Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Walther, Künstlerfamilie“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 92–95, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walther_(Bildhauer)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 11:58 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 41 (1896), S. 92–95 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Walther (Künstlerfamilie) in der Wikipedia
Walther in Wikidata
GND-Nummer 139987606
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|41|92|95|Walther, Künstlerfamilie|Hermann Arthur Lier|ADB:Walther (Bildhauer)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=139987606}}    

Walther: Der Künstlerfamilie W. gehörte während des sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts eine Reihe der bedeutendsten sächsischen Bildhauer und Architekten an, die nicht nur dem Kurfürsten von Sachsen, sondern auch dem Adel des Landes und der Bürgerschaft Dresdens wesentliche Dienste geleistet und ihren Namen weit über die Grenze Sachsens hinaus glänzend bekannt gemacht haben. Da die Familie W. weit verzweigt war und die Quellen über [93] sie nur bescheiden fließen, enthalten die bisherigen Angaben über ihr Wirken mancherlei Irrthümer und Verwechselungen, weshalb große Vorsicht bei ihrer Benutzung geboten ist. Als an der Spitze dieser Familie stehend wurde bisher immer Hieronymus W. genannt und behauptet, daß er dem im J. 1527 verstorbenen Gegner der Lutherischen Reformation, Hieronymus Emser, ein prächtiges Epitaphium auf dem ehemaligen Frauenkirchhof in Dresden errichtet habe, von dem wir wenigstens noch eine Nachbildung in einem der zweiten Ausgabe von Emser’s Uebersetzung des neuen Testamentes (Leipzig, V. Schumann, 1528, 89) beigegebenen Kupferstiche besitzen. Bei dieser Behauptung aber hat man das in der Inschrift vorkommende Wort: consecravit falsch gedeutet, da es nicht mit errichtet, sondern mit – gestiftet übersetzt werden darf. Hieronymus W. war kein Bildhauer, sondern ein Kaufmann, der als Factor eines Welser’schen Comptoirs in Leipzig lebte und über reiche Mittel verfügt zu haben scheint. Er stammte vermuthlich aus Nürnberg (nach einer anderen, unwahrscheinlichen Angabe aus Oesterreich) und unterhielt zu Pirckheimer und Lazarus Spengler, der als sein Schulgesell bezeichnet wird, briefliche Beziehungen. Auf der anderen Seite stand er Cochläus nahe und gehörte zu den eifrigsten Gegnern der Reformation in Sachsen, woraus sich auch die Freundschaft mit Emser und sein nahes Verhältniß zu dem Herzog Georg von Sachsen leicht erklärt. (Vgl. die Notizen bei J. B. Riedner, Nachrichten zur Kirchen-, Gelehrten- und Bücher-Geschichte. Altdorf 1764, I, 80–95, 337–344; Joh. Heumann, Documenta literaria. Altorfii 1768, S. 66, 74, 120; G. W. Panzer, Versuch einer Geschichte der römisch-catholischen deutschen Bibelübersetzung. Nürnberg 1781, S. 54.) Wenn man also in Zukunft Hieronymus W. nicht mehr als Mitglied der Künstlerfamilie W. wird anführen können, so findet sich doch in Dresden eine so große Anzahl von Künstlern gleichen Namens, daß wir kaum noch bestimmen können, in welchem verwandtschaftlichen Verhältniß sie zu einander gestanden haben. In den Dresdner Bürgerbüchern werden genannt Christoph der Aeltere und der Jüngere, Hans, Andreas, Michael, Sebastian und Christoph Abraham W. Zu diesen kommt noch ein Christoph W. aus Dresden, der im J. 1539 in Leipzig die Brunnenfigur auf dem Pauliner Kirchhof anfertigte. Am bekanntesten unter ihnen hat sich Hans W. gemacht. Er war im J. 1526 in Breslau geboren und kam vermuthlich schon als Kind mit seinem Vater, der in Dresden Bürgerrecht erlangte, in die sächsische Hauptstadt. Am 2. März 1548 wurde er selbst als Dresdner Bürger vereidet. Bei seinen Mitbürgern erfreute er sich großen Ansehens. Infolge dessen wurde er schon im J. 1561 Rathsherr und, obwol erst 45 Jahre alt, im J. 1571 einer der drei Bürgermeister. Im J. 1572 fertigte der berühmte Dresdner Meister Tobias Wolff eine Medaille auf ihn an, auf der er mit dem Zirkel in der Hand dargestellt ist. Er starb in demselben Jahre, wo er das Amt eines regierenden Bürgermeisters inne hatte, am 10. September 1586. Von seinen Werken sind die meisten der Zerstörung anheimgefallen, und ein anderer Theil läßt sich nicht mehr bestimmt nachweisen. Bisher wußte man, daß er das Modell zu dem im J. 1582 vollendeten Thurm der Kreuzkirche entwarf, also auch als Architekt thätig war. Von seinen Bildhauerarbeiten sind folgende bekannt: 1) Der steinerne Brunnen auf dem Untermarkte vor dem Rathhaus in Görlitz, den er vom 4. Mai bis Ende September 1565 anfertigte. 2) Ein nicht näher bezeichnetes Bildwerk, das er im J. 1567 nach einem Rechnungsvermerke in der Kämmereirechnung für 8 fl. 48 gr. für das Dresdner Rathhaus herstellte. 3) Ein heute verschollener Taufstein für die Dresdner Kreuzkirche vom Jahre 1568, für den ihm nach den Brückenamtsrechnungen 500 fl. ausgezahlt wurden. 4) Der Altar der Kreuzkirche, den er im J. 1572 auf Befehl des Kurfürsten August, aber auf Kosten des Grafen [94] Anton von Oldenburg als Andenken an den am 6. August 1570 zu Dresden verstorbenen Grafen Christian VIII. zu Oldenburg und Delmenhorst für die Summe von 800 Thalern ausführte, und der gegenwärtig seine Aufstellung in der Annenkirche gefunden hat. Leider nicht mehr in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten und durch die Einfügung der Kanzel entstellt, ist dieser Altar doch als die erste der in Sachsen angefertigten Marmorarbeiten von großem Interesse und sowol in architektonischer Hinsicht wie in seinen plastischen Theilen von hoher Vollendung. Zu diesen schon früher bekannten, auf sächsischem Boden entstandenen Werken kommt nach einer Vermuthung Steche’s, die einer genaueren Nachprüfung werth sein dürfte, das Schweriner Schloßportal, das im Aufbau und Durchführung große Aehnlichkeit mit mehreren denselben Zwecken dienenden sächsischen Monumenten aus jener Zeit hat. Unterstützt wird diese Vermuthung durch die Thatsache, daß der Herzog Johann Albrecht I. von Mecklenburg mit sächsischen Werkmeistern und Steinmetzen in Verbindung stand und die Steine zum Bau der Schweriner Schloßkirche aus Pirna kommen ließ. Wenn wir nun hören, daß der Herzog im J. 1560 persönlich in Pirna eine steinerne Thürverkleidung bei dem Bildhauer Hans Walcher in Dresden bestellte, die im J. 1561 fertig wurde und als Eingang für die Schloßcapelle diente, und weiter erfahren, daß derselbe Hans Walcher im J. 1562 noch ein nachträgliches Honorar für diese Kirchenthür bewilligt erhielt, so liegt es nahe, diesen Hans Walcher für ein und dieselbe Person wie Hans W. zu halten und einen Schreibfehler in dem Schweriner Rentereiregister, dem diese Angaben entnommen sind, anzunehmen. (Vgl. G. C. F. Lisch, Geschichte der fürstlichen Residenz-Schlösser zu Wismar, Schwerin und Gadebusch. Schwerin 1840, S. 53, und Friedrich Sarre, Beiträge zur Mecklenburgischen Kunstgeschichte. Berlin 1890, S. 98.)

Ebenso bedeutend wie Hans W. war sein Vetter Christoph W. Er war im J. 1534 in Breslau geboren, scheint aber, obgleich acht Jahre jünger als Hans W., schon in bedeutend jüngeren Jahren seine Thätigkeit als Bildhauer begonnen zu haben. Er wurde am 11. November 1562 als Bürger in Dresden aufgenommen und errichtete im J. 1564, erst 30 Jahre alt, für Wolf Herrn von Schönburg das Altarwerk in der Kirche zu Penig, dessen edele Architektur und dessen durchaus protestantischer Inhalt Aehnlichkeit mit den Altären zu Niederplanitz und im Schloße zu Rochsburg zeigt. Wenig Jahre später, im J. 1567, vollendete er das Epitaphium für Hugo Herrn von Schönburg († 1566), das ursprünglich in der Schloßcapelle zu Waldenburg aufgestellt war, seit dem Jahre 1847 aber in der Stadtkirche daselbst seinen Platz gefunden hat. Auffallend ist die große Aehnlichkeit dieses Waldenburger Werkes mit dem Schloßcapellenportal zu Dresden, mit dem Grabmal des Hans v. Dehn-Rotfelser in der Kirche zu Leuben bei Dresden und mit einem Wandgrabmal auf dem alten Annenfriedhof in Dresden, dessen Inschriften nicht mehr zu erkennen sind. Die Aehnlichkeit tritt nicht nur in dem architektonischen Aufbau, sondern in noch höherem Grade in der Behandlung der plastischen Theile hervor, die namentlich bei den Capitälen, Reliefs und Figuren bewunderungswürdig erscheint. Es liegt daher der Schluß nahe und ist auch von Steche gewagt worden, daß die genannten Arbeiten, über dessen Urheber wir noch nichts Sicheres wissen, sämmtlich von Christoph W. herrühren, „der sich im Waldenburger Werke auf der Höhe seiner künstlerischen Anschauung und Kraft zeigt“. Im übrigen war Christoph W. hauptsächlich für die alte, im J. 1584 abgetragene Frauenkirche thätig, für die er den beim Dresdner Brande zerstörten hohen Altar aus Pirnaischem Sandstein anfertigte. Im Jahre vorher war er im Auftrag des Kurfürsten August nach Karlstein in Böhmen gereist, um die dortigen Marmorbrüche zu besichtigen, doch scheint das Ergebniß seiner Untersuchung kein befriedigendes gewesen zu sein. [95] Demselben Christoph W. wird auch die Anfertigung eines jetzt im historischen Museum zu Dresden aufbewahrten, in Gestalt eines Altars ausgeführten Positivs zugeschrieben, das Kurfürst August im J. 1583 erwarb, und für das sich auch noch eine sehr saubere durchgeführte Federzeichnung mit der eigenhändigen Unterschrift des Künstlers, nach der es angefertigt wurde, erhalten hat. Christoph W. starb am 27. November 1584; er wurde in einem der Schwibbogen des alten Frauenkirchhofes begraben, wo er sich selbst bereits im J. 1580 ein Epitaphium errichtet hatte.

Unter den übrigen Dresdner Künstlern dieses Namens verdient vor allen noch Sebastian W. hervorgehoben zu werden. Von ihm steht fest, daß er bereits im J. 1608 für den kurfürstlichen Hof thätig war, für dessen Schloßcapelle er damals ein marmornes Crucifix herstellte, und für den er gleichzeitig in Wachs possirte. Im J. 1616 vollendete er das gemeinschaftlich mit dem Bildhauer Zacharias Hegewald gearbeitete Denkmal, das sich der Bildhauer Nosseni für sich und seine drei Frauen in der Sophienkirche errichten ließ. Es bestand aus der Statue des gegeißelten Christus (Ecce homo). Darüber war ein Basrelief angebracht, das das jüngste Gericht darstellte, während unten links die drei Frauen Nosseni’s, rechts er selbst kniete. Als Nosseni im September 1620 starb, wurde Sebastian W. als kurfürstlicher Architectus und Statuarius sein Nachfolger. Außerdem wurde ihm die Aufsicht über alle Marmor-, Serpentin- und Alabasterbrüche im Lande, sowie über die Perlenfischerei übertragen. In dieser Stellung vollendete er das im J. 1619 begonnene kurfürstliche Lusthaus auf der ehedem die Jungfer genannten großen Elbbastei vor dem Zeughause, das bis zu seiner Zerstörung im J. 1747 zu den Sehenswürdigkeiten Dresdens gehörte. Im J. 1624 erhielt er den Auftrag für das Grabmal der Kurfürstin Sophie, der Wittwe Christian’s I., das große kurbrandenburgische Wappen und außerdem dreizehn Provinzschilde aus Alabaster herzustellen, und ebenso wurde er mit der Modellirung ihrer Statue betraut, an der er noch im J. 1628 arbeitete. Indessen kam das Denkmal nicht zu Stande, da dem Erzgießer Hans Hilliger vermuthlich der Guß mißlang. Die letzte seiner Arbeiten, von der wir hören, war ein im J. 1640 vollendetes Alabasterrelief, das die Verkündigung der Geburt Christi darstellt, und das im kgl. grünen Gewölbe zu Dresden aufbewahrt wird. Er starb im Alter von 69 Jahren, wir wissen aber nicht wann. Seine letzte Ruhestätte fand er in demselben Schwibbogen des alten Frauenkirchhofs, in dem der im J. 1584 verstorbene Christoph W. begraben war. Wir dürfen darum schließen, daß beide Mitglieder ein und derselben Familie waren. Dagegen gehörte der im siebzehnten Jahrhundert thätige Eisenschneider Paul W. sicher nicht der aus Breslau stammenden Dresdner Künstlerfamilie an. Wir kennen von ihm im ganzen zwanzig Denk- und Gelegenheitsmünzen, die fast durchweg zu Neujahrs-, Hochzeits- und Pathengeschenken bestimmt waren und mit dem Monogramm P. W. bezeichnet sind. Die älteste bisher bekannte dieser Medaillen stammt aus dem Jahre 1635, die jüngste aus dem Jahre 1644.

Vgl. Julius und Albert Erbstein, Der kurfürstlich sächsische Eisenschneider Paul Walter und seine Arbeiten. Mit Vorbemerkungen über die älteren Dresdner Künstler Namens Walter. Dresden 1886, Sp. 1–7. – R. Steche, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 13. Heft Glauchau, Dresden 1890, S. 39. (Vgl. auch das Register zu den übrigen Heften.) – Benutzt wurden ferner die handschriftlichen Notizen, die sich R. Steche für seinen am 12. December 1890 im Dresdner Geschichtsverein gehaltenen Vortrag über die Dresdner Bildhauerfamilie Walther gemacht hat. (Manusc. Dresd., c. 52.)