Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Volk, Wilhelm“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 227–230, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Volk,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 7. November 2024, 23:10 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Voelckel, Samuel
Nächster>>>
Völk, Josef
Band 40 (1896), S. 227–230 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Kein Wikipedia-Artikel
(Stand Mai 2015, suchen)
Wilhelm Volk in Wikidata
GND-Nummer 113096992
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|40|227|230|Volk, Wilhelm|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Volk, Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=113096992}}    

Volk: Wilhelm Gustav Werner V., Kirchen- und Litterarhistoriker, Mystiker und Patrolog, meist unter dem Pseudonym L(udwig) Clarus, auch (bis 1844 durchweg) anonym, wurde am 25. Januar 1804 aus lutherischer, nicht eben kirchlicher Familie zu Halberstadt geboren. Der Vater, Assessor beim Coloniegericht und 1826 verstorben, amtirte dann in Helmstedt, wieder in Halberstadt, schließlich in Magdeburg, so daß auch V. auf verschiedenen Schulen seine Vorbildung genoß. Auf dem Magdeburger Gymnasium war schon 1820 mit dem Interesse an der Litteraturgeschichte der Drang zum Schriftstellern in ihm erwacht, und V. hatte, unter Beihilfe seiner Mitschüler Karl Rosenkranz (s. d.) und Franz Heucke 1821–1822 ein regelmäßiges schriftliches Wochenblatt schönwissenschaftlichen und linguistischen Inhalts behufs stilistischer Uebung ausgearbeitet, aus dem er 1823 und 1824 einiges Novellistische in den „Halberstädtischen Mittheilungen“ abdrucken ließ. Seit Ostern 1823 betrieb er in Göttingen das Rechtsstudium fünf Semester hindurch, damals noch ohne positive Glaubensrichtung, so daß er nie zur Kirche ging. 1825 nach Berlin übergesiedelt, hörte er neben den juristischen auch Hegel’s und Schleiermacher’s Vorlesungen, fand aber an ihren philosophischen Anschauungen, namentlich den pantheistischen, keinen Geschmack. 1826 wurde er Auscultator beim Stadt- und Landgericht zu Magdeburg und ging, nachdem er 1829 das Referendarexamen abgelegt, aus Abneigung gegen den Richterstand später zur Verwaltung über. Eine ausgedehnte pietistische Lectüre lenkte damals seine Weltbetrachtung ein für alle Mal in das fürder nicht mehr verlassene Fahrwasser, wenn auch Thomas a Kempis’ „de imitatione Christi“ und im Anschluß daran die Bibel und die Schriften der Reformatoren, was ihn insgesammt unbefriedigt ließ, jene kurz danach mannigfach modificirten. Diese Beschäftigung wurde mit Ende 1831 durch litterarische, besonders belletristische Arbeiten und die für die dritte Staatsprüfung nöthigen cameralistischen Collegien (1832–33 an der Berliner Universität) unterbrochen. In Berlin verkehrte er viel mit dem katholisch gewordenen George Phillips, den er 1836 in München wiedertraf, wohin er mit seiner ihm eben angetrauten Frau, einer Pastorstochter, reiste. Daselbst trat er auch Cl. Brentano und J. Görres nebst ihrem Kreise nahe und wurde bald darauf von letzterem in die christliche Mystik eingeführt, mit der er sich dann Jahre lang, sowohl durch praktische Beobachtung als durch eingehendes Studium der betreffenden Litteratur befaßte. Auch 1837 kam er nach München und kehrte nach einer anregenden Fahrt durch Tirol und Oberitalien, in seinen neukirchlichen Grundsätzen befestigt, zurück. Seit dem Frühjahr 1838 beim Regierungscollegium in Erfurt angestellt, hat V. seitdem fast seine ganze ungemein rührige Arbeitskraft den religiösen Bestrebungen gewidmet, in die ihn jene Bekanntschaften eingeführt hatten und wiederholte Besuche in Süddeutschland immer tiefer hineinschoben. So ist er in seiner amtlichen Laufbahn, trotz seiner bedeutenden Begabung nicht über den Regierungsrath hinausgelangt, als welcher er 1858 [228] mit halbem Gehalt in den Ruhestand trat. Seine klerikalen Gesprächsgenossen haben im Laufe der öfteren Zusammenkünfte gewiß in dem Wunsche, Volk’s ungewöhnliche Anlagen im Dienste ihrer Gesinnung zu verwerthen, einen derartigen Einfluß auf ihn ausgeübt – von dem Mainzer Bischof v. Ketteler bezeugt er es selbst – daß er, zugleich einem Genesungsgelöbniß seiner Gattin folgend, am 18. October 1855 zu Aigen bei Salzburg zur katholischen Kirche übertrat. Trotz alledem blieb er in Erfurt wohnen, vielleicht weil er daselbst einen passenden Mittelpunkt für seine Proselytenagitation gefunden zu haben wähnte, und starb hier nach mehrmonatiger Wassersucht am 17. März 1869, schon lange kränkelnd.

V. gehört zu den merkwürdigsten Persönlichkeiten der von ihm eifrigst vertretenen Bewegung. Weder ist er durch irgend welche äußere Motive oder Lockmittel zum Abfall von seinem ererbten Bekenntnisse bestochen oder gar durch seine nachherigen Glaubensbrüder überrumpelt worden. Bis ins Innerste von der Wahrheit der römisch-katholischen Dogmen überzeugt und längst ein Sohn der Papstkirche, hat er endlich auch den formellen Schritt vollzogen, dessen weiterer Hinausschub ihn vor Freund und Feind zum Lügner gestempelt hätte. Denn er hatte schon seit länger als anderthalb Jahrzehnten eine äußerst fruchtbare Schriftstellerei im Dienste der Strömung entfaltet, in der später all sein Dichten und Trachten aufging, und daher ist es schier unmöglich, zwischen der wesentlich theoretischen Pflege seiner mystischen und Legenden-Studien und dem Beginne eines direct auf die Religionsänderung hinzielenden Denkens eine scharfe Grenze zu ziehen. Den allmählichen Wandel, der in seiner Seele vorging, hat er von den ältesten Stadien an in „Simeon. Wanderungen und Heimkehr eines christlichen Forschers“ (3 Bde., 1862–63) in fesselnder Darstellung verfolgt, „einer der besten Conversionsschriften“, wie von berufener Seite, bei Manz (s. u.), geurtheilt wird. In engem innerlichen Zusammenhange damit steht eine Reihe von Flugschriften, die in mehrfachen Pausen den Verlauf seiner bezüglichen Entwicklung beleuchten: „Die Berliner Gewerbeausstellung und die Ausstellung des heiligen Rockes in Trier. Ein Brief aus Berlin von einem Protestanten“ (1845); „Geständnisse eines im Protestantismus aufgewachsenen Christen über religiöse Erziehung und Bildung“ (1846); „Glaubenslehrjahre eines im Protestantißmus erzogenen Christen“ (1852); „Ein protestantischer Pastor und ein zum Katholicismus convertirter Laie“ (1857); „Aus dem Leben eines Convertirten“ (1859); „Eine litterarische Hasenjagd, oder Methode, wie ein gewissenhafter Polemiker wider die katholische Kirche Heiligenbilder zurecht macht, verrathen“ (1865); „Die Zusammenkunft gläubiger Protestanten und Katholiken in Erfurt im Herbst 1860 und deren Verlauf. Eine auf eigene Theilnahme und sämmtlich bekannt gewordene Quellen gegründete Darstellung und Mahnung zur Fortsetzung des Werkes“ (1868). Alle diese für Volk’s innere Biographie wichtigen Abhandlungen zeigen ihn als einen von den lautersten Idealen erfüllten Schwärmer für eine in mittelalterlicher Mystik und unter der Fahne des katholischen Dogmas erfolgende Wiedergeburt des Christenthums. Welches Gemüth und welche Charakterstärke paarten sich in diesem allgeachteten, vielgeliebten Manne, der seine geistige und materielle Habe zu opfern nicht anstand, sobald es galt, seine neue Confession auszubreiten und zu stützen!

Unter den zahlreichen sonstigen Veröffentlichungen Volk’s sind mit den genannten die mit Erneuerung ihrer Ideen begleiteten Lebensbilder von Heiligen am engsten verknüpft, und durch diese sowie durch die damit Hand in Hand gehenden Uebersetzungen und Bearbeitungen populartheologischer Werkchen verschiedener älterer Kirchenlehrer hat er sich beträchtliche Verdienste erworben. Diese Büchlein von oder über Johannes Capistranus, Augustin, Bartholomäus [229] Holzhauser, Theresia von Jesu, Magdalena, Martha und Lazarus, P. Diego de Estella, Maria von Agreda, Hildegard, Brigitta, Franz von Sales, Franz von Assisi u. s. w., waren wohl weniger darauf berechnet zu erbauen als vielmehr eine intimere Kenntniß der Hauptdocumente der Patrologie und älteren Mystik weiteren Kreisen zu erschließen. Sie mögen aber nach und nach, wie etliche Neuauflagen auch nach Volk’s Tode beweisen, Andachtszwecke mit versehen haben.

Durch diese Verdeutschungen war V. auch zu einem genaueren Eindringen in das spanische und das italienische Schriftthum veranlaßt worden, und so ergaben sich in Anlehnung an seinen jugendlichen Trieb zur Litteraturgeschichte u. a. „Handbuch der Geschichte der italienischen Litteratur“, (2 Bde., herausgegeben von Genthe 1832–34); eine gediegene „Darstellung der spanischen Litteratur im Mittelalter“ (2 Bde., 1846), von Görres bevorwortet und Volk’s erste Publication unter seinem Pseudonym (vgl. J. A. M. Brühl, Geschichte der katholischen Litteratur Deutschlands, S. 811 f.); „Franz Petrarch’s Bekenntnisse in Uebertragungen seines Briefes an die Nachwelt und seiner drei Gespräche über die Verachtung der Welt“ (1846); „Manzoni, ein litterar-historischer Versuch“, die 122 Seiten lange gehaltvolle Einleitung zu Milden’s anonymer Uebersetzung der „promessi sposi“ (1859, 3., verbesserte Auflage 1884); Band II und III der 1860–64 zu Paderborn erschienenen Verdeutschung der Erzählungen von Fernan Caballero. Dazu treten noch Uebersetzungen skandinavischer Litteraturerzeugnisse; V. war 1844 in Schweden gewesen und hat 1847 nicht bloß Reisebriefe über „Schweden sonst und jetzt“ veröffentlicht, sondern auch 1846 Molbech’s „Lund, Upsala und Stockholm im S. 1842“ und 1853 Stagnolius’ dramatisches Gedicht „Die Märtyrer“ übersetzt. Von eigenen Dichtungen sind zu nennen: „See-Anemonen. (8) Novellen eines Unbekannten“ (herausgegeben von Genthe, 1832) und „Caupolican, eine katholische Erzählung aus der neuen Welt“ (2 Bde., 1858); für sich stehen: „Herzog Wilhelm von Aquitanien, ein Großer der Welt, ein Heiliger der Kirche und ein Held der Sage und Dichtung“ (1864), „Die Auswanderung der protestantisch gesinnten Salzburger im J. 1731 und 1732“ (1864), und „Die heilige Mathilde, ihr Gemahl Heinrich I. und ihre Söhne Otto I., Heinrich und Bruno. Ein Stück deutscher Geschichte“ (1867). Außerdem sind zu erwähnen die beiden kleinen ’Früchte seines später abgestorbenen Interesses an den Mäßigkeitsangelegenheiten‘ (1839), Verschiedenes über ekstatische Jungfrauen u. a. (1843, 1846 u. s. f.), die aus dem Nachlasse durch Franz Xaver Schulte herausgegebenen Bücher „Die Lehre von der Verehrung der Heiligen“ (1870) und „Hugo Grotius’ Rückkehr zum katholischen Glauben. Aus dem holländischen des C. Broere“ (1871), sowie vielerlei Kirchenhistorisches und Staatsrechtliches, theils selbständig, theils niedergelegt in Journalartikeln, Recensionen u. s. w.

Die Hauptmasse der litterarischen Arbeiten Volk’s nebst Andeutungen über ihre Entstehung verzeichnet genau, fast ganz nach seiner eigenen Liste J. Kehrein, Biographisch-litterarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter u. s. w. im 19. Jahrhundert, II, 225–228, wo eine authentische Lebensskizze vorausgeschickt ist. Aus den am Schlusse der letzteren gebotenen biobibliographischen Notizen sind hervorzuheben: „Denkmal auf Volk’s Grab, gesetzt von jüngster Freundeshand“ (Erfurt 1869) und besonders Dav. August Rosenthal, Convertitenbilder, 1. Aufl. I (1865), S. 854–894 (3. Aufl. I [1889] enthält V. noch nicht). Aufgenommen ist V. ferner in (Manz’) Allg. Realencyklopädie oder Conversationslexikon XII (1887), 912a; Fr. Brümmer, Dtsch. Dichterlex. II, 457a, u. Lex. dtsch. Dichter u. Pros. d. 19. Jahrh., II, 432 f. (nach Kehrein). Die mitunter etwas seltsamen Titel der Schriften sind bei Kehrein genau, mehrfach ungenau in der „Katholisch-theologischen Bücherkunde der letzten 50 Jahre von M. S. [230] Travagnutti“ (1891) I (vgl. Register S. 127) u. V (vgl. Reg. S. 37); doch hier die Neuauflagen, genannt.