ADB:Melchior Zobel von Giebelstadt

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Artikel „Melchior Zobel von Guttenberg“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 286–289, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Melchior_Zobel_von_Giebelstadt&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:47 Uhr UTC)
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Melchior Zobel von Guttenberg, Fürstbischof von Wirzburg (1544 bis 1558). Aus einem alten, ritterschaftlichen Geschlechte Ostfrankens am Anfange des 16. Jahrhunderts geboren und früh für die geistliche Laufbahn bestimmt, hatte M. Z. bei Zeiten die Designation für das Würzburger Domcapitel erhalten, war dann zu seiner Ausbildung nach Wittenberg gegangen, zu einer Zeit, in welcher die reformatorische Bewegung daselbst bereits im Gange war. Er hat zwar an der alten Kirche unentwegt festgehalten, die humanistische Richtung hat er aber zugleich mit solcher Wärme in sein Herz geschlossen, daß er ihr bis zu seinem Tode treu geblieben ist. Es lebte in ihm aber überdies ein thatkräftiger und tapferer Geist, der sogar kriegerische Neigungen nicht ausschloß. In die Heimath zurückgekehrt, trat er in das Domcapitel ein; zur Zeit des Bauernkrieges treffen wir ihn unter den namhaften Vertheidigern der von den Aufständischen vergeblich belagerten und bestürmten Veste Marienberg über der Stadt Wirzburg. Als im J. 1532 die Osmanen durch Ungarn vordrangen und Wien bedrohten, erhob er sich wieder und trat in die Reihen der freiwilligen Streiter für die Ehre der Christenheit und die Sicherheit des Abendlandes. Die nächsten Jahre nach seiner Heimkehr vernehmen wir wenig von ihm, haben jedoch Grund anzunehmen, daß er sich als Mitglied des Domcapitels durch Eifer und Geschäftsgewandtheit hervorthat, denn er wurde am 6. März 1540 zum Domdechanten erwählt, eine Wahl, die stets und, unter den gegebenen Verhältnissen im erhöhten Grade, als Vertrauensact angesehen wurde. Als bereits einige Monate später der bischöfliche Stuhl erledigt ward, soll, einer nicht ganz unwahrscheinlichen Ueberlieferung zufolge, unter den Candidaten für die Neuwahl M. Z. ziemlich sichere Aussichten des Erfolges für sich gehabt haben, aber durch die Gegenwirkung Wilhelm von Grumbachs, dem eine so gefährliche Zukunft vorbehalten war, und der für einen seinen persönlichen Zwecken zusagenden Nachfolger agitirte, um seine Hoffnung betrogen worden sein. Konrad IV. von Bibra wurde als Fürstbischof gewählt; er stand zu Grumbach in verwandtschaftlichen Beziehungen und war nicht frei von einer unmännlichen Charakterschwäche. Die zunächst folgenden Ereignisse erheben die erwähnte Ueberlieferung beinahe zur Gewißheit. M. Z. wenigstens fühlte sich von dem jetzt zur Herrschaft gelangten Systeme in solchem Grade unbefriedigt, daß er (1543) beschloß, das Amt als Domdechant niederzulegen; nur durch die dringenden Bitten des Capitels ließ er sich bewegen, seine Verzichtleistung zu vertagen und auf seinem Posten vorläufig auszuhalten. Da starb (8. August 1544) Konrad von Bibra und nach einer ungewöhnlich kurzen Sedisvacanz wurde M. Z. (am 19. August) als sein Nachfolger gewählt. Der Führer der bisherigen Opposition trat in seiner Person an die Spitze des Hochstifts; seine Erhebung bedeutete eine gründliche Niederlage Wilhelm von Grumbachs. Bekanntlich ist der durch diese Vorgänge verschärfte Gegensatz zwischen dem neuen Fürstbischof und dem emporstrebenden Ritter für Beide, obgleich in sehr verschiedener Art, verhängnißvoll geworden. In nicht ganz ruhigen Zeiten trat M. Z. sein Amt an, wenigstens war der politische Horizont nichts weniger als unbewölkt. Die päpstliche Bestätigung erhielt er ohne Schwierigkeiten; an sie schloß sich unverweilt die feierliche bischöfliche Weihe. Die Belehnung mit den Regalien durch Karl V. erfolgte (14. März 1545) zu Kreuznach, wo M. Z., im Begriffe den nach Worms ausgeschriebenen Reichstag zu besuchen, mit dem Kaiser zusammentraf. Während des Reichstages selbst erhielt er von K. Karl das kaiserliche Landgericht von Franken und die Oberhoheit über die Abtei Ebrach O. C. (28. Juli) bestätigt. [287] Schon im nächsten Jahre brach der sogenannte schmalkaldische Krieg aus, in welchem M. Z., aus Rücksichten auf sein gar sehr ausgesetztes Hochstift, neutral zu bleiben versuchte. Auf dem Reichstag des Jahres 1548 zu Augsburg war er persönlich anwesend und erklärte sich u. a. bereit, das Interim in seinen Landen durchzuführen, in der Hoffnung, daß der Kaiser ihn gegegenüber dem auftauchenden Widerstande nicht im Stiche lassen werde. Nach Hause zurückgekehrt, hielt er (November 1548) in seiner Hauptstadt eine Diöcesansynode ab, deren Beschlüsse theils die Sicherung und Kräftigung des echten katholischen Glaubens, theils die Reform des Lebens und der Sitten im Besonderen des Clerus nach einer, auf dem letzten Reichstag angenommenen Formel zum Inhalt hatten. Auch auf dem Reichstage zu Augsburg im J. 1550, wo der Kaiser die Wiedereröffnung des Concils in Trient verkündigte, war M. Z. anwesend und hat wohl schon damals zugesagt, denselben persönlich zu besuchen. Ueber der Theilnahme an den großen allgemeinen Angelegenheiten ließ er aber die Rücksicht auf die Pflege der Bedürfnisse seines Landes nicht aus dem Auge. So gab er im J. 1549 eine Medicinal- und Apotheker-Ordnung. Als Leibarzt erscheint in seiner Nähe Dr. Sinapius, ein geborener Schweinfurter, der Freund der Olympia Morata; er hatte ihn unmittelbar von Ferrara, wo damals bekanntlich die medicinischen Studien in hoher Blüthe standen, zu sich berufen. Sinapius hat diese Stellung bis zu des Bischofs Tode bekleidet, was um so viel mehr sagen will, als er schwerlich noch zu den treuen Anhängern des alten Glaubens gezählt werden konnte. M. Z. war in diesen Dingen für seine Person offenbar nicht ausschließend gesinnt, was unter Andern auch durch die Thatsache bestätigt wird, daß er den unzweifelhaft der Reformation zugewendeten Michael Beuther aus Carlstadt, der seit 1546 Professor der Geschichte und Poesie in Greifswald war, im J. 1548 als seinen Rath zu sich berief. Diese Stellung Beuther’s hat, allerdings mit Unterbrechungen, bis zum Tode Melchior Zobel’s gedauert; derselbe war in der Zeit seines Aufenthaltes in Wirzburg auch litterarisch thätig und hat hier seine Uebersetzung der berühmten Commentare Sleidan’s zum guten Theil vollendet. Der bekannte Geschichtschreiber des Hochstifts Wirzburg, Lorenz Fries, hat ebenfalls noch bis zum Jahre 1550 gelebt und sich der Gunst des Fürstbischofs erfreut. Aus diesem und anderem geht hervor, daß M. Z. eine lebhafte, unbefangene Theilnahme an gelehrten Bestrebungen bewahrte, und dieselbe würde sich höchst wahrscheinlich noch fruchtbarer entwickelt haben, wenn die Gunst der Zeiten es gestattet hätte. Jedoch schon in den nächsten Jahren nach seiner zweiten Heimkehr von Augsburg entlud sich das Gewitter, dessen drohende Vorzeichen wir bereits angedeutet haben; es traf mit den Verwüstungen, die es anrichtete, gerade M. Z. und sein Hochstift in ungewöhnlich empfindlichem Grade und führte in seinen Nachwirkungen das gewaltsame Ende des Bischofs herbei. Es sind die sogenannten Grumbach’schen Händel, um welche es sich hier handelt, in welche M. Z. unmittelbar verwickelt worden ist, ja die zum Schicksal seines Lebens geworden sind. Dieselben sind bereits in der Biographie W. v. Grumbach’s (s. A. D. Biographie Bd. X, S. 9 ff.) eingehender beschrieben worden und dürfen wir uns darum hier auf das Nöthigste beschränken. Bald nach der Erwählung Melchior Zobel’s zum Fürstbischof war Grumbach in die Dienste des Markgrafen Albrecht Alcibiades (siehe über denselben Bd. I) getreten und hatte dessen Vertrauen vollständig gewonnen. Als nun im J. 1552 sich Kurfürst Moritz von Sachsen mit seinen Verbündeten gegen Kaiser Karl V. in Waffen erhob, schloß sich der Markgraf ihm mit dem Vorbehalt an, bei dieser Gelegenheit vor Allem seinen eigenen Vortheil zu suchen. Das reiche Nürnberg und die beiden Hochstifter von Bamberg und Würzburg waren es, auf welche er es hierbei in erster Linie abgesehen [288] hatte. M. Z. ist die dräuende Gefahr zwar nicht entgangen, aber die militärischen Anstrengungen, die er dagegen machte, reichten nicht aus, und die Hilfe, die er suchte, blieb ihm versagt. So sah er sich dem gesetzlosen Dränger nahezu wehrlos preisgegeben. Dem verwilderten Markgrafen schien es eine besondere Genugthuung, gerade dem „Herzog von Franken“, der „bei aller Teufl namen ein Krigsman sein wollen und des meßlesens vergessen“ eine Lection in seiner Art zu geben. So blieb dem Hochstift Wirzburg, so gut wie dem von Bamberg und der Stadt Nürnberg, nichts anderes übrig, als sich vor dem Schlimmsten durch einen Vertrag, sei es auf noch so schwere Bedingungen hin, zu schützen. Den Vertrag mit Wirzburg hat W. v. Grumbach vermitteln helfen, aber dabei seinen eigenen Vortheil in der Gestalt der Erpressung erheblicher Zugeständnisse von Seiten Melchior Zobel’s nicht vergessen. Als es nun aber zu den Verhandlungen zu Passau zwischen Moritz von Sachsen und seinen Verbündeten einerseits und dem römischen König Ferdinand andererseits und zu dem Vertrage zu Passau kam, wurden jene Verträge des Markgrafen Albrecht mit den fränkischen Einigungsverwandten nicht mit in denselben eingeschlossen. Der Gesandte, welchen M. Z. nach Passau entsandt hatte, war ohne Zweifel in diesem Sinne instruirt. Da nun auch der Kaiser jene Verträge für null und nichtig erklärt hatte, befreundete sich M. Z. mit der Meinung, daß folgerechter Weise zugleich sein Spezialvertrag mit W. v. Grumbach ebenfalls aufgehoben sei und nahm sofort auch thatsächlich alle an diesen seiner Zeit gemachten Zugeständnisse zurück. Damit schien die ganze Verwickelung erledigt. Da fügte es sich aber, daß Karl V. es in unerwarteter Weise für angezeigt hielt, die aufgehobenen Verträge des Markgrafen wieder für gültig zu erklären und ihre Ausführung zu befehlen. Unter diesen Umständen zog W. v. Grumbach den Schluß, daß damit auch sein Specialvertrag mit dem Bischof oder Hochstift von Würzburg gleichfalls rehabilitirt sei und traf sofort Anstalten, seine in demselben eingeschlossenen Ansprüche zu reclamiren, während von Seiten Wirzburgs dieser sein Standpunkt auf’s Nachdrücklichste abgelehnt wurde. An dieses Moment knüpft sich die weitere, das Hochstift und M. Z. betreffende Verwickelung. Markgraf Albrecht ging daran, die Ausführung der von dem Kaiser rehabilitirten Verträge mit Gewalt zu betreiben und Grumbach machte mit ihm gemeinsame Sache. Es kam zum Kriege zwischen Albrecht und den fränkischen Einungsverwandten, und Grumbach bot alle seine Erfahrung und Geschicklichkeit zu Gunsten Albrechts auf, weil er sich darüber nicht täuschte, daß seine Zukunft von dem Ausgange des Streites abhänge. Bereits hatten die fränkischen Verbündeten, welchen der Herzog Heinrich von Braunschweig beigetreten war, einen nahezu vernichtenden Schlag auf Grumbach geführt; sie hatten seine sämmtliche Güter besetzt und ließen sie bis auf weiteres in ihrem Namen verwalten. M. Z. führte unter anderem als Rechtsgrund für dieses Verfahren an, daß Grumbach, ohne seiner Lehenspflicht gegen das Hochstift förmlich entbunden zu sein, gegen dasselbe gedient habe. Grumbach fühlte sich durch diesen Schlag auf das Aeußerste getrieben. Umsonst suchte er das Verderben des geächteten Markgrafen aufzuhalten; seit der Niederlage bei Schwarzach und Sievershausen (1553) war dieser ein verlorener Mann und der fränkische Ritter hatte für seine Zwecke nichts mehr von ihm zu hoffen. Bekanntlich ist Albrecht nach einigen vergeblichen verzweifelten Anstrengungen 1557 gestorben. So schien sich in Franken Alles zur Ruhe anzulassen und W. v. Grumbach dauernd unschädlich gemacht. M. Z. nahm seine fürstliche und bischöfliche Thätigkeit wieder auf, als wäre keine Gefahr von Seiten des Gekränkten zu fürchten. Im J. 1555 ließ er im Auftrage Papst Paul III. eine strenge Visitation sämmtlicher Klöster seines Sprengels ausführen, welche aber schwerlich die beabsichtigte Wirkung hatte, da jene Anstalten, zumal die Frauenklöster gerade in [289] den nächsten Jahrzehnten in tiefen sittlichen und ökonomischen Verfall versunken erscheinen. In den J. 1554 und 1555, wie es scheint aus eigener Initiative und nach eingeholter päpstlicher Genehmigung, hat M. Z. eine andere Einrichtung im Interesse der besseren Ausbildung seines Clerus getroffen. Er bestimmte nämlich in den drei Collegiatstiftern der Stadt Wirzburg je ein Canonicat dazu, damit drei Doctoren der Theologie auszustatten, die in der Hauptstadt der Diöcese und aber auch in den anderen Städten des Hochstifts predigen und theologische Vorträge halten sollten, um der eingedrungenen oder eindringenden Häresie entgegenzuwirken. Diese Thätigkeit Melchior Zobel’s erfuhr aber eine plötzliche und blutige Unterbrechung. Er hatte einen Gegner gereizt und geschädigt, zu dessen Eigenschaften geduldige Ergebung in das Schicksal nicht gehörte. W. v. Grumbach hatte nach der Katastrophe Albrechts Alcibiades einen neuen Beschützer gesucht und in der Person des Herzogs Johann Friedrich d. M. von Sachsen gefunden. Kein anderer Gedanke beseelte ihn zunächst, als sich an seinen Feinden zu Wirzburg zu rächen und die nach seiner Meinung ihm widerrechtlich entzogenen Güter, so oder so, wieder zu gewinnen. Als einziges und vergleichsweise sicherstes Mittel hierzu erschien ihm unter diesen Umständen, den Ueberlieferungen seines Standes entsprechend, die Selbsthilfe übrig geblieben zu sein. Er beschloß also, sich der Person des Fürstbischofs von Wirzburg durch List oder Gewalt zu bemächtigen und so das Hochstift um den Preis der Auslieferung desselben, zur Anerkennung seines Rechtes, bez. zur Herausgabe seiner Güter und zur Befriedigung aller seiner Ansprüche zu zwingen. Zweimal hat er die Ausführung des verwegenen Planes umsonst versucht: aber als er ihn das dritte Mal durch seine Spießgesellen wiederholen ließ, endigte derselbe allerdings nicht mit der Entführung, sondern mit der Tödtung Melchior Zobel’s. Bei Gelegenheit der Rückkehr aus der Stadt nach dem Marienberg traf den tapferen Fürsten der tödtliche Schuß, der seinem Leben vor der Zeit ein Ziel setzte, zugleich aber die Grumbach’sche Frage in ein neues verschärftes Stadium versetzte. Der unmittelbare Urheber des Mordes soll einer von Grumbach’s Parteigängern gewesen sein, der sich für seine Person im Kleinen, wie sein Herr im Größeren, von M. Z. gekränkt und verkürzt gehalten habe. Dem Charakter des Fürstbischofs wird übrigens von Seiten seiner Freunde, was Friedensliebe, Gerechtigkeit und Milde betrifft, das beste Zeugniß nachgerühmt, und es würde das zu dem, was wir sonst von ihm wissen, ganz gut stimmen. – Melchior Zobel’s Wirksamkeit bildet einen wichtigen Abschnitt in der Geschichte des Bisthums und Hochstifts Wirzburg. Sie bildet den Uebergang aus dem Systeme der Vermittelung zwischen den neu aufgetretenen humanistischen, reformirenden Tendenzen und der Erhaltung des überlieferten Bestandes der Kirche einerseits, und den jeder Vermittelung abgeneigten Restaurationsplänen, wie sie seit der Gründung des Jesuitenordens von Rom aus zur Wiedereroberung des fast ganz abgefallenen Deutschlands bereits ins Werk gesetzt wurden, andererseits. Schon sein nächster Nachfolger auf dem Stuhle des heiligen Burkard eröffnet dieser Restaurationspolitik Thür und Thor des Hochstifts. –

I. Gropp, Coll. noviss. I. und III. – Ussermann, Episcopatus Wirceburg. p. 141–143. - Ortloff, Geschichte der Grumbachischen Händel. – Briefe und Akten zur Gesch. des 16. Jahrh., von August von Druffel, Bd. I–III. – Archiv des hist. Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg, stellenweise. Die Geschichte der Universität Würzburg des Unterzeichneten, Bd. I, S. 68–80.