Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Wachau (Leipzig)

Textdaten
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Autor: Wilhelm Schäfer
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Titel: Wachau
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aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 23–24
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Wachau.


Im Königreiche Sachsen giebt es zwei Rittergüter Wachau, das eine bei Radeberg, im Kreisdirectionsbezirke Dresden, das andere 1¾ Stunde südöstlich, auf der in der grossen Völkerschlacht denkwürdigen Hochebene von Leipzig gelegen. Das Letztere ist der Vorwurf dieser Zeilen.

Es ist schwer zu entscheiden, ob der Ort wirklich eine alte slavische Ansiedlung ist, oder ob er erst in der Zeit der Germanisirung des Pleissner Landes entstanden sei, wiewohl der Name „Wachau,“ alt Wachowe dafür sprechen könnte. In ganz alten Urkunden erscheint der Ort unsers Wissens nicht, sondern erst im 14. Jahrhundert. Auch ist die Bauanlage des Dorfs keine wirklich altslavische, da die Kirche im Dorfe liegt. – Zwar könnte man annehmen, dass der alte Name von dem slavischen Wacka, Kirchgang, entstanden sei und dass Wachau einer der ältesten christlichen Kirchorte gewesen, was man allerdings aus der Bauanlage des Orts sowohl, als auch aus der erhöhten Lage der Kirche weit eher vermuthen könnte. Hierzu kommt noch, dass die nächste Umgegend, ein Theil des alten Gaus Scudici, im Slaventhume schon sehr cultivirt war, indem das nahe Magdeborn bereits im Thietmar’schen Chronikon als renommirter Ort mit Schloss, Medeburun oder Medeborne genannt (im Gaue Chudizi), auch das benachbarte Gautzsch unter dem Namen Chotug als Stadt bereits im 11. Jahrhundert wiederholt erwähnt wird, und dass endlich in der allernächsten Umgebung von Wachau sogar viele Spuren von slavischen Grabstätten, besonders mehrfache Urnenlager aufgefunden worden sind. Letzteres und die Lage der Kirche spricht namentlich dafür, dass Wachau eine christliche Mission im Slavenlande war. – Die Etymologie von Boh, Bog oder Buh, Gott, liegt allerdings etwas entfernt, und es ist schwerlich ein so grosser Umlaut anzunehmen, da weder der alte Urkundenname, noch auch der jetzige Volksname dazu irgend eine Andeutung giebt.

Das hiesige Rittergut, welches ursprünglich von keiner zu grossen Bedeutung gewesen sein kann, weil es nur mit einem halben Ritterpferde diente, und in neuster Zeit erst der grösste Theil seiner Fluren nach und nach von neun angekauften Bauerngütern zusammen gebracht worden ist, besassen im 14. Jahrhunderte Die von Heinitz. Namentlich werden im Jahre 1377 Nicolaus und Heinrich, Gebrüder von Heinitz als die letzten Besitzer von Wachau aus diesem Geschlechte genannt, welche nebst ihrer Mutter Adelheid, die eigentlich ihr Leibgedinge auf Wachau (urkundlich Wochau) hatte, Nicolaus Haber, dem Abte des Klosters Ilgenthal zu Buch bei Leisnig das hiesige Gut mit Zubehör verkauften. Das Cistercienser-Stift blieb bis zur Reformation, wo das Kloster nach dem Tode des letzten Abts, Anthonius Dytz, im Jahre 1526 secularisirt ward, im Besitze von Wachau; urkundlich erscheint es als Klosterbesitz nochmals 1459 und es mag sich unter der Abtei Buch recht wohl befunden haben. Namentlich erfreuten sich die Wachauer einer grossen Erleichterung an nicht unbedeutenden Laudemien oder Lehngelderleistungen, und ihre Hauptleistungen bestanden mehr in Frohndiensten. Einer dergleichen Dienste war eine Spannefrohne, die darin bestand, dass die Frohnbauern zu Wachau den Bedarf des Klosters an Heringen und Stockfischen, eine damals sehr beliebte Klosterkost für den „Enthalt“ (d. i. Fasten) der Mönche vom Stapelplatze Leipzig bis nach Grimma zu transportiren hatten. In der nachreformatorischen Zeit der Verwendung und Verwerthung der Klostergüter kam Wachau vielleicht, als damals – statt der Orden – übliche Belohnung für Verdienst und Treue an den bekannten Rath der Churfürsten Johann Friedrich, Moritz und August, Hans von Ponickau (oder von Punicke) auf Pomsen, der 1536 bis 1573, in welchem Jahre dieser thätige Mann im 65. Jahre seines Alters das Zeitliche segnete, ein hochgeschätzter Staatsmann des Churfürstenthums Sachsen gewesen war. Sein Sohn Johann Georg von Ponickau, ebenfalls churf. Geheimrath und Amtshauptmann, erbte Wachau und von diesem, welcher keine Erben hatte, kam es an Tobias von Ponickau, der es aber am 31. Dec. 1582 an den Rath zu Leipzig verkaufte. Doch nicht lange blieb Wachau in diesem Besitze; denn bereits am 4. Juni 1585 ging es durch Kauf an den Leipziger Aedil oder Rathsbaumeister Kilian Kühlewein, und als dieser im Jahre 1589 ohne männliche Nachkommen starb, bis zum Jahre 1730 im Erbe auf die Verwandten Kühleweins über. Im Jahre 1592 kam es daher an Balthasar von Blasebalgk (oder Blasbalch) auf Lösnig, 1600 an die Gebrüder Balthasar (Balzer), Hans und Paul Christoph von Blasebalgk. Im Jahre 1619 gelangte Wachau an den Leipziger Aedil oder Baumeister Johann Vetzer, der 1633 ohne männliche Erben mit Tode abging. – Doch erst im Jahre 1635 traten die Geschwister Vetzer, Magdalene Elisabeth, verehlichte Hoff, Anna Sophia, verehlichte Mosbach, Rosine, verehlichte Kühlewein, und Jungfrau Regina Vetzer das Erbe ihres Vaters an. Im Jahre 1639 kam es durch die Verheirathung der jüngsten Tochter Vetzers, Regina, mit dem Obristwachtmeister Georg Nitzschky in deren Alleinbesitz, und im Jahre 1675 durch Erbschaft an die Söhne derselben, Hans Georg, Georg Ehrenreich, Carl und Wilhelm Nitzschky. Im Jahre 1692 besass es der jüngere Wilhelm Nitzschky allein, worauf es im Jahre 1712 sich an den Leipziger Oberhofgerichtsadvocaten Justus Gottlieb Rabener, dessen Mutter eine geborne Nitzschky war, vererbte, wodurch Wachau der Geburtsort unsers berühmten Satyrikers, Gottlieb Wilhelm Rabener, ward, der hier am 17. Sept. 1714 das Licht der Welt erblickte. Hier verlebte dieser geniale, scharfwitzige Mann auch seine ersten Jugendjahre, verliess aber im 14. Jahre sein elterliches Haus und kam 1728 auf die Landesschule nach Meissen, kehrte sechs Jahre darauf nach Leipzig zurück, um hier seine Studien zu vollenden. Noch zwei Jahre vergnügte er sich des Sonntags und während der Ferien in Wachau meist im Umgange mit Gärtner und Gellert, die öfters hier im Rabner’schen Familienkreise verweilten. – Im Jahre 1739 verkaufte sein Vater jedoch Wachau an den [24] Rathsassessor, nachmaligen Stadthauptmann, Balthasar Faber zu Leipzig, und nachdem dieser im Jahre 1735 mit Tode abging, besass es die Wittwe Christiane Sophia geborne Küstner. Im Jahre 1755 gelangte es an den Sohn Dr. Johann Balthasar Faber, und 1776 an den Eidam Dr. Quirin Gottlieb Schacher. Im Jahre 1801 erbte Wachau die Jungfrau Christiane Wilhelmine Schacher, doch noch in demselben Jahre kam es in den gemeinschaftlichen Besitz der Frau Susanne Christiane Henriette verwittweten Gräfin von Beust, gebornen von Born, Johann Balthasar Küstners, der Frau Dr. Regine Henriette Baumann, geborne Küstner, der verwittweten Dr. Christiane Wilhelmine Lastrop, geborne Küstner, und Johann Heinrich Küstners, die es noch im nämlichen Jahre an den durch sein grosses Tabaks-Geschäft, das er mit Mangelsdorf in Compagnie führte, so bekannten Kauf- und Handelsherrn Johann Gottlob Quandt zu Leipzig, der auch der Begründer der in der Leipziger Schlacht ruinirten Tabaksmühle war, verkauften. Als dieser im Jahre 1816 mit Tode abging, so erbte Wachau der als Kunstkenner und Kunstrichter so sehr bekannte Mäcen Johann Gottlob von Quandt, der es jedoch im Jahre 1820 an den Dr. juris C. G. Hillig in Leipzig verkaufte. Im Jahre 1830 gelangte Wachau jedoch an Johann August Böhme und das Jahr darauf kaufte es der Kreisoberforstmeister, Karl Heinrich Adolph von Leipziger, und von diesem Johann Gottlob Schulze, welcher es im Jahre 1850 an seine Frau Johanne Christiane Friederike Schulze geborne Heuschkel und diese bereits im Jahre 1853 endlich an die Geschwister Schulze vererbte.

Das hiesige Herrnhaus ist zwar keineswegs gross, aber doch zweckmässig gebaut und dabei schön eingerichtet. Es hat 18 Fenster Fronte und an der Gartenseite ist ein beachtenswerthes Gewächshaus, mit schöner Flor sowie einer zahlreichen und starken Orangerie, eingebaut. Dieses Herrenhaus nebst Pachterwohnung und die ebenfalls ganz massiv aufgeführten, zweckentsprechenden Wirthschaftsgebäude bilden einen geräumigen Hofraum, der an dem nordöstlichen Entree des Dorfs an der von Leipzig führenden Chaussee gelegen ist, während die Schäferei, Brauerei und Ziegelei ausserhalb des Dorfs sich befinden. Die Gutsfluren sind seit der 1837 veranstalteten Zusammenlegung fast sämmtlich in einen regelmässigen, dicht hinter dem Hofe beginnenden Flächenraum gebracht und bestehen in 212 Acker vorzüglich zu Raps- und Weizenbau geeigneter und nach einer regelmässigen Fruchtfolge dazu verwendeter Stücke, 27 Acker Wiesen, Gärten und Obstplantagen, sowie etwa 5 Acker an Holz, Teichen und Hofräumen. Der Viehbestand beträgt 13 Pferde, 70 Stück Rinder, 400 Stück Schaafe und 25 Stück Schweine. Auch hat das Gut bei der starken Brauerei einen Schank und Branntweinbrennerei und noch einige Grundstücke im Dorfe selbst. – Die Gutsgebäude sind überdies von drei Seiten mit geschmackvollen Parkanlagen und einem von seltenen und kräftig gediehenen und Strauchwerk ausgestatteten Lustgarten in englischen Geschmacke umgeben. Die Hauptzier des Gartens aber ist das von dem schon erwähnten frühern Besitzer, dem bekannten kunstsinnigen Johann Gottlob von Quandt (auf Dittersbach), aus Pietät für seine verewigte Mutter, die eigentliche Begründerin dieser Gartenanlagen, errichtete Denkmal, das aus Sandstein und Cararischem Marmor aufgeführt und mit trefflichen Sculpturen verziert ist. Eine wirkliche Merkwürdigkeit dieses herrschaftlichen Gartens ist überdies die am südlichen Ende des Gartens stehende, allbekannte und deshalb auch vielfach besuchte und bestiegene sogenannte Napoleonslinde, die von allen Besuchern der nahen Wahlstatt der Leipziger Schlacht des Jahres 1813 gewiss nie ungesehen gelassen wird. Diese Linde, welche, ihrer Stärke und dem Umfange ihrer Aeste nach zu urtheilen, von hohem Alter ist, trägt auf ihren höhern Astpartieen eine ziemlich geräumige Gallerie, zu der eine 60 Stufen hohe, um den Stamm des Baumes sich windende Treppe führt. Von hier aus geniesst man eine vorteilhafte Aussicht auf den grössten Theil des grossen Schlachtfeldes, sowie auf Leipzig und eine grosse Menge kleinerer Städte und Ortschaften, namentlich auch auf die schöne Aue der Pleisse bis gegen Altenburg und dessen Schloss, auf die in blauer Ferne sich erhebende Kette des Erzgebirges, das hohe steile Hügelland, sowie auf den Rochlitzer Berg und den Petersberg bei Halle, ja sogar an hellen Abenden am fernen Horizont auf den Brocken mit der Heinrichshöhe und über dem Höhenzug des Erzgebirgs auf einige Berge des fernen Böhmens. Die Aussicht ist, mit einem Worte gesagt, reizend von diesem denkwürdigen Punkte, der die vom 16. bis zum 19. October 1813 hier losgelassene, fürchterlichhausende Kriegsfurie der grossen Völkerschlacht theilnahmlos sah. Während dieser ewig denkwürdigen Schlacht, die über das Schicksal des grössten Helden Europas im 19. Jahrhunderte mit gewaltiger Rechte die eisernen Würfel warf, mit Donnergebrüll ihre Blitze gegen ihn schleuderte und die nur sieggewohnte grosse Armee, die von den Eisfeldern des beleidigten nordischen Riesen verscheucht über Leipzig ihren schmachvollen Rückzug nahm, so nachdrucksvoll schlug, ist dieser Punkt von den Marschällen und Generälen des von der Abendsonne des Ruhms beschienenen Corsen, sowie der Alliirten wiederholt[WS 1] bestiegen worden; ja, Napoleon selbst soll von hier aus mehrmals die Stellung der Schlachtreihen überblickt und gedankenvoll seine düstern Blicke auf den grossen Spielplan der Entscheidung entsendet haben.

Dr. Wilhelm Schäfer.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: winderholt