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Artikel „Grüneisen, Karl“ von Julius Hartmann (Kirchenhistoriker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 36–37, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gr%C3%BCneisen,_Carl&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 14:40 Uhr UTC)
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Grüneisen: Karl G., Theolog, geb. zu Stuttgart den 17. Januar 1802, gest. ebendaselbst am 26. Februar 1878. Als Sohn des Oberregierungsrathes Karl Christ. Heinr. G. († 1831) und der Henriette geb. Hauff (Tante von Hermann und Wilhelm Hauff) für die Universität vorgebildet im Gymnasium seiner Vaterstadt, bezog er Herbst 1819 die Hochschule Tübingen, um – im Stift – Theologie zu studiren, errang Preise in der philosophischen Facultät, wie in der theologischen den katechetischen und homiletischen, setzte 1824 seine Studien in Berlin hauptsächlich unter Schleiermacher fort, genoß daneben des bildenden Einflusses des damaligen, um Hitzig, Chamisso u. A. sich sammelnden Kreises für schöne Litteratur, übrigens unter treuer Wahrung seiner schwäbischen Art. Einer Reise nach Italien, namentlich dem in Rom ihm vergönnten Umgang mit Kölle, Bunsen, Thorwaldsen, Th. Wagner, Schnorr, verdankte er gründliche Kenntnisse in der bildenden Kunst, die er später in Schriften und Vereinen reichlich zu verwerthen wußte. Im J. 1825 von König Wilhelm zum Hofcaplan und Feldprediger der k. Garden ernannt, verehelichte er sich mit Friederike, Tochter des Professors der Astronomie Bohnenberger in Tübingen, wurde 1835 Hofprediger und Oberconsistorialrath, und machte sich in den folgenden Jahren um die Redaction des württembergischen evangelischen Gesangbuchs, wie des Kirchenbuchs (Liturgie) wesentlich verdient. Das Vertrauen des Königs ordnete ihn 1845 zur ersten deutschen evangelischen Kirchenconferenz nach Berlin ab, wie er denn auch von 1852–68 Württemberg bei den „Eisenacher Kirchenconferenzen“, zugleich als deren Vorsitzender, vertrat. An der Gründung des Gustav-Adolf-Vereins nahm er warmen Antheil, als einer aus dem evangelischen Glauben und warmer christlicher Bruderliebe fließenden That. Besonders angelegen war G. die Gründung und Leitung des „Vereins für christliche Kunst“, der von 1857 an eine reiche Wirksamkeit in Berathung Einzelner, wie der Behörden und Gemeinden entfaltete, und durch das „Christliche Kunstblatt“, welches, seit 1858 herausgegeben von G., Schnaase und Schnorr, später von G., Lübke, Pfannenschmidt und H. Merz, auf Weckung und Ausbildung echten christlichen Kunstsinns in weitesten Kreisen fördernd wirkte. Von der Vielseitigkeit seiner Bildung und seiner Kenntnisse legen die zahlreichen Schriften, die er während eines vollen Menschenalters herausgab, rühmliches Zeugniß ab. Während das erste schriftstellerische Product ein Bändchen „Lieder“ war (1823), ließ er 1834 eine Sammlung Predigten „Für Gebildete in der Gemeinde“, 1838 – zuerst in der Deutschen Vierteljahrsschrift – die bahnbrechende Arbeit „Ueber Gesangbuchsreform“ erscheinen, in der er, aller Ausschließlichkeit [37] fremd, sich den verschiedensten Richtungen gerecht erwies, wenn sie nur von der Liebe zur Wahrheit und sittlichem Bedürfniß sich leiten ließen. Mit seinem „Haus-Gebetbuch“, 1846, 6. Aufl. 1868, einer trefflichen Auswahl der gediegensten Gebete und Lieder von Luther bis Wessenberg, kam er, zumal in seiner handlichen Form, einem wirklichen Bedürfniß entgegen. Für die Kirchengeschichte gab er werthvolle Beiträge durch seinen „Abriß einer Geschichte der religiösen Gemeinschaften in Württemberg“, 1841, und sein biographisches Werk: „Niclaus Manuel, Leben und Werke eines Malers, Dichters, Kriegers, Staatsmanns und Reformators im 16. Jahrhundert“, 1837, und „Die Christenburg, allegorisch-epische Dichtung von Joh. Val. Andreä“, 1836. Wesentlich der Kunst und Kunstgeschichte gehört seine wissenschaftliche Erstlingsschrift „Ueber die bildliche Darstellung der Gottheit“ an, 1828, dem edlen Freiherrn v. Wessenberg gewidmet. Als Dank für die ihm 1839 von Leipzig verliehene Würde eine Dr. theol. widmete er der theologischen Facultät die Abhandlung: „De protestantismo, artibus haud infesto“, 1836. Im J. 1840 gab er mit seinem Freund Eduard Mauch „Ulms Kunstleben im Mittelalter“ heraus, 1841 mit Th. Wagner „Die Werke Dannecker’s, mit seinem Lebensabriß“, Umrisse und begleitender Text. Nach Schorn’s Tod besorgte er die Redaction des „Kunstblatts“ zum Morgenblatt, bis zu seinem Aufhören 1848. Die Akademie der bildenden Künste in Berlin ernannte ihn 1845 zum Ehrenmitglied. Fünfzehn Jahre stand er, nachdem er seit 1831 eine Reihe von Jahren die (Volks-)Schulinspection in Stuttgart geleitet, dem „Katharinenstift“, einem höheren weiblichen Erziehungsinstitut, als königl. Commissär vor. Im Consistorium war er, nachdem schon seit 1830 verschiedene Anträge von Mitgliedern der zweiten Ständekammer, wie Scholl, Schott, Schmid, nicht zum Ziel geführt, für die Autonomie, welche die Verfassung zugesagt, für die Einführung einer kirchlichen Vertretung thätig, und es darf die Einsetzung der untersten Stufe, des „Pfarrgemeinderaths“, wie der zweiten, der „Diöcesansynoden“, 1851 und 1854, wesentlich seiner Anregung und Mitwirkung zugeschrieben werden, während die Einführung der „Landessynode“ beinahe mit der Zeit seiner Pensionirung, 1868, zusammenfällt. Fast zwei Jahrzehnte hindurch war er Vorstand des „Vereins für classische Kirchenmusik“, der die edelsten classischen Tonschöpfungen zu pflegen und zur Aufführung zu bringen sich zur Aufgabe stellt und von der Hauptstadt aus vielfach befruchtend auf das ganze Land wirkt. Weniger glücklich als in dem Eifer für edle kirchliche Formen, namentlich bei Aufführung und Restauration von Kirchen und Bewahrung von Gemeinden und Behörden vor schädlichen Mißgriffen, war er mit dem Versuch, die Gottesdienstordnung in der württembergisch-evangelischen Kirche, die sich mit fast reformirter Einfachheit ausgebildet hatte, mehr im Sinne der formenreicheren lutherischen Liturgie umzugestalten. Der schwäbische Sinn und Geist, in manchen Beziehungen dem schweizerischen verwandter, verhält sich gegen Cultusformen und -Reformen vielmehr mißtrauisch und ablehnend. Einer solchen vielseitig anstrengenden Thätigkeit blieb G. bis ins höhere Alter durch die geregeltste Lebensweise gewachsen. Auch nachdem ihn der König in Ruhestand versetzt, waren es, neben der Ehrenmitgliedschaft des Consistoriums, seine Lieblingsfächer, denen er noch ein volles Jahrzehent seiner Theilnahme und Thätigkeit widmete, bis ihn am 28. Februar 1878 nach kurzer Krankheit ein sanfter Tod aus dem Kreis seiner zärtlich an ihm hängenden Kinder und seiner zahlreichen Freunde abrief.

Nekrol. im Schwäb. Merkur vom 20. März 1878. Christliches Kunstblatt vom 1. Mai 1878, Nr. 5 (von Prälat Dr. v. Merz).