ADB:Rambach, Johann Jakob (evangelischer Theologe)

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Artikel „Rambach, Johann Jakob (I)“ von Carl Bertheau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 196–200, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rambach,_Johann_Jakob_(evangelischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 12:53 Uhr UTC)
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Rambach: Johann Jakob R. (I) wurde am 24. Februar 1693 zu Halle a. d. S. geboren; sein Vater war der aus Arnstadt nach Halle übergesiedelte Tischlermeister Hans Jakob R. (geb. am 28. Juli 1659); seine Mutter Dorothea, geb. Lauterborn, stammte aus Eisleben. Schon der Großvater seines Vaters, Leonhard R., war in Arnstadt Tischler gewesen. Ein Vetter seines Vaters, Georg Heinrich R., ist der Vater von Friedrich Eberhard R. I, † 1775. Unsern R. wollten seine Eltern studieren lassen und sandten ihn deshalb auf das Stadtgymnasium in Halle. Doch behagte dem Knaben das Lernen nicht, und überzeugt, daß er es zu nichts besonderm bringen werde, verließ er das Gymnasium und entschloß sich, bei seinem Vater in die Lehre zu treten. Ein Unfall, der ihn zeitweilig ans Bett und längere Zeit ans Haus fesselte, ließ ihn die verlassenen Schulbücher wieder zur Hand nehmen, und unter der Beschäftigung mit ihnen reifte der Entschluß, wieder zu den Studien zurückzukehren. Im Anfange des Jahres 1788[1] übergaben ihn seine Eltern nun der lateinischen Schule in den Franckischen Stiftungen. Im Herbst 1712 begann er auf der Universität zu Halle das medicinische Studium, welches er jedoch bald mit dem der Theologie vertauschte. Neben A. H. Francke waren Joachim [197] Lange, Paul Anton und Joach. Gust. Breithaupt seine Lehrer; vor allem trieb er unter der Leitung von Johann Heinr. Michaelis und dessen Neffen Chr. Benedict Michaelis gründliche hebräische Studien; bei dem letztgenannten soll er die sämmtlichen Bücher des A. T. gehört haben. Als Joh. Heinr. Michaelis sich während des Sommers 1715 zur Stärkung seiner Gesundheit zum Baron von Canstein nach Dalwitz bei Berlin begab, nahm er sich außer Johann Ludwig Lindhammer (vgl. Rotermund zum Jöcher III, Sp. 1877) unsern R. mit, damit beide ihm bei seiner Arbeit an der hebräischen Bibel, mit deren Herausgabe er beschäftigt war, hilfreich zur Seite stünden. R. wurde dort gefährlich krank; er hatte sich noch kaum erholt, als er um Michaelis 1715 mit Michaelis nach Halle zurückkehrte und nun, um seine Arbeit an dem Bibelwerke ungestört fortsetzen zu können, dessen Hausgenosse wurde. Eine besondere Frucht dieser Arbeiten sind Rambach’s lateinische Erklärungen zu den Büchern Ruth, 2. Chronik, Nehemia, Esther und Prediger Salomo, welche dann später als Theile eines größeren Werkes erschienen, das unter dem Titel „Uberiores annotationes in hagiographa“ (in drei Bänden 4°) in demselben Jahre und gleichem Verlage mit der hebr. Bibel von Michaelis, nämlich Halle 1720, herauskam. Unter dieser seine Zeit und Kraft neben seinen übrigen Studien während mehrerer Jahre mehr als ihm zuträglich war, in Anspruch nehmenden Arbeit hatte er seine Gesundheit wieder zugesetzt, und so war es ihm sehr willkommen, daß ihn der Graf Erdmann Heinrich Henckel v. Donnersmark einlud, ihn auf seinem Schlosse Pöltzig im Voigtlande zu besuchen; hier lebte R. im Sommer 1719 mehrere Monate ausschließlich seiner Erholung. Im August dieses Jahres ging er zum Besuche einiger Freunde nach Jena; dort gefiel es ihm so gut, daß er sich von einigen Studenten überreden ließ, sich dort zu habilitiren; im October 1719 siedelte er zu diesem Zwecke dorthin von Halle über. Er hörte dort noch die theologischen Vorlesungen von Joseph Franciscus Buddeus (s. A. D. B. III, 500) und die philosophischen von Joh. Jacobus Syrbius (Jöcher IV, Sp. 972), scheint aber zugleich auch selbst schon unter Buddeus’ Aufsicht exegetische und hermeneutische Uebungen von Studenten geleitet zu haben. Im J. 1720 ward er zunächst am 4. März Magister und erwarb sich sodann am 11. Mai und 19. October durch die üblichen Disputationen in der philosophischen und in der theologischen Facultät das Recht, Vorlesungen zu halten. Als Docent fand er alsbald großen Beifall; es hatte das wohl vor allem seinen Grund in der von ihm angewandten Methode; bei umfassendem und gründlichem Wissen lag ihm daran, die theologische Gelehrsamkeit so mitzutheilen, daß auf die Verwerthung derselben für den praktischen Kirchendienst und namentlich für die Erbauung der Gemeinde hingewiesen ward. Auch durch pädagogische und erbauliche Vorlesungen, sowie durch Predigten suchte er dabei auf die Studenten noch persönlich einzuwirken. In diesen Jahren gab R. auch zwei Sammlungen eigner christlicher Lieder heraus, vgl. unten. Von seinen übrigen zahlreichen Schriften erschienen während seines Aufenthaltes in Jena abgesehen von den schon genannten alttestamentlichen Commentaren nur einige Dissertationen; doch fing er schon in Jena an, einzelne Schriften Luther’s mit Vorreden herauszugeben. Als der Professor der Theologie Johann Daniel Herrnschmidt (s. A. D. B. XII, 221) am 5. Februar 1723 in Halle gestorben war, erhielt R. einen Ruf dorthin als Adjunct der theologischen Facultät; im August 1723 siedelte er nach Halle über und fand hier auch einen ganz außerordentlichen Beifall. Er las meistens öffentlich und hatte dann wohl vier- bis fünfhundert Zuhörer. Um sich eingehend vorbereiten zu können, las er nur zwei Collegia täglich; Gründlichkeit und Deutlichkeit rühmten die Zuhörer besonders an ihm; dazu kam aber seine schon erwähnte auf das Praktische und Erbauliche gerichtete Art, die bei ihm in bewußtem Gegensatz zu andern durchaus gesund [198] und nüchtern ist und uns in ihm einen der edelsten und tüchtigsten Vertreter eines berechtigten Pietismus zeigt. Auch schriftstellerisch ward er nun weiter thätig; abgesehen von Programmen, Predigten und Gelegenheitsschriften erwuchsen seine gedruckten Werke aus seinen Vorlesungen und waren für diese bestimmt; so namentlich seine berühmt gewordenen „Institutiones hermeneuticae sacrae“, zuerst 1724 und dann mehrfach in neuen Auflagen erschienen. Am 9. Mai 1724 heirathete er eine Tochter seines Collegen Joachim Lange (s. A. D. B. XVII, 634), und als diese nach noch nicht sechsjähriger Ehe gestorben war, am 24. October 1730 die Tochter des Predigers Joh. Georg Büttner in Frankfurt; aus beiden Ehen hatte er Kinder. Im Mai 1726 ward R. außerordentlicher und nach August Hermann Francke’s Tode im Juni 1727 ordentlicher Professor der Theologie; aber mit seiner wachsenden Beliebtheit und seinem zunehmenden Ansehen auch über Halle hinaus ward seine Stellung zu seinen Collegen schwieriger; namentlich der jüngere Francke (August Gotthilf, s. A. D. B. VII, 231) und dessen Schwager Freylinghausen (s. A. D. B. VII, 320) machten ihm und seinem Schwiegervater Lange das Leben sauer. Der Zwist kam zum Ausbruch, als im J. 1729 in Halle ein Formular für die Abgangszeugnisse der Theologen eingeführt werden sollte, nach welchem auch über das „rechtschaffene Christenthum“ des Abgehenden, seine Bußerfahrungen u. s. f. Auskunft gegeben werden sollte. Gegen solchen Methodismus erhoben sich R., Lange und anfänglich auch J. H. Michaelis, der nachher andern Sinnes ward, und es kam zu unangenehmen Verhandlungen (vgl. über diese Streitigkeiten in Halle vor allem: Tholuck, Geschichte des Rationalismus, 1. Abtheilung, Berlin 1865, S. 26 ff.). Unsern R., dem jeder Streit gründlich zuwider war, wurde jetzt das sonst so geliebte Halle verleidet. Als im J. 1731 fast gleichzeitig zwei Berufungen an ihn ergingen, die eine in die Stelle eines deutschen Hofpredigers und ordentlichen Professors der Theologie nach Kopenhagen und die andere als erster ordentlicher Professor der Theologie und Superintendent nach Gießen, nahm er diese zweite, bei welcher er die Kennzeichen einer göttlichen Vocation zu erkennen glaubte, an und siedelte im Juli 1731 nach Gießen über. Vorher nahm er noch am 28. Juni in Halle den Grad eines Doctors der Theologie an. Auch in Gießen hatte er in seinen Collegien einen großen Zulauf, aber es stellten sich hier für ihn einem rechten erfolgreichen Wirken allerlei Hindernisse entgegen, die seine Kraft lähmten; das Treiben der Studenten war ein zuchtloseres und das ganze Leben ein für lebendiges Christenthum weniger empfängliches, als er es in Halle gewohnt war. Dabei war ihm lästig, daß er Zeit und Kraft nicht auf die theologische Professur concentriren konnte; seit August 1732 hatte er vielmehr zu seinen übrigen Aemtern auch noch das eines Directors des Pädagogiums erhalten. So kam ihm eine Anfrage, die im J. 1734 an ihn erging, ob er geneigt sei, einem Rufe an die neu zu gründende Universität in Göttingen in die erste Professur der Theologie zu folgen, nicht unerwünscht; aber der Landgraf wollte ihn nicht entlassen und wußte die Berufung abzuwenden. Doch seines Wirkens in Gießen sollte nicht mehr lange sein; nach ungefähr achttägiger Krankheit starb er schon am 19. April 1735, wenig über 42 Jahre alt. In Gießen hat R. selbst außer Gelegenheitsschriften und den gleich zu nennenden Gesangbüchern fast nur Predigten herausgegeben; aber nach seinem Tode gaben Neubauer, Griesbach, Hecht, Nebel und andere aus seinem Nachlasse eine erstaunliche Menge von Schriften über Gegenstände der wissenschaftlichen Theologie und der Pädagogie, wie auch erbaulicher Art heraus; sie zeigen uns auf der einen Seite den großen Fleiß Rambach’s, der alle diese Arbeiten in doch verhältnißmäßig kurzer Zeit verfaßt hat, andererseits weisen sie uns auf das große Ansehen, in welchem er wie bei seinen Zeitgenossen, so auch noch lange über seinen Tod hinaus stand, da diese [199] Werke doch sicher nicht gedruckt wären, wenn man nicht auf willige Abnahme hätte rechnen können. In unsern Tagen wird R. hauptsächlich als Dichter geistlicher Lieder noch viel genannt. Außer eigentlichen geistlichen Liedern (Kirchenliedern) verfaßte er aber auch geistliche Dichtungen anderer Art, Elegien, Madrigale, Cantaten, Sonnette u. s. f. Eine größere Anzahl solcher Dichtungen erschien zuerst in der von Menantes (Hunold, A. D. B. XIII, 419) vom Jahre 1718–1721 herausgegebenen Sammlung „Auserlesene und (theils) noch nie gedruckte Gedichte unterschiedener berühmter und geschickter Männer“. R. hat dann selbst zwei Sammlungen von eignen geistlichen Dichtungen herausgegeben, die „Geistlichen Poesien“, Halle 1720, und die „Poetischen Festgedanken“, Jena und Leipzig 1723; während von der ersteren dieser Sammlungen erst 1735 kurz vor Rambach’s Tode in Gießen eine zweite Auflage mit geringen Veränderungen und Zusätzen erschien, sind die Festgedanken mehrfach in verbesserter und vermehrter Auflage gedruckt worden, 1727 in 2., 1729 in 3. und wahrscheinlich (nach Bode, vgl. unten) hernach noch einmal in 4. Auflage; die Dichtungen beider Sammlungen erschienen dann nach Rambach’s Tode unter dem Titel: „Gesammelte geistliche Gedichte“, Jena 1740. Andere Dichtungen Rambach’s finden sich in seinem „Erbaulichen Handbuch für Kinder“, Gießen 1734, dessen 3. Theil ein Gesangbüchlein enthielt; hier erschien zuerst sein bekanntes Lied: „Ich bin getauft auf deinen Namen“. Auch in sein „Geistreiches Hausgesangbuch“, dessen Erscheinen er nicht mehr erlebte (Frankfurt und Leipzig 1735), hat er 112 eigne Lieder aufgenommen, von denen etwa die Hälfte hier zum ersten Male erschienen. Vor diesem für die häusliche Andacht bestimmten Gesangbuche hatte R. in Gießen „auf hochfürstlichen gnädigsten Befehl“ ein anderes, für den öffentlichen Gebrauch im Gottessdienste bestimmtes Gesangbuch unter dem Titel: „Neu eingerichtetes hessen-darmstädtisches Kirchengesangbuch“, Darmstadt 1733, herausgegeben; in dieses hatte er keine eignen Lieder aufgenommen, wie er denn auch nicht an den aufgenommenen Liedern etwas veränderte, „dieweil man, wie es heißt, die eigenmächtige Veränderung öffentlich eingeführter Lieder für eine unerlaubte Sache hält“. Nach Rambach’s Tode gab sein Schwiegersohn Nebel (s. A. D. B. XXIII, 348) aus seinem Nachlaß noch eine Sammlung bisher ungedruckter Lieder heraus: „Wunder der bis zum Tode des Kreuzes erniedrigten Liebe“, Gießen 1750. In den genannten Sammlungen befinden sich etwa 360 geistliche Dichtungen, von denen etwas über die Hälfte eigentliche geistliche Lieder sind. Ohne Frage hatte R. für die geistliche Dichtung eine gute Begabung, seine Sprache ist edel und seine Gedanken sind tief und klar. In seinen Liedern ist viel Lehrhaftes; aber er vermeidet dabei den trocknen, moralisirenden Ton vieler späterer Dichtlinge; auch in seinen Lehrgedichten ist ein lyrischer Schwung und eine schöne Begeisterung. Mehrere seiner Lieder werden aus unsern Gemeindegesangbüchern nicht wieder verschwinden; wir nennen vor allem außer dem schon erwähnten Taufliede noch die Lieder: „Mein Schöpfer steh mir bei“, „Unumschränkte Liebe“, „König, dem kein König gleichet“, „Mein Jesu, der du vor dem Scheiden“ und „Mein treuer Gott, dein gutes Werk“. Rambach’sche Lieder liegen mehrfach den spätern Producten der Liederverbesserer zu Grunde, so z. B. Liedern von Diterich, und haben in dieser Gestalt eine zeitlang eine weitere Verbreitung gefunden. R. hinterließ aus erster Ehe zwei Töchter und aus zweiter Ehe eine Tochter und einen Sohn. Von den Töchtern erster Ehe heirathete Johanna Dorothea den Pastor Conrad Caspar Griesbach, den Vater des bekannten Textkritikers des N. T. Johann Jakob Griesbach (s. A. D. B. IX, 660, wo auch über Rambach’s Tochter weiteres nachzusehen); die andere, Charlotte Elisabeth, heirathete Heinrich Christoph Nebel (s. A. D. B. XXIII, 347 f.). Die Tochter zweiter Ehe heirathete einen Lehrer und späteren Prediger [200] und außerordentlichen Professor zu Gießen Johann Christian Dietz. Sein einziger Sohn Jakob Theodor Franz R., geb. am 6. März 1733 zu Gießen, war seit 1775 Conrector am Gymnasium in Frankfurt a/M. und starb ohne Nachkommen zu hinterlassen am 11. oder 12. Juni 1808.

Daniel Büttner, Lebenslauf des Johann Jacob Rambach, 3. Aufl., Leipzig 1737. (Die ersten Auflagen erschienen anonym; die erste Frankf. u. Leipz. 1735, die zweite Leipz. 1736.) – Jos. Philipp Fresenius, die wohlbelohnte Treue … als der … Herr Joh. Jac. Rambach … geschieden, Giesen 1736, 4°. (Leichenpredigt mit Lebenslauf von Ernst Friedrich Neubauer.) – Jöcher III, Sp. 1885. – Rotermund zum Jöcher VI, Sp. 1285 ff.; hier unter 115 Nummern ein Verzeichniß von R.’s gedruckten Werken. – Koch, Geschichte des Kirchenlieds u. s. f., 3. Aufl., IV, S. 521 ff. – Herzog und Plitt, Realencyklopädie für protest. Theol. und Kirche, 2. Aufl., XII, S. 492 ff. – Theodor Hansen, die Familie Rambach, Gotha 1875 (etwa zwei Drittel dieses Buches sind unserm R. gewidmet). – Goedeke, Grundriß, 2. Aufl., 3. Band, S. 305. – Ganz besonders sind jetzt zu vergleichen die Artikel Bode’s in den Blättern für Hymnologie, 1. Jahrgang, 1883, S. 113 ff., 129 ff., 145 ff., 163 ff. und 186 ff.; und hiezu die Nachträge von Krause im 2. Jahrgang, 1884, S. 20 ff., und von Bachmann im 3. Jahrgang, 1885, S. 13 f. – Ueber die Bedeutung R.’s als Prediger vgl. Richard Rothe, Geschichte der Predigt, herausgegeben von Trümpelmann, Bremen 1881, S. 408 ff. – Eine Auswahl seiner geistlichen Lieder gab Jul. Leop. Pasig, Leipzig 1844, heraus. – Ueber R.’s Sohn Jakob Theodor Franz vgl. Rotermund zum Jöcher VI, Sp. 1284 f., u. Hansen a. a. O. S. 60 ff.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 196. Z. 4 v. u. l.: 1708 (st. 1788). [Bd. 29, S. 776]