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Artikel „Steche, Franz Richard“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 537–539, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Steche,_Franz_Richard&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 19:49 Uhr UTC)
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Steche: Franz Richard St., Architekt und Kunstgelehrter, wurde am 17. Februar 1837 als Sohn des Rechtsanwaltes A. St. zu Leipzig geboren und erhielt seinen ersten wissenschaftlichen Unterricht in der Erziehungsanstalt des Pastors Grundmann zu Kloschwitz bei Plauen i. V. Von 1850 bis 1856 besuchte er das Thomasgymnasium zu Leipzig, wo außer dem Rector Stallbaum und dem Germanisten R. Hildebrand namentlich der Kunsthistoriker Dr. Aug. Christ. Ad. Zestermann auf ihn Einfluß gewann und den Wunsch in ihm erregte, sich dem Studium der Kunstwissenschaft widmen zu dürfen. Da jedoch die Eltern Bedenken trugen, ihm diesen Wunsch zu gewähren, entschloß sich St., Architekt zu werden, und bezog am Schlusse des Jahres 1856 die Baugewerkenschule zu Dresden, die er im J. 1859 mit der Bauakademie in Berlin vertauschte, auf der er bis zum Jahre 1861 weilte. In Berlin trat er namentlich den Architekten Hofbaurath Joh. Heinrich Strack und Richard Lucae, dem späteren Director der Bauakademie, nahe. Er arbeitete zunächst in dem Atelier Strack’s und dann in dem Lucae’s praktisch und machte sich in ihnen mit den Anforderungen des Backsteinbaues genauer vertraut. Diesen Stil selbständig anzuwenden, fand er Gelegenheit, als er im Winter 1863 auf 1864 eine Anstellung bei der mecklenburgischen Friedrich-Franz-Eisenbahn erhielt, für die er die Bahnhöfe von Neubrandenburg und Oertzenhof erbaute. Seine kunstgeschichtlichen Kenntnisse konnte er zum ersten Mal praktisch verwerthen, als ihm die Restauration der aus dem Mittelalter stammenden Kirche zu Lübbersdorf bei Friedland und der Neubau der Kirche zu Sadelkow im Amte Stargard übertragen wurde. Gleichzeitig arbeitete er an einem Werk über die Thorbauten von Neubrandenburg, das jedoch nie veröffentlicht wurde. Auszugsweise wurde später der Hauptinhalt desselben in einem Aufsatz in Lützow’s Zeitschrift für bildende Kunst (Bd. XII, S. 374–380) mitgetheilt. Im J. 1867 wandte sich St. nach Sachsen zurück und nahm seinen Wohnsitz in Dresden, wo er sowol praktisch als wissenschaftlich thätig war. Unter anderen gewann er im J. 1868 den ersten Preis bei der Concurrenz für die Kirche zu Lindenau bei Leipzig. Die in den siebziger Jahren beginnende kunstgewerbliche Bewegung fand an St. einen eifrigen Vorkämpfer, der sich, obwol seit dem Jahre 1872 verheirathet und darauf angewiesen, seinen Unterhalt zu verdienen, mehr und mehr von der praktischen Thätigkeit als Architekt ab- und dem kunstarchäologischen Specialstudium zuwandte. Die im J. 1875 in Dresden veranstaltete Ausstellung älterer kunstgewerblicher Arbeiten, eines der ersten Unternehmen dieser Art, war im wesentlichen von St. eingerichtet und mit Fachgenossen durchgeführt worden. Der von ihm bearbeitete Katalog erlebte zwei Auflagen und wurde von competenter Seite als tüchtige Leistung bezeichnet. Häufige Reisen durch Deutschland, Italien, die Niederlande und Dänemark, namentlich aber die Beschäftigung mit den Kunstdenkmälern Norddeutschlands diente dazu, Steche’s Anschauungskreis und Kunstverständniß zu erweitern. Im J. 1877 ließ er eine Abhandlung über Hans v. Dehn-Rothfelser, den angeblichen Erbauer des Dresdener Residenzschlosses, erscheinen, auf Grund deren er in Leipzig zum Doctor der Philosophie promovirt wurde. Im nächsten Jahre habilitirte er sich in Dresden an der technischen Fachschule als Privatdocent für die Geschichte der technischen Künste, ein Fach, das er später als praktische Aesthetik zu bezeichnen pflegte. Seine Habilitationsschrift führte den Titel: „Zur Geschichte des Bucheinbandes mit Berücksichtigung seiner Entwicklung in Sachsen“. Das Material dazu hatte er meistens aus den der königl. öffentlichen Bibliothek zu Dresden gehörigen Beständen an kostbaren Einbänden geschöpft, doch gedachte er, es zu erweitern und seine Beobachtungen in einer großen Anzahl der hauptsächlichsten deutschen, italienischen und englischen Bibliotheken zu einem größeren Werk über denselben Gegenstand zu verarbeiten. [538] Die Ausstellung kunstgewerblich hervorragender Einbände, die um jene Zeit in der königl. öffentlichen Bibliothek in eigenen Schaukästen eingerichtet wurde, ist auf seine Anregung zurückzuführen, wie er auch die Auswahl traf und die einzelnen Bände nach historischen Gesichtspunkten anordnete. In seinen Vorlesungen am Polytechnikum behandelte er die Geschichte der technischen Künste, indem er bald über Keramik und Tektonik, bald über Metallotechnik und Textilkünste las. In einem besonderen Colleg besprach er die Entwicklung der Künste in den sächsischen Ländern vom Mittelalter bis zur Neuzeit; einem anderen gab er den Titel: „Ausgewählte Kapitel angewandter Aesthetik“. Aehnliche Vorlesungen hielt er später auch an der königlichen Kunstgewerbeschule zu Dresden. Obwol er am 1. April 1880 zum außerordentlichen Professor ernannt worden war, so fand er das eigentliche Feld seiner bahnbrechenden Thätigkeit nicht als akademischer Lehrer, sondern als Leiter des Inventarisationswerks der sächsischen Kunstalterthümer. Was er auf diesem Gebiete mit rastlosem Fleiße und unermüdlicher Thatkraft in der kurzen Zeit seit dem Jahre 1881 allein und ohne jegliche fachmännische Unterstützung geleistet hat, sichert seinem Namen für immer einen ruhmvollen Platz in der Geschichte der deutschen Kunstforschung. Das von ihm herausgegebene Werk: „Beschreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens“, deren erstes Heft im Sommer 1882 erschien, und von dem bis zu Ende des Jahres 1891 im ganzen 15 Hefte veröffentlicht wurden, ist von der Fachpresse einstimmig als eine der besten Arbeiten unter den zahlreichen gleichzeitigen Unternehmungen bezeichnet worden und hat eine Fülle kunstgeschichtlich werthvoller Funde zu Tage gefördert. Ein ähnliches Verdienst hat sich St. um den Königl. Sächsischen Alterthums-Verein erworben, als dessen zweiter Director er an Hettner’s Stelle vom Jahre 1878 an bis zum Jahre 1889 fungirte. Im Auftrage dieses Vereins, des königl. Ministeriums des Innern und des evangelischen Landesconsistoriums erstattete er Jahr aus Jahr ein zahlreiche Gutachten über beabsichtigte Erwerbungen für das Vereinsmuseum, über Kirchenrestaurationen und über Kunstwerke im Privatbesitz, deren Besichtigung oft zeitraubend und in einzelnen Fällen nur nach Bewältigung mannichfaltiger Schwierigkeiten möglich war. Seit dem Jahre 1876 vertrat er als Pfleger die Interessen des Germanischen Museums in Dresden und wurde nach Hettner’s Tode im J. 1882 zum Mitglied des Verwaltungs- und Gelehrtenausschusses gewählt. Von Haus aus leidenschaftlich angelegt, leicht erregbar und von großem Ehrgeiz beseelt, rieb sich St. bei dieser rastlosen Thätigkeit vorzeitig auf, zumal er noch in seinen letzten Jahren, namentlich für die Holsteinschen Herrschaften, bei denen er in hoher Gunst stand, auch als ausübender Künstler mancherlei Unternehmungen einleitete oder wenigstens ihre Ausführung überwachte. Seine letzte wichtigere kunstgeschichtliche Entdeckung war die Auffindung von „Plänen für das königliche Zeughaus und ein Stallgebäude zu Berlin aus dem Nachlasse des Generals de Bodt“ (Berlin 1891, Fol.). St. entdeckte sie in der Bibliothek des königlich sächsischen Ingenieurcorps und hatte die Genugthuung, sie seiner Majestät dem Kaiser Wilhelm II. in einer Privataudienz überreichen zu dürfen. Schon seit Jahren hochgradig nervös und von beschwerlichem Husten geplagt, erkrankte er im Sommer 1892 an Lungen- und Darmtuberkulose und erlag diesem Leiden am 3. Januar 1893 nach langem Siechthum in seiner Wohnung zu Niederlößnitz bei Dresden, wo er sich im J. 1889 niedergelassen hatte. „St. war ein Mann“, urtheilt Cornelius Gurlitt über ihn (in einem Nachruf in der Deutschen Bauzeitung, XXVII. Jahrg., Nr. 3, S. 17), „von regstem, fast leidenschaftlichem Eifer für seine Kunst und Wissenschaft. Mit größter Rücksichtslosigkeit strebte er dem Besten zu. Eine so gerade, ehrliche, aber auch so knorrige Natur wie die seinige mußte leicht in Zwiespalt mit jenen kommen, die er für seine Gegner [539] ansah. So zerstörte er manchmal im lebhaften Eifer für das Gute für ihn günstige Verhältnisse, die er selbst mit Mühe aufgebaut hatte. Wer aber tiefer in sein Wesen zu schauen vermochte, der erkannte in ihm den echten deutschen Mann und den warmherzigen Freund des Guten.“

Nach einer eigenhändigen Aufzeichnung Steche’s über sein Leben vom 10. Juli 1888. Ein eingehender Nekrolog wird im 14. Band des Neuen Archivs für Sächsische Geschichte und Alterthumskunde erscheinen.