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Artikel „Preller, Ludwig“ von August Baumeister in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 561–566, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Preller,_Ludwig&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 02:53 Uhr UTC)
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Preller: Ludwig P., Philolog und Alterthumsforscher. Ludwig P. wurde geboren am 15. September 1809 zu Hamburg, als das zwölfte Kind eines recht wohlhabenden Handelsherrn. Der aufgeweckte Knabe erhielt den ersten gelehrten Unterricht auf dem Hamburger Johanneum; allein nach dem frühen Tode des Vaters ward er, da für seine energische und übersprudelnde Natur männliche Aufsicht nothwendig erschien, im 16. Jahre nach Lübeck gebracht, wo er zuerst bei einem älteren Bruder, dann in der Pension des Professors Mosche am dortigen Catharineum seine Schulstudien vollendete und den wissenschaftlichen Grund zu einer gelehrten Bildung legte. Er bezog 1828 die Universität Leipzig, um Philologie und Theologie zu studiren. Hier wurde er besonders von Gottfr. Hermann angezogen. 1829 siedelte er nach Berlin über, wo er, durch einen Jugendfreund bestärkt, zwar von Schleiermachers Vorträgen und Auffassung des Christenthums einen tiefen und bleibenden Eindruck davontrug, dennoch aber sich für das ausschließliche Studium der Philologie entschied. „Preller’s joviale und geniale, nach den Gesetzen der äußeren Würde wenig fragende, dem heiteren Impulse des Augenblickes sich hingebende Persönlichkeit eignete sich nicht zum Theologen von Profession.“ Er hörte nun vorzugsweise Böckh; ging aber im letzten Halbjahr nach Göttingen, um Otfried Müller zu hören, bei dem er mit einer Abhandlung „de Aeschyli Persis“ den Doctorgrad erwarb (1832). In seine Vaterstadt Hamburg zurückgekehrt, beschäftigte er sich eine Zeit lang mit Ertheilung von Privatunterricht und Fortsetzung seiner Studien, welche hauptsächlich auf griechische Mythologie und Philosophie gerichtet waren. Schon damals wählte er auch seine Lebensgefährtin Julie Dallmer. Bereits als aufwachsender Jüngling war er ihr als einer verwaisten Verwandten im Hause seiner Mutter begegnet und obgleich sie älter war als er, schloß er aus innerster Neigung mit ihr den Bund für das Leben. Darauf ließ er sich an der Universität in Kiel als Privatdocent nieder (1833) und gründete zu gleicher Zeit seinen häuslichen Heerd, wozu ihn sein väterliches Erbtheil in den Stand setzte. In Kiel schloß er sich besonders an den Philologen G. W. Nitzsch eng an, dem er auch sein Erstlingswerk widmete: „Demeter und Persephone, ein Cyclus mythologischer Untersuchungen“, Hamburg 1837. In diesem Buche bewies sich P. nicht blos als gründlichen und scharfsinnigen Gelehrten, sondern auch als selbständigen Forscher und Denker, indem er auf dem schwierigen und dunkeln Gebiete der griechischen Mysterien einerseits der verworrenen Mystik Creuzers entgegentrat, andererseits die Nüchternheit der Vossischen Richtung verwarf und auch Otfr. Müllers historisirender Tendenz engere Grenzen zog, dagegen mit Welcker die Mythen als Reflex naiver Naturanschauung faßte und deren Vertiefung zum Symbol des Menschenlebens auf Grund Schleiermacher’scher Speculation nachzuweisen versuchte. Die Gediegenheit dieser Schrift verschaffte dem [562] Verfasser die allgemeinste Anerkennung. Zu gleicher Zeit aber arbeitete er mit seinem Freunde, dem Philosophen Heinrich Ritter, ein sehr nützliches Hilfsmittel für das Studium der alten Philosophie aus, eine Sammlung von Quellenstellen mit erläuternden Anmerkungen, welche unter dem Titel „Historia philosophiae Graecae et Romanae ex fontium locis contexta“ Hamburg 1838 erschien und wegen ihrer praktischen Brauchbarkeit schon die sechste Auflage (von Fr. Schulteß) erlebt hat. Ein dritte Schrift Preller’s, welche gleichzeitig aus seinen mythologisch-antiquarischen Studien hervorging, war die Sammlung und Erklärung der Bruchstücke des „Fremdenführers“ Polemon, dessen Notizen über Oertlichkeiten, Kunstwerke und Curiositäten in Athen und ganz Griechenland für die Archäologie von großer Wichtigkeit sind („Polemonis periegetae fragmenta“, Lips. 1838). Diese rege Thätigkeit des geistvollen jungen Gelehrten, welcher außerdem noch eine Reihe von Aufsätzen in gelehrte Zeitschriften lieferte, lenkte die Aufmerksamkeit in weiteren Kreisen auf ihn und verschaffte ihm schon 1838 einen Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Dorpat mit 1500 Thalern Gehalt. Hatte P. bereits vorher die sein ganzes Leben hindurch hervortretende Neigung bethätigt, die Welt zu sehen und fremde Völker und neue Personen kennen zu lernen – er hatte von Hamburg einen längeren Ausflug nach England, von Kiel nach Kopenhagen und Umgegend gemacht – so schrak er auch jetzt nicht zurück vor der weiten Ferne und den unsicheren Verhältnissen in Rußland, wiewol sein Freund Arnold Ruge in Halle ihn vor diesem „drohenden, menschenverderbenden Schicksale“ ernstlich warnte. Er nahm den Ruf an, besuchte noch im September 1838 Leipzig und Berlin, vielleicht um sich nöthigenfalls den Rückzug auf eine deutsche Universität zu decken, und segelte im October mit der Frau und dem Söhnlein Andreas nach Petersburg, wo er von dem Minister der Volksaufklärung Uwaroff und den Mitgliedern der Akademie günstige Eindrücke erhielt; von da traf er in Dorpat ein. Hier mußte er freilich eine schlimme Enttäuschung erfahren, welcher er selbst in der Lebensbeschreibung seines dortigen Collegen und Freundes, des Juristen K. O. von Madai (Leipzig 1850) Ausdruck verliehen hat. Die früher unter polnischer und schwedischer Herrschaft gestandene Universität hatte auch unter den Russen bis vor kurzem ihr deutsches Wesen ganz bewahren können; sie war von Kaiser Alexander mit reichen Geldmitteln ausgestattet und ganz nach deutschem Muster und mit deutschen Professoren eingerichtet und zu einer Art von akademischer Musteranstalt erhoben worden. Unter Kaiser Nicolaus jedoch und dem Minister Uwaroff ging in der Stille eine große Umwandlung vor sich. Die deutsche Bildung gerieth in Mißachtung, die Nationalität der Provinz und die protestantische Confession wurde systematisch untergraben. Die Statuten der Universität wurden willkürlich verändert, es wurde ihr ein Curator gegeben, der nur militärischen Gehorsam kannte und aller höheren Bildung entbehrte. Der Gebrauch der russischen Sprache, der Unterricht in derselben und in russischer Geschichte wurde zur unentbehrlichen Hauptsache gemacht; selbst deutsche Hauslehrer wurden nur geduldet, wenn sie fertig russisch sprechen könnten. P. spricht es in jener Biographie aus, daß er, sowie seine Freunde, wenn sie dieses gewußt, schwerlich dem sonst ehrenvollen Rufe dahin gefolgt sein würden. Um so enger schlossen sich nun die deutschen Gelehrten an einander, unter denen P. „vortreffliche und im besten Sinne des Wortes gediegene Menschen“ fand; innige Freundschaft verband ihn namentlich mit dem genannten K. von Madai. Seine Wirksamkeit unter den Studirenden, deren Fleiß und gute Sitte er rühmt und deren Liebe er bald gewann, gewährte ihm volle Befriedigung. Seine Vorträge erstreckten sich über Philologie, Alterthumswissenschaft und alte Kunst; er war Vorstand des Kunstmuseums und des philologischen Seminars. Als Professor der Beredsamkeit [563] schrieb er Programme über Scholien zur Odyssee in einer Hamburger Handschrift, über Hellanikos und Pausanias, über mehrere griechische Grammatiker, und über alte Münzen der dortigen Sammlung; für weitere Kreise von Interesse war die Festrede über die Bedeutung des schwarzen Meeres für den Handel und Verkehr der alten Welt, welche er am Krönungsfeste des Kaisers 1842 hielt. (Auf dem Titel heißt er: Hofrath, ordentlicher Professor der Beredsamkeit, altclassischen Philologie, Aesthetik und Geschichte der Kunst.) Außerdem schrieb er eine Anzahl die Mythologie und den Cultus betreffender Artikel für Pauly’s Realencyklopädie. Zur Erholung unternahm er Ferienreisen nach Reval und durch Finnland; schon dachte er in seiner Wanderlust an größere Reisen nach Moskau und Odessa; da brach das Verhängniß herein, welches ihn wieder dem deutschen Vaterlande zuführen sollte. Bei einem im November 1842 von zahlreichen Studirenden dem Professor der Theologie Ulmann gebrachten Ständchen war das Lied: „Was ist des deutschen Vaterland?“ gesungen worden, worauf die Regierung Anlaß nahm, Ulmann ohne weiteres aus Amt und Stadt zu verweisen, den Rector seines Amtes zu entheben und den Decan der Juristenfacultät, blos weil er nicht auf das Ungehörige des Vorganges aufmerksam gemacht, nach Kasan zu versetzen. Da man begriff, worauf es abgesehen war, so glaubte P. (ebenso wie Volckmann und Madai) nicht länger mit Ehren bleiben zu können; er legte freiwillig sein Amt nieder und verließ Dorpat im Herbste 1843. Er benutzte nun die Muße dazu, während er Weib und Kind bei der Mutter in Hamburg unterbrachte, Italien zu bereisen und dort die wissenschaftlichen Forschungen fortzusetzen, welche er schon früher über römische Mythologie und Topographie begonnen hatte. „Leider ist in Preller’s hinterlassenen Papieren auch nicht das Mindeste aufzufinden gewesen, was über Plan, Route und Erlebnisse dieser italienischen Reise auch nur einigen Ausschluß gäbe“. Daß er aber lange in Rom sich aufhielt und nicht allein im Kunstgenuß schwelgte und seinen für Naturgenuß hochempfänglichen Sinn durch Wanderungen in der Umgegend befriedigte, sondern auch in ernsten, namentlich topographischen Studien seine Zeit verbrachte, dafür zeugt die bald nachher veröffentlichte Schrift: „Die Regionen der Stadt Rom“, Jena 1846, worin er einschneidende Untersuchungen über die antiken Straßen und Gebäude der ewigen Stadt niederlegte und sich damit in die erste Linie der Forscher dieses schwierigen Gebietes stellte. Im Herbste 1844 ließ er sich dann mit seiner Familie, die sich inzwischen um einen zweiten Sohn, Ludwig, vermehrt hatte, in Jena nieder, und hielt an der Universität Vorlesungen über Archäologie und römische Satiriker. „Was ihm bisher überall hin gefolgt war, ein frohes Wolbehagen im Kreise gleichgestimmter und gleichstrebender Freunde, das fehlte ihm auch in Jena nicht. Hier waren es vorzüglich Göttling, Frommann, Schleiden und Apelt, die seinen engeren Freundeskreis bildeten. Er war seiner ganzen harmlos offenen, heiteren, geradaus gehenden Natur nach wie für Jena geschaffen, in dessen einfacher und anspruchsloser, aber geistig bewegter Geselligkeit er sich äußerst wol fühlte“. Er erhielt den Professortitel 1846; aber schon im folgenden Jahre wurde ihm die durch Riemer’s Tod erledigte Stelle eines Oberbibliothekars in Weimar angetragen. Obwol er den Verlust der akademischen Wirksamkeit und des akademischen Lebens auch später immer wieder beklagte, nahm er doch, in der Trauer über den Tod seines älteren Sohnes, die stillere Stellung an und siedelte nach Weimar über. „Seine, bei aller Eckigkeit und Unlenksamkeit doch elastische, weil phantasiereiche, Natur (schreibt sein Freund Stichling in der Gedächtnißrede) fügte sich in das neue Geschäft um so leichter, als dieses wiederum durch die große Mannigfaltigkeit der geistigen Eindrücke, die es ihm bot, ihn fortwährend erfrischte und [564] unterhielt und zugleich hinreichende Muße zur Verfolgung seiner ernsten wissenschaftlichen Studien ihm gewährte. Dazu kam ein, auch hier mit herzlicher Liebe und Hochschätzung ihn umgebender Freundeskreis, und – um das Wirksamste und Bedeutendste zuletzt zu nennen – das Band der innigsten Verehrung, das ihn an die erhabene Großherzogin Maria Paulowna, als einen ihrer nächsten und ergebensten Diener schloß und das seine Aufgabe, diese Fürstin in allwöchentlichen Vorträgen und Abendunterhaltungen in fortlaufender Kenntniß von allen wichtigeren Erscheinungen der Litteratur zu unterhalten, zu einer wolthuenden und werthvollen machte. Seinen amtlichen Beruf als Oberbibliothekar der reich ausgestatteten Bibliothek erfüllte er mit ebensoviel Befähigung als ernster Pflichttreue. Befähigt war er dazu in hohem Grade, weil ihm neben seiner umfassenden philologischen Bildung überhaupt ein seltener Reichthum des Wissens, namentlich auf den Gebieten der Geschichte, Philosophie und schönen Litteratur, gefördert durch ein treffliches Gedächtniß, zu Gebote stand und weil er, von einseitiger Beschränkung frei, seine geistigen Interessen weit auszudehnen gewohnt war. Durch Ordnung und Repertorisirung der Bücher, durch erstmalige genaue eigenhändige Verzeichnung der vielen werthvollen Handschriften der Bibliothek erwarb er sich ein Verdienst um dieselbe, das man von dem genialen Manne wol kaum erwartet hatte. Dabei war er aus innerstem Grunde gerecht, human und theilnehmend gegen seine Untergebenen und lenksam seinen Vorgesetzten gegenüber. Nur als man die genaue Einhaltung von Bureaustunden von ihm verlangte, sträubte er sich in der ernstesten Weise dagegen, und im Hinblick auf seinen sonstigen Werth und seine Eigenthümlichkeit ließ man ihn gewähren.“ Die schriftstellerischen Arbeiten Preller’s hatten sich seit seiner Ansiedelung in Jena auf dem Gebiete der griechischen Litteraturgeschichte, der Topographie von Griechenland und Rom und insbesondere der griechischen und römischen Mythologie bewegt. Den weiten Umfang seiner Specialstudien, deren Ergebnisse er in sehr zahlreichen Aufsätzen, den verschiedensten Fachzeitschriften und hauptsächlich in Ersch u. Gruber’s Allg. Encyklopädie der Wissenschaften, sowie in Pauly’s Realencyklopädie des klassischen Alterthums niederlegte, bezeugt das Verzeichniß von R. Köhler hinter Preller’s ausgewählten Aufsätzen. Erst nach solcher sorgsamster Orientirung in allen Winkeln des unabsehbaren Feldes ging P. an die Abfassung seines systematischen Hauptwerkes: „Griechische Mythologie“, welche bei Weidmann in Berlin 1854 in zwei Bänden und 1860 in zweiter vermehrter Auflage erschien. Mit dieser weisen Zurückhaltung erfüllte er das Wort, welches er 1837 in der Vorrede zu Demeter und Persephone, S. XIX, geschrieben hatte: „Monographien möchten auf keinem anderen Gebiete der Alterthumskunde gleich nothwendig sein als auf diesem; wer die Bearbeitung der ganzen griechischen Mythologie für möglich hält, der sehe sich vor, daß er der Sache nicht mehr schade als nütze; sollte es dahin gekommen sein, daß eine solche rathsam wird, dann möge sie mit gleichem Geiste ausgeführt werden, wie neuerdings J. Grimm über die deutsche Mythologie, Hartung über die Religion der Römer geschrieben hat.“ Jetzt durfte er mit gleicher Berechtigung in der Vorrede des Buches sagen: „Eben diese Aufgabe, das Ganze der Mythologie zu durchforschen und zu gestalten, hat mich mehr als ich selbst vermuthen konnte über vieles Einzelne aufgeklärt und mir oft überraschend neue Gesichtspunkte aufgeschlossen.“ Ueber seine Grundauffassung vom Wesen der Mythen überhaupt hat er sich auf den ersten Seiten der Einleitung des Buches klar und einfach ausgesprochen, woraus wir nur einen Hauptsatz hervorheben. „Der ältesten Zeit entsprechen jene grandiosen Bilder einer einfachen, aber seelenvollen Naturanschauung, wie man ihnen besonders unter den Göttermythen begegnet. Die elementaren Kräfte und Vorgänge der Natur, Sonnenschein, Regen, der Blitz, das Fließen der Ströme, [565] das Wachsen und Reifen der Vegetation, werden dabei als ebenso viele Handlungen und wechselnde Zustände beseelter Wesen vorgestellt und in bildlichen Erzählungen ausgedrückt, welche noch zwischen Allegorie und Mythus schwanken, so daß sie oft den Eindruck von dichterisch ausgeführten Hieroglyphen machen.“ Allein bei dieser von Heyne begründeten Deutungsweise bleibt P. nicht stehen, sondern läßt die nach dem Charakter des Naturvorganges in verschiedenartiger Gestalt vermenschlichten Götter dann in einem weiteren Stadium zu ethischen Wesen sich ausbilden, als Leiter und Fürsorger des menschlichen Lebens nach einzelnen Richtungen und Gebieten auftreten und zieht zur Erklärung dieser Umbildung die treffende Analogie mit der Sprache, wo der elementare Wortstamm von der ursprünglichen sinnlichen Bedeutung durch eine fortlaufende Reihe von Uebertragungen zum Ausdruck immer weiter entlegener und abstracter Vorstellungen benutzt und umgedeutet wird. Mit Recht betont er das beständige Wechselspiel von Idee und Form, wodurch der griechische Mythus jene schillernde Farbe enthält, die mit dem begierigen Erforscher ein neckisches Spiel treibt und durch ihre proteusartige Wandelbarkeit der platten einseitigen Deutelei beharrlich widersteht. „Eben deshalb ist nichts verkehrter als in der Mythologie überall nur einen und denselben Inhalt zu suchen, sei es ein physischer oder ein ethischer oder ein historischer.“ Die Aufgabe der Darstellung eines so schwer zu fassenden Stoffes wurde noch dadurch erhöht, daß die Sammlung von Handbüchern der Alterthumswissenschaft, in welcher Preller’s Werk erschien, „für den weiteren Kreis der Gebildeten“ dienen sollte; allein auch diese Schwierigkeit besiegte P. durch die ihm eigene Frische des leicht dahin fließenden Stils und geschmackvolle Form. Die Anerkennung solcher Leistung blieb nicht aus: „sie sprach sich in der ihm von den Akademien und gelehrten Gesellschaften zu Berlin, München, Leipzig, Göttingen und Erfurt, zu Petersburg und Rom verliehenen Mitgliedschaft aus.“ – Das arbeitsvolle Leben Preller’s blieb aber auch nicht von schwerer Schickung verschont, die ihn infolge der Erblindung und des langjährigen Leidens seiner Frau heimsuchte. Eine berechtigte Erholung und Erheiterung suchte und fand er in geselligen Unterhaltungen und Spaziergängen, in kleinen Besuchsausflügen und größeren Reisen. Er war häufig Theilnehmer der jährlichen Philologenversammlungen. Im März 1848 trieb es ihn, in Frankfurt a. M. das Vorparlament tagen zu sehen, obwol er kein Politiker war noch sein wollte; bald „kam er sich aber in dem Treiben etwas sehr unnütz vor“ und kehrte niedergeschlagen nach Hause zurück. Er besuchte später die Schweiz, Frankreich und Paris. Sehr genußreich aber und gerade für seine Studien wissenschaftlich fördernd war die Reise, welche er von März bis Juli 1852 in Gemeinschaft mit Göttling und Hettner nach Griechenland unternahm, auf welcher er die Hauptorte des Peloponnes und des mittleren Griechenlands in Augenschein nahm und über Constantinopel die Donau aufwärts in die Heimath zurückkam. Er selbst gab von den gewonnenen Eindrücken einen frischen Bericht auf der Göttinger Philologenversammlung 1852 und sagt im Vorworte zur griechischen Mythologie, daß diese Reise ihn über so manches die Natur und die allgemeinen geschichtlichen Bedingungen des Landes Betreffende belehrte, „was sich aus der Studirstube bei dem besten Willen nun einmal nicht ergründen läßt“. Der griechischen folgte die Bearbeitung der römischen Mythologie schon 1858, eine „weniger günstige Aufgabe“ von P. selbst genannt, welche er dennoch so gewandt löste, daß sein Werk als grundlegend angesehen wird und seit 1883 in dritter Auflage, allerdings im Einzelnen ziemlich erweitert, aber unverändert im Aufbau von H. Jordan vorliegt. Unausgesetzt wurden diese größeren Arbeiten von einschlägigen kleineren Abhandlungen und Receusionen begleitet. Daneben hatte P. angefangen, die Geschichte des ernestinischen Hauses zu verfolgen und gab mit [566] Neudecker Georg Spalatin’s historischen Nachlaß und Briefe (Bd. I, 1851) heraus; seine Vorträge bei Hofe führten ihn ja naturgemäß in diesen Kreis. Aber auch seiner hohen Gönnerin der Großherzogin Maria Paulowna sollte er noch selber das Denkmal setzen, als sie plötzlich starb. Er widmete ihrem Andenken unter dem Titel: „Ein fürstliches Leben“ (1859) aus warmem Herzen einen Nachruf, der von dem Edelsinne und der seltenen menschlichen Größe dieser hochgebildeten Fürstin ein schönes und beredtes Zeugniß ablegt. Im nächsten Sommer besuchte er seine Vaterstadt Hamburg und die Insel Helgoland; er hatte soeben die zweite Auflage der griechischen Mythologie abgeschlossen und schien sehr rüstig für neue Studien. Allein schon in Jahresfrist raffte ihn plötzlich ein bösartiger Ruhranfall am 21. Juni 1861 dahin. Er wurde auf seinen Wunsch in Jena an der Seite seines ersten Sohnes bestattet. Daß in diesem Grabe das Leben eines gediegenen Gelehrten und höchst ehrenwerthen Mannes seinen vorzeitigen Abschluß gefunden hatte, bezeugte die aufrichtige Trauer Aller, die dem Verstorbenen näher standen. Ueber das innerste Wesen des Mannes jedoch, der meist heiter, froh und offen erschien, dann auch wieder zeitweise mit einem Zuge tiefer Melancholie behaftet war, welcher er nicht Herr zu werden vermochte, lag auch selbst für die nächsten Freunde ein Schleier gebreitet. Ob jene periodische düstre Stimmung in einem organischen Leiden ihren Grund hatte, ist nicht zu sagen. Stichling, in den letzten Jahren sein intimer Freund, ist geneigt, sie auf religiöse Scrupel zurückzuführen. Das Schicksal der Erblindung seiner Gattin lag schwer auf ihm. Uebrigens gehörte P. in den letzten Lebensjahren dem Freimaurerbunde an, dessen Angehörigkeit er, wie aus den Umständen hervorgeht, aus innerem Triebe erstrebte.

G. Th. Stichling, L. P., eine Gedächtnißrede in der Freimaurerloge Amalia zu Weimar gehalten. Weimar 1863. (Hieraus die obigen Citate mit Anführungszeichen). – Augsburger Allgem. Zeitung 1861, Nr. 178. – Aufzählung seiner Schriften bei R. Köhler hinter Preller, Ausgewählte Aufsätze aus der klassischen Alterthumswissenschaft, Berlin 1864.