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Gnandstein.


Das Schloss Gnandstein, ein Bild des grauen Alterthums, liegt an der einstmaligen berühmten Peter-Paulsstrasse, die im Mittelalter von Böhmen und Baiern nach dem Osterlande und der alten Messstadt Naumburg führte, zwei Stunden von der herzoglichen Residenzstadt Altenburg entfernt, auf einem isolirten Prophyrfelsen. Nur wenige Schlösser Sachsens sind vom Zahne der Zeit und der Zerstörung menschlicher Kräfte so verschont geblieben wie Gnandstein; noch haften die gewaltigen Mauern fest und sicher auf ihrem Felsengrunde, obgleich viele Jahrhunderte an ihnen vorübergezogen sind. Romantisch und anmuthig bietet sich von der Höhe des Schlosses eine Aussicht in das weithingespaltene Thal mit dem Dorfe Gnandstein, während am Fusse des umfangreichen Felsens, welcher die Veste trägt, das Flüsschen Wyhra zwischen schattigen Baumgruppen und üppigen Wiesen sich hinschlängelt und der Landschaft einen neuen Reiz verleiht. So unschuldig das Flüsschen auch bei gewöhnlichem Wasserstande erscheint, kann es doch bei Gelegenheit einen sehr bösartigen Charakter annehmen; namentlich nach heftigen Regengüssen tritt der schäumende Wasserstrom aus seinen ziemlich tief eingewühlten, zerklüfteten Ufern, und richtet dann nicht wenig Verheerungen an.

Nach dem Schlosse hinauf windet sich ein breiter Fahrweg bis an das niedere in Felsen gesprengte Thor, welches früher mit Graben und Zugbrücke verwahrt, nach dem Vorhofe führt, aus dem man durch ein zweites, seitwärts angebrachtes Thor in den eigentlichen Burghof gelangt. Im vorderen Hofe befinden sich ein gewaltiges, aus dem Felsen herausgearbeitetes Gewölbe, das als Pferdestall benutzt wird, sowie verschiedene Eingänge zu einer Anzahl gleichfalls aus dem Gestein gebrochener Keller und weiten Räume, in deren einem sich der finstere Schlund eines zweihundert Ellen tiefen, jetzt nicht mehr gebrauchten Brunnens öffnet. Hohe, schöne Wendeltreppen führen aus dem inneren[WS 1] Hofe nach den zahlreichen Gemächern des Schlosses, die, bei aller Eleganz, mit welcher die Neuzeit sie ausgestattet, dennoch mit ihren hohen, zum Theil gewölbten Decken und tiefen Fensternieschen an die Zeit erinnern, wo Sporenklirren und Waffengeräusch, oder das lustige Anklingen mächtiger Trinkgefässe, die ehrwürdigen, weiten Hallen belebte. – Nahe dem äusseren Thore, welches durch hohe mit Zinnen gekrönte Streichwehren vertheidigt wurde, erhebt sich der neunzig Ellen hohe, altersgraue Wartthurm mit seinen acht Ellen starken Mauern, ohne Zweifel das älteste Gebäu der Burg, dessen Zinnen theilweise, der Alles vernichtenden Zeit zum Opfer gefallen sind. Hochoben im Thurme befindet sich noch ein ziemlich geräumiges Gemach, in dem früher der Burgwart hauste. Die dem Wartthurme zunächst stehenden Theile des Schlosses – offenbar die ältesten – sind ziemlich verfallen, doch erkennt man noch darin den einstmaligen Rittersaal, durch dessen unverwahrte Fensteröffnungen jetzt Sturm und Wetter ungehindert ihren Einzug halten. Den Fussboden deckt noch ein ziemlich wohlerhaltener Estrich.

Ehrfurchtsvoller Schauer ergreift den Besucher des Schlosses Gnandstein bei Eintritt in die kunstreich gewölbte, in Kreuzesform erbaute Kapelle, welche, sich weit hindehnend, in einen thurmartigen Halbkreis ausläuft. Der vordere Theil der Kapelle enthält die Ahnenbilder des Einsiedelschen Geschlechts, dessen Wiege die Burg ist, seit länger als einem halben Jahrtausend. – Ernst blicken sie von der Wand herab, die stolzen finsteren Rittergestalten und die bleichen kalten Frauenantlitze, als wollten sie den Beschauer an die Vergänglichkeit aller irdischen Güter mahnen. Sie Alle, die einst in grauer Vorzeit an dieser heiligen Stätte beteten, des Lebens Freuden und Leiden fühlten in den ehrwürdigen Mauern ihres Stammhauses, sie Alle sind in Staub zerfallen und schlummern in der uralten Dorfkirche, wo ihre, aus Stein gehauenen Bilder in Lebensgrösse gleich erstarrten Wächtern über den Ahnengrüften des edlen Geschlechts stehen, dessen Name auf Erden fast ein Jahrtausend hindurch so vielmal mit Ehren genannt worden ist.

Zwei Reihen holzgeschnitzter Kirchstühle sind durch einen Gang getrennt, der nach dem Chore führt. Hier befinden sich nächst der mit Schnitzwerk verzierten Kanzel, drei prachtvolle mit Gold und Bildwerk reichgeschmückte Altäre, sowie in den Fenstern alte werthvolle Glasmalereien. In der Kapelle zu Gnandstein pflegte Luther bei seinen Besuchen auf dem Schlosse bisweilen zu predigen, denn der Burgherr war sein Freund und ein eifriger Beförderer der Reformation. – An den vorderen Kirchstühlen sind drei hölzerne Figuren, zwei männliche und eine weibliche, zur Erinnerung an ein interessantes Familienereigniss angebracht, von dem wir später berichten wollen. – Der Dorfpfarrer ist zugleich Schlossprediger, und hat gegen ein nicht ablösbares Einkommen als solcher die Verpflichtung, auf Verlangen des Schlossherrn den Gottesdienst in der Burgkapelle zu versehen, und alle in der Familie desselben erforderlichen, kirchlichen Akte zu verrichten.

Ueber die älteste Geschichte des Schlosses herrscht völliges Dunkel. Die Behauptung alter Geschichtschreiber, dass Graf Wipprecht von Groitzsch

     Leipziger Kreis. 3tes Heft.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: nneren
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/033&oldid=- (Version vom 21.5.2018)