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Artikel „Kraft, Adam“ von Rudolf Bergau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 5–8, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kraft,_Adam&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 00:39 Uhr UTC)
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Kraft: Adam K., weltberühmter Nürnberger Bildhauer, muß, wie aus seinem Selbstporträt am Fuße des Sacramentshäuschens in der Lorenzkirche zu Nürnberg, welches ihn als einen etwa 45jährigen Mann darstellt, sich ergibt. um das Jahr 1455 zu Nürnberg geboren sein. Zu gleicher Zeit wurden auch Peter Vischer, der berühmte Erzgießer und Sebastian Lindenast, ein geschickter Kupferschmied, geboren. K. wuchs mit ihnen auf und blieb sein Leben lang enge mit ihnen befreundet. Wer sein Vater gewesen, ist nicht bekannt. Auch über seinen Lehrmeister und seinen Bildungsgang wissen wir nichts. Aus seinen Arbeiten, in welchen Architektur und Sculptur mit gleicher Meisterschaft und oft in so enger Verbindung miteinander, daß das Eine von dem Anderen nicht zu trennen ist, behandelt sind, ergibt sich, daß er aus der Hütte der gewöhnlichen Steinmetzen hervorgegangen, die Baukunst handwerksmäßig erlernt und daß er dann, wol wesentlich durch eigene Kraft, von einem einfachen Steinmetzgesellen, von der Architektur durch die Ornamentik zu figürlichen Darstellungen übergehend, zu einem Bildhauer sich ausgebildet und allmählich zu jener Höhe sich emporgearbeitet hat, welche er in seiner besten Zeit einnahm. K. hat sein Leben als einfacher Bürger, ruhig in seiner Werkstatt arbeitend, zugebracht. Seine Werke erzählen seine Lebensgeschichte. Doch ist er bei seiner fleißigen Arbeit nicht reich geworden, hatte vielmehr mit Sorgen zu kämpfen. K. scheint zwei Mal verheirathet gewesen zu sein, jedoch keine Kinder gehabt zu haben. Er besaß ein eigenes Haus, auch einen Garten in der Lodersgasse. Er starb im J. 1507, Neudörffer sagt im Spital zu Schwabach, was jedoch wenig glaubhaft erscheint. Wo er begraben liegt ist nicht bekannt. K. stand in jüngeren Jahren in näherer Beziehung zu dem älteren Hans Behaim (Bd. II S. 274), Stadtmaurer, später seit 1503 Anschicker in der Prunt, welcher als solcher alle öffentlichen Bauten in der Stadt auszuführen hatte. K. schmückte Behaim’s sonst sehr einfache Bauwerke mit ornamentalen und figürlichen Reliefs. So sind das kleine Nürnberger Wappen an der Ecke des Unschlitthauses vom J. 1491, das reich ornamentirte Wappen über dem Portal der in den Jahren 1494–95 als Kornhaus erbauten, jetzt sogenannten Kaiserstallung auf der Burg, das auf die Bestimmung des Hauses bezügliche figürliche Relief über dem Portal des Waghauses vom J. 1497 und das mit den drei, von einem Schriftband umschlungenen Nürnberger Wappen geschmückte Tympanon im Portal des heutigen Mauthgebäudes vom J. 1498 sämmtlich Arbeiten Kraft’s. Nach einer urkundlichen Nachricht soll K. auch [6] „eine steinerne Stiege und andere Arbeit“ in dem Hause des Peter Imhof (Tucherstraße 20), d. h. die durchbrochene Brüstung der Säulenhalle im Hofe desselben gefertigt haben. Ganz ähnlich, daher wol ebenfalls von K. ist die Brüstung in dem Hofe des Hauses Adlerstraße 21, in welchem sich ein vortrefflich componirtes Relief, die Anbetung des soeben geborenen Christuskindes durch Joseph, Maria und einige Engel darstellend und zwei reich ornamentirte Wappen befinden. Von K. ist ferner wol auch das kleine Relief, Josua und Kaleb tragen die Riesentraube, an der Façade des Hauses Bindergasse 20 und das Relief mit Darstellung der thronenden Madonna über dem Portal des v. Forster’schen Hauses, Hauptmarkt 11, sowie das kleine Relief, zwei Engel halten einen Kranz, innerhalb dessen das Monogramm Christi angebracht ist, über der Thür und vier Schlußsteine mit den Zeichen der Evangelisten in einem gewölbten Gange im ersten Stock des Hauses Winklerstraße 5. Das Hochrelief, St. Georg den Drachen tödtend, an der Façade des später Paumgärtner’schen Hauses, Theresienstraße 23, ist durch Neudörffer als Kraft’s Arbeit beglaubigt. Auch berichtet Neudörffer, daß K. an den Häusern des Andreas Imhof bei St. Lorenz (Königsstraße 24 und 25) „alle Zierrat und Bildwerk im Inneren und Aeußeren mit gebranntem Leinen“, d. h. in Terracotta, ausgeführt habe. Leider ist davon nichts mehr erhalten als eine Console im Hofe und eine kleine Figur mit den Wappen der Familien Imhof und Muffel, jetzt in der Sammlung Felix zu Leipzig. Auch gehört zu den älteren Arbeiten Kraft’s das figurenreiche Relief mit einer Darstellung des jüngsten Gerichts über der Schauthür der Sebalduskirche, wie die Inschrift angibt eine Stiftung des gelehrten Arztes und Archäologen Dr. Hartmann Schedel, zum Gedächtniß an dessen 1485 verstorbenen Verwandten Dr. Herman Schedel. Nachdem K. durch diese und ähnliche Arbeiten als tüchtiger Bildhauer sich bewährt hatte, erhielt er auch größere Aufträge. Zunächst fertigte er von 1490–1492 das Grabmal der Familien Schreyer und Landauer, bestehend in einem großen, figurenreichen Relief mit Darstellungen mehrerer Scenen aus der Leidensgeschichte Christi auf landschaftlichem Hintergrunde zwischen zwei Strebepfeilern am Aeußern des Ostchors der Sebalduskirche und bald darauf ein zweites Grabmal für die Familie Landauer, welches im Kreuzgange der Schottenabtei St. Aegydien aufgestellt wurde, nach dem Brande des Klosters von 1696 aber in die vom Feuer verschont gebliebene Tetzel’sche Kapelle gebracht wurde, woselbst es, vielfach beschädigt, noch heute sich befindet. Es ist ein großes Hochrelief, in dessen oberem Theil Maria in betender Stellung unter zwei Engeln die eine Krone über sie halten. zwischen Gott Vater und Christus und in dessen unterem Theile Betende dargestellt sind. In Composition wie Ausführung sehr ähnlich ist das Pergenstorfer’sche Grabmal, ursprünglich im Kreuzgange des Augustinerklosters, jetzt seit 1816 in der Frauenkirche. Es ist ebenfalls ein Hochrelief mit architektonischen Umrahmung, in dessen Mitte Maria mit dem Christuskinde in Lebensgröße dargestellt ist. Hinter derselben halten zwei fliegende Engel den faltenreichen Mantel der Mutter Gottes über der unten knieenden Gruppe von Betenden und über ihrem Haupte zwei fliegende Engel eine Krone. Etwas einfacher ist das Grabmal der Familie Rebeck, früher im Kreuzgange der 1809 abgebrochenen Dominicanerkirche, jetzt seit 1816 ebenfalls in der Frauenkirche. Auf einem einfachen schlanken Pfeiler ruht ein Relief, in welchem die Krönung Mariä durch Gott Vater und Christus in der im späteren Mittelalter typischen Weise dargestellt ist. – Das größeste, berühmteste und populärste aller Werke Kraft’s ist das Sacramentshäuschen an einem Pfeiler des Chors der Lorenzkirche, eine Stiftung des Hans Imhof, Kirchenpflegers von St. Lorenz, ausgeführt in den Jahren 1493–1500. Dasselbe ist im Wesentlichen eine neben dem Kirchenpfeiler schlank aufsteigende, mehr als 19 Meter [7] hohe Thurmpyramide von sehr glücklichen, eleganten Verhältnissen und reichster decorativer Ausbildung. Unterhalb einer den Fuß des Bauwerks umgebenden Brüstung befinden sich in knieender Stellung die drei lebensgroßen Porträtstatuen der Verfertiger dieses Werkes, des Meisters Adam K. und seiner zwei Gesellen. Dieses Gebäude ist von einem überwältigenden und verwirrenden Reichthum an architektonischen und ornamentalen Formen und plastischen Schmuck. Und Alles ist bis in die letzten Einzelheiten hinein in feinem Sandstein ausgeführt und mit einer unglaublichen Sorgfalt, Sauberkeit und Liebe behandelt. Es scheint dem Meister besondere Freude gemacht zu haben, Schwierigkeiten der Technik zu schaffen und sie zu überwinden. Viele Fialen z. B. sind nicht nur spiralförmig gebogen, sondern zugleich auch um ihre eigene Axe gewunden. Sie sind aus einer großen Anzahl kleiner Stückchen Sandstein zusammengesetzt, welche auf starken Drath gezogen und untereinander durch Blei verbunden sind. Bei dieser Art der Zusammenfügung, die natürlich nicht allgemein bekannt ist, darf man sich nicht wundern, daß die Sage sich gebildet hat, K. hätte das Geheimniß besessen Steine zu erweichen, zu formen und dann wieder zu erhärten.

An dieses Sacramentshäuschen schließt sich eine zweite große Arbeit Kraft’s, „die Ketzel’schen Stationen“. Martin Ketzel nämlich, ein Nürnberger Patrizier, war zweimal, 1468 und 1472, im Gefolge deutscher Fürsten im heiligen Lande und war in Jerusalem zur Stiftung von sogenannten Stationsbildern, d. h. eines Cyclus von bildlichen Darstellungen aus der Leidensgeschichte Christi und speziell seines Ganges nach Golgatha angeregt worden. Er nahm in Jerusalem, von dem angeblichen Hause des Pilatus ausgehend, die Maße der Entfernungen jener von frommen Christen ihm bezeichneten Stellen, an welchen dem zur Richtstätte geführten Erlöser, der Sage nach, besondere Zufälle begegnet sein sollen, in der Absicht diesen Leidensweg Christi in seiner Vaterstadt möglichst treu nachbilden und mit Darstellungen der entsprechenden Ereignisse schmücken zu lassen. Und in der That bestellte er bei K. sieben Reliefs mit Darstellungen der erwähnten Scenen (Fälle) und ließ dieselben auf pfeilerartigen Unterbauten neben dem Wege von dem Thiergärtner Thor nach der Vorstadt St. Johannis in den von ihm in Jerusalem abgemessenen Entfernungen und als Schluß dieses 1150 Schritte langen Weges einen Calvarienberg aufstellen. Es sind figurenreiche Hochreliefs aus grobem Sandstein von ungefähr 1,3 Meter Höhe und 1,7 Meter Breite. K. zeigt sich in ihnen ganz auf der Höhe seiner künstlerischen Thätigkeit. Die Compositionen sind klar gegliedert und vortrefflich abgewogen; die Figuren lebendig und mit vollem Verständniß durchgebildet, sind keineswegs ideal, sondern naturalistisch, kurz und derb in den Verhältnissen und in der damaligen Nürnberger Tracht; die Gestalt Christi ist durch einfache Gewandung und schlichten Adel des Ausdrucks ausgezeichnet. – Ein den Stationen sehr ähnliches Hochrelief befindet sich jetzt als Altaraufsatz an einem der Pfeiler der Sebalduskirche. Gleichzeitig mit den beschriebenen größeren Werken führte K. auch noch eine Anzahl kleinerer Arbeiten aus. Dazu gehören die schöne Madonna an dem Hause Bindergasse 1, früher „der gläserne Himmel“ genannt, die Madonna am Aeußeren der Tetzel-Kapelle bei St. Aegydien, die beiden Statuen weiblicher Heiligen an dem Hause Königsstraße 68 und „Die Verkündigung Mariä“ vom Jahre 1504 an dem Hause Winklerstraße 24. Für das letzte größere Werk Kraft’s gilt die aus 15 überlebensgroßen Figuren bestehende Darstellung der Grablegung Christi in der Holzschuher’schen Grabkapelle auf dem Johanniskirchhofe. K. ist höchst wahrscheinlich auch der Autor jenes großartigen Entwurfs zu einem Tabernakel über dem Sarge des heiligen Sebald, welcher in der Originalzeichnung auf Pergament vom Jahre 1488 noch erhalten ist und welcher der Ausführung in Bronze durch Peter Vischer und seine Söhne ursprünglich zu Grunde gelegen hat.

[8] K. ist, wie erwähnt, aus der Bauhütte hervorgegangen. Er hat die schulmäßige Architektur erlernt, hat sie stets mit vollem Verständniß und meist sehr elegant behandelt, hat sich mit dem Erlernen jedoch nicht begnügt, sondern hat die überlieferten Formen selbständig weiterentwickelt, hat die an Willkürlichkeiten schon reiche spätgothische Baukunst in malerisch decorativer Richtung noch weiter ausgebildet und ist dabei nicht selten so weit gegangen, daß darunter nicht nur die Klarheit der architektonischen Idee und Composition leidet, sondern daß auch dem Material zuweilen schon Gewalt angethan wird. Das Sacramentshäuschen in der Lorenzkirche z. B. würde ohne Zuhülfenahme von Eisen gar nicht zusammenhalten. Diese constructiven Unmöglichkeiten fielen schon Kraft’s Zeitgenossen auf und es bildete sich die lange Zeit für wahr gehaltene Sage, die architektonischen Theile des Sactamentshäuschens wären nicht aus Stein gehauen, sondern aus einer flüssigen, später hart werdenden Masse gegossen, was jedoch keineswegs der Fall ist. Seine Consolen unter den Stathuen sind mit Vorliebe mit nicht tragenden Figuren, oft ganzen Gruppen, Menschen oder Thieren, in vielfach verschlungenen Stellungen geschmückt. Seine Fialen erscheinen schon zuweilen als Baumäste; seine Blumen und Blätter sind sehr kraus, kohlartig. – In seinen rein plastischen Arbeiten dagegen ist K. maßvoll. Die Compositionen seiner Reliefs sind klar und leicht verständlich. Trotzdem sie sehr hoch sind, oft mit mehreren Figuren hintereinander, die vorderen oft ganz vollrund, haben sie stets Haltung. Die Ausführung der menschlichen Gestalt zeigt volles Verständniß. Die Bewegungen sind richtig und lebendig. Der Ausdruck ist wahr und charakteristisch, oft sehr innig und ergreifend. Der Meister hat in den Gegenstand seiner Darstellung sich mit ganzem Gemüthe versenkt und er schildert mit einer Herzlichkeit, welche um so ergreifender wirkt, als er durchaus naiv und kunstlos in seinen Anschauungen alles Pathetische sorgfältig vermeidet. Er ist Naturalist; seine Darstellungen tragen stets das Gepräge des Bürgerlichen. Seine Gestalten sind kurz, etwas untersetzt. Seine Gewänder leiden zwar an der bekannten fränkischen Manier, daß die Falten vielfach scharf gebrochen und unmotivirt sind; doch ist diese unschöne Eigenart bei K. sehr gemildert. In technischer Beziehung stehen Kraft’s Sculpturen sehr hoch. Seine Führung des Meißels ist eine sehr sichere, gewandte. – Dem allgemeinen Gebrauche des Mittelalters entsprechend waren die meisten architektonischen und wol alle plastischen Arbeiten polychrom bemalt. K. ist der letzte Bildhauer des Mittelalters in Nürnberg. Nach seinem Tode hielt die Renaissance daselbst ihren siegreichen Einzug und durchdrang mit ihrem Geiste die überlieferten, allmählich absterbenden Formen.

Neudörffer’s Nachrichten von Nürnbergischen Künstlern, herausgegeben von Lochner (Wien 1875). Wanderer, Adam Kraft und seine Schule (Nürnberg 1869). Bergau, Adam Kraft in Dohme’s Kunst und Künstler (Leipzig 1877).