit des Factums, sehr nahe lebte. – So wenig auch die Thatsache zu leugnen sein dürfte, so dürfen wir aber hier doch nicht unerwähnt lassen, dass längst schon die Identität des alten Bichni’s mit unserm jetzigen Püchau in dieser Erzählung angefochten ward, und dass namentlich Abel sogar in seinen Noten zu Meibom’s Walbeckscher Chronik Bichni für das im bischöflich-münsterischen Amte Walbeck gelegene Städtchen Beckem oder Beckum an der Werse gehalten, welche Hypothese allerdings Nichts für sich hat. Unbedingt würde der sonst so genaue und umständliche Diethmar, der kurz darauf unser Püchau mit genauerer [14] Andeutung seiner Lage unter dem Namen Bichni noch einige Male, und noch dazu als einen unter seiner bischöflichen Gewalt stehenden Ort, mit Wurzen und Eilenburg zusammen, erwähnt, gewiss in seiner eben erwähnten Erzählung eine Unterschiedsbemerkung gemacht haben, wenn er das Bichni in der von ihm mitgetheilten Geschichte König Heinrichs nicht als identisch mit dem später wiederholt erwähnten gedacht hätte.
Dass Püchau übrigens bereits aus dem Slaventhume als ein bedeutender Ort, der sogar als eine christliche Missionsstelle im Slavenlande, welches der erste Bischof von Merseburg, Boso, erst bekehrt hatte, angesehen werden kann, in die christliche Zeit herübertrat, geht auch aus dem Umstande hervor, dass das nahe Dorf Popitz, das urkundlich Popowitz heisst, unter der Gerichtsbarkeit des Pfarrers zu Püchau stand. – Der Name des Ortes Popowitz deutet nämlich an, dass hier im Slaventhume eine Station slavischer Geistlichen oder Popen war, mit der meistens ein Begräbnissplatz verbunden zu sein pflegte, wo man hier und da öfter Funde von Aschenkrügen, sowie andern Grab- und Opfergefässen machen kann, wie es namentlich bei dem Poppitz in Dresden wiederholt der Fall gewesen ist. – Als nun aber im Christenthume, nach Anlegung der Bisthümer, besonders Merseburgs und Zeitz-Naumburgs, neben dem Burgwart Bichni auch eine Kirche erbaut wurde, so war es sehr natürlich, dass der Ort Popitz, welcher von nun an unbedingt seine ursprüngliche Bedeutsamkeit für die ganze Gegend, ebenso gut wie die heiligen Hagen, verlieren musste, dem christlichen Pfarrer anheim fallen musste; daher die erst 1773 nach langem Processe, mittels Vertrags abgelöste[1] Gerichtsherrschaft des Pfarrers.
Schon vor den 80ger Jahren des 10. Jahrhunderts war Bichini ein Merseburger Stiftsgut. Denn Bischof Diethmar erzählt in seinem Chronicon (Buch 2.) dass, als der frühere Bischof von Merseburg Giselher, der am 10. Sept. 981 das Erzbisthum Magdeburg erschlichen und es beim Papste dahin gebracht hatte, dass sein bisheriges Bisthum aus bekannten selbstsüchtigen Interessen aufgehoben, und dessen Diöces, so zu sagen, zersprengt ward, wobei ein Theil an Zeitz und ein Theil an Meissen kam, er (Giselher) neun Städte Skudici (Skeuditz), Cothug (Gautsch), Wurzin, Bichni, Ilburg (Eilenburg), Dibni (Düben), Pouc (Puch), Luibanici (Löbnitz) und Gezerisca (wohl Gerichshain und nicht Groitzsch) für sich behielt, um sie als Tafelgüter zu benutzen.
Es scheint nun fast, als ob zu Püchau, sowie auch in genannten Orten, in jener Zeit zwei Güter, ein bischöfliches Gut nebst dem Kirchlehen und ein weltliches Lehengut bestanden habe, da am 6. Oct. 995 König Otto von Havelberg aus auf Veranlassung des Bischofs Esico (Aico) zu Meissen, diesem Stifte einige Lehengüter seines Vasallen Esico überliess, unter welchen auch Bichni genannt ist, während Bischof Diethmar, wie er selbst berichtet, nach der unter seinem Vorgänger Wigbert († 1009) vom Erzbischofe Gero, mit dem er zu Mucherini (dem jetzigen Machern zwischen Wurzen und Leipzig) zusammentraf und den er an seine freundschaftlichen Versprechungen erinnert hatte, unter dem üblichen Ceremoniell, der Ueberreichung seines Bischofstabs, die geistliche Gerichtsbarkeit über die vier Städte Skudizi, Cothug, Bichini und Wurzin empfing, wegen der Uebergabe der übrigen fünf obengenannten sich aber vor der Hand noch nicht erklären konnte. – Sonach stand nun Püchau von Neuem unter der geistlichen Gerichtsbarkeit des Stifts Merseburg, während es, seltsam genug, als weltliches Lehen dem Stifte Meissen gehörte. Doch nicht lange währte dieses Verhältniss; denn schon im Jahre 1017, am 22. Febr., änderte sich dasselbe auf der Reichsversammlung zu Magdeburg. – Diethmar hatte geglaubt, dass er alle im Jahre 981 an Magdeburg übergegangenen Besitze hier wieder erlangen würde, und führte deshalb seine Klage vor dem anwesenden Kaiser, von dem er sich, sowie vom Erzbischofe Gero zuverlässig Hilfe versprach. Allein er erhielt ganz gegen sein Erwarten, wie er selbst erzählt, Befehl, auf den er auch nichts zu erwidern sich getraute, dass er den Sprengel, welcher an der Mulde gegen Morgen gelegen, nämlich in den Burgwarden Bichni und Wurzin, an den Bischof Eilward zu Meissen abtreten sollte, wogegen dieser ihm den Sprengel am westlichen Ufer der Mulde abtreten musste. Sonach kam unser Püchau auch mit der geistlichen Gerichtsbarkeit unter das Stift Meissen. Bichin ward hierbei als Sitz eines Burgwards genannt; es musste daher unbedingt schon ein Ort von Bedeutung sein und das jetzige Rittergut verräth sich schon hinsichtlich seiner burgähnlichen Lage als Abkömmling des ehemaligen Burgwards, indem es auch wirklich im Mittel zwischen Wurzen und Eilenburg, also auch im Mittel des ehemaligen Burgwards Bichini, das zum alten Gaue Queszizi gehörte, liegt.
In einer allerdings etwas verdächtigen Urkunde König Heinrichs III., vom 20. Jul. 1040, wird auch der Burg oder des Castells zu Bichini (castellum, quod dicitur Bichini) gedacht, was dieser König zum Andenken seines verstorbenen Vaters Conrad (Chvonradus) und auf Vermittelung des Erzbischof Hunifried von Magdeburg, des Bischofs Kadelohi zu Naumburg, sowie des Markgrafen Hekkihardt (Eckhard) dem Stifte St. Donat zu Meissen vollständig (ex integro) d. h. mit allem Zubehör und Nutzungen an Gebäuden, Feldern, Wiesen, Weiden, Aengern, Wäldern mit Jagd, Bächen und Teichen mit Fischerei, Mühlen, Zinsen von leibeigenen Familien und Hörigen beiderlei Geschlechts schenkte. – Ist diese Urkunde wirklich richtig, was allerdings wegen des aus Versehen des Concipienten falsch angegebenen Namens des damaligen Bischofs zu Meissen, Aico (der doch schon 1015, 13. Jan., in Leipzig gestorben war), welcher Name also wahrscheinlich mit dem Namen Dedo (d. i. Dietrich I.) verwechselt ward, zu bezweifeln: so wäre anzunehmen, dass Bichini eigentlich aus einem dreifachen Besitze, aus dem alten bischöflichen, aus dem Allodialgute Esico’s und der kaiserlichen Burgward bisher bestanden hätte und dass von nun an Alles vereint dem Stifte Meissen anheim gefallen wäre. Dass seit dem Beginne des 12. Jahrhunderts Bichin kein Burgward mehr war, geht aber auch daraus hervor, dass in einer noch ungedruckten Urkunde vom Jahre 1138 es blos ein Burgstall (burgstallum Bigni) genannt wird, was mehr eine von Besatzung verlassene, ja, selbst oft eine verfallene Burg andeutet. – Ob der in einer Urkunde (vom 20. Mai [15] 1174) des Bischofs Uto von Naumburg erwähnte weltliche Zeuge, Tuto von Pichene Besitzer eines Allodialguts zu Püchau gewesen, oder ein ehemaliger Burgmann des kaiserlichen Castells, ist aus nichts zu ersehen. Weit wahrscheinlicher ist es aber, dass dieser Tuto der Allodialbesitzer des Dorfes Pichene (jetzt Holzmark Bäuche) bei Eisenberg gewesen, was in einer Schenkungs-Urkunde des Markgrafen Theoderichs von Meissen an das Kloster zu Eisenberg im Jahre 1219 erwähnt wird. – Bis zum Anfange des 13. Jahrhunderts ist, unsers Wissens, Bichin nirgends mehr erwähnt. Als aber am 6. Jun. 1222 der Landgraf Ludwig von Thüringen im Namen seines unmündigen Enkels Heinrich, des verstorbenen Markgrafen Theodrich von Meissen Sohn, ein Landdings (placitum provinciale) zu Deliz (Delitzsch) im Osterlande (Marchia orientalis) hielt, und daselbst urkundlich die Versicherung abgab, dass seine Verwandten, Otto und Theodrich, Söhne des Grafen Friedrich von Brena, erschienen wären und zu einer Schenkung von 44 Mark Einkünften, in verschiedenen Ortschaften, die ihr Vater bei Lebzeiten von seinem Besitze zu der Zeit, als er die Lehenstücke des jungen Grafen zu Witin (Heinrich, starb 12 Jahr alt 1217) von dem Bischofe Bruno zu Meissen, zu Bichene und zwar in Gegenwart des Markgrafen Theoderichs erhalten, dem Stifte zu Meissen verehrt habe, sich nochmals feierlich, unter der damals gewöhnlichen Vortragung von Reliquien der Heiligen bekannt hätten, finden wir Bichin als einen Aufenthaltsort des damaligen meissner Kirchenfürsten, der Stolpen später zu seinem Wohnsitze machte, woraus hervorgehen muss, dass das hiesige Schloss um diese Zeit (1217–1222) noch in solchem wohnlichen Zustande sein mochte, dass er den Markgrafen daselbst standesmässig empfangen konnte. – Doch könnte man aus der Construction der Worte der Urkunde auch vermuthen, als ob Bichene ein Besitz des Markgrafen gewesen, was allerdings beim Mangel der Interpunctionen in den Urkunden jener Zeit unentschieden bleiben muss. Die Annahme, dass der Markgraf Bichene im Lehenbesitze gehabt, liess sich aber auch daraus muthmassen, dass er im Jahre 1217 eine Urkunde für das Kloster Dobrilug daselbst datirt hat. – Bichene wird jedoch darin nicht mehr „Stadt“ sondern „Dorf“ (villa) genannt, ein Umstand, der dadurch sich nur erklären liesse, dass man annähme, dass B. bereits in jenem verheerenden Kriege so sehr mitgenommen worden, das es zum Dorfe herabgekommen war. – Man hat auch gewollt, dass jene bekannte Schlacht, welche der Schenk Rudolph von Vargula in Abwesenheit des Markgrafen Heinrichs, der in Böhmen Hilfe einholen wollte, am 27. Oct 1263 mit den Söhnen Heinrichs, Albrecht und Dietrich, gegen die Verbündeten der Sophia von Hessen, den Herzog Albrecht von Braunschweig und Heinrich und Sigfrid von Anhalt so glücklich schlug, nicht bei Wettin, was wegen Leipzig, wo Rudolph mit den jungen Fürsten sich vereinigte und Albrechts Zuge an der Elster auch nicht gut passte, in der Nähe von Bichin geschlagen worden sei, was wir aber nicht entscheiden wollen.
Trotzdem nun, dass Püchau nach den bis hierher gegebenen urkundlichen Nachrichten scheinbar das Besitzthum des Stifts Meissen war, so mag es in kirchlicher Beziehung doch nicht unter den Bischöfen gestanden haben. Zwar finden wir in einer Urkunde des Bischofs Nicolaus von Meissen, vom 12. Nov. 1380, dass er vom Schlosse Stolpen aus einen Consens zur Stiftung eines Altarlehens in Bichin ertheilte; aber dennoch ist es nicht in dem Verzeichnisse der Altäre des Stifts Meissen aus dem Ende des 15. Jahrhunderts und noch weniger im Zins- und Steuerregister von 1427 bis 1451 mit aufgeführt, ein Beweis, dass das Stift Meissen blos die Lehensherrlichkeit über Püchau ausgeübt. – Die Urkunde klärt uns darüber auf; sie besagt, dass der Edle, Herr Theodericus von Turgow nebst seiner Gemahlin Margaretha, der auch Herr von Bichni genannt wird, zur Ehre Gottes und der heiligen Jungfrau, sowie des heiligen Bischofs Martin einen neuen Altar in seinem dasigen Schlosse (in castro Bichin) mit ewiger Messe stiftete und dazu die Einkünfte in Techenicz und Klein-Machern anwies. Die Bestätigung des Bischofs sagt ausdrücklich, dass Bichin zur Diöces Merseburg gehörte und dass das Schloss und der Ort ein nach Meissen zu Lehen gehender Besitz war; dem Messner (rector altaris) dieses neuen Altars in der Schlosscapelle zu Bichni ward übrigens freier Tisch, den er mit den vornehmern Dienstleuten des Schlosses gemeinschaftlich hatte und noch andere Vergütung zugesichert. – Diese Urkundennachricht ist in der That sehr interessant für Püchau’s mittlere Geschichte; sie klärt uns namentlich über das wahre Verhältniss auf, in dem es zu Meissen und zu Merseburg stand, und bringt uns besonders auch noch in die nähere Bekanntschaft mit einem der älteren Allodialbesitzer Püchau’s, als Lehensmann der Bischöfe von Meissen, wiewohl scheinbar noch ein weit älterer, in der Person des Conrad von Pichene in einer Urkunde Heinrichs des Erlauchten, vom 5. Oct. 1231, in der dieser Fürst dem Kloster Altzella zwei Mühlen bei der Stadt Grimma übereigenet, als ein im genannten Kloster mit anwesender Zeuge und auch als zum Hofstaate des Markgrafen gehörig (familiaris Marchionis), ferner im Jahre 1288 ein Otto von Bichin, sowie in einer andern Urkunde vom J. 1344 ein gewisser Bodo von Torgau als Besitzer des Guts (praedium) Bichen erwähnt wird.
Sehr wahrscheinlich ist es, dass P. bis zum Jahre 1290, wo die wettiner Linie der Grafen von Brena mit Friedrich, der es 1217 von dem unmündigen Heinrich von Wettin erbte, erlosch, ein Allodialgut dieses Zweigs der Wettiner unter bischöflich-meissnischer Lehenshoheit gewesen und dass es dann auf die Herren oder vielmehr Dynasten (nicht Adelige) von Torgau, die auch oft „Grafen“ genannt werden, übergegangen ist. Denn sie erscheinen schon seit Anfange des 14. Jahrhunderts im Registrum copiarum des Thomasklosters zu Leipzig, als auf Bichen gesessen. – So findet sich daselbst unter dem Jahre 1310 ein Dietrich von T. auf Bichen, während Walther von T. „Dösen“ besass. Ein Bodo von T. war schon 1275 in der Leipziger Pflege und Wilhelm von T. 1309 Cantor des Stifts Merseburg. – Unbekannt ist jedoch, wie im Jahre 1408 ein Heinrich von Heinitz als Besitzer von P. genannt werden kann; wahrscheinlich besass er nur ein kleineres Allod daselbst.
Nicht urkundlich bekannt ist es, wie um die Mitte des 15. Jahrhunderts das Allodium Püchau unter kurfürstliche Lehenshoheit gekommen; doch lässt sich lehnsrechtlich annehmen, dass P. bis zur Reformation wohl nur Afterlehn der Kurfürsten gewesen. Wir finden im Jahre 1441 Hans Spiegel, 1469 Jacob Spiegel (aus einer altadlichen Familie, die [16] viele Staatsämter bekleidete) als Besitzer von P. Nachdem es seit dem Jahre 1480 zwei Besitzer, den Hans Hund und Jacob Spiegel[2], und von 1500–1509 Burkhard Hund und H. Spiegel gehabt hatte und zum Theil nach Besitz und Lasten, zu dem Amtsbezirke Eilenburg gehörte, stellten am 28. Dec. 1509 der Kurfürst Friedrich der Weise und sein Bruder, Herzog Johannes, eine Urkunde zu Wittenberg aus, nach welcher sie dem Bischofe zu Meissen, nachdem sich dieselben mit Burkhard Hund und Jacoff Spiegel, welche bisher das Schloss Bichen gemeinschaftlich besessen, wegen eines Kaufs vertragen, sowie die Gebrüder Hans, Friedrich und Wulffgang von Saalhausen zum Kaufe vermocht, die dafür an die bisherigen Besitzer 19,000 Fl. gezahlt, die Lehen (also auch Afterlehen) und Dienste (Frohnen etc.) in den Dörfern „Bichen, Technitz, Plachditz, Lobschitz, das man auch Poppitz (?) nennt, das halbe Dorf Doberschitz, die Kabelmargk, das man Plaunitzer Holz nennt, Gallen, Pressen, mit der Wüstenei Kleinmachern, Kabelsdorf, Milandt Parthimark, Daubitz und die Dresemargk halb“ etc., mit Ober- und Untergerichten („Obersten und Niedersten vber Handt und Hals“) die Hundt und Spiegel bisher besessen und ausgeübt, zu der ihm gehörigen Pflege Wurzen mit Vorbehalt der Gerichte, Dienste und Pfleghaften des „Amts Ilnberg“ (Eilenburg) übereigenen. Auch sprechen sie darin schliesslich aus, dass alle Irrungen, die wegen der Lehen an dem Schlosse Bichen und Zubehör zwischen ihnen und dem Bischofe bestanden hatten, hiermit aufgehoben sein sollten. Von nun an gehörte Püchau unter die schriftsässigen Rittergüter des Stifts Wurzen. Doch nur etwa 10 Jahre war P. im Besitze derer von Saalhausen, die auch Trebsen und Lauenstein hatten; denn schon im Jahre 1520 finden wir Hyronimus und Christoph von Kaniz, die zugleich Thallwitz besassen, im Besitze von Püchau. Im Jahre 1533 kam es durch Kauf an Ewald von Ende, bei welcher Familie es bis 1651 geblieben ist. P. ging durch Erbe 1538 an Heinrich, Gottfried, Ewald, Utz, Nickel und Georg von Ende über, die es bis 1555 gemeinschaftlich besassen, in welchem Jahre es Utz allein übernahm. Nachdem dieser 1603 das Zeitliche gesegnet, erbten seine Söhne Heinrich und Dietrich das Schloss P. mit allem Zubehör, die es bis 1611 ebenfalls in Gemeinschaft hatten, wo es ihnen ihr Vetter Wolff von Ende, auf Schweta, abkaufte. Als dieser 1615 gestorben, erhielt sein Sohn Abraham mit Schweta auch Püchau. Doch wird in der Ritterrolle vom J. 1614 neben diesem Wolff auch noch Nickel von Ende, beide mit drei Pferden bei der VI. Compagnie der Ritterschaft in den Stiftern auf „Büchau“ aufgeführt; ein Beweis, dass Wolff nicht allein Besitzer war. – Als Abraham im Jahre 1637, am 9. Aug., wahrscheinlich an der Pest, die in diesem Jahre 151 Personen im Kirchspiele dahinraffte, ohne Erben gestorben war, kam das Gut zur Subhastation, und es erstand das Schloss Püchau nebst Zubehör der so bekannte kurf. Hofmarschall Heinrich von Taube, aus dem liefländischen Hause Maydel, Liebling des Kurfürsten Johann Georgs I., der auch Reichstädt, Berreuth und Nöthnitz besass, im J. 1643. Nach dessen Tode im Jahre 1663, erbte es sein Sohn Heinrich, welcher kurf. Geheimrath und Amtshauptmann zu Torgau, Eilenburg und Düben war. – Als auch dieser 1667 ohne männliche Erben starb, ging es durch die Verheirathung seiner Tochter Dorothea Sibylle (im Jahre 1645) mit Rudolph von Bünau, auf Ottendorf und Nenntmannsdorf, kurf. Oberschenk, Oberküchenmeister und Amtshauptmann von Annaburg und Gräfenhainchen, der aber schon 1661 das Zeitliche segnete, an dessen, am 19. Dec. 1656 gebornen Sohn, Heinrich von Bünau, über, der auch Lossa, Wiederode und Deumen besass. Als dieser am 28. März 1729 als Inspector der Landesschule zu Grimma, Geheimrath und Steuereinnehmer des Leipziger Kreises, starb, fiel Püchau an seinen Sohn Heinrich, den Johanniter, kurf. Geheimrath und Kreishauptmann zu Leipzig, welcher endlich Gesandter am kaiserlichen Hofe zu Wien war. Nachdem dieser 1728 mit der Gräfin Anna Regina von Racknitz sich vermählt hatte, 1741 in den Reichsgrafenstand erhoben und am 10. Jul. 1745 in Venedig zu seinen Vätern versammelt worden war, ging Püchau auf seinen, am 23. Sept. 1732 gebornen Sohn, Heinrich über. Dieser vermählte sich am 20. April 1766 mit Christine Elisabeth Freiinn von Hohenthal, Enkelin des Stammvaters Peter, Hohmann, Edlen von Hohenthal, geb. d. 21. Nov. 1731. Heinrichs von Bünau Schwester war die Gräfin Henriette Friederike, geb. 31. Jul. 1737, seit 14. Jan. 1751 mit Friedrich Beauregard, dän. Kammerherrn und Gesandten am königl. poln. Hofe zu Dresden, Wittwe seit 19. Oct. 1757 und seit 1758 wieder vermählt mit David Vicomte Stossmann, engl. Gesandten zu Wien. – Nach dem Tode des Grafen Heinrich von Bünau, am 24. April 1768, hatte die Gräfin, geb. von Hohenthal, bis zu ihrem Tode Püchau im Besitze, und von dieser kam es an ihren jüngsten Bruder, den im Jahre 1790 zum Reichsgrafen erhobenen kurf. sächsischen Geheim-Rath Peter Friedrich von Hohenthal. Dieser ward am 26. Aug. 1735 geboren, war von 1779 bis 28. Febr. 1799 kurf. Comitialgesandter in Regensburg, bis 23. April 1799 bevollmächtigter Gesandter beim Friedenscongress zu Rastatt, kaufte 1797 das Gut Kayna von seiner Gemahlin Johanna Friederike Caroline, Gräfin von Rex (geb. 16. Dec. 1758 und vermählt 2. Nov. 1774), starb zu Dresden am 19. Nov. 1819 und hinterliess die Güter Püchau, Kayna etc. seinem Sohne Carl Anton Friedrich, geb. 10. Oct. 1775, der Püchau nebst Kayna im Jahre 1824 zum Majorate machte, was der Geheimrath Karl Ludwig August, Graf von Hohenthal, vermählt 15. April 1800 mit Ehrengard Friederike Wilhelmine von Krosigk, 1803 erhielt. Als dieser am 27. März 1827 mit Tode abging, erbte Püchau dessen Sohn, der k. s. Kammerherr und grossherz. sächs. Oberschenk Graf Carl Friedrich Anton von Hohenthal, geb. 6. Nov. 1803. Der aus desen erster Ehe mit Walporgis, Gräfin von Schaffgotsche (vermählt 26. Sept. 1829) erzeugte Sohn, Graf Carl Ludwig Leopold, geb. 21. Juni 1830, vermählt mit Auguste Isidore von Wuthenau (16. Sept. 1852), erbte, nachdem sein Vater das Indigenat in Sachsen aufgegeben, und sich „Hohenthal auf Dölkau-Hohenpriessnitz“ schrieb, bei dessen Tode, am 11. Dec. 1852, Püchau, und ist der jetzige Majoratsherr.
Heinrich I. von Bünau hat die hiesige Kirche im Jahre 1684 bestens restaurirt und die Grabmonumente früherer Besitzer darin aufstellen
[17][18] Etymologie aber, aus der Anlage des Dorfs, das mit seinen Häusern etwas zerstreut, hingezeddelt liegt, finden zu wollen, ist bedenklich. Doch lässt sich gerade aus dieser zerstreuten Anlage sehr gut vermuthen, dass Zedtlitz im Slaventhume kein wirkliches Dorf war, weil die ältesten Slavendörfer des Osterlands durchgängig in Hufeisenform gebaut sind, sondern nur ein um den alten slavischen Wjes eines Knjes, oder den ursprünglichen Herrnsitz nach und nach angelegter Complex von Doms. Von sehr früher Cultur zeugt übrigens der Name des zu Zedtlitz gehörigen Dorfs Raupenhain, welcher nur scheinbar deutsch ist und nach seiner alten Form (slavisch) nichts als eine „gehauene Waldung“ bezeichnet, sowie ebenfalls der Name des nahen Orts Platecka (alt Plotecka), der soviel als Flechtwerk oder Verzäunung bedeutet. Uebrigens hat die Gegend zwischen der Mulde und Wyhra bereits im Jahre 1104, nach einer Nachricht des Pegauer Mönchs, durch Wieprecht von Groitzsch fränkische Colonisten erhalten, daher auch die vielen deutschen Ortschaftsnamen der nächsten Umgegend.
Zedtlitz gehörte vor der Reformation unter den borna’schen Sprengel des Bisthums Merseburg, kam nach 1539 unter das Consistorium zu Leipzig, und die hiesige Kirche, die jetzt zur Ephorie Borna gehört, ist wie der vordere Theil derselben welcher Gewölbe ist, zeigt, bereits im 12. oder zu Anfange des 13. Jahrhunderts angelegt, doch hat sie später, zum Theil im 15. und 16. Jahrhunderte schon, wiederholte und zwar nicht unbedeutende Erweiterungen erfahren. Die Grundform der Kirche ist eben durch diese allmähligen Anbaue etwas zu schmal für ihre Länge geworden, ist aber im Innern doch ziemlich geräumig. Sie enthält ausser einigen gutgearbeiteten Epitaphien, wovon das älteste die Jahrzahl 1494 trägt, nichts Bemerkenswerthes; weder Altar, noch Kanzel sind alterthümlich. Besonders knüpfen sich an die Epitaphien der hier Ruhenden aus der Familie Derer von Gladebeck mehrfache Erinnerungen für die Bewohner von Zedtlitz. Das Innere ist in ganz neuester Zeit auf Kosten der Kammerherrin Julie, verwittwete von Metzrad gänzlich restaurirt worden. Uebrigens hat auch die Kirche kein wirkliches Vermögen und ebenso wenig Legate. Ihr äusseres Ansehen ist überdies geeignet die Gegend zu zieren; denn sie hat im Ganzen ein nettes Ansehen, das durch den über 70 Ellen hohen, überaus schlanken Thurm, der, wie die Jahrzahl in der Wetterfahne zeigt, im Jahre 1739 vollendet ward, bedeutend gehoben wird. Der erste evangelische Geistliche war Georg Riemann, der 1569 starb.
Das hiesige altschriftsässige Rittergut, das auch die Collatur der hiesigen Pfarre und des Schulamts hat, ist hinsichtlich seines wohlgebauten Schlosses und der dazu gehörigen Bauten eins der anmuthigsten Rittersitze der Umgegend. Der schöne geräumige, zu Anfange des vorigen Jahrhunderts ausgeführte Schlossbau, dessen mit hohem Schieferdache bedecktes Hauptgebäude drei Etagen mit sieben Fensterbreiten hat, neben welchem sich rechts ein kleiner bewohnbarer Flügel, sowie links ein geräumiges Gewächshaus mit guter Flor erhebt, gewährt in der That einen schönen Prospect. Ein kleinerer parterrehoher Vorbau deckt von vorn den Ziergarten des Schlosses, während die übrigen drei Seiten des geräumigen Rittergutshofes von geschmackvollen und massiv gebauten Wirthschaftsgebäuden, deren Ställe sogar durchaus gewölbt sind, geschlossen sind. Ein sehr anmuthiger Lustgarten, der zum Theil im englischen Geschmacke angelegt ist, umgiebt die ganze Schlosspartie und rings um ihn ist eine Art Wall mit Wassergraben angelegt.
Die von Draschewitz, welche bereits im 14. Jahrhundert sehr begütert in dem Oster- und Pleissnerlande waren und von denen die Gebrüder Albert, Heinrich und Barthel v. D. im Jahre 1311 als Besitzer von „Storkowitz,“ sowie Hans mit seiner Gemahlin Altze („ehelichen Wirthin,“ wie sie in der Urkunde heisst) im Jahre 1390 als Mitbesitzer von Zwenfurt, der auch das „wüste Dorf Biegbruch“ in demselben Jahre an das Thomaskloster zu Leipzig verkaufte, und Nickel von D. auf Albrechtshain gesessen, der im J. 1406 seinen Antheil an „Klein-Posen“ an dasselbe Kloster veräusserte, öfter urkundlich vorkommen, werden auch als die ältern Lehnbesitzer von Zedtlitz genannt. Wolf von Draschwitz diente nach der Ritterrolle von 1614 mit 1½ Ritterpferde wegen des Guts Zedlitz bei der V. „Compagneia der ehrbaren Mannschaft“ und die von D. scheinen den Besitz von Z., an die von Gladebeck käuflich abgetreten zu haben, da sie noch 1692 auf Zedtlitz vorkommen.
Die von Gladebeck stammten aus der hannöverschen, landtagsfähigen Herrschaft gleiches Namens im Amte Kalenberg und sind bereits im 10. Jahrhunderte angesehene niedersächsische Odelinger gewesen, denn 930 vermählte Statz (Statius) von G. seine Tochter an Conrad von Schwanringen. Doch war ihr Stammhaus bereits im 16. Jahrh. im Besitze derer von Pappenheim. Zu Anfange des 17. Jahrhunderts finden sie sich im Brandenburgischen, wo Bodo von G. wirklicher Geh. Staatsrath, Hofkammerpräsident und Hauptmann zu Fürstenwalde war. Die Wittwe des königl. preussischen und churbrandenburgischen Kriegsraths von Gladebeck, eine Geborne von Münchhausen, war schon zu Anfange des 18. Jahrhunderts Besitzerin von Zedtlitz und baute im Jahre 1706 die ansehnlichen Schlossgebäude nebst den dazu gehörigen Wirthschaftsräumlichkeiten, und legte auch die ersten Gartenanlagen an. Doch hat das Andenken der von Gladebeck’schen Familie unstreitig das Fräulein Johanna Sophie von Gladebeck, durch vier eigenthümliche, ihren frommen und wohlthätigen Sinn beurkundende Legate am Meisten in der ganzen Parochie gesichert. Sie legirte nämlich im Jahre 1728 1500 meissnische Gülden zum alljährlichen Ankauf von 3 Viertel Bier, welches am Johannistage alljährlich alle Gemeindemitglieder gemeinschaftlich trinken, während die übrig bleibenden Zinsen gleichmässig vertheilt werden; ausserdem setzte sie 300 Thaler als Schullegat, deren Zinsen zur Bezahlung des Schulgelds für Aermere und zur Anschaffung von Kleidungsstücken sowie von Schulbüchern bestimmt sind. Ersteres Legat hat die Gutsherrschaft und letzteres diese mit dem Pfarrer und Schulmeister zu verwalten. Ueberdies dotirte sie 500 Thlr. zum Ankauf einer grossen halleschen oder nürnberger Bibel in Folio, einer Handbibel und einem Gesangbuche als Inventarium für jedes Haus der ganzen Parochie, wozu auch Raupenhain und Platecka gehören, wobei sie ausdrücklich noch bestimmt hat, dass bei jeder Besitzveränderung der Häuser diese Bücher als ein Inventarium dem neuen Besitzer besonders mit übergeben, auch stets in Stand erhalten werden müssen. Endlich vermachte [19] sie noch 1500 Thlr. zur Erbauung eines neuen Kirchthurms, welchen sie als ihr Epitaphium angesehen wissen wollte. Wie schön die Errichtung dieses zugleich nützlichen Grabmonuments ausgefallen ist, haben wir bereits erwähnt. Mit ihr starb im Jahre 1728 das von Gladebeck’sche Geschlecht auf Zedlitz vollends aus, nachdem bereits im Jahre 1701 die von Gladebeck auf Münchlora ohne Erben abgegangen waren und deren Besitz dem König von Preussen apert geworden war. Der damalige Pastor zu Zedtlitz, Mag. Heinrich Ludwig Freiesleben, der 1725 von Altenburg (seinem Geburtsorte) aus hierher die Vocation erhalten hatte, hat noch ausserdem ihr Andenken dadurch erhalten, dass er die auf ihren Tod gehaltene Gedächtnisspredigt, fast 24 Bogen stark, in Folio hat drucken lassen. – Das Rittergut selbst testamentirte sie dem einzigen Sohne ihrer schon verstorbenen Schwester, dem Bodo von Grossig aus dem Winkel; im Jahre 1752 besassen es noch drei Brüder dieser Familie (auf Nenkersdorf und Wettin). Doch diese verkauften es an den K. S. Hofrath von Reinhold, Oberamtmann zu Dresden. Nach dessen Tode ging es an seine beiden Söhne Jacob Christian von Reinhold, K. S. Kriegsgerichtsrath und Jacob Karl von Reinhold, K. S. Legationsrath über. Letzterer starb früher und hinterliess eine Tochter, Julie, und als Ersterer ohne Erben das Zeitliche segnete, so erbte diese, die sich mit den Kammerherrn Johann Ferdinand von Metzrad vermählt hatte, das Rittergut Zedtlitz. Nach dem Tode ihres Gemahls übergab sie es ihrem einzigen Sohne, Rudolph von Metzrad, der sich mit Fräulein Marie von Nostiz-Jänkendorf, Tochter des K. S. Staatsminister ausser Dienst und Probst’s zu Budissin, vermählte und noch jetzt Besitzer und Collator auf und zu Zedtlitz ist.
Das Dorf liegt etwa ⅝ Stunde von Borna, 1½ Stunde von Frohburg und erstreckt sich mit seinem obern Theile, der die Schule und Kirche enthält, auf einer nach Morgen sich hebenden Anhöhe an die von Leipzig über Borna, Frohburg und Penig nach Chemnitz führenden chaussirte Hauptstrasse, die alte ehemalige Reichsstrasse ins Böhmerland, die zu den fünf Stapelstrassen von Leipzig aus gerechnet wird, während der untere Theil desselben, mit dem Rittergute nach Abend zu an das rechte Ufer des Flüsschens Wyhra (was soviel als Grenzfluss heisst), sich erstreckt. Die weitere Umgebung besteht grösstentheils aus Sandhügeln und der grösste Reiz der Gegend ist eigentlich die hier ¼ Stunde breite Wyhraaue mit üppigen Wiesen und einigem Gehölze. Besonders hat das Rittergut eine höchst anmuthige Lage, während die Kirche gleichsam die Krone der Landschaft bildet. Die zum Rittergute gehörige, stark veredelte Schäferei liegt etwas südlicher vom Gehöfte, während noch etwas entfernter im Südwest die gutsherrliche Ziegelei sich befindet. Ausser dem gegen das Dorf hin sich ausbreitenden herrschaftlichen Zier- und Nutzgarten tragen auch die von mehreren Seiten nach dem Schlosse hinführenden Alleen und die Dämme in der Wyhraaue Vieles zur Annehmlichkeit der nächsten Umgebung bei. Innerhalb der Dorfflur, die übrigens mit Wenigen-Borna, Schöna, Neukirchen, Nenkersdorf, sowie mit Platecka und Raupenhain raint, nimmt auch die sich vielfach dahinschlängelnde Wyhra den kleinen Nenkersdorfer Bach auf, während sie nordöstlich an den grossen Staatsforst, das „Fürstenholz“ genannt, gränzt.
Unter den Gebäuden des Dorfs zeichnet sich zuvörderst der Gasthof aus, welcher seit dem Brande um 1838 ein neues, im modernsten Baustyle aufgeführtes Gebäude mit schönem Gesellschaftssaale ist, wo sich öfter ein Predigerverein, eine pomologische Gesellschaft und ein landwirthschaftlicher Verein zu versammeln pflegen und auch letztere wiederholt Ausstellungen veranstaltet haben. Der Besitzer derselben Friedrich Teichmann, Besitzer von Munkern, ist ein wissenschaftlich gebildeter Mann. Ebenfalls ist die hiesige Mahl- und Oelmühle hinsichtlich ihrer Betriebswerke beachtenswerth zu nennen; auch sie hatte das Missgeschick 1839 niederzubrennen. – Die Einwohner des Dorfs Zedtlitz, welche sich mit Ackerbau und Viehzucht vornehmlich beschäftigen und auf neun Anspännergüter, 16 Hintersässergüter und einige 30 Häuslernahrungen vertheilt sind, werden in zwei Gemeinden, nach der Lage des Orts in die obere und untere, getheilt, zu letzterer gehörte bis um 1840 auch das nahe Dorf Platecka, das jetzt eine eigne Gemeinde bildet.
Zur Chronik des Orts gehört endlich noch, dass er wegen seiner allzu nahen Lage an der Heerstrasse in allen Sachsen berührenden Kriegen gewaltig gelitten hat. So im Schwabenkriege 1377, im Hussitenkriege 1433, da die Hussiten auf dieser Strasse bis Leipzig vordrangen, im Bruderkriege, im dreissigjährigen Kriege, namentlich durch Gallas im Oct. 1632, sowie im siebenjährigen und endlich im letzten französischen Kriege, wo es am 10. Oct. 1813, abwechselnd von den Franzosen und Alliirten beschossen wurde und von Letztern endlich sogar, um den Pass der Strasse ganz zu gewinnen, mit Sturm genommen ward, wo es auch eine Plünderung und einiges Brennen zu erdulden hatte und wobei selbst das alte, damals schon baufällige Pfarrhaus nicht ganz verschont blieb.
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In der weiten, durch Wiesen und Busch in anmuthiger Abwechslung von Ortschaften verschönten Aue des rechten Ufers der Mulde, ¼ Stunde entfernt von der Theilung dieses Flusses in mehrere Aerme, welche auf Eilenburg, das sie gleichsam umschliessen, zueilen und zwar unmittelbar vor der Ausmündung des Thals der Lossa, die von hier aus, bedeutend breiter auf eine Stunde lang fast parallel mit dem Muldenufer durch Wiesen und Gehölze nach ihrer Mündung in diesen Fluss, oberhalb Eilenburg sich dahinschlängelt, liegt das alte Dorf Thallwitz, mit seinem Rittersitze. – Es darf aber keineswegs als das Stammschloss Derer von Dallwitz angesehen werden, wiewohl unser Thallwitz ebenfalls im Mittelalter also geschrieben vorkommt, da diese vielmehr aus dem alten Allod Dallwitz in der Mittelmark stammte.
Der Name Thallwitz, Tallwitz oder Thalwitz (alt: Dallwitz oder Dolewitz), ist unbedingt durch spätere deutschthümliche Schreibart ebenso wie die Mehrzahl unserer Ortsnamen, seiner ursprünglichen Entstehung entfremdet worden und hat seine Etymologie höchst wahrscheinlich in dem slavischen Dole: unter und wjes: Ortschaft (mit nicht an einander geschlossenen Höfen). – Die Gegend war zuverlässig bereits im Slaventhume von einiger Bedeutung, da der Filialort Wasewitz (wahrscheinlich vom slavischen Wasen: der Rechtsstreit) bis zum 24. Aug. 1650 einen eigenen Dingstuhl des Stifts zu Meissen besass. Interessant ist übrigens, dass bei dieser Deutung des Ortsnamens von Wasewitz mit Rücksicht auf den des nahgelegenen, dahin auch gepfarrten Canitz, – von Kani, die Busse –, ein eigenthümlicher Zusammenhang hervortritt, der durch die Bauanlage des erstern, mit Gassen und Marktplatz, noch mehr Vermuthung erhält.
Das hiesige Rittergut hat seine nicht unbedeutenden Fluren und liegenden Gründe zum Theil im Königreiche, zum Theil im preussischen Herzogthume Sachsen, indem die Grenze sich am westlichen Theile des Dorfs, zwischen dem nahgelegenen Collau nach Wasewitz in südwestlicher Richtung herabzieht, wo sie sich am Bührner-Werdt[3] immer etwas westlicher lenkt und jenseits der Mulde sich Püchau nähert. Das Schloss selbst, alt und etwas baufällig, mag wohl seine Entstehung den Bischöfen von Meissen verdanken und scheint zu verschiedenen Zeiten verschiedene Veränderungen erlitten zu haben. Indem es schon seit den 70ger Jahren des 18. Jahrh. zumeist unbewohnt war, so haben sich die Besitzer auch seltener um seinen baulichen Zustand bekümmert. Im Jahre 1787 widerfuhr jedoch diesem alterthümlichen Schlossbaue die ganz besondere Ehre, dass der Churfürst Friedrich August es zu seinem Standquartiere erkor, das er hier auf einige Tage nahm, um in der Nähe des grossen Lustlagers zu sein, das in der Fläche zwischen Wurzen und Eilenburg abgehalten wurde, bei welcher Gelegenheit er auch den Armen des Orts 50 Thlr. schenkte. Einer grösseren Beachtung hat sich aber der zum hiesigen Schlosse gehörige Garten mit seiner vortrefflichen Orangerie, die in neuester Zeit auch ein neues Winterhaus erhalten hat, stets erfreut. Diese Orangerie ist dem Vernehmen nach aus Nitzschwitz hierher gekommen. Das Rittergut Nitzschwitz nämlich, das damals dem bekannten Primierminister Grafen von Brühl (besten Andenkens?) gehörte, ward ebenfalls, wie alle Güter dieses missliebig arroganten Fürstengünstlings, der so lange unter dem furchtbarsten Scheine des Rechts und der Gesetzlichkeit vom Marke Sachsens zehrte, auf allerhöchste Ordre von dem preussischen Militär während des siebenjährigen Krieges feindselig behandelt, wobei die hiesige Orangerie versteigert ward. Dadurch erhielt der damalige Besitzer von Thallwitz, Graf von Hoym, Gelegenheit, sie um ein Billiges zu acquiriren. Uebrigens darf nicht unerwähnt bleiben, dass der hiesige anmuthige Schlossgarten weit und breit einen wirklichen und zwar nicht unverdienten Ruf hat, dass er aber auch dem Publikum möglichst zugänglich ist und dass namentlich an den Tagen, an welchen das Musikchor der Garnison Wurzen hier Concerte ankündigt, ein grosser Zusammenfluss von Gebildeten und Honoratioren aus der weiten Umgegend, ja sogar von Oschatz und Leipzig daselbst gesehen werden kann. – Was die Besitzer des hiesigen Guts betrifft, so ist vor Allem zu bemerken, dass es vor 1382 dem wurzner Collegiatstifte unmittelbar gehört haben und dann an Conrad von Schlieben für das burggräfliche Lehngut Grosspraussnitz bei Lommatzsch vertauscht worden sein soll, und dass es hierauf zu Anfange des 15. Jahrhunderts ein bischöflich-meissnisches Tafelgut geworden. Als solches ist es auch mit allen Rechten und Gewohnheiten, Zinsen und Nutzniesungen aller Pertinenzstücke in dem Register des Bisthums „de collacione episcopi misnensis“ unter „Districtus Worzen parrochie,“ unter den Namen Talwitz geführt worden. Doch soll es geschehen sein, das im Jahre 1502 der meissner Bischof Johann VI., der seine Schlösser zu Stolpen, Bischofswerda, Gödau, Nitzshwitz, Nemtau etc. in bessern Stand setzte, „Talewitz“ dem Ludwig von Canitz in Lehn gab. Diese Belehnung wird aber mit keiner Sylbe in dem bekannten „Epitome administrationis Johannis de Salhausen LII. Episcopi“ vom Jahre 1512 erwähnt, wie wohl „Talewitz“ wiederholt darin aufgeführt ist. Es heisst unter andern daselbst wörtlich: „Zu Bauss haben wir an örthern, da vor nichts wuchs, uffs neue eine wiese reumen und machen, und die andern Wiesen zu Pauss und Talewitz also aussbreiten lassen, dass uns reichlich alle iar noch eigs so vihl Heu wechst, als in der erste, do wir an dem Stiffte quamen, domit lassen wir die Schaff zu Pauss undt Talewitz nehren.“ Ferner: „Diese nachgeschriebenen Erbzins als neml. 4 silber ƒ 4 gr. zu Talewitz, 16 gr. zu Nitschwitz und 1 ƒ 36 gr. zu Retschitz haben wir ierlich unserm Stiffte mehr gemacht, dazuvor unser Stifft nichts hatte.“ – Auch geht aus diesem für die Geschichte der Besitzungen [21] des meissner Stifts so wichtigen Actenstücke hervor, dass dieser ungemein thätige und für die Nationalökonomie des Stifts Meissen so überaus sorgsame Bischof die Pfarrkirche zu Talewitz nebst denen zu „Nitschwitz, Pauss, Röcknitz und Nempft“ von Grund aus neu erbaute. – Im Jahre 1520 werden Heinrich und Christoph von Canitz auf Püchau und 1528 Gebrüder Hieronymus und Christoph von Canitz auch als Lehnsbesitzer von Th. genannt, sowie 1538 ein Christoph von Canitz, 1555 Friedrich und Hieronymus v. C, 1578 ein Hieronymus v. C, welcher 1590 20. Febr. (nach Andern erst 1592) starb. Auch soll dieser schon die Dörfer Collau und Zischwitz (die Zischwitzer Häuser) besessen haben. Uebrigens sicherte der Letztere sich sein Andenken in Th. dadurch, dass er das hiesige Diaconat stiftete, weshalb man auch noch heutigen Tags bemüht ist, sein Grabmahl im besten Stande und Schmucke zu erhalten. – Uebrigens wird berichtet, dass nach dessen Tod die Dörfer Thallwitz, Behlitz, Wasewitz und Doberschütz mit den zugehörigen Vorwerken, auch zwei Bauern zu Collau zum Amte Eilenburg gezogen worden sein sollen. Im Jahre 1592 wird als Lehnsbesitzer von Th. Christoph von Nitzschwiz zu Stauchau (wahrscheinlich die Wüstung bei Wurzen) Stifts-Hauptmann zu Wurzen, und 1602 Georg von Nitzschwitz genannt. Wann aber Die von Nitzschwitz, die bis 1450 auf Nitzschwitz vorkommen, im hiesigen Lehnsbesitze abgegangen sind, während sie noch bis zu Ende des 17. Jahrhunderts auf „Leutewitz, Deuda, Sornitz, Oppisch, Gröse, Reisen, Röcknitz, Treben, Trüntzig, Niederstein, Wermsdorff u. s. w.“ genannt werden, ist nicht aufs Jahr zu bestimmen. – Im Jahre 1612 und 1614 wird als Lehnbesitzer von Th. „Hans von Plötze,“ churf. Kammerjunker, genannt, und dieser soll es vom Churfürsten geschenkt erhalten haben. Im Jahre 1629 besassen es die Gebrüder Hans Georg, Hans Christian, Adrian Arnd (Arnold) und Hans Wilhelm von Plötz gemeinschaftlich, bis es im Jahre 1639 an den ältesten Bruder, Hans Georg, käuflich überging. Nach Denen von Plötz, die ihren Stammsitz auf Plötzke an der Elbe gehabt haben sollen, und im 16. Jahrh. noch im Brandenburg’schen, im 15. Jahrh. in Pommern vorkommen und noch früher beim Deutschen Orden in Preussen thätig waren, auch ausser Th. noch andere Lehnsbesitze im Meissnischen hatten, werden die von Holzendorf, die zu Anfange des 15. Jahrhunderts aus Brandenburg nach Meissen herüber gekommen waren, auf Thallwitz genannt. Als der erste aus diesem Geschlechte, welcher Th. besass, wird Christian Sigismund v. H., chursächsischer Kammerherr und Amtshauptmann zu Eilenburg und Düben im Jahre 1659 aufgeführt, und Christoph Sigismund v. H., ebenfalls Kammerherrn und Oberstallmeister, der 1715 gestorben, wird seit 1695 als Besitzer von Th. actlich erwähnt und im Jahre 1740 besass es ein Rittmeister von Holzendorf. Schiffner behauptet, dass auch Wolf von Werthern auf Frondorf und Pulsnitz und sein Sohn Gottlob Lehnsherrn zu Th. zu Ende des 17. Jahrhunderts gewesen seien. (?) – Seit 1752 erscheint die Wittwe des Geh. Raths Grafen von Hoym, die auch zugleich Ochsensaal, Stellen und Trebnitz im Besitz hatte, als Herrin von Thallwitz. Im Jahre 1775 starb hier Adolph Graf von Hoym als Erb- Lehn- und Gerichtsherr. Seit dieser Zeit wohnte jedoch die Gerichtsherrschaft nicht im hiesigen Schlosse; doch blieb es bei der gräflichen Familie von Hoym, bis endlich im Jahre 1818 das Gut die Fürstin Louise Henriette von Reuss-Ebersdorf, welche eine geborne Gräfin von Hoym war, erbte. Hierauf kam es an deren Tochter, an die Prinzessin Sophie Adelheid Henriette, geboren 28. Mai 1800 und vermählt am 18. April 1820 mit Heinrich LXVII., Prinzen von Reuss-Schleiz. Sie ist die jetzige Collatorin von vier geistlichen Stellen, dem Pastorate, dem Diaconate und Cantorate, sowie von dem Pastorate zu Sprottau, einen zum Gute Th. gehörigen preussischen Dorfe. – Bei der ehrbaren Mannschaft dienten die Besitzer von Th. mit 2½ Ritterpferd.
In einem neuern und weit bessern baulichen Stande sind die umfangreichen Wirthschaftsgebäude des Ritterguts, das zu den bedeutendsten in Sachsen gehört, welche am östlichen Ausgange des Dorfs sich befinden, auch eine durchgängig sehr zweckmässige Einrichtung und dabei eine wirklich symmetrische Anlage haben und die Wohnung des Rittergutspachters mit in sich begreifen. Das Rittergut Th. hat überdies noch eine grosse Schäferei zu Mölbitz und drei Vorwerke im preuss. Herzogth. Sachsen, von welchen Collau seit den 24. Sept. 1788 als ein besonderes mit Th. zwar combinirtes, aber mit allen thallwitzer Pertinenzstücken im Eilenburger Amte begabtes Rittergut behandelt ward. Zu Collau gehören die Vorwerke oder Hofmeiereien Bunitz und Mölbitz mit den Drescherhäusern, sowie die Dörfer Paschwitz, Sprottau und Collau, preussischen Antheils, sowie endlich 90 Hufen in den Marken Barnitz, Schöndorf und Wittro. Ausserdem besitzt das Rittergut noch schöne Holzung und Teichfischerei.
Das Dorf, das nur ⅛ Stunde von der preussischen Grenze entfernt ist, gehörte vor der Markeintheilung zum alten Gaue Queszizi, also zu Eilenburg und nicht zu Wurzen, das im Gaue Neletici lag. Als ein Theil des Wettiner Familengutes kam es mit diesem durch Conrad von Wettin zur Mark Meissen und gehörte von 1485 bis 1547 der ernestinischen und seit der Wittenberger Capitulation der albertinischen Linie. Im J. 1815 ging das Theilungsmesser des Wiener Congresses mitten durch sein Besitzthum.
Die hiesige Kirche, die sich ziemlich gut präsentirt, besonders mit ihrem nicht unbedeutenden Thurme und bei ihrer etwas erhöhten Lage weit gesehen wird, ist zum Theil, besonders der Chor, sehr alt; doch ist das Hauptschiff mit der untern Partie des Thurms vom meissnischen Bischöfe, Johannes von Salhausen, wie wir bereits angedeutet, neu erbaut und hat im Ganzen noch viel alterthümliches Gepräge. Nach einer Notiz des Pfarrarchivs ist der obere Theil des Thurms mit Haube erst 1699 aufgesetzt worden. – So enthält das Innere der Kirche auch mehrere Epitaphia von den früheren Gutsherren, unter denen zuletzt Graf Adolph von Hoym hier beigesetzt wurde. Ausserhalb der Kirche befinden sich ebenfalls noch einige bemerkenswerthe Epitaphien mit den Reliefbildnissen früherer Gutsherren in Lebensgrösse, unter denen sich die des letzten Hieronymus von Canitz und zweier von Nitzschwitz besonders auszeichnen. Sigismund Graf von Holzendorf vermachte der Kirche ein Legat von 200 Thlr., mit der Bedingung, dass mit den Zinsen die hiesige herrschaftliche Gruft in gutem Stande erhalten werden solle, während das Uebrigbleibende der Kirche bei ihrem Bedarfe zu Gute gehen solle. – Ein anderes [22] Legat zu 300 Thlr. ist von dem 1823 hier verstorbenen Gerichtsdirector Dr. Franz Wilhelm Friederici ausgesetzt, bei dem die Bedingung ist, sein auf hiesigem Kirchhofe befindliches Grabmal bestens zu erhalten und das Uebrige zum Besten der Kirche zu verwenden. – Auf den bei der Kirche befindlichen Gottesacker werden übrigens nur die Geistlichen, Cantoren und Gerichtsdirectoren beerdigt und diejenigen Parochianen, welche hierher ausserdem beerdigt sein wollen, haben an die Kirche 8 Thlr. zu entrichten. Die Kirche hat zwei Geistliche, einen Pfarrer, der früher Adjunct des Stiftssuperintendenten zu Wurzen war, und einen Diacon, der schon ursprünglich zugleich einen Theil des Schulamts mit zu verwalten hatte. Von den frühern Plebanen der hiesigen Pfarrkirche, die noch eine Filialkirche zu Wasewitz hat. wird 1464 Joh. Starck und Martin Wenzel, ein wurzener Vicar, genannt, der 1542 seines Amts entsetzt ward und an dessen Stelle der erste evangelische Pfarrer Mathias Calo kam. Der bekannteste Pfarrer zu Thallwitz ist aber unstreitig Matthäus Tragen, der sowohl mit seinem Patron Hieronymus von Canitz in sehr gutem Vernehmen, als auch bei dem letzten Bischofe von Meissen, Johannes von Haugwitz, in grosser Achtung stand, so dass dieser ihm im Jahre 1580 „fünf Männer- und Dreschergüter in Lehn gab,“ wodurch die Pfarrei Dotalgerichte über fünf Kleinbauern erhielt. Endlich ward Tragen im Jahre 1591 auf Mirus Vermittelung, weil er ein bedeutender Gegner der Kryptocalvinisten war, oder wie sich über ihn der wurzener Superintendent Daniel Schreiter ausspricht: „weil er denen calvinistischen Geistern gewaltig widersprochen und das Maul gestopfet“ als Hofprediger nach Dresden berufen. – Der wiederholt erwähnte Gutsherr von Th. Hieronymus von Canitz fundirte auch nach dem Jahre 1572, wahrscheinlich auf Tragens Antrieb, das Diaconat als obere Schulstelle. Es heisst deshalb in der Matrikel: „Da nur vorher ein Küster gehalten worden, mit welchen dann die liebe Jugent nicht allein übel bedacht, sondern auch, das man studierens und Anders geschweiget, in ihren Catechismo vnbelernt vnd vnbelebt geblieben vnd gleich den Tummen Vih aufgewachsen“ etc. Er übergab der Kirche ein Capital, wovon unter andern festgesetzten Einkünften dem Schulmeister oder „Diacono“ jährlich 40 Meissn. Gülden an Zinsen gereicht werden sollten. Seit dieser Zeit ist auch dem Diacon die Pflicht geblieben, den Unterricht der obern Classe der nicht unbedeutenden Schule zu versorgen. – Der erste im Jahre 1585 angestellte Diacon war Caspar Finke. Während des 30jährigen Krieges blieb die Stelle vacant und ward erst 1672 wieder besetzt. Seit 1836 ist das Diaconat abermals vacant, um die Einkünfte für den Bau eines neuen Diaconats- und Schulhauses zu sparen.
Das nicht unbedeutende Dorf hat jetzt 90 Feuerstellen mit 10 Hufen Rusticalboden und mit etwas über 600 Einwohnern, die sich mit Ackerbau beschäftigen und zum Theil auch beim hiesigen Rittergute als Tagelöhner genügende Arbeit finden. Zu Anfange der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts zählte Th. nur 30 Feuerstellen mit etwa 300 Einwohnern. Aus Bemerkungen in den alten Kirchenbüchern ist übrigens zu ersehen, dass der Ort während des 30jährigen Kriegs viel gelitten haben muss, besonders mag in den Jahren 1633 bis 1636 die Pest hier bedeutend gewüthet haben. Namentlich ersehen wir dies daraus, dass der mit Thallwitz wahrscheinlich stets combinirt gewesene Ort Siedewitz, wovon jetzt nur noch die Siedewitzmühle übrig, ganz ausgestorben und dadurch ein verödetes Dorf und endlich zu einer Mark geworden ist. Diese etwas östlich von Thallwitz an der Lossa gelegene Mühle, hinter der die Gegend sich hügliger gestaltet, weshalb auch unweit derselben eine alte herrschaftliche Weinbergsanlage sich befindet, gehört ebenfalls zum Rittergute und die Mark Siedewitz selbst blieb 1315 dem Königreiche Sachsen ganz reservirt. Als Dorf kommt die Siedewitz schon 1284 unter den Namen Zedewitz, später als Sedowitz und Sydewitz und zwar als ein zum Stift Wurzen gehöriger Ort vor. Durch den obern Theil des Dorfs fliesst der von Morgen herabkommende Lossabach, der am östlichen Ende des Orts einen Teich durchfliesst, und dann westlich noch zwei Mühlen, die Mittel- und Untermühle treibt. – Zu dem oberhalb der Siedewitzmühle gelegenen Weinberge führt ein anmuthiges Lustwäldchen, der Eichberg genannt, in den sich auch eine Maulbeerbaum-Allee befindet, die von einem Wurzner Seidenzüchter sehr benutzt ward. Eine zweite Weinbergsanlage ist oberhalb des westlichen Ausgangs des Dorfs und hier befindet sich auch ein kleines Presshaus. – Auf dem höchsten Punkte der nordwestlichen Anhöhe, wo eine Krähenhütte sich befindet, geniesst man eine schöne Aussicht auf die Gegend von Wurzen und Eilenburg, ja bis nach dem Colmberge bei Oschatz, namentlich aber über das Muldenthal von den Höhen bei Grimma bis zu den Niederungen bei Düben. Auf der südwestlichen Seite von Thallwitz zwischen der Mulde und der Erhebung des diesseitigen Muldenthals zog sich ehedem von Colla herauf die Waldung, Lauch genannt, die in alten Acten auch „Lauge“ geschrieben vorkommt. In ganz neuster Zeit ist der grösste Theil derselben niedergeschlagen und, nachdem sie bisher Staatseigenthum war, versteigert worden, um daraus Wiesen zu machen. Ursprünglich war der grösste Theil dieser Holzung bischöflich-meissnisch Eigenthum, wie wir auch aus folgender Stelle der Epitome Bischofs Johannes von Salhausen ersehen: Wir haben auch unserm Stiffte ein Stück Holtz zu Collau beim Lauge gelegen mit zweyen silbernen schocken, vnd zwantzig groschen ierlich erbzinse vor 100 ungarischen Gulden dreyssig silberne groschen gegeben; es ist aber dem Stiffte vor dreyhundert reynische gulden gar nicht zu gebenn.“ – Da nun von der Zeit an, wo Th. noch bischöfliches Tischgut war, die Geistlichen und der Schulmeister des Orts ihr Deputatholz aus dieser Holzung erhielten, diese Materiallieferung aber jetzt in eine Geldrente verwandelt ist, so erleiden bei den hohen Holzpreisen der Gegend diese Stellen einen grossen Verlust.
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Im Königreiche Sachsen giebt es zwei Rittergüter Wachau, das eine bei Radeberg, im Kreisdirectionsbezirke Dresden, das andere 1¾ Stunde südöstlich, auf der in der grossen Völkerschlacht denkwürdigen Hochebene von Leipzig gelegen. Das Letztere ist der Vorwurf dieser Zeilen.
Es ist schwer zu entscheiden, ob der Ort wirklich eine alte slavische Ansiedlung ist, oder ob er erst in der Zeit der Germanisirung des Pleissner Landes entstanden sei, wiewohl der Name „Wachau,“ alt Wachowe dafür sprechen könnte. In ganz alten Urkunden erscheint der Ort unsers Wissens nicht, sondern erst im 14. Jahrhundert. Auch ist die Bauanlage des Dorfs keine wirklich altslavische, da die Kirche im Dorfe liegt. – Zwar könnte man annehmen, dass der alte Name von dem slavischen Wacka, Kirchgang, entstanden sei und dass Wachau einer der ältesten christlichen Kirchorte gewesen, was man allerdings aus der Bauanlage des Orts sowohl, als auch aus der erhöhten Lage der Kirche weit eher vermuthen könnte. Hierzu kommt noch, dass die nächste Umgegend, ein Theil des alten Gaus Scudici, im Slaventhume schon sehr cultivirt war, indem das nahe Magdeborn bereits im Thietmar’schen Chronikon als renommirter Ort mit Schloss, Medeburun oder Medeborne genannt (im Gaue Chudizi), auch das benachbarte Gautzsch unter dem Namen Chotug als Stadt bereits im 11. Jahrhundert wiederholt erwähnt wird, und dass endlich in der allernächsten Umgebung von Wachau sogar viele Spuren von slavischen Grabstätten, besonders mehrfache Urnenlager aufgefunden worden sind. Letzteres und die Lage der Kirche spricht namentlich dafür, dass Wachau eine christliche Mission im Slavenlande war. – Die Etymologie von Boh, Bog oder Buh, Gott, liegt allerdings etwas entfernt, und es ist schwerlich ein so grosser Umlaut anzunehmen, da weder der alte Urkundenname, noch auch der jetzige Volksname dazu irgend eine Andeutung giebt.
Das hiesige Rittergut, welches ursprünglich von keiner zu grossen Bedeutung gewesen sein kann, weil es nur mit einem halben Ritterpferde diente, und in neuster Zeit erst der grösste Theil seiner Fluren nach und nach von neun angekauften Bauerngütern zusammen gebracht worden ist, besassen im 14. Jahrhunderte Die von Heinitz. Namentlich werden im Jahre 1377 Nicolaus und Heinrich, Gebrüder von Heinitz als die letzten Besitzer von Wachau aus diesem Geschlechte genannt, welche nebst ihrer Mutter Adelheid, die eigentlich ihr Leibgedinge auf Wachau (urkundlich Wochau) hatte, Nicolaus Haber, dem Abte des Klosters Ilgenthal zu Buch bei Leisnig das hiesige Gut mit Zubehör verkauften. Das Cistercienser-Stift blieb bis zur Reformation, wo das Kloster nach dem Tode des letzten Abts, Anthonius Dytz, im Jahre 1526 secularisirt ward, im Besitze von Wachau; urkundlich erscheint es als Klosterbesitz nochmals 1459 und es mag sich unter der Abtei Buch recht wohl befunden haben. Namentlich erfreuten sich die Wachauer einer grossen Erleichterung an nicht unbedeutenden Laudemien oder Lehngelderleistungen, und ihre Hauptleistungen bestanden mehr in Frohndiensten. Einer dergleichen Dienste war eine Spannefrohne, die darin bestand, dass die Frohnbauern zu Wachau den Bedarf des Klosters an Heringen und Stockfischen, eine damals sehr beliebte Klosterkost für den „Enthalt“ (d. i. Fasten) der Mönche vom Stapelplatze Leipzig bis nach Grimma zu transportiren hatten. In der nachreformatorischen Zeit der Verwendung und Verwerthung der Klostergüter kam Wachau vielleicht, als damals – statt der Orden – übliche Belohnung für Verdienst und Treue an den bekannten Rath der Churfürsten Johann Friedrich, Moritz und August, Hans von Ponickau (oder von Punicke) auf Pomsen, der 1536 bis 1573, in welchem Jahre dieser thätige Mann im 65. Jahre seines Alters das Zeitliche segnete, ein hochgeschätzter Staatsmann des Churfürstenthums Sachsen gewesen war. Sein Sohn Johann Georg von Ponickau, ebenfalls churf. Geheimrath und Amtshauptmann, erbte Wachau und von diesem, welcher keine Erben hatte, kam es an Tobias von Ponickau, der es aber am 31. Dec. 1582 an den Rath zu Leipzig verkaufte. Doch nicht lange blieb Wachau in diesem Besitze; denn bereits am 4. Juni 1585 ging es durch Kauf an den Leipziger Aedil oder Rathsbaumeister Kilian Kühlewein, und als dieser im Jahre 1589 ohne männliche Nachkommen starb, bis zum Jahre 1730 im Erbe auf die Verwandten Kühleweins über. Im Jahre 1592 kam es daher an Balthasar von Blasebalgk (oder Blasbalch) auf Lösnig, 1600 an die Gebrüder Balthasar (Balzer), Hans und Paul Christoph von Blasebalgk. Im Jahre 1619 gelangte Wachau an den Leipziger Aedil oder Baumeister Johann Vetzer, der 1633 ohne männliche Erben mit Tode abging. – Doch erst im Jahre 1635 traten die Geschwister Vetzer, Magdalene Elisabeth, verehlichte Hoff, Anna Sophia, verehlichte Mosbach, Rosine, verehlichte Kühlewein, und Jungfrau Regina Vetzer das Erbe ihres Vaters an. Im Jahre 1639 kam es durch die Verheirathung der jüngsten Tochter Vetzers, Regina, mit dem Obristwachtmeister Georg Nitzschky in deren Alleinbesitz, und im Jahre 1675 durch Erbschaft an die Söhne derselben, Hans Georg, Georg Ehrenreich, Carl und Wilhelm Nitzschky. Im Jahre 1692 besass es der jüngere Wilhelm Nitzschky allein, worauf es im Jahre 1712 sich an den Leipziger Oberhofgerichtsadvocaten Justus Gottlieb Rabener, dessen Mutter eine geborne Nitzschky war, vererbte, wodurch Wachau der Geburtsort unsers berühmten Satyrikers, Gottlieb Wilhelm Rabener, ward, der hier am 17. Sept. 1714 das Licht der Welt erblickte. Hier verlebte dieser geniale, scharfwitzige Mann auch seine ersten Jugendjahre, verliess aber im 14. Jahre sein elterliches Haus und kam 1728 auf die Landesschule nach Meissen, kehrte sechs Jahre darauf nach Leipzig zurück, um hier seine Studien zu vollenden. Noch zwei Jahre vergnügte er sich des Sonntags und während der Ferien in Wachau meist im Umgange mit Gärtner und Gellert, die öfters hier im Rabner’schen Familienkreise verweilten. – Im Jahre 1739 verkaufte sein Vater jedoch Wachau an den [24] Rathsassessor, nachmaligen Stadthauptmann, Balthasar Faber zu Leipzig, und nachdem dieser im Jahre 1735 mit Tode abging, besass es die Wittwe Christiane Sophia geborne Küstner. Im Jahre 1755 gelangte es an den Sohn Dr. Johann Balthasar Faber, und 1776 an den Eidam Dr. Quirin Gottlieb Schacher. Im Jahre 1801 erbte Wachau die Jungfrau Christiane Wilhelmine Schacher, doch noch in demselben Jahre kam es in den gemeinschaftlichen Besitz der Frau Susanne Christiane Henriette verwittweten Gräfin von Beust, gebornen von Born, Johann Balthasar Küstners, der Frau Dr. Regine Henriette Baumann, geborne Küstner, der verwittweten Dr. Christiane Wilhelmine Lastrop, geborne Küstner, und Johann Heinrich Küstners, die es noch im nämlichen Jahre an den durch sein grosses Tabaks-Geschäft, das er mit Mangelsdorf in Compagnie führte, so bekannten Kauf- und Handelsherrn Johann Gottlob Quandt zu Leipzig, der auch der Begründer der in der Leipziger Schlacht ruinirten Tabaksmühle war, verkauften. Als dieser im Jahre 1816 mit Tode abging, so erbte Wachau der als Kunstkenner und Kunstrichter so sehr bekannte Mäcen Johann Gottlob von Quandt, der es jedoch im Jahre 1820 an den Dr. juris C. G. Hillig in Leipzig verkaufte. Im Jahre 1830 gelangte Wachau jedoch an Johann August Böhme und das Jahr darauf kaufte es der Kreisoberforstmeister, Karl Heinrich Adolph von Leipziger, und von diesem Johann Gottlob Schulze, welcher es im Jahre 1850 an seine Frau Johanne Christiane Friederike Schulze geborne Heuschkel und diese bereits im Jahre 1853 endlich an die Geschwister Schulze vererbte.
Das hiesige Herrnhaus ist zwar keineswegs gross, aber doch zweckmässig gebaut und dabei schön eingerichtet. Es hat 18 Fenster Fronte und an der Gartenseite ist ein beachtenswerthes Gewächshaus, mit schöner Flor sowie einer zahlreichen und starken Orangerie, eingebaut. Dieses Herrenhaus nebst Pachterwohnung und die ebenfalls ganz massiv aufgeführten, zweckentsprechenden Wirthschaftsgebäude bilden einen geräumigen Hofraum, der an dem nordöstlichen Entree des Dorfs an der von Leipzig führenden Chaussee gelegen ist, während die Schäferei, Brauerei und Ziegelei ausserhalb des Dorfs sich befinden. Die Gutsfluren sind seit der 1837 veranstalteten Zusammenlegung fast sämmtlich in einen regelmässigen, dicht hinter dem Hofe beginnenden Flächenraum gebracht und bestehen in 212 Acker vorzüglich zu Raps- und Weizenbau geeigneter und nach einer regelmässigen Fruchtfolge dazu verwendeter Stücke, 27 Acker Wiesen, Gärten und Obstplantagen, sowie etwa 5 Acker an Holz, Teichen und Hofräumen. Der Viehbestand beträgt 13 Pferde, 70 Stück Rinder, 400 Stück Schaafe und 25 Stück Schweine. Auch hat das Gut bei der starken Brauerei einen Schank und Branntweinbrennerei und noch einige Grundstücke im Dorfe selbst. – Die Gutsgebäude sind überdies von drei Seiten mit geschmackvollen Parkanlagen und einem von seltenen und kräftig gediehenen und Strauchwerk ausgestatteten Lustgarten in englischen Geschmacke umgeben. Die Hauptzier des Gartens aber ist das von dem schon erwähnten frühern Besitzer, dem bekannten kunstsinnigen Johann Gottlob von Quandt (auf Dittersbach), aus Pietät für seine verewigte Mutter, die eigentliche Begründerin dieser Gartenanlagen, errichtete Denkmal, das aus Sandstein und Cararischem Marmor aufgeführt und mit trefflichen Sculpturen verziert ist. Eine wirkliche Merkwürdigkeit dieses herrschaftlichen Gartens ist überdies die am südlichen Ende des Gartens stehende, allbekannte und deshalb auch vielfach besuchte und bestiegene sogenannte Napoleonslinde, die von allen Besuchern der nahen Wahlstatt der Leipziger Schlacht des Jahres 1813 gewiss nie ungesehen gelassen wird. Diese Linde, welche, ihrer Stärke und dem Umfange ihrer Aeste nach zu urtheilen, von hohem Alter ist, trägt auf ihren höhern Astpartieen eine ziemlich geräumige Gallerie, zu der eine 60 Stufen hohe, um den Stamm des Baumes sich windende Treppe führt. Von hier aus geniesst man eine vorteilhafte Aussicht auf den grössten Theil des grossen Schlachtfeldes, sowie auf Leipzig und eine grosse Menge kleinerer Städte und Ortschaften, namentlich auch auf die schöne Aue der Pleisse bis gegen Altenburg und dessen Schloss, auf die in blauer Ferne sich erhebende Kette des Erzgebirges, das hohe steile Hügelland, sowie auf den Rochlitzer Berg und den Petersberg bei Halle, ja sogar an hellen Abenden am fernen Horizont auf den Brocken mit der Heinrichshöhe und über dem Höhenzug des Erzgebirgs auf einige Berge des fernen Böhmens. Die Aussicht ist, mit einem Worte gesagt, reizend von diesem denkwürdigen Punkte, der die vom 16. bis zum 19. October 1813 hier losgelassene, fürchterlichhausende Kriegsfurie der grossen Völkerschlacht theilnahmlos sah. Während dieser ewig denkwürdigen Schlacht, die über das Schicksal des grössten Helden Europas im 19. Jahrhunderte mit gewaltiger Rechte die eisernen Würfel warf, mit Donnergebrüll ihre Blitze gegen ihn schleuderte und die nur sieggewohnte grosse Armee, die von den Eisfeldern des beleidigten nordischen Riesen verscheucht über Leipzig ihren schmachvollen Rückzug nahm, so nachdrucksvoll schlug, ist dieser Punkt von den Marschällen und Generälen des von der Abendsonne des Ruhms beschienenen Corsen, sowie der Alliirten wiederholt[WS 1] bestiegen worden; ja, Napoleon selbst soll von hier aus mehrmals die Stellung der Schlachtreihen überblickt und gedankenvoll seine düstern Blicke auf den grossen Spielplan der Entscheidung entsendet haben.
- ↑ Gegen die 5% Zinsen von 275 Thlrn. Capital, das die Püchau’sche Herrschaft als Entschädigung gab.
- ↑ Im Jahre 1469 hat Bischof Dietrich von Meissen zwischen Jacoff Spiegel und Fritzsche Kekeritz wegen eines Kaufs des Krugs (der Schenke) und einer Wiese entschieden.
- ↑ Wahrscheinlich von einem Lager der Hussiten so genannt.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: winderholt
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