ADB:Valentini, Georg Wilhelm Freiherr von
[466] leichten Truppen mit Rücksicht auf den französischen Krieg von einem preußischen Officier“, das erste Buch, welches im vergangenen Jahrhundert über den Gegenstand erschienen ist. Um auch für die Verwendung der Cavallerie bei den von ihm geschilderten Dienstverrichtungen sachgemäße Anleitung geben zu können, setzte er sich mit einem Officier dieser Waffe, dem Major v. Brenkenhoff, in Verbindung, dieser versah Valentini’s Arbeit mit Anmerkungen. Der ersten 1799 erschienenen Auflage folgten bald mehrere. Auch mit Berenhorst, welcher als militärischer Schriftsteller sich eines großen Rufes erfreute, trat er in Verbindung und besuchte ihn von seiner Garnison Belitz aus in Dessau (Allgemeine Militärzeitung Nr. 96, Darmstadt 1893). Bis zum Jahre 1812 blieb er mit ihm im Briefwechsel. Aus der Zeit der Zugehörigkeit zu den Jägern und des Aufenthaltes in der Mark stammen auch Valentini’s Beziehungen zu Yorck, seinem in Mittenwalde wohnenden Commandeur, der ihm bis an sein Ende gewogen blieb und den V. noch nach den Befreiungskriegen in Klein-Oels besuchte. Des Letzteren wissenschaftliche Bestrebungen, von denen auch eine ohne Nennung seines Namens veröffentlichte Schrift „Militärische Fragmente vorzüglich in Beziehung auf den kleinen Krieg und leichte Truppen“ (Berlin 1802) zeugt, veranlaßten, daß er im J. 1804 als überzähliger Quartiermeister-Lieutenant nach Potsdam in den Generalstab versetzt wurde. Im J. 1805 rückte er zum wirklichen Quartiermeister-Lieutenant und zum Stabscapitän auf, bei der stattfindenden Mobilmachung war er der in die fränkischen Besitzungen vorgeschobenen Avantgarde zugetheilt. Bei dem nämlichen Heerestheile befand er sich 1806, machte in der Umgebung des Prinzen Louis Ferdinand das Gefecht bei Saalfeld mit, welches er später, um den Prinzen gegen seine Angreifer zu vertheidigen, ohne Nennung des eigenen Namens, in einer kleinen Schrift (Das Gefecht bei Saalfeld, Germanien) geschildert hat, befand sich in der Schlacht von Jena beim Fürsten Hohenlohe, kam auf dem Rückzuge zu Blücher, entging, da er nicht zu dem Capitulationscorps gehörte, der Kriegsgefangenschaft und gelangte über Kopenhagen und Helsingfors nach Königsberg. Auf dem Kriegsschauplatze in Preußen leistete er gute Dienste und wurde zum Major befördert. Als 1809 Oesterreich den Kampf gegen Napoleon aufnahm, trat er in das k. k. Heer, wohnte als Adjutant des Prinzen von Oranien, des nachmaligen Königs der Niederlande Wilhelm I., den Schlachten von Aspern und Wagram und dem Treffen von Znaim bei, vertauschte sodann den österreichischen Dienst mit dem russischen, nahm in diesem an zwei Feldzügen gegen die Türken, namentlich an dem langwierigen Kampfe um Rustschuk im J. 1810, Theil und ward 1811 mit dem erworbenen Oberstlieutenantsrange von neuem in Preußen angestellt, wo er dem Kronprinzen und dem Prinzen Friedrich von Preußen Unterricht ertheilte und eine Zeitlang die Erziehung des Prinzen Friedrich von Oranien leitete.
Valentini: Georg Wilhelm Freiherr v. V., königlich preußischer Generallieutenant, am 21. August 1775 geboren und im Cadettencorps zu Berlin erzogen, aus welchem er als einer der vorzüglichsten Zöglinge dem Jägerregimente überwiesen wurde, dem sein als Oberstlieutenant und Gouverneur des Berliner Invalidenhauses im Jahre 1807 gestorbener Vater damals als Stabsofficier, später als Commandeur, angehörte. Mit diesem Regimente nahm er von 1792 bis 1794 am Kriege gegen die französische Republik theil; in einem der Gefechte vor Landau, welche den Feldzug vom Jahre 1793 beendeten, ward er verwundet. Als das Regiment in seine kleinen Friedensgarnisonen in der Mark zurückgekehrt war, beschloß V. seine während des Krieges gemachten Erfahrungen zu Nutz und Frommen seiner Kameraden schriftstellerisch zu verwerthen; er verfaßte eine „Abhandlung über den kleinen Krieg und über den Gebrauch derAls zu Anfang des Jahres 1813 König Friedrich Wilhelm III. nach Breslau ging, begleitete V. ihn dorthin, bei Beginn der Feindseligkeiten kam er als Oberquartiermeister zu Yorck, mit dem er im besten Einvernehmen stand; von einem Einflusse auf die Entschließungen seines Generals war freilich wenig die Rede, dieser befahl und seine Untergebenen gehorchten. Valentini’s Gabe, die Weisungen seiner Vorgesetzten aufzufassen, sie durchzuarbeiten und weiterzugeben, machte ihn indessen zu einem werthvollen Gehülfen für seinen General; seine eigene, mehr ausgleichende als entschiedene, mehr vermittelnde als selbstwillige Sinnesart verhalf manchem ärgerlichen Vorfalle im Hauptquartiere zu einem leidlichen Abschlusse. Dieser Verhältnisse ungeachtet kam V. in die Lage, für Yorck’s Handeln eintreten zu müssen, wodurch er in einen Zwist mit Gneisenau gerieth (H. Delbrück, Das Leben des Feldmarschalls Grafen Neithardt von [467] Gneisenau, 4. Band). Dieser sprach sich zu Golsen am 3. September 1813 V. gegenüber in solcher Weise über Yorck’s Rückzug vom 23. August aus, daß V. ihn am 5. jenes Monats von Görlitz aus in starken Ausdrücken aufforderte, seine Aeußerungen zurückzunehmen. Schon am 6. empfing er von Gneisenau eine ebenso heftige Erwiderung und nur die kriegerischen Ereignisse wie die Entfernung, welche die Streitenden von einander schied, verhüteten einen Zweikampf. Die räumliche Trennung der beiden Widersacher rührte daher, daß V. zu Bülow versetzt worden war. Der Befehl war schon während des Waffenstillstandes ergangen, die Ausführung wurde aber mit Rücksicht auf Yorck’s Wünsche bis zum September verschoben. Bei Bülow fühlte V. sich sehr wohl. Es war ein anderer Geist, der in diesem Hauptquartiere waltete, als der im Yorck’schen herrschende; man konnte auf die Jagd gehen und einen Landedelmann besuchen, lebte ungenirt und in guter Eintracht. Es waren das Zustände und Verhältnisse, die Valentini’s Eigenart mehr zusagten als das Leben mit Yorck. Schroffheit, Härte und rücksichtsloses Daraufgehen paßten nicht für seinen Charakter, welchen Reiche (L. v. Weltzien, Memoiren des Generals v. Reiche, II, 20, Leipzig 1857) bei seiner Besprechung des Angriffes auf Arnheim (December 1813) „etwas peinlich“ nennt. Im Beginne des Jahres 1814 kehrte V. indessen zu Yorck zurück. Seit Oberstlieutenant v. Zielinsky dort an seine Stelle getreten war, hatte sich das Verhältniß zwischen Yorck und dem Blücher’schen Hauptquartiere so verschlimmert, daß ein Wechsel unter den Persönlichkeiten nothwendig erschien. Als V. die Nachricht erhielt, daß er ausersehen sei Zielinsky zu ersetzen, trug er Boyen, dem Generalstabschef des Generals von Bülow, vor, daß er bei seiner Stellung zu Gneisenau nicht der richtige Mann zu sein glaube, der ein besseres Einvernehmen zu Wege bringen könne. Boyen sah sich dadurch veranlaßt, am 31. December von Bommel aus an Gneisenau zu schreiben, worauf dieser antwortete, daß er die Streitfrage bis nach Beendigung des Krieges auf sich beruhen lassen werde. In einem aus Dormans vom 9. Februar 1814 datirten Briefe bot darauf V. Gneisenau unmittelbar die Hand zum Frieden. Gneisenau’s Antwort ist nicht bekannt; bei seiner zugleich heftigen und edelen Sinnesart ist anzunehmen, daß die Streitaxt endgiltig begraben wurde. Yorck empfing V. mit alter Freundschaft, ihr Zusammensein dauerte aber nicht allzulange, denn bald nöthigte eine Verwundung Letzteren, den kriegerischen Ereignissen eine Zeitlang fernzubleiben. Er empfing sie durch einen Schuß in das Bein am 28. Februar bei Méry, als er mit Blücher und Gneisenau auf Erkundung ausritt. Als Yorck die Nachricht von seines Generalstabschefs Unfalle erhielt, wetterte und schalt er, „das seien Husarenstreiche“, und V. mußte ihm in der Stille recht geben, aber er hatte geglaubt, sich von dem Ritte nicht ausschließen zu dürfen. (J. G. Droysen, Das Leben Yorck’s, neue Ausgabe, Berlin 1852, 2. Th., S. 501.) Den Einzug in Paris konnte er schon wieder zu Pferde mitmachen, zu dieser Zeit wurde er zum Generalmajor befördert.
Während des Feldzuges vom Jahre 1815 war er Bülow als Chef des Generalstabes beigegeben und ihm mißt Gneisenau die Schuld daran bei, daß Bülow mit dem ihm unterstellten 4. Armeecorps am 16. Juni bei Ligny nicht zur Stelle war, denn V. hätte dafür sorgen müssen, daß der Stab des Armeecorps wie am 14. angeordnet war, nach Hanut verlegt wurde; dann würde er dort nicht vergeblich gesucht sein, aber das Wohlleben in Lüttich habe V. gefesselt. Auch Bülow war mit den Leistungen seines Stabschefs nicht zufrieden. Am 25. Juni schreibt Gneisenau an Boyen: „Meine Pflicht ist es, zu sagen, daß es mit V. als Chef des Generalstabes bei einem künftigen Kriege nicht mehr geht und auch in diesem gegen einen gefährlichen Feind hätte er nicht gewählt werden dürfen.“ Bülow selbst habe es nun eingesehen und gebeten, V. einen [468] Generalstabsofficier von Rang zuzuordnen. Lützow (s. A. D. B. XIX, 722) sei bereits hingeschickt, vorgeblich wegen Valentini’s Erkrankung. Gneisenau’s Schlußurtheil über V. lautet, daß er die Art habe, die Truppen weit auseinander zu legen um sie bequem ernähren zu können, daß er sie nicht anstrengen wolle, daß er zuviel den Förmlichkeiten huldige und das Erlernte nicht zu vergessen wisse. (Delbrück a. a. O.) Clausewitz pflegte V. den Schulmeister zu nennen.
Die nachfolgende Friedenszeit gewährte Letzterem die Muße, ganz seinen Neigungen zu leben. Er ward zunächst Commandant in Glogau und, nachdem er 1824 zum Generallieutenant aufgerückt war, im J. 1828 General-Inspecteur des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens. Damit kam er in eine für seine Eigenart sehr passende Stellung. Ein genauer Kenner der Verhältnisse, der spätere General v. Holleben sagt über ihn (Militär-Wochenbl. 1892, 1. Beiheft, S. 24): „V. war durch seine Bildung, sein Verständniß und sein humanes Wesen im hohen Grade für die Stellung eines Generalinspecteurs geeignet. Wäre er dies längere Zeit und frischer gewesen, so hätte er die nothwendigen Reformen schon zu jener Zeit ins Leben gerufen, nur besaß er nicht die Kraft den Widerstand zu brechen, welcher sich erfahrungsmäßig jeder Reform entgegenstellt.“ Einen Theil der ihm vergönnten Muße füllte er mit schriftstellerischen Arbeiten aus. Nachdem er zunächst den „Versuch einer Geschichte des Feldzuges von 1809 an der Donau“ (Berlin 1818) veröffentlicht hatte, erschien seit 1820 sein mehrfach aufgelegtes Hauptwerk „Die Lehre vom Krieg“. Dasselbe besteht aus drei Theilen. Der 1. bringt unter dem Titel „Der kleine Krieg und die Gefechtslehre“ den Inhalt von Valentini’s oben erwähnter Erstlingsarbeit; der 2. behandelt in zwei Bänden den großen Krieg; der 3., der Türkenkrieg genannt, schildert diesen unter besonderer Bezugnahme auf des Verfassers eigene Erfahrungen; die späteren Auflagen ziehen auch die Ereignisse der Jahre 1828 und 1829 in Betracht. Ohne Nennung seines Namens ließ er noch „Erinnerungen eines alten preußischen Officiers aus den Feldzügen von 1792, 1793 und 1794 in Frankreich und am Rhein“ (Glogau und Leipzig 1833) erscheinen. Eine Lebensbeschreibung seines Gönners Yorck, welche er zu schreiben begonnen hatte, blieb unvollendet. V. starb am 6. August 1834 zu Berlin.
- Militär-Wochenblatt Nr. 949, Berlin 1834. – Neuer Nekrolog der Deutschen, 12. Jahrgang 1834, Weimar 1836 (Lobrede).