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Artikel „Veit, Philipp“ von Veit Valentin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 546–551, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Veit,_Philipp&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 17:54 Uhr UTC)
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Veit: Philipp V. war der vierte Sohn und das jüngste Kind des Berliner Bankiers Simon V. und seiner Frau Brendel (Veronica), der Tochter des Philosophen Moses Mendelssohn. Er wurde zu Berlin am 13. Februar 1793 geboren und starb im 85. Lebensjahre zu Mainz am 17. December 1877. Seine jugendliche Entwicklung wurde durch die eigenthümlichen häuslichen Verhältnisse stark beeinflußt, die der leidenschaftliche, seine Ziele rücksichtslos verfolgende Sinn seiner Mutter veranlaßte. Als 15-jähriges Mädchen war sie ungefragt und ohne Neigung verheirathet worden, ohne in der Ehe die rechte Nahrung für ihr reiches geistiges und seelisches Leben zu finden. Als Friedrich Schlegel 1797 in die geistreichen Berliner Kreise eintrat, die ihren Charakter von den damals tonangebenden jüdischen Frauen, wie Henriette Herz und Rahel Levin erhielten, drang die junge Frau darauf, daß ihre äußerlich durchaus friedliche Ehe getrennt würde und setzte ihren Willen durch: sie vermählte sich mit Friedrich Schlegel und nahm den Namen Dorothea an. Ihre Beziehungen zu Simon V. blieben bis zu dessen 1819 erfolgtem Tode freundschaftliche, die durch Briefe und die gemeinsamen Interessen für die Kinder – von 4 Knaben waren 2 am Leben geblieben, Jonas und Philipp – stets erhalten wurden. Auch seinen Kindern blieb er stets ein treuer Berather und nie versagender Helfer: er hat sich als trefflichen und tüchtigen Charakter bewährt. Bei der Trennung blieb der ältere Sohn Jonas beim Vater, Philipp folgte der Mutter, die mit Friedrich Schlegel zunächst von 1799 bis Anfang des Jahres 1802 in Jena lebte, dann aber mit ihm und dem Sohne nach Paris übersiedelte. Hier wurde Dorothea am 6. April 1804 protestantisch getauft. Philipp besuchte in Paris 1803 die Ecole polymathique: am Tage der Prüfung erhielt er vom Stadtpräfecten sechs Kränze als Auszeichnung in sechs Fächern: jedes Mal ward er vom Präfecten umarmt und von der Versammlung umjauchzt, während er still bescheiden, fast beschämt und bleich dastand. Im J. 1804 folgte er den Eltern nach Köln, wo er bis 1806 das Gymnasium besuchte. Dann kam er nach Berlin zum Vater zurück und wurde Schüler des Kölnischen Gymnasiums dort bis 1808, in welchem Jahre seine Mutter mit Friedrich Schlegel zum Katholicismus übertrat. Nun entschied sich Philipp dafür, wie sein älterer Bruder Jonas Maler zu werden. Er bezog die Akademie zu Dresden und arbeitete hier unter der Leitung des ernsten, strengen Matthäi. Diese von Mutter und Stiefvater zu Vater, von Ort zu Ort, von Bekenntniß zu Bekenntniß schwankenden Verhältnisse haben bei dem begabten und denkkräftigen Kinde wesentlich dazu beigetragen, daß es zu früher Selbständigkeit heranreifte und sich durch die Unruhe hindurch klar seinen eigenen Weg bahnte. Wohl sagte dem angehenden Künstler die innige religiöse Richtung seines Lehrers zu, aber keineswegs wollte ihm die herrschende Art des akademischen Unterrichts gefallen. [547] Ebensowenig befriedigte ihn seine religiöse Stellung: von früher Kindheit an war er in christliche Anschauungen eingeführt worden, während er äußerlich noch dem ererbten jüdischen Bekenntniß angehörte. Bei einem Besuche in Wien, wohin Mutter und Stiefvater übergesiedelt waren, als Friedrich Schlegel 1809 eine Stellung als Hofsecretär in der Staatskanzlei gefunden hatte, trat V. am 9. Juni, dem Tage vor Pfingsten, zum katholischen Christenthum über, dem er seitdem ein treuer, tief und wahr empfindender Anhänger blieb: dieser entscheidende Schritt besiegelte nur das, was schon lange in ihm lebte und reifte, so daß er kaum als Convertit zu betrachten ist, wie er denn auch vor dem den Convertiten leicht eigenen Fanatismus bewahrt blieb und stets eine freie, auch andere Ueberzeugungen respectirende Gesinnung bewährte. Er siedelte 1811 nach Wien über und ging nun in der Kunst seinen eigenen Weg, allein mit großen Mühen und Kämpfen, da er zwar das Ziel erkannte, dies aber mit eigener Kraft und ohne Anleitung nicht leicht erreichen konnte, während ein sicherer Geschmack und ein klares, schonungsloses Selbsturtheil ihn vor allzu früher Selbstzufriedenheit bewahrte: ein gewisser selbstquälerischer Zug, der für seine Jugendjahre charakteristisch ist und häufig sein sonst heiteres, zu Scherz und Neckereien aufgelegtes Wesen zurückdrängte, läßt ihn nur schwer eine Arbeit fertig bringen, da er immer noch zu bessern findet und durch das erstrebte Bessere manchmal das geschaffene Gute wieder zerstört. Eine bedeutsame und für die Bildung des Charakters wichtige Unterbrechung erfuhr Veit’s künstlerische Thätigkeit durch die Erhebung des deutschen Volkes 1813. Dem vorangegangenen Körner folgt V. mit Eichendorff nach Breslau: er tritt zunächst bei den Lützowern ein, geht aber während des Waffenstillstandes zu den reitenden Jägern des brandenburgischen Cürassierregimentes im V. Kleistischen Armeecorps über. Mit seinem Lieutenant, dem Dichter de la Motte Fouqué, verbindet ihn bald innige Freundschaft. Er macht die Schlachten bei Dresden, Culm und Leipzig mit. Bei Wachau zeichnet er sich so aus, daß er zum Oberjäger und zum eisernen Kreuz vorgeschlagen wird: statt dessen wird er zum Lieutenant ernannt, und das eiserne Kreuz wird ihm, allerdings erst sehr viel später, 1838, dennoch zu theil. In seinen Briefen erscheint sehr bald Ueberdruß an dem Soldatenleben, soweit es friedlicher Natur ist: nur die Begeisterung für das Vaterland, nicht die Lust am Exerciren hatte ihm zeitweilig das Schwert in die Hand gedrückt. An der Spitze seiner Schwadron war er in Paris eingerückt, aber schon am 2. Mai 1814 erlangte er den in ehrenvollster Weise gewährten Abschied, reiste nach Neundorf zu Fouqué und zum Vater nach Berlin. Hier malte er die Prinzessin Wilhelm und kehrte erst Ende des Jahres zu der ihn ungeduldig erwartenden Mutter nach Wien zurück. Hier vollendete er das Porträt der Gräfin Zichy, malte ein in schwerer Stunde gelobtes Bild für die Kirche in Heiligenstadt bei Wien und folgt nun endlich dem Rufe nach Rom. Sein älterer Bruder war schon 1811 dorthin gegangen und hatte wiederholt geschrieben, V. solle nachkommen: aber in richtiger Selbsterkenntniß hielt dieser sich noch nicht für reif genug. Jetzt konnte er ebenbürtiger den großen Genossen gegenübertreten, die ihn dort erwarteten. Im August 1815 trat er mit dem Philologen H. Friedländer die Reise an, die ihn über München, Venedig, Florenz, Siena endlich Ende November nach Rom führte. Er kam eben zur rechten Zeit, um an der ersten großen Unternehmung mitzuwirken, die der neuen Richtung der deutschen Kunst das Daseinsrecht besiegeln sollte. Cornelius und Overbeck sehnten sich darnach, der ernsten gehaltvollen, auf fester scharfumrissener Zeichnung, mit gläubiger Innigkeit an Kirche und Mittelalter sich anschließenden, Heiligen und Helden sich zuwendenden Kunst, die die Natur sorgfältig studirte, dann aber frei schuf und sie als Unterlage, nicht als maßgebendes Vorbild verwendete, eine würdige [548] Bethätigung zu theil werden zu lassen. Das gemalte Werk soll nicht flüchtig wechselndem Geschmacke dienen; dies erreicht es am besten, wenn es nicht launenhaft seinen Platz ändert, sondern eine dauerhafte Stelle gewinnt, indem es mit dem Raum, für den es bestimmt ist, zusammenwächst. So ist es besonders bei dem Freskobilde der Fall: solche Werke zu schaffen, war der Wunsch der deutschen Maler der neuen Richtung. Da war es der preußische Generalconsul Bartholdy, der ihnen zuerst die Gelegenheit verschaffte, mit dem ganz klaren Gedanken, daß die Künstler an dieser Arbeit das Maaß ihres Könnens erproben sollten. Er läßt sie in der Casa Zuccari, obgleich er dort nur zur Miethe wohnte, das große Zimmer des zweiten Stockes ausmalen. Es ist die Geschichte Joseph’s. V. erhielt zwei Bilder zugewiesen, die sieben fetten Jahre als Gegenstück zu den von Overbeck geschaffenen sieben mageren Jahren, und Joseph’s Verführung durch Potiphar’s Frau. Während dieses Bild, dessen Stoff schon der milden, frommen Richtung des Künstlers nicht zusagte, allzu zahm ausfiel, schuf V. in den sieben fetten Jahren ein bedeutendes Werk, das seine Fähigkeit des Schaffens in hellstem Lichte zeigt: sowohl die sinnvolle Composition wie der edle Schönheitssinn in der Formgebung zeigen sich in gleicher Höhe. In der Anwendung der Farbe herrscht in der ganzen Richtung der Grundsatz, den Fr. Pforr mit einseitigster Schärfe so ausdrückt: „Da die Pinselstriche nur nothwendige Uebel und Mittel zum Zweck sind, so fanden wir es lächerlich damit zu prahlen und einen Werth in die Kühnheit zu legen, mit welcher sie hingesetzt sind“. V. freilich war zu geschmackvoll und hatte zu feines malerisches Empfinden, als daß er so weit gegangen wäre; immerhin gilt auch für dieses Werk, daß der Carton, der sich im Städel’schen Institut zu Frankfurt a. M. befindet, den Künstler und die Höhe seines Werkes besser erkennen läßt als die Frescomalerei, deren Technik zudem von all diesen Künstlern erst bei diesem Werke neu gelernt werden mußte. Die sämmtlichen Bilder der Stanza Bartholdy sind vor kurzem von Preußen angekauft und sorgfältig losgelöst nach Berlin in die Nationalgalerie gebracht worden. Die nächste größere Arbeit Veit’s war ein Frescobild im Museo Chiaramonti im Vatican, das die von Pius VII. befohlene Wiedereinweihung des Kolosseums zur Cultusstätte verherrlichen sollte. Inmitten des mit Altären geschmückten Kolosseums sitzt die schöne Frauengestalt der triumphirenden Religion, vor ihr kniet ein Pilger, dessen Kopf das Porträt des Priesters Noirlieu ist: mit diesem Freunde, dessen von V. meisterhaft ausgeführtes Porträt jetzt im Städel’schen Institut sich befindet, erwog V. in jener Zeit sehr ernstlich, ob er nicht selbst Priester werden sollte. Inzwischen hatten die Freunde vom Fürsten Massimi den Auftrag erhalten, die Dichtungen der drei größten italienischen Dichter durch die Ausmalung der drei Zimmer des im Garten gelegenen Casino der Villa Massimi zu verkörpern. Als aber Cornelius einem Rufe nach Deutschland folgte, trat V. an seine Stelle, um an die Decke des Dantezimmers das Paradies zu malen, eine Schöpfung, deren Unterschied von den Cornelius’schen Entwürfen sehr klar den ruhigeren, milderen, mehr lyrischen Charakter der Schaffensweise Veit’s von dem großartigeren, mit der Kraft des entscheidungsvollen Augenblicks der Handlung gesättigten Charakter der Kunst des Cornelius erkennen läßt. In der ganzen Fülle der von ihm erreichbaren Schönheit läßt V. diese lyrische Stimmung in dem auf Goldgrund gemalten großen Oelbild, das sich in Sta Trinità ai monti in Rom befindet, hervortreten, die Krönung der auf Wolken schwebenden Maria: ohne knechtisch die von jener Richtung besonders hoch geschätzte vorraffaelische Zeit nachzubilden, drückt der Künstler in diesem Werke doch in Zeichnung, Ausdruck und Ausführung eine Stimmung aus, „daß man vor einem Werke alter beglückter Zeiten zu stehen meint“. Eine wichtige [549] Wendung in Veit’s Leben und Schaffen wurde seine Berufung zum Director und Lehrer an das Städel’sche Institut. Diese Schöpfung eines kunstsinnigen Frankfurter Bürgers hatte in den ersten Jahren einen langwierigen, schließlich durch Vergleich beendeten Proceß durchzumachen, der ihr Daseinsrecht in Frage stellte: nun endlich freier Entfaltung überlassen, glaubte es seine Aufgabe durch Berufung eines künstlerischen Directors zu erfüllen, der zugleich Leiter der neu zu gründenden Kunstschule würde. Durch die Berufung Veit’s wurde das Städel’sche Institut eine Hochburg der neuen Richtung in der deutschen Malerei. V. siedelte 1830 mit seiner Frau, einer Tochter des römischen Bildhauers Pulini, und vier Kindern nach Frankfurt über, wo ihn seine Mutter, seit 1829 Wittwe, schon erwartete: sie lebte dort bei ihm bis zu ihrem Tode 1839. Bald sammelten sich tüchtige Schüler um V., selbst solche, die schon die Düsseldorfer Akademie besucht hatten und nun in V. den wahren Führer zu dem ihnen vorschwebenden Ziele der Malerei fanden. So kamen Ihlée, Lasinsky, Pose und Settegast, der später Veit’s Schwiegersohn wurde. Besonders auffällig war es, als Alfred Rethel nach Frankfurt übersiedelte: gerade er fand in V. den Lehrer, der, vorurtheilslos und freimüthig gesinnt, den jungen Künstler auf den rechten Weg wies, auf dem er groß geworden ist, eine Thatsache, die Rethel stets anerkannt und hoch gepriesen hat. Von hervorragenderen Werken fallen in diese Frankfurter Zeit die „zwei Marien am Grabe Christi“ auf Stift Neuburg und in größerem Formate wiederholt in der Nationalgalerie in Berlin, die Aussetzung Mosis im Besitze des Städel’schen Institutes, der heilige Georg, Altarbild in der Kirche zu Bensheim an der Bergstraße, die Bilder der deutsch-römischen Kaiser Karl der Große, Otto der Große, Friedrich II. und Heinrich VII. im Kaisersaal zu Frankfurt, das von der Stadt bestellte Altarbild „Mariä Himmelfahrt“, das, ursprünglich für den Dom bestimmt, jetzt in der Liebfrauenkirche sich befindet. Daran reihen sich Porträte, besonders Frauenbildnisse, wie die der Frau von Bernus und der Frau Brentano. Am bedeutendsten aber zeigt sich V. in dem großen Frescobild, das er im Auftrage der Administration für das 1833 neu bezogene eigene Haus des Städel’schen Institutes auf der neuen Mainzergasse schuf: bei der Uebersiedelung in den Neubau in Sachsenhausen wurde das Bild auf Leinewand übertragen und so für die Sammlung erhalten. Es ist der echteste Ausfluß der auf monumentale Stellung des Gemäldes hinzielenden Bestrebungen der neuen Richtung jener Zeit: mit der Wand verwachsen sollte das Bild die Bedeutung der Bildkunst in der Culturentwickelung Deutschlands verkünden: sie steht und fällt nach Veit’s Anschauung mit der Wirkung echter Religiosität, die allein durch das Christenthum vertreten wird. So schildert das Bild „Die Einführung der Künste in Deutschland durch das Christenthum“ und zwar von Italien, von Rom her, gefördert und gesichert durch die Vereinigung Deutschlands und Italiens durch die römisch-deutsche Kaiserkrone. In der Form eines Triptychons theilt es sich in ein Hauptbild und zwei Flügelbilder: von diesen zeigt das eine die Italia mit Rom im Hintergrunde, das andere die Germania über einem Sockel mit den Wappen der sieben Kurfürsten, der Wähler des deutsch-römischen Kaisers, und im Hintergrund den deutschen Rhein mit dem Kölner Dom und den Ritterburgen, den Stützen des mittelalterlichen Thrones. Auf dem Hauptbilde schreitet in der Mitte die Religion mit dem Evangelium heran, der Bischof predigt rechts neben der umgehauenen Eiche, an deren Stelle ein frischer Lebensquell emporsprudelt, den Germanen, deren Jugend sich ihm zuwendet, während die Aelteren scheu in den Wald zurückweichen. Neben dem Bischof sitzt zusammengebrochen der alte Sänger des Heidenthums mit der Harfe, deren Saiten zerrissen sind: ihm entspricht andrerseits der höfische Sänger mit dem Ritter und die Musik mit der Orgel. Im Hintergrunde wird ein Dom gebaut, [550] und ein Mönch unterrichtet Kinder. Links schließt das Bild mit der Krönungsstadt Frankfurt ab, zu der Ritter und Frachtwagen hinziehen. So stellt der Künstler in großen Zügen symbolischen Charakters eine historische Anschauung dar, wie sie seiner religiösen Ueberzeugung entsprach. Diese war aber mit seiner religiösen Ueberzeugung identisch: als diese Ueberzeugung verletzt wurde, setzte er lieber seine Stellung daran, als daß er von dem Kerne seines Wesens abgewichen wäre. In Düsseldorf war allmählich an Stelle der großen historischen Auffassung der Malerei und ihrer monumentalen Bedeutung die Richtung auf das in der Landschaft, dem Genrebild und der genrehaften Historie sich aussprechende Sentimentale zur Herrschaft gekommen, und schon war an das Städel’sche Institut Jakob Becker aus Worms, der Schöpfer des „vom Blitz erschlagenen Schäfers“, berufen worden. Nun sollte aber mit Lessing’s „Huß vor dem Concil“ eine historische Richtung einziehen, die nicht auf dem Boden kirchlicher Religiosität sich aufbaute, sondern im Kampfe mit ihr die Kirche verspottete und den idealen Sieg auf die Seite der Streiter gegen die Kirche stellte. Wenn diese Richtung am Institut zu herrschen begann, so war für einen Mann wie V. dort kein Platz mehr: die Rücksichtslosigkeit der Administration, die das Bild ankaufte, ohne den Director um seine Zustimmung zu befragen, war der äußere Anlaß, die damit sanctionirte neue Richtung aber der wahre Grund davon, daß V. seine Stellung 1843 niederlegte: es war die Zeit, in der die realistisch-coloristische Richtung, wie sie damals besonders in Belgien blühte, die schon veraltende römisch-deutsche Richtung zu verdrängen begann. Veit schlug im Deutschherrenhause in Sachsenhausen sein Atelier auf, wohin ihn seine Schüler begleiteten, bis er 1853 einem Rufe nach Mainz folgte, wo er als Director an die Spitze der Gemäldegalerie trat. Dort war es ihm beschieden, die unter den Fenstern des Mittelschiffs des großen Domes befindlichen Nischen mit Bildern auszuschmücken. In diesem Cyclus stellt V. die ganze heilige Geschichte dar, zu der er auch specifisch katholische Motive heranzieht, wie das der Legende angehörige Arbeiten des Knaben Jesus in der Werkstatt Joseph’s. Hier war der Künstler vor die Aufgabe gestellt, dramatisches Geschehen darzustellen: seine für Lyrischzuständliches hochbegabte Kraft konnte hier nicht ausreichen. Er selbst schuf die Cartons, die Gemälde wurden von Settegast und Lasinsky ausgeführt. In seinen späteren Werken der Oelmalerei zeigt sich ein starkes Bestreben den neuen Anforderungen der Coloristik gerecht zu werden. Mit vollem Erfolge hat er dies in seinem Selbstporträt in der Mainzer Galerie erreicht, das uns in dem greisen Antlitz das scharfblickende seelenvolle Auge des Meisters in ungebrochener Kraft zeigt. Minder gelungen ist das Streben in dem im Städelschen Institut befindlichen Magnificat, in der Madonna mit dem schlafenden Kinde auf Stift Neuburg und der Madonna, die das Kind laufen lehrt, bei Herrn du Fay in Frankfurt. Veit’s Beziehungen zu Frankfurt blieben dauernd erhalten: noch 1872 suchte man von Seiten des Städel’schen Instituts nach einer Möglichkeit, den Patriarchen der Frankfurter Künstler wiederzugewinnen: der Versuch scheiterte an der Feinfühligkeit des Meisters, der sich ohne Gegenleistung keine Pension zahlen lassen mochte. So blieb er in Mainz, wo er 1877 gestorben ist: die Frankfurter Künstlergemeinde gab ihm das letzte Geleite. Wie alle Künstler dieser Richtung war er im schriftlichen Ausdruck sehr gewandt: bei ihm aber kam eine gründliche Jugendbildung dazu, die es ihm ermöglichte, seinem Gedankenreichthum in Prosa und Poesie formvollendeten Ausdruck zu verleihen. (Ph. Veit, 10 Vortr. üb. Kunst, hg. v. L. Kaufmann. Köln 1891.)

Dohme, Kunst und Künstler des XIX. Jahrhunderts, Nr. 7 und 8: Cornelius, Overbeck, Veit, Schnorr, Führich von Veit Valentin (m. Illustr.). – Philipp Veit in: Ueber Kunst, Künstler und Kunstwerke, von Veit Valentin. [551] Frankfurt 1889, S. 147–171. – Dorothea v. Schlegel geb. Mendelssohn und deren Söhne Johannes und Philipp Veit. Briefwechsel hsg. von Dr. J. M. Raich. 2 Bde., Mainz 1881 (mit den Radirungen der Porträts Dorothea’s und der Söhne sowie Fr. Schlegel’s). – Friedrich Overbeck, von Margaret Howitt, hsg. von Franz Binder. 2 Bde., Freiburg 1886. – Alfred Rethel. Von Veit Valentin. Berlin 1892. – Erinnerungen und Leben der Malerin Louise Seidler. 2. Aufl., Berlin 1875. – R. Haym, Die romant. Schule. Berl. 1870. – Das Städel’sche Institut von V. Valentin (mit 32 Radirungen von Eyssenhardt). Leipzig. – Frankfurter Künstleralbum, Frankfurt a. M. 1882. – Meisterwerke des Stifts Neuburg im Besitze des Freih. v. Bernus. In Lichtdruck nachgebildet v. Friedr. Bruckmann. München und London. – Die Geschichten der deutschen Kunst von Förster, Riegel, v. Reber, Rosenberg.