Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Thallwitz

Textdaten
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Autor: Wilhelm Schäfer
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Titel: Thallwitz
Untertitel:
aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 20–22
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Thallwitz, auch Thalwitz.


In der weiten, durch Wiesen und Busch in anmuthiger Abwechslung von Ortschaften verschönten Aue des rechten Ufers der Mulde, ¼ Stunde entfernt von der Theilung dieses Flusses in mehrere Aerme, welche auf Eilenburg, das sie gleichsam umschliessen, zueilen und zwar unmittelbar vor der Ausmündung des Thals der Lossa, die von hier aus, bedeutend breiter auf eine Stunde lang fast parallel mit dem Muldenufer durch Wiesen und Gehölze nach ihrer Mündung in diesen Fluss, oberhalb Eilenburg sich dahinschlängelt, liegt das alte Dorf Thallwitz, mit seinem Rittersitze. – Es darf aber keineswegs als das Stammschloss Derer von Dallwitz angesehen werden, wiewohl unser Thallwitz ebenfalls im Mittelalter also geschrieben vorkommt, da diese vielmehr aus dem alten Allod Dallwitz in der Mittelmark stammte.

Der Name Thallwitz, Tallwitz oder Thalwitz (alt: Dallwitz oder Dolewitz), ist unbedingt durch spätere deutschthümliche Schreibart ebenso wie die Mehrzahl unserer Ortsnamen, seiner ursprünglichen Entstehung entfremdet worden und hat seine Etymologie höchst wahrscheinlich in dem slavischen Dole: unter und wjes: Ortschaft (mit nicht an einander geschlossenen Höfen). – Die Gegend war zuverlässig bereits im Slaventhume von einiger Bedeutung, da der Filialort Wasewitz (wahrscheinlich vom slavischen Wasen: der Rechtsstreit) bis zum 24. Aug. 1650 einen eigenen Dingstuhl des Stifts zu Meissen besass. Interessant ist übrigens, dass bei dieser Deutung des Ortsnamens von Wasewitz mit Rücksicht auf den des nahgelegenen, dahin auch gepfarrten Canitz, – von Kani, die Busse –, ein eigenthümlicher Zusammenhang hervortritt, der durch die Bauanlage des erstern, mit Gassen und Marktplatz, noch mehr Vermuthung erhält.

Das hiesige Rittergut hat seine nicht unbedeutenden Fluren und liegenden Gründe zum Theil im Königreiche, zum Theil im preussischen Herzogthume Sachsen, indem die Grenze sich am westlichen Theile des Dorfs, zwischen dem nahgelegenen Collau nach Wasewitz in südwestlicher Richtung herabzieht, wo sie sich am Bührner-Werdt[1] immer etwas westlicher lenkt und jenseits der Mulde sich Püchau nähert. Das Schloss selbst, alt und etwas baufällig, mag wohl seine Entstehung den Bischöfen von Meissen verdanken und scheint zu verschiedenen Zeiten verschiedene Veränderungen erlitten zu haben. Indem es schon seit den 70ger Jahren des 18. Jahrh. zumeist unbewohnt war, so haben sich die Besitzer auch seltener um seinen baulichen Zustand bekümmert. Im Jahre 1787 widerfuhr jedoch diesem alterthümlichen Schlossbaue die ganz besondere Ehre, dass der Churfürst Friedrich August es zu seinem Standquartiere erkor, das er hier auf einige Tage nahm, um in der Nähe des grossen Lustlagers zu sein, das in der Fläche zwischen Wurzen und Eilenburg abgehalten wurde, bei welcher Gelegenheit er auch den Armen des Orts 50 Thlr. schenkte. Einer grösseren Beachtung hat sich aber der zum hiesigen Schlosse gehörige Garten mit seiner vortrefflichen Orangerie, die in neuester Zeit auch ein neues Winterhaus erhalten hat, stets erfreut. Diese Orangerie ist dem Vernehmen nach aus Nitzschwitz hierher gekommen. Das Rittergut Nitzschwitz nämlich, das damals dem bekannten Primierminister Grafen von Brühl (besten Andenkens?) gehörte, ward ebenfalls, wie alle Güter dieses missliebig arroganten Fürstengünstlings, der so lange unter dem furchtbarsten Scheine des Rechts und der Gesetzlichkeit vom Marke Sachsens zehrte, auf allerhöchste Ordre von dem preussischen Militär während des siebenjährigen Krieges feindselig behandelt, wobei die hiesige Orangerie versteigert ward. Dadurch erhielt der damalige Besitzer von Thallwitz, Graf von Hoym, Gelegenheit, sie um ein Billiges zu acquiriren. Uebrigens darf nicht unerwähnt bleiben, dass der hiesige anmuthige Schlossgarten weit und breit einen wirklichen und zwar nicht unverdienten Ruf hat, dass er aber auch dem Publikum möglichst zugänglich ist und dass namentlich an den Tagen, an welchen das Musikchor der Garnison Wurzen hier Concerte ankündigt, ein grosser Zusammenfluss von Gebildeten und Honoratioren aus der weiten Umgegend, ja sogar von Oschatz und Leipzig daselbst gesehen werden kann. – Was die Besitzer des hiesigen Guts betrifft, so ist vor Allem zu bemerken, dass es vor 1382 dem wurzner Collegiatstifte unmittelbar gehört haben und dann an Conrad von Schlieben für das burggräfliche Lehngut Grosspraussnitz bei Lommatzsch vertauscht worden sein soll, und dass es hierauf zu Anfange des 15. Jahrhunderts ein bischöflich-meissnisches Tafelgut geworden. Als solches ist es auch mit allen Rechten und Gewohnheiten, Zinsen und Nutzniesungen aller Pertinenzstücke in dem Register des Bisthums „de collacione episcopi misnensis“ unter „Districtus Worzen parrochie,“ unter den Namen Talwitz geführt worden. Doch soll es geschehen sein, das im Jahre 1502 der meissner Bischof Johann VI., der seine Schlösser zu Stolpen, Bischofswerda, Gödau, Nitzshwitz, Nemtau etc. in bessern Stand setzte, „Talewitz“ dem Ludwig von Canitz in Lehn gab. Diese Belehnung wird aber mit keiner Sylbe in dem bekannten „Epitome administrationis Johannis de Salhausen LII. Episcopi“ vom Jahre 1512 erwähnt, wie wohl „Talewitz“ wiederholt darin aufgeführt ist. Es heisst unter andern daselbst wörtlich: „Zu Bauss haben wir an örthern, da vor nichts wuchs, uffs neue eine wiese reumen und machen, und die andern Wiesen zu Pauss und Talewitz also aussbreiten lassen, dass uns reichlich alle iar noch eigs so vihl Heu wechst, als in der erste, do wir an dem Stiffte quamen, domit lassen wir die Schaff zu Pauss undt Talewitz nehren.“ Ferner: „Diese nachgeschriebenen Erbzins als neml. 4 silber ƒ 4 gr. zu Talewitz, 16 gr. zu Nitschwitz und 1 ƒ 36 gr. zu Retschitz haben wir ierlich unserm Stiffte mehr gemacht, dazuvor unser Stifft nichts hatte.“ – Auch geht aus diesem für die Geschichte der Besitzungen [21] des meissner Stifts so wichtigen Actenstücke hervor, dass dieser ungemein thätige und für die Nationalökonomie des Stifts Meissen so überaus sorgsame Bischof die Pfarrkirche zu Talewitz nebst denen zu „Nitschwitz, Pauss, Röcknitz und Nempft“ von Grund aus neu erbaute. – Im Jahre 1520 werden Heinrich und Christoph von Canitz auf Püchau und 1528 Gebrüder Hieronymus und Christoph von Canitz auch als Lehnsbesitzer von Th. genannt, sowie 1538 ein Christoph von Canitz, 1555 Friedrich und Hieronymus v. C, 1578 ein Hieronymus v. C, welcher 1590 20. Febr. (nach Andern erst 1592) starb. Auch soll dieser schon die Dörfer Collau und Zischwitz (die Zischwitzer Häuser) besessen haben. Uebrigens sicherte der Letztere sich sein Andenken in Th. dadurch, dass er das hiesige Diaconat stiftete, weshalb man auch noch heutigen Tags bemüht ist, sein Grabmahl im besten Stande und Schmucke zu erhalten. – Uebrigens wird berichtet, dass nach dessen Tod die Dörfer Thallwitz, Behlitz, Wasewitz und Doberschütz mit den zugehörigen Vorwerken, auch zwei Bauern zu Collau zum Amte Eilenburg gezogen worden sein sollen. Im Jahre 1592 wird als Lehnsbesitzer von Th. Christoph von Nitzschwiz zu Stauchau (wahrscheinlich die Wüstung bei Wurzen) Stifts-Hauptmann zu Wurzen, und 1602 Georg von Nitzschwitz genannt. Wann aber Die von Nitzschwitz, die bis 1450 auf Nitzschwitz vorkommen, im hiesigen Lehnsbesitze abgegangen sind, während sie noch bis zu Ende des 17. Jahrhunderts auf „Leutewitz, Deuda, Sornitz, Oppisch, Gröse, Reisen, Röcknitz, Treben, Trüntzig, Niederstein, Wermsdorff u. s. w.“ genannt werden, ist nicht aufs Jahr zu bestimmen. – Im Jahre 1612 und 1614 wird als Lehnbesitzer von Th. „Hans von Plötze,“ churf. Kammerjunker, genannt, und dieser soll es vom Churfürsten geschenkt erhalten haben. Im Jahre 1629 besassen es die Gebrüder Hans Georg, Hans Christian, Adrian Arnd (Arnold) und Hans Wilhelm von Plötz gemeinschaftlich, bis es im Jahre 1639 an den ältesten Bruder, Hans Georg, käuflich überging. Nach Denen von Plötz, die ihren Stammsitz auf Plötzke an der Elbe gehabt haben sollen, und im 16. Jahrh. noch im Brandenburg’schen, im 15. Jahrh. in Pommern vorkommen und noch früher beim Deutschen Orden in Preussen thätig waren, auch ausser Th. noch andere Lehnsbesitze im Meissnischen hatten, werden die von Holzendorf, die zu Anfange des 15. Jahrhunderts aus Brandenburg nach Meissen herüber gekommen waren, auf Thallwitz genannt. Als der erste aus diesem Geschlechte, welcher Th. besass, wird Christian Sigismund v. H., chursächsischer Kammerherr und Amtshauptmann zu Eilenburg und Düben im Jahre 1659 aufgeführt, und Christoph Sigismund v. H., ebenfalls Kammerherrn und Oberstallmeister, der 1715 gestorben, wird seit 1695 als Besitzer von Th. actlich erwähnt und im Jahre 1740 besass es ein Rittmeister von Holzendorf. Schiffner behauptet, dass auch Wolf von Werthern auf Frondorf und Pulsnitz und sein Sohn Gottlob Lehnsherrn zu Th. zu Ende des 17. Jahrhunderts gewesen seien. (?) – Seit 1752 erscheint die Wittwe des Geh. Raths Grafen von Hoym, die auch zugleich Ochsensaal, Stellen und Trebnitz im Besitz hatte, als Herrin von Thallwitz. Im Jahre 1775 starb hier Adolph Graf von Hoym als Erb- Lehn- und Gerichtsherr. Seit dieser Zeit wohnte jedoch die Gerichtsherrschaft nicht im hiesigen Schlosse; doch blieb es bei der gräflichen Familie von Hoym, bis endlich im Jahre 1818 das Gut die Fürstin Louise Henriette von Reuss-Ebersdorf, welche eine geborne Gräfin von Hoym war, erbte. Hierauf kam es an deren Tochter, an die Prinzessin Sophie Adelheid Henriette, geboren 28. Mai 1800 und vermählt am 18. April 1820 mit Heinrich LXVII., Prinzen von Reuss-Schleiz. Sie ist die jetzige Collatorin von vier geistlichen Stellen, dem Pastorate, dem Diaconate und Cantorate, sowie von dem Pastorate zu Sprottau, einen zum Gute Th. gehörigen preussischen Dorfe. – Bei der ehrbaren Mannschaft dienten die Besitzer von Th. mit 2½ Ritterpferd.

In einem neuern und weit bessern baulichen Stande sind die umfangreichen Wirthschaftsgebäude des Ritterguts, das zu den bedeutendsten in Sachsen gehört, welche am östlichen Ausgange des Dorfs sich befinden, auch eine durchgängig sehr zweckmässige Einrichtung und dabei eine wirklich symmetrische Anlage haben und die Wohnung des Rittergutspachters mit in sich begreifen. Das Rittergut Th. hat überdies noch eine grosse Schäferei zu Mölbitz und drei Vorwerke im preuss. Herzogth. Sachsen, von welchen Collau seit den 24. Sept. 1788 als ein besonderes mit Th. zwar combinirtes, aber mit allen thallwitzer Pertinenzstücken im Eilenburger Amte begabtes Rittergut behandelt ward. Zu Collau gehören die Vorwerke oder Hofmeiereien Bunitz und Mölbitz mit den Drescherhäusern, sowie die Dörfer Paschwitz, Sprottau und Collau, preussischen Antheils, sowie endlich 90 Hufen in den Marken Barnitz, Schöndorf und Wittro. Ausserdem besitzt das Rittergut noch schöne Holzung und Teichfischerei.

Das Dorf, das nur ⅛ Stunde von der preussischen Grenze entfernt ist, gehörte vor der Markeintheilung zum alten Gaue Queszizi, also zu Eilenburg und nicht zu Wurzen, das im Gaue Neletici lag. Als ein Theil des Wettiner Familengutes kam es mit diesem durch Conrad von Wettin zur Mark Meissen und gehörte von 1485 bis 1547 der ernestinischen und seit der Wittenberger Capitulation der albertinischen Linie. Im J. 1815 ging das Theilungsmesser des Wiener Congresses mitten durch sein Besitzthum.

Die hiesige Kirche, die sich ziemlich gut präsentirt, besonders mit ihrem nicht unbedeutenden Thurme und bei ihrer etwas erhöhten Lage weit gesehen wird, ist zum Theil, besonders der Chor, sehr alt; doch ist das Hauptschiff mit der untern Partie des Thurms vom meissnischen Bischöfe, Johannes von Salhausen, wie wir bereits angedeutet, neu erbaut und hat im Ganzen noch viel alterthümliches Gepräge. Nach einer Notiz des Pfarrarchivs ist der obere Theil des Thurms mit Haube erst 1699 aufgesetzt worden. – So enthält das Innere der Kirche auch mehrere Epitaphia von den früheren Gutsherren, unter denen zuletzt Graf Adolph von Hoym hier beigesetzt wurde. Ausserhalb der Kirche befinden sich ebenfalls noch einige bemerkenswerthe Epitaphien mit den Reliefbildnissen früherer Gutsherren in Lebensgrösse, unter denen sich die des letzten Hieronymus von Canitz und zweier von Nitzschwitz besonders auszeichnen. Sigismund Graf von Holzendorf vermachte der Kirche ein Legat von 200 Thlr., mit der Bedingung, dass mit den Zinsen die hiesige herrschaftliche Gruft in gutem Stande erhalten werden solle, während das Uebrigbleibende der Kirche bei ihrem Bedarfe zu Gute gehen solle. – Ein anderes [22] Legat zu 300 Thlr. ist von dem 1823 hier verstorbenen Gerichtsdirector Dr. Franz Wilhelm Friederici ausgesetzt, bei dem die Bedingung ist, sein auf hiesigem Kirchhofe befindliches Grabmal bestens zu erhalten und das Uebrige zum Besten der Kirche zu verwenden. – Auf den bei der Kirche befindlichen Gottesacker werden übrigens nur die Geistlichen, Cantoren und Gerichtsdirectoren beerdigt und diejenigen Parochianen, welche hierher ausserdem beerdigt sein wollen, haben an die Kirche 8 Thlr. zu entrichten. Die Kirche hat zwei Geistliche, einen Pfarrer, der früher Adjunct des Stiftssuperintendenten zu Wurzen war, und einen Diacon, der schon ursprünglich zugleich einen Theil des Schulamts mit zu verwalten hatte. Von den frühern Plebanen der hiesigen Pfarrkirche, die noch eine Filialkirche zu Wasewitz hat. wird 1464 Joh. Starck und Martin Wenzel, ein wurzener Vicar, genannt, der 1542 seines Amts entsetzt ward und an dessen Stelle der erste evangelische Pfarrer Mathias Calo kam. Der bekannteste Pfarrer zu Thallwitz ist aber unstreitig Matthäus Tragen, der sowohl mit seinem Patron Hieronymus von Canitz in sehr gutem Vernehmen, als auch bei dem letzten Bischofe von Meissen, Johannes von Haugwitz, in grosser Achtung stand, so dass dieser ihm im Jahre 1580 „fünf Männer- und Dreschergüter in Lehn gab,“ wodurch die Pfarrei Dotalgerichte über fünf Kleinbauern erhielt. Endlich ward Tragen im Jahre 1591 auf Mirus Vermittelung, weil er ein bedeutender Gegner der Kryptocalvinisten war, oder wie sich über ihn der wurzener Superintendent Daniel Schreiter ausspricht: „weil er denen calvinistischen Geistern gewaltig widersprochen und das Maul gestopfet“ als Hofprediger nach Dresden berufen. – Der wiederholt erwähnte Gutsherr von Th. Hieronymus von Canitz fundirte auch nach dem Jahre 1572, wahrscheinlich auf Tragens Antrieb, das Diaconat als obere Schulstelle. Es heisst deshalb in der Matrikel: „Da nur vorher ein Küster gehalten worden, mit welchen dann die liebe Jugent nicht allein übel bedacht, sondern auch, das man studierens und Anders geschweiget, in ihren Catechismo vnbelernt vnd vnbelebt geblieben vnd gleich den Tummen Vih aufgewachsen“ etc. Er übergab der Kirche ein Capital, wovon unter andern festgesetzten Einkünften dem Schulmeister oder „Diacono“ jährlich 40 Meissn. Gülden an Zinsen gereicht werden sollten. Seit dieser Zeit ist auch dem Diacon die Pflicht geblieben, den Unterricht der obern Classe der nicht unbedeutenden Schule zu versorgen. – Der erste im Jahre 1585 angestellte Diacon war Caspar Finke. Während des 30jährigen Krieges blieb die Stelle vacant und ward erst 1672 wieder besetzt. Seit 1836 ist das Diaconat abermals vacant, um die Einkünfte für den Bau eines neuen Diaconats- und Schulhauses zu sparen.

Das nicht unbedeutende Dorf hat jetzt 90 Feuerstellen mit 10 Hufen Rusticalboden und mit etwas über 600 Einwohnern, die sich mit Ackerbau beschäftigen und zum Theil auch beim hiesigen Rittergute als Tagelöhner genügende Arbeit finden. Zu Anfange der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts zählte Th. nur 30 Feuerstellen mit etwa 300 Einwohnern. Aus Bemerkungen in den alten Kirchenbüchern ist übrigens zu ersehen, dass der Ort während des 30jährigen Kriegs viel gelitten haben muss, besonders mag in den Jahren 1633 bis 1636 die Pest hier bedeutend gewüthet haben. Namentlich ersehen wir dies daraus, dass der mit Thallwitz wahrscheinlich stets combinirt gewesene Ort Siedewitz, wovon jetzt nur noch die Siedewitzmühle übrig, ganz ausgestorben und dadurch ein verödetes Dorf und endlich zu einer Mark geworden ist. Diese etwas östlich von Thallwitz an der Lossa gelegene Mühle, hinter der die Gegend sich hügliger gestaltet, weshalb auch unweit derselben eine alte herrschaftliche Weinbergsanlage sich befindet, gehört ebenfalls zum Rittergute und die Mark Siedewitz selbst blieb 1315 dem Königreiche Sachsen ganz reservirt. Als Dorf kommt die Siedewitz schon 1284 unter den Namen Zedewitz, später als Sedowitz und Sydewitz und zwar als ein zum Stift Wurzen gehöriger Ort vor. Durch den obern Theil des Dorfs fliesst der von Morgen herabkommende Lossabach, der am östlichen Ende des Orts einen Teich durchfliesst, und dann westlich noch zwei Mühlen, die Mittel- und Untermühle treibt. – Zu dem oberhalb der Siedewitzmühle gelegenen Weinberge führt ein anmuthiges Lustwäldchen, der Eichberg genannt, in den sich auch eine Maulbeerbaum-Allee befindet, die von einem Wurzner Seidenzüchter sehr benutzt ward. Eine zweite Weinbergsanlage ist oberhalb des westlichen Ausgangs des Dorfs und hier befindet sich auch ein kleines Presshaus. – Auf dem höchsten Punkte der nordwestlichen Anhöhe, wo eine Krähenhütte sich befindet, geniesst man eine schöne Aussicht auf die Gegend von Wurzen und Eilenburg, ja bis nach dem Colmberge bei Oschatz, namentlich aber über das Muldenthal von den Höhen bei Grimma bis zu den Niederungen bei Düben. Auf der südwestlichen Seite von Thallwitz zwischen der Mulde und der Erhebung des diesseitigen Muldenthals zog sich ehedem von Colla herauf die Waldung, Lauch genannt, die in alten Acten auch „Lauge“ geschrieben vorkommt. In ganz neuster Zeit ist der grösste Theil derselben niedergeschlagen und, nachdem sie bisher Staatseigenthum war, versteigert worden, um daraus Wiesen zu machen. Ursprünglich war der grösste Theil dieser Holzung bischöflich-meissnisch Eigenthum, wie wir auch aus folgender Stelle der Epitome Bischofs Johannes von Salhausen ersehen: Wir haben auch unserm Stiffte ein Stück Holtz zu Collau beim Lauge gelegen mit zweyen silbernen schocken, vnd zwantzig groschen ierlich erbzinse vor 100 ungarischen Gulden dreyssig silberne groschen gegeben; es ist aber dem Stiffte vor dreyhundert reynische gulden gar nicht zu gebenn.“ – Da nun von der Zeit an, wo Th. noch bischöfliches Tischgut war, die Geistlichen und der Schulmeister des Orts ihr Deputatholz aus dieser Holzung erhielten, diese Materiallieferung aber jetzt in eine Geldrente verwandelt ist, so erleiden bei den hohen Holzpreisen der Gegend diese Stellen einen grossen Verlust.

Dr. Wilhelm Schäfer.     




  1. Wahrscheinlich von einem Lager der Hussiten so genannt.