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Artikel „Wagner, Theodor“ von August Wintterlin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 579–581, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wagner,_Theodor&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 19:43 Uhr UTC)
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Wagner: Theodor W., Bildhauer, geboren am 21. März 1800 in Stuttgart, † daselbst am 10. Juli 1880, war der Sohn des im J. 1773 zu Durlach in Baden geborenen und im J. 1845 in Stuttgart verstorbenen Münzmedailleurs Joh. Ludwig W., dem Württemberg eine Reihe von schönen Münzen und Medaillen verdankt. Theodor lernte schon in seinem zwölften Jahre neben dem Gymnasialunterricht bei Dannecker zeichnen und modelliren; im vierzehnten wurde er ganz dessen Schüler und Hausgenosse. Seiner Ausbildung für die Kunst, wie für das Leben kam der reiche geistige Verkehr des Dannecker’schen Hauses manchfach zu gut. Große Anregung bot ihm auch eine Freundschaft mit dem um vier Jahre jüngeren, aber frühreifen Dichter Waiblinger, der im J. 1820 das Stuttgarter Gymnasium bezog und noch als Tübinger Student in brieflichem Verkehre mit dem jungen Künstler blieb. W. machte die Zeichnungen zu den Köpfen des Phaethon und der Atalanta, welche, von ihm selbst lithographirt, die Vorder- und Rückdecke von Waiblinger’s Erstlingswerk, dem Roman Phaethon (1823) zieren. Das Bild des Freundes verewigte er in einem Relief, das, im Stiche vervielfältigt, im ersten Bande von dessen Gesammelten Werken, herausgegeben von H. v. Canitz, zu sehen ist. König Wilhelm I., dem Dannecker eine Skizze des jungen Mannes, den guten Hirten vorstellend, zeigte, bewilligte ihm im J. 1822 aus Staatsmitteln 300 Gulden, um noch ein Jahr bei dem Meister weiter zu studiren, und nebst 200 Gulden Reisegeld eine später dreimal wiederholte Pension von 700 Gulden für seine weitere Ausbildung in Italien. W. entwarf noch unter Dannecker’s Leitung eine Skizze zu dem Evangelisten Lucas für die Grabkapelle, welche der König auf dem Rothen Berge bei Cannstatt an der Stelle der Stammburg Württemberg von Giov. de Salucci für sich und seine Gemahlin Katharina erbauen ließ. Von den drei andern Evangelisten übernahm Dannecker den Johannes, Thorwaldsen den Matthäus und Marcus. Der dänische Meister ließ in Rom den Matthäus durch seinen Schüler Joh. Leeb aus Memmingen (1790–1863), den Marcus durch einen ehemaligen Mitschüler Wagner’s, Joh. Nep. Zwerger aus Donaueschingen (1798–1868), ausführen. Liebevoll leitete er auch Wagner’s Arbeit, der im Frühjahr 1823 nach Rom kam. Er veranlaßte ihn, die mitgebrachte Skizze aus der streng classicistischen Auffassung mehr in die kirchlich gewohnte hinüberzuführen; dabei lehrte er ihn auch besser mit der Gewandung umgehen, als dies bei Dannecker zu lernen war. Daneben studirte der zeitlebens mit seiner Zeit äußerst gewissenhafte W. eifrig die alte und neue Kunst in den römischen Sammlungen und suchte seine Bildung durch Theilnahme an den antiquarischen Vorlesungen von Professor A. Nibby und an den Erläuterungen der Apostelgeschichte zu erweitern, die der damalige preußische Gesandtschaftsprediger, der geistvolle Theologe Rich. Rothe, vortrug. Seinen Lucas führte er noch in Rom in Marmor [580] aus, wie auch die Copie eines antiken Agrippa-Kopfes und eine Büste des Baumeisters J. M. Knapp, dem Stuttgart seine Jubiläumssäule König Wilhelm’s I. verdankt.

Im J. 1826 nach Stuttgart zurückgekehrt trat W. wieder in das Atelier Dannecker’s ein, baute sich aber nach Jahresfrist ein eigenes. Zu seinen ersten Aufträgen gehörten die Porträtreliefs seines Freundes, des kunstsinnigen Hofkaplanes, späteren Obethofpredigers Karl Grüneisen und dessen Gattin, sowie eine Büste des Dichters Wilh. Hauff, den er kurz vor dessen Tode im J. 1827 kennen gelernt hatte. In Erz gegossen und auf einen Felsensockel bei dem Schlößchen Lichtenstein kühn hinausgestellt, hat dieses Werk sehr frühe Wagner’s Ruf als Porträtbildner in weiteste Kreise getragen. Von weiteren Büsten aus jener Zeit sind besonders zu nennen die des Dichters Haller und der Philosophen Leibniz und Wolf, alle drei im Auftrage des Großherzogs von Oldenburg gefertigt. Der fleißige Meister durfte jetzt an die Gründung eines eigenen Hausstandes denken; er führte Elisabeth Kolb aus Kirchheim u. T., eine Schwester von Dannecker’s zweiter Frau, als Gattin heim, wodurch das Band mit diesem noch fester geknüpft wurde. König Wilhelm I., der damals das Landhaus Rosenstein bei Cannstatt in streng classicistischem Stile durch Giov. de Salucci erbauen ließ, gab W. zahlreiche, von 1829 bis 1835 reichende Aufträge für die plastische Ausschmückung dieses Baues (vgl. Grüneisen, Ueber die Kunstwerke des k. Landhauses Rosenstein im Kunstblatt, Jg. 1830, S. 289 ff.). Auch die Büste des Königs selbst durfte W. damals in Marmor machen. Er fühlte sich durch seine Erfolge im Porträtfache so ermuthigt, daß er es wagte, im J. 1829 nach Weißer’s auf die Natur geformte Büste und Rauch’s Statuette eine lebensgroße Goethe-Büste zu entwerfen, wovon er im Februar 1832 einen Abguß an den greisen Dichter sandte, dessen „lebensvolle Wahrheit“ gerühmt wird (vgl. Held, Die Schätze des Goethe-Nationalmuseums in Weimar). Von weiteren Arbeiten aus den Jahren 1830–40, zum Theil auch darüber hinaus, seien hervorgehoben: Die lebensgroßen Marmorbüsten der württembergischen Herzoge Eberhard i. B. und Christoph für die Walhalla bei Regensburg; die Kolossalbüsten Konrad’s von Widerhold, des Vertheidigers von Hohentwiel, und seiner Gemahlin in Sandstein an der Stadtkirche in Kirchheim u. T.; Ganymed und Hebe, lebensgroße Marmorstatuen für König Wilhelm I.; eine Kolossalbüste Schiller’s für dessen Sohn Karl in Gips, später (1836) für Herrn Adami in Bremen in Marmor ausgeführt; ein Marmorrelief mit Schiller und Goethe für Hamburg (1837); zwei Musenstatuen in Sandstein für das Cannstatter Hoftheater (1839–40); Kolossalbüsten von Schiller und Wieland für das Schloß in Weimar; eine von ihm oft wiederholte kleine Marmorgruppe: Venus und Adonis; eine büßende Magdalena, gleichfalls dreimal in Marmor ausgeführt, zuerst für die Großherzogin Stephanie von Baden, dann für König Wilhelm I., zuletzt für die plastische Staatssammlung in Stuttgart. An dieser Gruppe und der Magdalena zeigte sich W. ganz besonders als echten Schüler Dannecker’s, der sich in der naturtreuen Bildung des Nackten nie genug thun konnte. Er pflanzte diese Richtung auch als Lehrer weiter, als er im J. 1836 die Professur für Plastik an der im J. 1829 wieder aufgerichteten Stuttgarter Kunstschule als Dannecker’s Nachfolger erhielt, dem er im J. 1841 gleich nach seinem Tode im Vereine mit K. Grüneisen ein Denkmal setzte mit dem Buche: „Dannecker’s Werke in einer Auswahl. Mit einem Lebensabrisse des Meisters“. Hamburg, Verlag von G. Heubel. 4°. Er selbst wirkte 40 Jahre lang als Professor und Mitglied der Kunstschuldirection höchst segensreich, von seinen Collegen geschätzt wegen des guten Einflusses, den seine ernste Natur und seine künstlerische Gewissenhaftigkeit auf die Haltung der Schüler ausübte.

[581] Hatte W. bis gegen 1840 sich ausschließlich der classicistischen Formen bedient, so führte ihn im J. 1842 und den folgenden Jahren ein Auftrag der württembergischen Landstände, die Modellirung sämmtlicher Bronze-Gußarbeiten für die Jubiläumssäule zu Ehren König Wilhelm I. auf dem Stuttgarter Schloßplatze auf ein ganz neues Feld. Er sollte am Unterbau nach den Gemälden von J. J. v. Schnizer (s. A. D. B. XXXII, 176 ff.) drei Schlachtenbilder aus dem Jahre 1814 und außerdem die Huldigung der Stände bei dem 25jährigen Regierungsjubiläum König Wilhelm’s im Relief darstellen. W. machte die kleinen Figuren in durchaus realistischer Nachbildung höchst lebensvoll. Vier allegorische Standbilder auf den Ecken des Unterbaues, den Lehr-, Wehr-, Nähr- und Verkehrs-Stand vorstellend, hielt er in classicistischem Stil, aber mit einem an Schwanthaler erinnernden Hauch von deutscher Romantik. Für die Spitze modellirte er, nachdem im J. 1846 die Säule fertig war, den König selbst, mit ausgestreckter Hand sein Volk segnend, in Ueberlebensgröße. Das Modell wurde aber nicht in Erz gegossen, sondern im J. 1863 durch eine von J. L. Hofer modellirte Concordia ersetzt und im J. 1874 der plastischen Staatssammlung einverleibt. Anschließend an diese Arbeiten entwarf W. nach 1848 die ganze Reihe württembergischer Fürsten von Herzog Eberhard i. B. bis zu König Friedrich in den Costümen ihrer Zeit und den ihrem Charakter entsprechenden Stellungen. Leider fanden diese ansprechenden Figürchen keine lebensgroße Ausführung in Erz oder Stein. Das kronprinzliche Paar Karl und Olga kaufte sie dem Meister später für die Villa bei Berg ab, wohin der Meister Karyatiden, Putten und andere decorative Figuren zu machen hatte. Der Gunst der Kronprinzessin verdankte er im J. 1852 auch die Bestellung einer lebensgroßen Nymphe durch den damaligen Thronfolger Alexander von Rußland; König Wilhelm I. kaufte ihm noch eine Marmorgruppe von badenden Nymphen in halber Lebensgröße ab; eine Colossalbüste dieses Fürsten in Marmor bestellte im J. 1854 der Staat für das Museum der bildenden Künste. Das Schillerjubiläum im J. 1859 brachte W. in ganz Deutschland und bis hinüber nach Amerika als den Künstler in Erinnerung, der nach Dannecker am meisten für die Verklärung seines großen Landsmannes durch die bildende Kunst gethan hatte. Abgüsse seiner Schillerbüsten wurden zur Ausstellung bei den öffentlichen Feiern nach allen Seiten verlangt.

Das ganze sechste Jahrzehnt von Wagner’s Leben und ein Theil des siebenten waren noch durch mancherlei Arbeiten ausgefüllt, worunter namentlich Aufträge für Stuttgarter Friedhöfe, z. B. das in München in Bronze gegossene Porträtrelief des Historikers Chr. Fr. Stälin (1873). Am 31. August 1878 feierte er mit der treuen Gefährtin seines Lebens die goldene Hochzeit und überlebte dieses Fest noch um zwei Jahre.

An Bildnissen Wagner’s kennen wir: eine treffliche Zeichnung von A. Gegenbaur aus dem Jahre 1823; ein Brustbild in Oel, während seines römischen Aufenthaltes gemalt von einem Russen; ein Kniestück in Oel von Bernh. Neher (1856); ein lithographirtes Brustbild von C. Pfau; eine lebensgroße Büste von seinem Schüler H. Bach.

Vgl. den Nekrolog in der Schwäb. Chronik von Mathilde Grüneisen.