Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Gnandstein

Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Gnandstein
Untertitel:
aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 25–28
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Gnandstein.


Das Schloss Gnandstein, ein Bild des grauen Alterthums, liegt an der einstmaligen berühmten Peter-Paulsstrasse, die im Mittelalter von Böhmen und Baiern nach dem Osterlande und der alten Messstadt Naumburg führte, zwei Stunden von der herzoglichen Residenzstadt Altenburg entfernt, auf einem isolirten Prophyrfelsen. Nur wenige Schlösser Sachsens sind vom Zahne der Zeit und der Zerstörung menschlicher Kräfte so verschont geblieben wie Gnandstein; noch haften die gewaltigen Mauern fest und sicher auf ihrem Felsengrunde, obgleich viele Jahrhunderte an ihnen vorübergezogen sind. Romantisch und anmuthig bietet sich von der Höhe des Schlosses eine Aussicht in das weithingespaltene Thal mit dem Dorfe Gnandstein, während am Fusse des umfangreichen Felsens, welcher die Veste trägt, das Flüsschen Wyhra zwischen schattigen Baumgruppen und üppigen Wiesen sich hinschlängelt und der Landschaft einen neuen Reiz verleiht. So unschuldig das Flüsschen auch bei gewöhnlichem Wasserstande erscheint, kann es doch bei Gelegenheit einen sehr bösartigen Charakter annehmen; namentlich nach heftigen Regengüssen tritt der schäumende Wasserstrom aus seinen ziemlich tief eingewühlten, zerklüfteten Ufern, und richtet dann nicht wenig Verheerungen an.

Nach dem Schlosse hinauf windet sich ein breiter Fahrweg bis an das niedere in Felsen gesprengte Thor, welches früher mit Graben und Zugbrücke verwahrt, nach dem Vorhofe führt, aus dem man durch ein zweites, seitwärts angebrachtes Thor in den eigentlichen Burghof gelangt. Im vorderen Hofe befinden sich ein gewaltiges, aus dem Felsen herausgearbeitetes Gewölbe, das als Pferdestall benutzt wird, sowie verschiedene Eingänge zu einer Anzahl gleichfalls aus dem Gestein gebrochener Keller und weiten Räume, in deren einem sich der finstere Schlund eines zweihundert Ellen tiefen, jetzt nicht mehr gebrauchten Brunnens öffnet. Hohe, schöne Wendeltreppen führen aus dem inneren[WS 1] Hofe nach den zahlreichen Gemächern des Schlosses, die, bei aller Eleganz, mit welcher die Neuzeit sie ausgestattet, dennoch mit ihren hohen, zum Theil gewölbten Decken und tiefen Fensternieschen an die Zeit erinnern, wo Sporenklirren und Waffengeräusch, oder das lustige Anklingen mächtiger Trinkgefässe, die ehrwürdigen, weiten Hallen belebte. – Nahe dem äusseren Thore, welches durch hohe mit Zinnen gekrönte Streichwehren vertheidigt wurde, erhebt sich der neunzig Ellen hohe, altersgraue Wartthurm mit seinen acht Ellen starken Mauern, ohne Zweifel das älteste Gebäu der Burg, dessen Zinnen theilweise, der Alles vernichtenden Zeit zum Opfer gefallen sind. Hochoben im Thurme befindet sich noch ein ziemlich geräumiges Gemach, in dem früher der Burgwart hauste. Die dem Wartthurme zunächst stehenden Theile des Schlosses – offenbar die ältesten – sind ziemlich verfallen, doch erkennt man noch darin den einstmaligen Rittersaal, durch dessen unverwahrte Fensteröffnungen jetzt Sturm und Wetter ungehindert ihren Einzug halten. Den Fussboden deckt noch ein ziemlich wohlerhaltener Estrich.

Ehrfurchtsvoller Schauer ergreift den Besucher des Schlosses Gnandstein bei Eintritt in die kunstreich gewölbte, in Kreuzesform erbaute Kapelle, welche, sich weit hindehnend, in einen thurmartigen Halbkreis ausläuft. Der vordere Theil der Kapelle enthält die Ahnenbilder des Einsiedelschen Geschlechts, dessen Wiege die Burg ist, seit länger als einem halben Jahrtausend. – Ernst blicken sie von der Wand herab, die stolzen finsteren Rittergestalten und die bleichen kalten Frauenantlitze, als wollten sie den Beschauer an die Vergänglichkeit aller irdischen Güter mahnen. Sie Alle, die einst in grauer Vorzeit an dieser heiligen Stätte beteten, des Lebens Freuden und Leiden fühlten in den ehrwürdigen Mauern ihres Stammhauses, sie Alle sind in Staub zerfallen und schlummern in der uralten Dorfkirche, wo ihre, aus Stein gehauenen Bilder in Lebensgrösse gleich erstarrten Wächtern über den Ahnengrüften des edlen Geschlechts stehen, dessen Name auf Erden fast ein Jahrtausend hindurch so vielmal mit Ehren genannt worden ist.

Zwei Reihen holzgeschnitzter Kirchstühle sind durch einen Gang getrennt, der nach dem Chore führt. Hier befinden sich nächst der mit Schnitzwerk verzierten Kanzel, drei prachtvolle mit Gold und Bildwerk reichgeschmückte Altäre, sowie in den Fenstern alte werthvolle Glasmalereien. In der Kapelle zu Gnandstein pflegte Luther bei seinen Besuchen auf dem Schlosse bisweilen zu predigen, denn der Burgherr war sein Freund und ein eifriger Beförderer der Reformation. – An den vorderen Kirchstühlen sind drei hölzerne Figuren, zwei männliche und eine weibliche, zur Erinnerung an ein interessantes Familienereigniss angebracht, von dem wir später berichten wollen. – Der Dorfpfarrer ist zugleich Schlossprediger, und hat gegen ein nicht ablösbares Einkommen als solcher die Verpflichtung, auf Verlangen des Schlossherrn den Gottesdienst in der Burgkapelle zu versehen, und alle in der Familie desselben erforderlichen, kirchlichen Akte zu verrichten.

Ueber die älteste Geschichte des Schlosses herrscht völliges Dunkel. Die Behauptung alter Geschichtschreiber, dass Graf Wipprecht von Groitzsch [26] Eigenthümer und wohl gar Erbauer Gnandsteins gewesen sei, ist gänzlich unbegründet, gleichwie die Sage, der Graf habe mit dem Burgherrn auf Gnandstein in Fehde gelebt, das Schloss durch Verrätherei in seine Gewalt bekommen, und das Hauptgebäude aufzuführen begonnen; ehe jedoch der Bau zum Ende gediehen, sei der vertriebene Burgherr zurückgekehrt, und durch einen glücklichen Sturm wiederum in Besitz der Burg Gnandstein gelangt. Die erste historische Erwähnung des Schlosses geschieht in einer Urkunde des Landgrafen Heinrich von Thüringen, wo ein Henricus camerarius de Gnannenstein als Zeuge angeführt ist; dreissig Jahre später zeichnete sich Günther de Gnannenstein in dem Kriege Albrechts des Unartigen mit seinen Söhnen als tüchtiger Kriegsmann aus, ebenso werden zwei Conrade von Gnannenstein sowie ein Dietrich von Gnannenstein genannt, von denen Letzterer in das Torgauer Herrengeschlecht heirathete, und ein Conrad und Heinrich von Gnannenstein schenkten 1236 dem Kloster Buch das Dorf Lautenhain bei Rochlitz; ob aber diese Ritter von Gnannenstein dem Geschlechte der Einsiedel angehörten, und nach der Sitte damaliger Zeit sich nach ihrem Schlosse nannten, ist nicht zu ermitteln, obgleich mancher Grund dafür spricht, dass sie einer anderen Familie angehörten. Conrad von Einsiedel wird 1365 genannt, seine Gemahlin war eine geborene von Hohlbach, und dieser wird als der Stammvater aller noch blühenden, gräflichen und freiherrlichen Linien der Familie Einsiedel betrachtet.

Die Familie von Einsiedel, welche seit dem vierzehnten Jahrhundert in unmittelbarster Beziehung zur Geschichte des Sachsenlandes steht, leitet ihre Abstammung von den Grafen von Sulgan her, mit welcher zugleich eine uralte interessante Familiensage zusammenhängt, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten dürfen. Kaiser Lothar I. soll nämlich den Himmel um einen Sohn gebeten, und das Gelübde gethan haben, wenn sein Flehen erhört würde, denselben der Kirche zu weihen. Des Kaisers Bitte ging in Erfüllung, und als der Knabe zum Jüngling heran gewachsen war, zog er in die Wildniss, baute sich eine Klause und lebte als Waldbruder. Nach einigen Jahren erwachte indessen in dem kaiserlichen Einsiedler die Sehnsucht nach ritterlichem Werke, er verliess also heimlich die Waldzelle, verschaffte sich ein Ross sammt einer guten Rüstung und nahm kurz vor einer Schlacht Dienste im Heere des Kaisers, seines Vaters. Im Treffen benahm sich nun der Einsiedler so tapfer, dass er vom Kaiser nicht unbemerkt blieb, der nach gewonnener Schlacht den fremden Kriegsmann zu sich bescheiden liess, und mit freudiger Ueberraschung in ihm seinen Sohn, dem Klausner erkannte, welcher bald darauf vom Papste des geistlichen Gelübdes entbunden und vom Kaiser zum Grafen von Sulgan erhoben wurde; den Einsiedler mit Hacke und Rosenkranz aber nahm er als Wappenbild an. – Die Einsiedel gehörten früher zu den mächtigsten und einflussreichsten Adelsfamilien Sachsens, hatten bereits im Jahre 1450 die Böhmische Dynasten- und Freiherrendignität, und siegelten in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts mit rothem Wachse, als Zeichen besonderer Begnadigung und hoher Würde. Uebrigens verbreiteten sich die Einsiedel über Ungarn, Böhmen, Preussen und Anhalt.

Hildebrand von Einsiedel, ein schlauer gewandter Mann, war Hofmarschall des Churfürsten Friedrich, den die Geschichte wohl mit Unrecht den Sanftmüthigen nennt, und eine seiner Schwester, Anna, die Gemahlin des Prinzenräubers Kunz von Kaufungen, die nach ihres Herrn Tode auf einem in der Nähe von Gnandstein gelegenen Vorwerke, ihrem Leibgedinge, lebte und auch daselbst starb, in der Kirche zu Kohren aber begraben liegt. Die andere Schwester, Elisabeth war mit Helfreich von Meckau auf Kohren vermählt, der einige seiner, im Altenburgischen Lande gelegenen Güter, nicht, wie man allgemein glaubt, wegen seiner Betheilung am Prinzenraube, oder weil er den Ritter Kaufungen in der Nacht vor dem Raube auf der Burg Kohren beherbergte, verlor, sondern wegen seiner ritterlichen Selbsthülfe. Im sogenannten Bruderkriege hatten nämlich Kriegsleute des Churfürsten ein ihm zustehendes Haus in Gnandstein, sowie mehrere zum Leibgedinge seiner Frau gehörige Güter zerstört und verwüstet, deshalb sandte Helfreich von Meckau dem Churfürsten einen Fehdebrief, stürmte am 8. Juli 1451 die Stadt Altenburg und liess Feuer in die Gebäude werfen, wodurch das ganze Bartholomäuskirchspiel von den Flammen verzehrt wurde. Die Rache des Churfürsten blieb nicht aus, und die Helfreichschen Güter fielen durch Hildebrands von Einsiedel Einfluss an Georg von Meckau, Helfreichs Vetter, doch musste er der Gemahlin des vorigen Besitzers bis zu deren Tode die Nutzniessung überlassen. Nach diesen Ereignissen scheinen die Meckaus sich in Sachsen nicht mehr wohlbefunden zu haben, denn schon im Jahre 1453 kaufte Hiidebrand von Einsiedel alle Meckauische Güter, die indessen wohl grösstentheils zum Leibgedinge seiner Schwester Elisabeth gehört haben mochten, an sich, und die Meckaus wandten sich nach Oesterreich.

Hildebrand von Einsiedel vereinigte mehrere angekaufte Vorwerke, wie das zu Walditz, welches einem Ritter von Hopfgarten zustand, sowie ein anderes, das Carl von Taupadel gehörte, mit Sahlis, und gründete auf diese Art das jetzige Rittergut Sahlis, worüber er 1455 die Gesammtbelehnung erhielt. Als Helfreich von Meckau im Jahre 1458 mit Tode abging, suchten dessen Brüder Melchior, Caspar und Balthasar ihre Ansprüche an Kohren, das jetzt dem Hofmarschall gehörte, zwar geltend zu machen, sie liessen sich jedoch durch einen zu Grimma abgeschlossenen Vergleich zufrieden stellen, und begnügten sich mit einer Abfindungssumme von vierhundert alten Schocken. Im Jahre 1455 kaufte Hildebrand von Einsiedel das Kirchlehn und Erbgericht zu Flemmingen und Frommsdorf von Hans von Kaufungen, wodurch die noch jetzt bestehenden Gerechtsame des Rittergutes Sahlis in diesen beiden Ortschaften herrühren, und erwarb 1459 noch das Dorf Langenleube-Oberhain, mit allen Zinsen und Gerichten. Als einer der reichsten Ritter des Landes starb Hildebrand von Einsiedel 1461 auf seinem Stammschlosse Gnandstein und wurde in der dasigen Ortskirche beigesetzt, wo seine steinerne Rittergestalt noch jetzt über der Erbgruft zu sehen ist.

Die sehr bedeutenden Güter des Hofmarschalls von Einsiedel, darunter Gnandstein, Wolftitz, Sahlis, Syhra und Scharfenstein, gingen auf dessen Sohn Heinrich über, der Dienstags nach dem St. Thomastage vom Churfürsten Friedrich dem Sanftmüthigen damit belehnt wurde, und gleich darauf im sechsundzwanzigsten Jahre seines Alters nach Palästina zog, um dort am heiligen Grabe die Ritterwürde zu erlangen. Späterhin leistete dieser Heinrich von Einsiedel, den fürstlichen Brüdern Ernst und Albrecht grosse Dienste, und brachte die Theilung der väterlichen Länder zwischen ihnen zu Stande (1485). Da die Gebrüder Heinrich und Wenzel von Rüdigsdorf noch einige Ansprüche an das Kohrener [27] Burglehn besassen, so kaufte Heinrich von Einsiedel ihnen durch eine Summe Geldes nicht nur diese Anrechte, sondern auch einen Theil des Vorwerks Rüdigsdorf nebst etlichen Zinsen zu Neumörbitz, Schönbach, Meusdorf und Linda ab. Heinrich von Einsiedel starb 1507, und hinterlies drei Söhne, Haubold, Heinrich und Abraham. Er war dreimal verheirathet, einmal mit Catharina von Schönberg auf Rothschönberg, dann mit Margarethe von Schleinitz und endlich mit Ilse von Schönberg auf Stallberg, die ihren Gemahl überlebte, und verschiedene Jahre als Oberhofmeisterin am churfürstlichen Hofe zubrachte. Der älteste dieser drei Söhne, Haubold, führte während der Minderjährigkeit Heinrichs und Abrahams deren Vormundschaft. Er war geistlichen Standes und Domherr zu Naumburg, bekannte sich aber später zur lutherischen Kirche und starb im Jahre 1522. Heinrich und Abraham zeichneten sich durch ihren Eifer für die neue Lehre aus, und Ersterer, ein sehr gelehrter Mann, führte mit Luther, Melanchthon und Bugenhagen, einen sehr gehaltvollen Briefwechsel, von dem das Archiv des Schlosses noch einen Theil aufbewahrt. Interessant ist auch ein Brieflein von Catharina von Bora, Doctor Martin Luthers Wittwe, an ihre Schwägerin Christine von Bora, worin sie dieselbe ersucht, den Ritter Heinrich um Verwendung für ihren Neffen, Florian von Bora, anzugehen, der sich um ein Wittenberger Stipendium beworben habe. Das ebenfalls nach vorhandene Dankschreiben des jungen Florian beweist, dass Heinrich von Einsiedel ihm das gewünschte Stipendium verschaffte. Luther vergass auf der Reise nach seinem Gütchen Zeilsdorf niemals, auch bei seinem lieben und ehrenfesten Junkherrn auf dem Gnandsteine einzusprechen, und oft predigte er in der Schlosskapelle, wie auch in der Dorfkirche, welche letztere sein Freund Lucas Kranach mit einem Bilde schmückte. Die Belehnung mit den ererbten, väterlichen Gütern empfingen die Brüder im Jahre 1508, und zwar vom Churfürsten Friedrich über Kohren, Sahlis, Hopfgarten und Wolftitz; vom Herzog Georg dem Bärtigen über Syhra, Scharfenstein und einige kleinere Besitzungen; vom Burggrafen Hugo von Leissnig über Gnandstein, und vom Abte zu Chemnitz über Elbisbach und Dittersdorf. Durch den 1553 erfolgten Tod eines Vetters, Valentin von Einsiedel, kamen die Brüder auch in Besitz des Rittergutes Priessnitz.

Bereits im Jahre 1532 hatten die Brüder Heinrich und Abraham von Einsiedel die Absicht, sich in die väterlichen Güter zu theilen, dieselbe kam indessen erst 1534 zur Ausführung, wo auf dem Schlosse Scharfenstein der Vertrag geschlossen wurde, dass Heinrich Gnandstein, Priessnitz und Syhra, Abraham hingegen Scharfenstein, Wolftitz und Sahlis mit Kohren besitzen sollte. Von dieser Zeit an betrachtete man nicht mehr, wie bisher Gnandstein und Sahlis als ein Gut. Abraham von Einsiedel wohnte auf dem Schlosse Scharfenstein und starb 1568. Die Kirche in Albersdorf birgt seine Reste. – Heinrich von Einsiedel war einer der reichsten Ritter Sachsens; er besass neun Söhne und fünf Töchter, konnte aber doch jedem der Ersteren ein Rittergut hinterlassen. Wegen seiner eifrigen Hinneigung zur Reformation musste er vom Herzog Georg viel Unbill leiden, und sich namentlich manche Vermögensverkürzung gefallen lassen; der wackere Ritter aber blieb standhaft, sorgte väterlich für seine Unterthanen durch testamentarische Verfügungen und Vermächtnisse, die noch in der Gegenwart segensreich fortwirken, und starb 1557 auf seinem Schlosse Gnandstein zur tiefen Betrübniss aller guten Menschen. Heinrich von Einsiedel war es, auf dessen Frage: „ob nach Annahme der Reformation die Bauern noch Frohnen thun sollten?“ Luther die tröstliche Antwort gab: „jawohl! denn wenn der Bauer nicht muss, so rührt er weder Hand noch Fuss!“ doch rieth er dem Ritter zur Herabsetzung gewisser Steuern, und namentlich des Lehngeldes, welches auch bis in die neuste Zeit auf einen halben Gülden reducirt blieb.

Zur Zeit dieses Heinrichs von Einsiedel war es, wo Kaiser Karl V. auf seinem Zuge gegen Churfürst Friedrich den Grossmüthigen (1547) am Gnandstein vorüberzog, und auf dem Schlosse zu rasten wünschte. Der Burgherr war in nicht geringer Verlegenheit, nicht weil es an irgend Etwas zur geeigneten Aufnahme des kaiserlichen Herrn gefehlt hätte, sondern weil seine Tochter Elisabeth so eben mit einem Herrn von Schönberg zum Altar gehen sollte, und die Burg mit Hochzeitsgästen angefüllt war. Schon betrat des Kaisers Ross die Zugbrücke, als der Schlossherr, gefolgt von den bestürzten Gästen dem Monarchen entgegenkam und ihn ehrerbietig willkommen hiess. Aber der Kaiser bemerkte sehr bald, dass er zu unrechter Zeit angelangt sein müsse, und bald erfuhr er den Grund der allgemeinen Verlegenheit, sowie die vom Schlossherrn angeordnete Verschiebung des unterbrochenen Familienfestes. Der Kaiser gab das nicht zu, der Hochzeitszug musste sich ordnen, und der katholische Monarch reichte der Braut den eigenen Arm, um sie nach der Kapelle zu führen, wo er der nach protestantischem Ritus stattfindenden Trauung bis zum Schlusse beiwohnte, und alsdann am Hochzeitschmause theilnahm. Zur Erinnerung an diesen charakteristischen Zug Karls V. liess der hocherfreute Ritter Heinrich an dem Kirchenstuhle, welchen der vornehme Brautführer einnahm, dessen geschnitztes Bild und Namen, am nebenstehenden Stuhle aber die Bilder des Brautpaares anbringen. Noch heute heisst das Zimmer, in dem Karl V. übernachtete, und zum Andenken seinen Namen in eine Fensterscheibe grub, die Kaiserstube, daher dies Gemach hochgehalten und nur solchen Gästen eingeräumt wird, die man vorzüglich ehren will.

Im Jahre 1632 wurde das Schloss von schwedischen Truppen in Brand gesteckt, baldige Hülfe verhütete indessen grossen Schaden. Nach der Volkssage soll einst ein unterirdischer Gang die beiden Burgen Gnandstein und Kohren verbunden haben, und wirklich scheint dieselbe nicht unbegründet zu sein, indem man vor nicht langer Zeit unter dem Schlosse Gnandstein in der Richtung nach Kohren hin, einen verfallenen gemauerten Gang entdeckt hat. – Die alten Chronisten erzählen, dass der ganze Länderstrich von Wolkenstein bis weit über Borna hinab den Einsiedeln meist eigenthümlich zugehörte. Noch jetzt befinden sich eine grosse Anzahl der daselbst gelegenen Güter im Besitze dieser Familie. Schloss und Rittergut Gnandstein nebst Scharfenstein, Dittersdorf mit Weissbach, Wolkenburg, Syhra, Hopfgarten, Wolftitz, Priessnitz und Grosszössen gehören zu den unveräusserlichen Einsiedelschen Fideicommissgütern, an denen alle Lehnsvettern die gesammte Hand haben.

Das Dorf Gnandstein, mit etwa 70 Häusern und 400 Einwohnern liegt am Fusse des Schlossberges in einem Thalkessel, und enthält, ausser dem stattlichen Pfarrhause auch ein vormaliges Stift, worin weibliche Abkömmlinge der Familie Einsiedel ein sorgenfreies Alter fanden. Besonders erwähnenswerth ist jedoch die alte, schöne von Sandsteinquadern erbaute Kirche, welche 1518 [28] und 1577 bedeutende Reparaturen erfuhr. Sie hat zwei Kanzeln, auf deren einer Luther oft predigte. Neben dieser Kanzel hängt Luthers Portrait, von Lucas Kranach gemalt, und neben diesem Bilde ein Denkmal des 1582 hier verstorbenen Johanns von Ende und seiner Gemahlin Magdalena. Das Schnitzwerk des Altars ist ebenso wenig sehenswerth, wie dessen mit den Bildnissen mehrerer Pastoren geschmückte Rückwand. Vorzüglich bemerkenswerth ist dagegen ein Kranachsches Gemälde, welches Heinrich von Einsiedel in Rittertracht darstellt, umgeben von seinen neun Söhnen; gegenüber steht seine Hausfrau mit den fünf sittsam in Nonnentracht gekleideten Töchtern. Das Bild ist von einer grossen Anzahl Wappen umgeben, von denen eines – man sagt das Kaufungensche – ausgetilgt ist. Neben dem Bilde umstehen den Altar dreizehn lebensgrosse steinerne Gestalten, sämmtlich Personen des Einsiedelschen Geschlechts darstellend. Die älteste Figur ist die des 1461 gestorbenen Hofmarschalls Hildebrand, der wegen seiner Würde ein Scepter in der Hand hält. Ihm folgte Heinrich I., gestorben 1507 als Ritter des heiligen Grabes; Hans Hildebrand von Einsiedel; Heinrich II. von Einsiedel, Luthers Freund; Johann von Einsiedel, ein sehr gelehrter Mann und Kenner der hebräischen Sprache; Heinrich III. von Einsiedel, Ritter vom heiligen Grabe, ein tüchtiger Kriegsmann, der 1594 bei seiner Rückkehr von Jerusalem in Ungarn erschlagen wurde; Hildebrand von Einsiedel starb 1598; Sybille von Ende starb 1605; Hildebrand von Einsiedel starb 1647, die lateinischen Verse der Unterschrift sind sein eigenes Werk; Haubold von Einsiedel starb 1687; Abraham von Einsiedel auf Döllnitz in der Aue; Conrad von Einsiedel starb 1744; Johann Abraham von Einsiedel starb 1756, und ist der Letzte der Bildergruppe, indem das Denkmal seines Sohnes Hildebrand von einem Altenburger Bildhauer so schlecht gearbeitet war, dass man es zerschlug und in eine der Kirche nahe liegende Grube warf. Dafür erhielt der 1802 verstorbene Hildebrand von Einsiedel in der Schlosskapelle ein sehr schönes Denkmal von Alabaster. – Eine Stiftung des edlen Heinrich II. von Einsiedel darf hier nicht unerwähnt bleiben. Sie bestimmte die Zinsen eines ansehnlichen Capitals zur Unterstützung der Wittwen und nachgelassenen Kinder der Einsiedelschen Pfarrherren zu Altmörbitz, Bocka, Eschefeld, Gnandstein, Niedergräfenhain, Oberfrankenhain, Priessnitz, Roda und Syhra, welche Dörfer, mit Ausnahme Oberfrankenhains, noch jetzt den Einsiedeln gehören. Dem Pfarrer und Schlossprediger in Gnandstein, der die Stiftungsurkunden in Verwahrung hat, liegt es ob, alljährlich die neun Pfarrer zu einem Convente zu vereinigen, wobei ein damit Beauftragter die von ihm geführte Rechnung ablegt. – Kirche und Schule, deren Collator der hiesige Rittergutsbesitzer ist, stehen unter der Inspection Borna; in die Kirche sind ausser dem Dorfe Gnandstein auch Dolsenhain und Wüstenhain eingepfarrt.

Das Rittergut Gnandstein ist seiner Bodenbeschaffenheit nach zu den besten des Königreichs zu zählen. Es hat ungefähr 300 Acker Feld, 400 Acker Waldung und 70 Acker Wiesen. Die Mühle am Schlossberge ist erst 1750 vom Rittergute abgekommen. Zwischen Gnandstein und dem Städtchen Frohburg, im sogenannten Eulenberge, bricht ein vortrefflicher Jaspis, unter dem Namen Bänderjaspis oder Gnandsteiner Bandstein bekannt, der zu den schönsten Steinarten Sachsens gehört. Auch den Schlossfelsen, welcher aus dem östlichen Wyhragebirge westwärts hervorspringt, durchzieht der Jaspis, und man findet in den Wänden des durch den Fels gesprengten Hauptthores der Burg sehr schöne zu Tage ausgehende Adern, wodurch Gnandstein der Burg Anhalt ähnlich wird; die ältere Dichter ob ihres Jaspisgrundes hoch rühmen und ihr daraus unvergängliche Dauer prophezeihen. Der Gnandsteiner Jaspis ist auf dem Bruche muschelig, von Farbe hellgrün mit grünlichen gleichlaufenden schmalen Streifen und eingemengten dunkelrothen Flecken versehen, die sich nebst den Streifen mit ihren Grenzen unmerklich in einander verlieren. Die vortreffliche Politur, welche er annimmt, giebt ihm ein ausserordentlich schönes Ansehen.

Otto Moser, Redact.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: nneren