ADB:Schöpf, Peter Paul
Schöpf: Peter Paul S., Bildhauer, ist der Ahn einer von den Vorgenannten völlig unabhängigen Künstlerfamilie. Geboren 1757 zu Imst in Tirol erhielt derselbe frühzeitig Lehre und Unterweisung bei dem wackeren Jos. Anton Renn (1715–1790), welcher eine heute noch zu Imst florirende Werkstätte begründete, in welcher insbesondere das religiöse Gebiet und die Holzsculptur in sehr praktischer Weise cultivirt wurden. Nachdem S. hier zwölf Jahre lang im Ornamenten- und figürlichen Fache sich geübt hatte, übersiedelte er nach Augsburg, wo er mit Schnitzwerk und Decorationsarbeiten sowohl für Kirchen, wie für reichere Wohnungen sich bethätigte und einen geschätzten Namen erwarb. Von da zog S. 1793 bleibend nach München und erhielt die Rechte eines bürgerlichen Bildhauers, nachdem er schon von Augsburg aus den Capitelsaal des Malteserordens und die Räume der kurfürstlichen Bildergalerie mit Stuckverzierungen geschmückt hatte. Desgleichen erhielt S. viele Aufträge für den Hof und decorirte einige Gemächer der Residenz, welche dem Geschmacke der damaligen Zeit völlig entsprachen. Später schnitt derselbe wieder viele Crucifixe und religiöse Statuetten, ebenso eine Menge kleiner Krippenfiguren und -Gruppen, welche der alternde Mann auch landschaftlich sehr reizend inscenirte und mit subtilen Wasserkünsten versah, wodurch der Berichterstatter unvergeßliche Eindrücke erhielt. Der überaus freundliche, liebevolle Mann erlebte noch vor seinem 1841 erfolgten Tode die Freude, daß seine Söhne gleichfalls mit bestem Erfolge der Kunst sich zuwendeten, in welcher der jüngere, Peter, alsbald einen großen Namen gewann. Sein ältester Sohn
Lorenz S., geboren 1793 zu München, erhielt schon als Elementarschüler durch Professor Mitterer die erste Anleitung zur Zeichnungskunst und übte fleißig die Holzbildnerei seines Vaters, zeichnete dann an der Akademie nach der Antike und studirte unter Professor Fischer die Architektur. Mitterer entdeckte in seinem Schüler große Anlagen zum Lehrfach und gab ihm den Rath, sich dafür ganz [355] zu entscheiden; S. folgte und wurde schon 1809 Adjunct an der für Gewerbsleute bestimmten Feiertags-Zeichnungsschule, erhielt 1820 an Mitterer’s Stelle den Unterricht für die höhere Bürgerschule, worauf er 1827 an die neuerrichtete Polytechnische Schule vorrückte und 1829 auch noch die Professur an der männlichen Feiertags- und Elementar-Zeichnungsschule übernahm. Gleichzeitig besorgte S. die lithographische Anstalt, welche Mitterer seit 1815 als Eigenthum besaß und die nach Mitterer’s Ableben (1829) testamentarisch an S. überging; 1833 wurde ihm der gesammte Unterricht für Ornament- und Linear-Zeichnen an der kgl. Landwirthschafts- und Gewerbe-Schule übertragen und der überaus eifrige Mann, welchem viele nachmalige Künstler und verdiente Werkleute des In- und Auslandes die erste, nachhaltige Grundlage verdankten, durch Verleihung einer von der kgl. Akademie zuerkannten Preismedaille ausgezeichnet. Er hatte in der damaligen Landwehrstraße sich ein hübsches Haus erbaut und seinem alten Vater und seinen zahlreichen Schwestern eine behagliche Stätte bereitet. S. starb am 31. October 1871 zu München und hinterließ einen Sohn Hermann S., welcher sich gleichfalls dem Lehrfach zuwendete. In höherer Weise machte sich
Peter S., geboren 1804 zu München (der jüngere Sohn des obigen Peter Paul S.), als Bildhauer und schaffender Künstler bekannt. Nachdem er frühzeitig mit seinem vorgenannten Bruder dieselbe Schulung im Hause des Vaters durchgemacht hatte, fand er schon 1818 an der Akademie Aufnahme und erweckte 1823 mit der lebensgroßen Statue eines „Faustkämpfers“ große Erwartungen. Mit brennendem Eifer arbeitete er weiter, modellirte 1824 einen sitzenden „Schäfer“ und 1825 die lebensgroße Statue eines, den eigenen Namen auf die Scherbe schreibenden „Aristides“, und als Relief den von seinem Hunde wiedererkannten „Odysseus“, hinter ihm der treue Eumäus und Penelope mit ihren Mägden. (Vgl. Stuttgarter Kunstblatt 1825, S. 134.) Im folgenden Jahre brachte S. einen lebensgroßen Modellact und eine schöne Gruppe, wie Dädalus den in den Fluthen ertrunkenen Ikarus erhebt. Es war eine über die seither akademisch übliche Ruhe hinausgehende, sehr bewegte Darstellung, welche dem jugendlichen Künstler alsbald ermunternde Bestellungen zuzog. So ein Monument für den Bischof von Stubenberg in Eichstädt mit dessen Büste und zwei trauernden Genien in Marmor, mehrere Reliefs für Grabdenkmale auf dem Münchener Kirchhof, z. B. die Auferstehung Christi, der Heiland im Grabe, die Religion als sitzende Figur mit der Monstranz, welcher sich ältere und jüngere Personen in anbetender Stellung nahen, die Erweckung des Lazarus (an Mitterer’s Grab 1832), eine die „Fides“ darstellende weibliche Figur in Marmor und dgl. Arbeiten, von welchen sich nur das Wenigste erhielt, da in München das Herkommen besteht, die Grabmonumente nach Ablauf einer bestimmten Frist abzuräumen und die Sculpturen als Steinmaterial zu versteigern, anstatt denselben an einer sicheren Stelle, z. B. unter den „Arkaden“, einen bleibenden Platz zu gönnen, wodurch mit der Zeit eine auch für die Kunstgeschichte lehrreiche Sammlung, etwa wie im Campo santo zu Pisa, erzielt werden könnte. Inzwischen hatte S. auch im Modelliren von Büsten (von Mitterer [Kunstblatt 1829, S. 384], Senefelder und Anderen) sich erprobt. Ein größerer Auftrag gelangte an ihn für die Spitalkirche zu Weilheim (acht Apostel mit großartigen Formen und etwas altdeutsch gebrochenen Draperien, vgl. Kunstblatt 1829, S. 384), außer diesen modellirte S. eine Statuette König Ludwig I. und einen „Aeskulap“; eine Muse „Erato mit Amor“, einen „Gebirgsbauern“ und einen „Hirtenknaben“ kaufte der Münchener Kunstverein. Im J. 1832 führte ihn ein königliches Reisestipendium, gleichzeitig mit seinem Freunde Schwanthaler, nach Italien. Vor seiner Abreise zeichnete Hanfstängl noch Schöpf’s Portrait auf Stein zum Andenken für seine zahlreichen Freunde. In Rom nahm sich Thorwaldsen [356] mit größter Bereitwilligkeit und Liebe seiner an und ging mit Rath und That an die Hand; ihm verdankte S. seine Vertrautheit mit der Antike, die ihm die schönsten Erfolge sicherte, daneben ging indessen auch Thorwaldsen’s reservirte Kälte auf Schöpf’s Darstellungen aus dem Gebiete der religiösen Kunst über. In Thorwaldsen’s Weise fertigte S. unter Anderem das Relief eines lebensgroßen, Flöte spielenden „Hirtenknaben“ und eines „Christus als Kinderfreund“, Leistungen, welche nach Thorwaldsen’s und Joh. Martin v. Wagner’s Begutachtung dem jungen Künstler eine Verlängerung seines Stipendiums zuzogen. Andere kleine Modelle und Studien entstanden, z. B. eine sitzende „Bavaria“ mit zwei Löwen, ein verwundeter „Centaur“, „Arminius mit der Siegesfahne (!) zu Pferd“, eine Madonna, der Evangelist Matthäus, ein Faun, welcher den Amor auf der rechten Schulter trägt und nach einer vorgehaltenen Traube haschen läßt, „Sappho und Amor“ (die Bleistiftzeichnung dazu im König Ludwig-Album, lithographirt von Feederle), Oedipus mit der Sphinx und eine sich im Spiegel beschauende Venus. Manche dieser sorgsam durchgebildeten Entwürfe gelangten später in Lebensgröße zur Ausführung in Marmor. Eine zweite Darstellung der den Amor liebkosenden Sappho ist ganz in Thorwaldsen’s Geiste erfunden. Die mit einem Stirnband geschmückte Dichterin sitzt auf einem Felsen, an ihr Knie schmiegt sich sanft der mit seiner Linken in die siebensaitige Lyra greifende Flügelknabe. Das in Carrara-Marmor ausgeführte Medaillonrelief erhielt die wohlverdiente Anerkennung, ebenso die sitzende Statue eines Noah mit der Arche (in pentelischem Marmor 1834). Gleichzeitig entstand ein den Orpheus in der Unterwelt darstellendes Relief, wie derselbe mit Eros’ Hülfe und den Tönen der Leyer seine Gattin, welche hinter Pluto’s und Proserpina’s Thron steht, zu befreien sucht. Dasselbe Thema nahm S. später zu München noch einmal vor und setzte sein Werk durch polychrome Fassung in erhöhte Wirkung (Kunstblatt 1840, Nr. 105). Seinen auf das Räthsel der (übrigens nur klein und nebensächlich angedeuteten) Sphinx sinnenden „Oedipus“ modellirte S. 1835 in Lebensgröße und brachte das in Rom Aufsehen erregende Werk 1838 auf die Kunstausstellung in München (Kunstblatt 1837, S. 243 und 1839, S. 78). Da S. von jeher besonderes Verlangen trug, in Marmor zu arbeiten, so ergriff er mit Freuden das Anerbieten, an der Marmorausführung des von Joh. Martin v. Wagner für die Walhalla componirten und modellirten großen Frieses theilzunehmen. Den größten Theil desselben hatte schon der Bildhauer Ferdinand Pettrich vollendet; da dieser nun als Staatsbildhauer der Vereinigten Staaten nach Washington berufen wurde, übernahm S., außer einigen Figuren der vorletzten Abtheilung, die ganze letzte, über 10 Meter haltende, die durch Bonifacius erfolgte Bekehrung der Deutschen zum Christenthume darstellende Gruppe. Gleichzeitig wurde dem Künstler als Wohnung und Atelier ein Theil der Villa Malta angewiesen. Nach Vollendung dieser bis 1838 reichenden Arbeit übertrug S. seine „Venus mit dem Spiegel“ in Carrara-Marmor: die dem Meer entstiegene fast lebensgroße Göttin hat das den prachtvollen Oberkörper freilassende Himation rasch um die Hüften gegürtet und betrachtet, während die Linke das feuchte Haar trocknet, selbst überrascht den aus dem Spiegel rückstrahlenden Glanz ihrer Schönheit. In Rom vollendete S. im Auftrage König Ludwig’s die Büste des Generals Alexander v. Haslang für die bairische Ruhmeshalle und kehrte dann Ende 1838 nach München zurück, wo sein alter Vater den Sohn, welcher sich unterdessen so glücklich entwickelt hatte, mit Freuden empfing. Hier erfolgten neue Aufträge des königlichen Maecen. Zuerst die colossale Marmorstatue eines für die Façadennischen der Glyptothek bestimmten „Vulkan“, dann folgten für das Innere der Walhalla zwei Walküren, welche, polychromisch bemalt, als Karyatiden das obere Gebälke tragen, ferner die Büsten [357] des Tondichters Gluck, des Grafen v. Rumford und Jean Paul Richter’s, welche nach dem Urtheil der Familienangehörigen durch besondere Porträtähnlichkeit excellirte und deshalb auch für den Kopf der nach Baireuth bestimmten Statue (modellirt von Schwanthaler, gegossen von Stiglmayer) als maßgebendes Vorbild bestimmt wurde. Auch das Gypsrelief eines Löwen (für die Festung Germersheim) und das Porträt des Stadtbaumeisters Jakob Höchl (geboren am 5. März 1777, † am 6. Januar 1838) für dessen (von Fr. Gärtner entworfenes) Grabdenkmal vollendete S., welcher, nach dem Ableben seines greisen Vaters, der Sehnsucht nach Rom folgte und im October 1841 mit seinem ihm so wohlgeneigten Freunde J. M. v. Wagner nach Italien abging. In Rom begann S. die Marmorausführung der zu München modellirten, für die Walhalla bestimmten Büste des Astronomen Kepler, eine „Erato“ für Baron Lotzbeck – welcher 1857 noch eine „Madonna“ für seinen Overbeck-Saal erhielt – und zwei Kränze spendenden Genien für das Siegesthor in München. Auch vollendete S. 1843 eine neue lebensgroße Gruppe: Sappho in einer Tunica und durchsichtigem Peplos, hält sitzend in der Linken die Leyer, deren Stimmung der vor ihrem Schoße stehende Eros mit der Spindel prüft; seine Linke und der Dichterin rechte Seite lehnen bei umschlungenen Nacken aneinander (Kunstblatt 1844, S. 47). Im J. 1844 entstand eine „Blumenverkäuferin“, 1845 im Auftrage König Ludwig’s I. die überlebensgroße Statue Konradin’s für S. Maria del Carmine in Neapel (Kunstblatt 1845, S. 51 und 192), 1846 die Büsten des Bildhauers Adam Krafft und des Dichters August Grafen v. Platen. Einen 1849 vom Münchener Kunstverein angekauften „Christuskopf“ (Hautrelief in Marmor) gewann in der am 16. Februar 1850 abgehaltenen Verloosung, wenige Stunden nach der Abweisung des Judenemancipations-Gesetzes durch die Reichsrathskammer, der israelitische Kaufmann Lippmann Marx (Eggers’ Kunstblatt 1850, S. 72). Von da versagen alle uns zugänglichen Quellen über weitere Arbeiten Schöpfs; erst 1857 erfahren wir von einer Ausstellung in der Villa Malta, woselbst viele „niedliche Sachen“ zu sehen waren: Eine kleine Venus an der Toilette, eine Madonna (für Baron Lotzbeck), die früher erwähnte Sappho mit Amor, eine kleine Bacchantin „aus köstlich weißem Marmor, wie Blüthenschnee so frisch, welche recht lustig, beinahe etwas weinselig aussieht“ (Eggers’ Kunstblatt 1857, S. 67 und 184) u. s. w. Im J. 1858 wurde ihm die Aufgabe, seinem alten Freund J. M. v. Wagner das Denkmal auf dem Campo santo der Deutschen zu setzen; das Marmorrelief einer „Madonna“ erwarb König Ludwig für die Kirche dell’ Anima. Dann legte S. Modellirholz und Meißel aus den Händen, wenigstens ist keine Kunde von einer größeren Leistung mehr in die Welt gedrungen. Am 13. September 1875 starb S. nach langen Leiden, wozu auch der Umstand gehörte, daß unser Meister die Villa Malta, welche so lange Zeit sein Heim gebildet hatte, verlassen mußte. Sehr richtig sagte damals ein kurzer Nekrolog (in Nr. 267 der „Allgemeinen Zeitung“ vom 24. September 1875): „Großen Gedankenreichthum darf man in Schöpf’s Compositionen nicht suchen, dagegen tritt uns aus Allem, was seine eigene Arbeit ist, das bestimmte Gefühl eines stillen, innerlichen Umgangs mit anakreontischer Poesie entgegen, Anmuth und gewandte Technik. S. wurde dem alten Martin Wagner als Beistand unentbehrlich. Unter den Bewohnern der Villa Malta stand S. dem König Ludwig I. in allem, was künstlerische und häusliche Verwaltung betrifft, am nächsten. Der König sagte öfters: er sei ein Mann nach seinem Herzen. Nach Wagner’s Tode wurde er für alle nicht officiellen Geschäfte des Königs der vertraute Commissär.“ S. hatte sich 1844 mit einer Römerin Caterina Costa vermählt.