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Artikel „Werthern, Dietrich von“ von Woldemar Lippert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 42 (1897), S. 116–122, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Werthern,_Dietrich_von&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 14:26 Uhr UTC)
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Werthern: Dietrich von W., Doctor beider Rechte, Kanzler des deutschen Ordens und Rath Herzog Georgs von Sachsen, entstammte einer alten thüringischen Familie, die urkundlich nachweisbar seit Kaiser Siegmund’s Zeit (1420) im Besitz des Reichserbkammerthürhüteramtes war; die alte, bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts meistgebrauchte Namensform ist Werterde, Dietrich selbst schreibt sich stets Wertter. Als zweiter Sohn des Hans v. W., der sich in sächsischen Kriegs-, Verwaltungs- und diplomatischen Diensten bewährt hatte, wurde Dietrich am 28. September 1468 auf dem väterlichen Schlosse Wiehe in Thüringen geboren. Seine wissenschaftliche Ausbildung erlangte er in Erfurt (immatriculirt Ostern 1479) und besonders seit 1486 zu Bologna, wo er 1491 zum Procurator der deutschen Nation gewählt wurde und 1495 den juristischen Doctortitel erwarb. Mit Herzog Friedrich, dem zweiten Sohne Herzog Albrecht’s des Beherzten von Sachsen, der 1498 Hochmeister des deutschen Ritterordens wurde, kam W. im Herbst 1498 nach Preußen und war Anfangs in inneren Verwaltungssachen thätig, die ihn auch in der Folgezeit gelegentlich mit beschäftigten. Seine Hauptthätigkeit aber entfaltete er im diplomatischen Dienst und wurde bald einer der vielbeschäftigtsten Diplomaten seiner Zeit. Schon im Sommer 1499 war er mit einer Mission an seines Herrn Bruder, Herzog Georg von Sachsen, betraut, der dem Hochmeister beständig ein getreuer Berather war. Das eigentliche Arbeitsgebiet für W. sollten jedoch die polnischen Angelegenheiten werden. Bei jedem Hochmeisterwechsel erneuerten sich die Verhandlungen mit Polen, das auf seinen im zweiten ewigen Frieden von Thorn 1466 erlangten Rechten bestand und von dem neuen Hochmeister die Beschwörung des Friedens und den Huldigungseid verlangte, der ihn in drückende Abhängigkeit von Polen brachte. Friedrich suchte sich dieser Verpflichtung in der Hoffnung auf die Hilfe des Reiches, zu dem er wieder in ein engeres Verhältniß treten wollte, zu entziehen. Zusammen mit verschiedenen Ordensgebietigern unternahm nun W. in den folgenden Jahren zahlreiche Gesandtschaften. Kaum aus Deutschland, wohin er 1499, 1501 zweimal, 1502, 1503 geschickt war, zurückgekehrt, mußte er nach Polen (so 1501 dreimal, 1503, 1504), zum Bischof von Ermland (1501, 1504, 1505, 1506) in unablässigem Wechsel; dort galt es sowol die Lauheit des Königs Maximilian zu überwinden, der dem Hochmeister zwar die Ablegung des Huldigungseides untersagte und mit Ermahnungen und Versprechungen nicht kargte, thätig jedoch nie eingriff, als auch die wenig opferbereiten deutschen Fürsten, den Adel und besonders auch den Deutschmeister für die Ordenssache zu erwärmen, hier die Polen hinzuhalten und den wiederholt drohenden offenen Kriegsausbruch durch Entschuldigungen, Vermittelungsversuche und Ausgleichsverhandlungen zu verhüten, wobei dem Orden die zweimaligen Thronwechsel 1501 und 1506 zu statten kamen, und mit dem Ermländer waren Streitpunkte über Grenz-, Verwaltungs- und Hoheitsfragen zu regeln oder die Vermittelung des zu Polen hinneigenden Prälaten in den polnischen Verwicklungen zu suchen. W., der zwischen dem 19. März und 8. April 1504 Kanzler geworden war, hatte bei diesen Missionen reichliche Gelegenheit seinen Eifer und seine Geschäftskenntniß zu bethätigen; während die anderen Gesandten wechseln, ist er bei fast [117] sämmtlichen wichtigeren diplomatischen Actionen betheiligt, erscheint somit als der Hauptvertreter der polnischen Politik des Hochmeisters. Seiner Stellung entsprechend gehörte er zu der Regentschaft, die bei Friedrich’s Reise nach Deutschland im Mai 1504 die Landesverwaltung übernahm. Von einer Sendung an den römischen König und den Deutschmeister, an Brandenburg, Sachsen, Pommern und Magdeburg im Sommer 1506 kehrte er jahrelang nicht nach Preußen zurück. da 1507 der Hochmeister selbst nach Deutschland kam, um sein Land nicht wiederzusehen. Für Werthern’s persönliche Verhältnisse wurde diese Reise dadurch bedeutungsvoll, daß sie zum Abschluß eines Ehebündnisses führte. Auch in den folgenden Jahren war er mehrfach in Geschäften des Hochmeisters, zugleich aber auch denen Herzog Georg’s thätig, so 1509 und 1510 als Gesandter auf den Reichstagen zu Worms und Augsburg. Bedeutend tritt W. aber am Ende des Jahres 1510 hervor. Als der Hochmeister zu kränkeln anfing, trat man in seiner Umgebung der Nachfolgefrage näher und faßte den jungen Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Ansbach ins Auge, über dessen Eintritt in den Orden schon verhandelt worden war; besonders Bischof Job von Pomesanien und W. waren in diesem Sinne thätig. Beim Eintreffen der ansbachischen Räthe im December 1510 war der Bischof nach Preußen abgereist, Georg’s Beauftragter erschien nicht und der Comthur Nicolaus Pflug hielt sich absichtlich fern, um Aufsehen zu vermeiden, denn am 14. December war Hochmeister Friedrich gestorben und sein Tod sollte weiteren Kreisen zunächst geheim bleiben. So lag dem Kanzler allein und zunächst auf eigene Hand ohne Ermächtigung der Ordensgebietiger die verantwortungsvolle Aufgabe ob, mit den Brandenburgern am 18. December in Zwickau zu verhandeln, und es gelang ihm, diese Vorberathungen in gedeihliche Bahnen zu leiten, so daß dann der vom Orden bevollmächtigte Ordensmarschall und Oberstspittler, die mit ihm am 11. und 12. Februar 1511 die Unterhandlungen mit Albrecht selbst und dessen Bruder Casimir zu Chemnitz pflogen, bald zum Abschluß kamen und Albrecht’s Wahl gesichert war. Die Einführung der Hohenzollern in das Ordensland Preußen ist also wesentlich mit als Werk des Kanzlers W. zu betrachten.

Er widmete nun mit gleichem Eifer dem neuen Hochmeister seine Dienste, so im April 1511 bei einer Gesandtschaft an Georg, im Mai 1512 auf dem Reichstage zu Trier und einer Tagsatzung der Ordensgebietiger zu Koblenz, erscheint aber seit Ende 1510 auch als Rath Georg’s, der ihn im October und November 1512 zu den Petrikauer Verhandlungen abordnete; aber wie alle früheren blieben auch diese Besprechungen, wobei auch W. als sachkundiger Vertrauensmann des Ordens mit hervortritt, bei dem hartnäckigen Festhalten des Polenkönigs am Thorner Frieden erfolglos. Nach 1512 finden wir W. nicht mehr im diplomatischen Dienst des Ordens, auch sein Kanzleramt hat er abgegeben, doch war er noch jahrelang in enger Verbindung mit Albrecht, dem er bei zahlreichen Besorgungen unpolitischer Art diente, so bei den Auseinandersetzungen mit dem Grafen Hans v. Hohnstein und dessen Erben wegen Schadenersatzforderungen 1513 (bezw. schon 1511) bis 1516, beim Ankauf von Salpeter 1513, 1514, bei der Einlösung des 1508 vom Herzog Georg an Bischof Job von Pomesanien verpfändeten Amtes Weißensee im Mai 1513; wiederholt diente er Andern mit seiner Fürsprache beim Hochmeister, der ihm im Juni 1513 auch einen Beweis seines Dankes durch ein Ehrengeschenk gab. Mehrere Schreiben der Jahre 1514–1516 liefern auch Zeugnisse seiner treuen Gesinnung für einen ihm einst nahestehenden Mann und seines Taktgefühls: wiederholt legte er dem Hochmeister nahe, daß es zur Ehre des Todten und auch des Ordens selbst nöthig sei, das Grab des Comthurs Nicolaus Pflug mit einem Denkstein zu zieren. 1520 kam er nochmals in Beziehungen zu Polen, als bei den erneuten Verhandlungen [118] Albrecht’s mit König Siegmund im April zu Thorn auch Herzog Georg wieder Gesandte, darunter W., zur Vermittlung entsandte, doch hatte auch dieser Versuch kein Ergebniß. Inzwischen war er in sächsischen Missionen unablässig thätig gewesen. Seit 1513 war er mit den friesischen Angelegenheiten betraut; im Januar 1514 gelang es ihm, beim Kaiser in Innsbruck endlich die Verkündigung der Reichsacht gegen Georg’s Gegner, den Grafen Edzard von Ostfriesland, durchzusetzen; infolge anderweitiger Verwicklungen in den Niederlanden durch geldrisch-französisches Eingreifen blieben jedoch die sächsischen Bemühungen umsonst. Im Februar 1515 war W. wieder in Innsbruck beim Kaiser, um ihn zur eigenen Uebernahme Frieslands gegen eine Abfindungssumme zu bewegen; man kam aber bei Maximilian’s haltloser Politik noch zu keinem Abschluß. Im December 1516 traf er zu Verhandlungen mit dem Erzbischof von Mainz in Erfurtischen Angelegenheiten in Hagenau beim Kaiser ein und begleitete Maximilian im Januar 1517 nach den Niederlanden, wo er bis Ende Mai bald am Kaiserhofe zu Antwerpen, Breda, Mecheln, bald am Hofe des jungen Königs Karl von Spanien zu Brüssel rastlos und nachdrücklich bemüht war, die gerechten Geldforderungen seines Herzogs zur Geltung zu bringen. Seine zahlreichen, langen, eigenhändigen Berichte an Georg liefern werthvolle Beiträge zur Kenntniß der dortigen Verhältnisse und bieten zugleich schöne Zeugnisse für Werthern’s ehrenwerthe Denkweise auch in der Politik und für sein persönliches vertrautes Verhältniß zu seinem Landesherrn. Bei diesem Aufenthalt in den Niederlanden betraute Georg ihn als wissenschaftlich gebildeten Mann mit einer Sendung an den gerade damals in Brüssel weilenden Erasmus von Rotterdam, um den Humanisten nach Sachsen einzuladen. Folgte auch Erasmus dieser Einladung nicht, so bahnte Werthern’s Botschaft doch einen schriftlichen Verkehr zwischen dem Fürsten und dem Gelehrten an. Das im eigenhändigen Concept des Herzogs leider undatirte Schreiben, das zugleich für den Gesandten ein Ehrenzeugniß bildet, ist als erstes Schreiben dieses Briefwechsels zwischen Georg und Erasmus beachtenswerth; bisher unbestimmt zwischen 1516–1518 angesetzt, läßt es sich durch den Nachweis, daß in den ersten Monaten des Jahres 1517 W. und Erasmus gleichzeitig in den Niederlanden weilten, mit größter Wahrscheinlichkeit als in diese Zeit gehörend bestimmen. Auch bei anderen Staatsgeschäften finden wir ihn betheiligt, so 1514 und 1525 bei Sendungen an Hessen, 1515 in den Beziehungen Sachsens zum Stift Quedlinburg, 1521 und 1522 in der Hildesheimer Stiftsfehde, 1524 und 1525 in Verhandlungen mit den Ernestinern und im Bauernkriege, 1515, 1522 und 1526 auf den Reichstagen von Freiburg, Nürnberg und Regensburg. Auch für den Reichstag zu Speyer 1530 war er mit Anton von Schönberg schon designirt, wurde aber dann durch Dr. Johann Spiegel ersetzt. Seine letzte, mir bekannte diplomatische Mission gehört in den März 1530, als er mit Christoph v. Carlowitz von Georg nach Krakau gesandt wurde, um bei dem Polenkönig Siegmund auf einen Ausgleich in den Streitigkeiten zwischen König Ferdinand und dem von den Türken unterstützten Fürsten Johann Zapolya von Siebenbürgen hinzuwirken. Wiederholt begleitete er den Herzog auch auf seinen Reisen, so 1518 nach Augsburg, 1521 nach Nürnberg. Nicht minder wurde er in inneren Landesangelegenheiten zu Rathe gezogen, zu schiedsrichterlichen Handlungen, zu Untersuchungen bei Uebelständen und Vergehen, besonders auch solchen, die geistliche Dinge oder Personen betrafen vornehmlich in den Jahren 1526–28, zu Verhandlungen mit den Landständen u. s. w.

Seine Stellung in den großen religiösen Zeitfragen war, wie dies bei einem vertrauten Rathe Herzog Georg’s zu erwarten ist, streng katholisch. Wiederholt bediente sich Georg gerade seiner Feder zur Abfassung scharfer Verfügungen [119] gegen Abweichungen von der Lehre der alten Kirche und Hinneigung zu lutherischen Anschauungen, vor allem gegen die Mißachtung der Messe und den Gebrauch des Abendmahls unter beiderlei Gestalt, wie in mehreren von Werthern’s Hand aufgesetzten Schreiben des Herzogs an seine Söhne, die 1522 in seiner Abwesenheit die Landesregierung führten, wobei Luther’s Vorgehen als „unchristlicher Aufruhr“ verurtheilt wird. Sehr heftig gegen Luther spricht sich W. auch in einem seiner Berichte vom Nürnberger Reichstage am 19. December 1522 aus: er mahnt den von Luther geschmähten Fürsten, er solle „sich des bösen Stücks nicht bewegen lassen“, denn Luther schmähe alle Fürsten; „man befinde aus diesen bübischen Händeln, was er vor einen Geist in sich habe“, der ihm lohnen werde; wenn man nicht aufpasse, „werde er fürwahr eine große Bosheit zu Weges bringen“. Auch über die Ehe habe „der teufelische Mönch ein unverschämtes Büchlein ausgehen lassen“. Bemerkenswerth ist auch die Erkenntniß der drohenden Bauernunruhen „der Menschen Herzen seien jetzt voller Gift und Bosheit und sonderlich sei zu besorgen, daß ein Bundschuh vorhanden ist“. Noch in den letzten zwanziger Jahren benützt ihn Georg zum Einschreiten gegen verdächtige Geistliche, am Schlusse seines Lebens muß seine Anschauung aber, trotz anscheinender principieller Festhaltung seines Glaubensstandpunktes, gemäßigter geworden sein, wenigstens wollte er seinen Sohn (nach Albinus, der jedoch den Vorfall gegen das Zeugniß der Acten ins Jahr 1529 verlegt, war es der älteste Sohn Wolfgang), auf Rath einiger Lehrer von Leipzig nach Wittenberg schicken, wo er in den alten Sprachen besonders bei Melanchthon mehr lernen könne, doch solle sich der Jüngling „Martinus Händel“ nicht annehmen, wie W. selbst am 9. Mai 1536 an Georg schrieb, der deshalb über die Lässigkeit der Leipziger Professoren, die den Ruf ihrer Hochschule schädigten, sehr erzürnt war.

Bald darauf starb W. auf Schloß Beichlingen am 4. September 1536 und fand in der Stadtkirche zu Cölleda seine Ruhestätte, wo sein Grabstein mit Recht seine Thätigkeit als Gesandter hervorhebt; war er doch darin so geschätzt, daß wiederholt andere Fürsten ihn vom Herzog Georg sich ausbaten, wenn sie einen besonders geschickten, rechtschaffenen Berather und Vertreter brauchten, so Markgraf Casimir von Ansbach 1518 bei seinen Streitigkeiten mit Nürnberg, der Hochmeister Albrecht noch 1521, wo Werthern’s sonstige Beziehungen zu ihm und den preußisch-polnischen Fragen doch gelöst waren. Ueber seine Familienverhältnisse ist noch zu erwähnen, daß er und gleichzeitig sein jüngerer Bruder Hans sich am 22. September 1506 zu Heldrungen mit ihren Stiefschwestern Margarete und Anna von Miltitz vermählten; bei ihres Vaters Tode 1533 theilten sie die Besitzungen, Dietrich erhielt die 1519 vom Grafen Adam v. Beichlingen erkaufte Herrschaft Beichlingen nebst Cölleda, Werthern und Brücken, Hans Wiehe, Frohndorf und Allerstedt (sämmtlich in der Provinz Sachsen im nördlichen Thüringen gelegen). Dietrich’s Ehe, die nach mehrfachen Aeußerungen seiner Schreiben zu schließen, eine glückliche war, entsproßten zwei Töchter und drei Söhne, Wolfgang, Philipp und Anton (s. im folgenden).

Wolfgang von W., Dietrich’s ältester Sohn, geboren am 26. Juni 1519 zu Wiehe, studirte 1536 zu Leipzig, wobei sein Vater besonderes Gewicht auf guten Unterricht in den alten Sprachen legte (s. oben); seine weitere Ausbildung übernahm Georg Fabricius, der bekannte spätere Rector der Meißner Fürstenschule und sächsische Historiograph. In dessen Begleitung zog W. im April 1539 nach Italien, studirte in Padua und besuchte Bologna, Mailand, Genua und andere Orte Oberitaliens; 1541 bereisten sie mit dem späteren Arzt und Leipziger Professor Wolfgang Meurer die Ostküste Italiens von Venedig über Ravenna bis Ancona, gingen über die Apenninen nach Rom, im Frühling 1542 nach Neapel, zurück über Rom, Siena, Pisa, Florenz, Bologna (hier 1543 immatriculirt [120] stiftete W. am 27. Mai in die Matrikel der deutschen Nation ein Gedächtnißblatt an seinen Vater), Ferrara, Padua; im October 1543 trafen sie wieder in Beichlingen ein. Ueberall hatten sie die Alterthümer besichtigt und Beziehungen zu hervorragenden Gelehrten angeknüpft. W. blieb diesen gelehrten Neigungen und Verbindungen sein Leben lang getreu und erfreute sich selbst des Rufes eines namhaften Sprachkenners. Nach Albinus gerieth er mit seinen Landesherren, den Kurfürsten Moritz und dann August von Sachsen, wegen der von ihm und seinen Brüdern beanspruchten Reichsstandschaft der Grafschaft Beichlingen in Streit und zog sich dadurch (nach Jovius aber wegen der unbegründeten Beschuldigung übler Reden über beide Fürsten) deren Ungnade zu. Näheres war nicht zu ermitteln, actenmäßig belegbar ist jedoch, daß Kaiser Karl V. im August 1548 auch den Werthern’schen Brüdern als Inhabern der Grafschaft Beichlingen direct, also wie den unmittelbaren Reichsständen, das Augsburger Interim nebst Befehl zur Durchführung übersandte, daß sie aber bezw. in ihrer Abwesenheit ihr Vormund Heinrich von Witzleben sich in correcter Weise an Kurfürst Moritz als ihren Landesherrn wandten, der ihnen ausdrücklich erklärte, er sei nicht nur Landesfürst, sondern auch Lehnsherr der Grafschaft Beichlingen, die alten Grafen und auch die v. W. hätten sie vom Hause Sachsen zu Lehen gehabt und seien zu Dienst verpflichtet, wie andere Unterthanen aus der Ritterschaft; sie hätten deshalb den Kaiser von diesem Rechtsverhältniß in Kenntniß zu setzen. Auch bei einem zweiten Versuch, der von reichswegen gemacht wurde, die Inhaber der Grafschaft Beichlingen als Reichsstand zu behandeln, als es nämlich galt, die nach den früheren Reichsanschlägen auf der Grafschaft liegende Beitragssumme für die Türkensteuer zu erheben, bestritten in den sechziger Jahren die Werthern’schen Brüder als sächsische Landstände ihre Verpflichtung gegen das Reich und Kurfürst August nahm sich ihrer kräftig an, so daß ein sie mit der Reichsacht bedrohender Proceß am Reichskammergericht niedergeschlagen wurde. 1545 hatte sich W. nach Straßburg zu Johann Sturm begeben und noch zwei Jahre den Unterricht dieses berühmten Lehrers genossen; 1547 bereiste er Frankreich, lebte ein Jahr in Paris und kam Ende 1548 nach Hause zurück. Weist schon das Verhalten gegenüber Karl’s V. Forderung 1548 auf die Beilegung etwaiger früherer Streitigkeiten mit dem Kurfürsten Moritz hin, so zeigen sich ferner selbst deutliche Beweise vom Vertrauen des Landesherrn. Wenn auch W. in Staatsgeschäften weit weniger hervortritt, als sein Vater, so hat er sich von ihnen trotz seiner gelehrten Neigungen doch keineswegs ganz ferngehalten. Im April 1553 war er mit Melchior v. Ossa und anderen als Gesandter Moritzens zu den Verhandlungen abgeschickt, die durch Gesandte König Ferdinand’s, der Kurfürsten Moritz von Sachsen und Joachim II. von Brandenburg, des Herzogs Heinrich von Braunschweig, des Landgrafen Philipp von Hessen und der Bischöfe von Bamberg und Würzburg in Eger zur Festsetzung eines Landfriedensbundes gepflogen wurden und am 6. Mai zur Verbriefung eines Bundesabschieds führten. Auf der Heimkehr den Nachstellungen des mit Moritz verfeindeten Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach glücklich entgangen, folgte W. dem Aufgebot seines Herrn und nahm mit stattlichem Gefolge im Juni und Juli zugleich mit seinen Vettern Heinrich und Georg v. W. (Georg geboren am 22. April 1515, † am 25. November 1576 zu Wiehe, Rath und Gesandter des Kurfürsten August, Oberhofgerichtsassessor zu Leipzig. Stammvater aller jetzt blühenden Linien der Grafen und Freiherrn v. W.), Anton v. W. (nicht Wolfgang’s Bruder Anton) auf Kleinballhausen und Hans v. W., theil am Kriegszug des Kurfürsten gegen den Markgrafen Albrecht und an der Schlacht bei Sievershausen. Kurfürst August, der seinem in dieser Schlacht gefallenen Bruder folgte, nahm alsbald die begonnenen Bundesverhandlungen wieder auf und schickte neben den übrigen früheren Gesandten auch W. mit zu dem Bundestag [121] in Zeitz, woselbst vom Ende September bis Ende October 1553 weitere Verhandlungen zwischen den obengenannten Fürsten, außer Hessen, über die Ausgestaltung der Bundesartikel geführt wurden. Im Januar 1555 ernannte ihn Kurfürst August mit zum Gesandten für den großen Augsburger Reichstag. Für Werthern’s geachtete Stellung spricht es ferner auch, daß er von der Ritterschaft auf dem Landtage von 1553 zum Vorsteher der zu gründenden adeligen Jungfrauenschule zu Salza bestimmt und auf dem Landtage von 1554 in den Berathungsausschuß über die Landesgebrechen gewählt wurde. Das väterliche Erbe besaß er Anfangs ungetheilt mit seinen Brüdern, bei der Theilung 1572 erhielt er die Grafschaft Beichlingen mit der Stadt Cölleda. Er starb unvermählt am 10. Juni 1583 auf Schloß Beichlingen.

Philipp von W., der zweite Sohn Dietrich’s, geboren zu Wiehe am 24. September 1525, studirte zu Leipzig und Wittenberg, wandte sich nach Herzog Georg’s von Sachsen Tod 1540 mit seinen Brüdern auf Anregung der Vettern von der Wiehe’schen Linie des Werthern’schen Geschlechts dem Protestantismus zu, ging mit seinem Bruder Anton unter der Leitung des Georg Fabricius, als dieser mit Wolfgang v. W. aus Italien heimgekehrt war, 1544 nach Straßburg, wo beide Johann Sturm’s Schüler wurden und bis 1554 blieben, während Fabricius 1546 als Rector nach Meißen berufen wurde. Eine Reise durch Frankreich und Italien bis 1556 schloß sich an, auf der Philipp und Anton, wie früher ihr Bruder Wolfgang, besonders ihren wissenschaftlichen Neigungen huldigten und sich des Umgangs mit Gelehrten erfreuten, mit deren vielen sie in schriftlichem Verkehr blieben. Philipp stand dann als Rath im Dienste Kurfürst August’s von Sachsen, wurde auch Assessor des Oberhofgerichts zu Leipzig und fand mehrfach im diplomatischen Dienst, so bei Sendungen an den Kaiserhof, Verwendung. Bei der Erbtheilung 1572 erhielt er die Herrschaft Werthern und Thalheim, erbte aber beim Tode seiner Brüder 1579 und 1583 auch deren Herrschaften Brücken und Beichlingen. Vermählt seit 1566 mit Anna von Hagen, starb er kinderlos auf Beichlingen am 23. December 1588. Mit ihm erlosch die von Dietrich gestiftete ältere Beichlingensche Linie, deren Besitz an die Wiehe’sche Linie, die Nachkommen von Dietrich’s Bruder Hans dem Jüngeren v. W. (Rath Herzog Georg’s von Sachsen, geboren am 15. December 1470. † zu Wiehe am 6. August 1534), fielen.

Anton von W., der jüngste Sohn Dietrich’s, geboren zu Wiehe am 26. Mai 1528, theilte den Bildungsgang seines Bruders Philipp, lebte ganz seinen Studien, erhielt bei der Theilung 1572 die Herrschaft Brücken und starb unvermählt am 6. Juni 1579 zu Brücken.

Petrus Albinus, Historia von dem Uralten Geschlechte derer … Graffen und Herren von Werthern (Leipzig 1705 und 1716). – S. Reinhardt, Stammbaum des … Geschlechts derer … Herren von Werthern, nebst P. Jovius, Gesammte Anmerkungen über besagten Stammbaum (1717). – J. G. Löw, S. R. Imperii et Caesareae Majest. Janitorum sollemne ministerium comitum et baronum de Werthern (ed. II Frankfurt 1745). – Hugo Frhr. v. Werthern, Geschichte des Geschlechts der Grafen und Freiherrn v. Werthern, 3. Theil, Stammtafeln (Erfurt 1893). – H. Weißenborn, Acten der Erfurter Universität I (Halle 1881). – Friedländer und Malagola, Acta nationis Germanicae univers. Bononiensis (Berlin 1887). – E. Joachim, Die Politik des letzten Hochmeisters in Preußen Albrecht von Brandenburg (Leipzig 1892, 1894, 1895). – O. Lehmann, Herzog Georg von Sachsen im Briefwechsel mit Erasmus von Rotterdam und dem Erzbischof Sadolet (Neustadt i. S. 1889). – F. A. v. Langenn, Christoph von Carlowitz (Leipzig 1854). – Kämmel, Artikel über G. Fabricius in der Allg. D. Biogr., Bd. VI. – F. A. v. Langenn, Doctor Melchior v. Ossa (Leipzig 1858). – Besonders aber Acten des Kgl. [122] Sächs. Hauptstaatsarchivs zu Dresden und L. Schwabe’s und E. Joachim’s Collectaneen aus Dresdner und Königsberger Archivalien im Gräflich Werthern’schen Archiv zu Beichlingen.