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Artikel „Goettling, Karl Wilhelm“ von Conrad Bursian in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 487–489, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:G%C3%B6ttling,_Karl_Wilhelm&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 02:10 Uhr UTC)
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Band 9 (1879), S. 487–489 (Quelle).
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Goettling: Karl Wilhelm G., Philolog, geb. zu Jena am 19. Jan. 1793, gest. ebendaselbst am 20. Januar 1869. Auf dem Gymnasium zu Weimar, welches er, der Sohn des tüchtigen Chemikers Prof. Joh. Friedr. Aug. G. in Jena, durch Privatunterricht wohl vorbereitet im J. 1808 bezog, wurde er besonders durch Franz Passow und Johannes Schulze zu lebhaftem Interesse und tieferem Verständniß sowol für die antike als für die deutsche classische Litteratur angeregt. Welch’ tüchtigen Fond auch von speciell philologischen Kenntnissen er aus der Schule dieser Männer auf die Universität Jena, welcher er von 1811 an drei Jahre lang als Student angehörte, mitgebracht hatte, bewies er durch eine schon im J. 1811 von ihm im Namen der dortigen lateinischen Gesellschaft dem Minister Christian Gottlob von Voigt gewidmete kleine Schrift: „Animadversiones criticae in Callimachi epigrammata et Achillem Tatium“. Nachdem er 1814 als Freiwilliger mit den reitenden Jägern der sächsischen Herzogthümer in den Kampf gegen Frankreich gezogen war und bei seiner Heimkehr in Jena das Diplom als Doctor philosophiae honoris causa erhalten hatte, begab er sich nach Berlin, wo er unter F. A. Wolf’s und A. Boeckh’s Leitung, in engem persönlichen Verkehr mit F. Passow und L. Doederlein, seine philologischen Studien fortsetzte. Zugleich mit Passow nahm er auch Antheil an einer aus 7 Mitgliedern (neben P. und G. noch Jahn, Zeune, Friedr. [488] Lange, Giesebrecht und Walch) bestehenden Gesellschaft, die sich wöchentlich einmal zur Lectüre des Nibelungenliedes und zu gegenseitiger Mittheilung und Prüfung ihrer wissenschaftlichen Ansichten über dasselbe versammelte. Wie ernstlich diese germanistischen Studien G. damals beschäftigten, zeigen seine beiden kleinen Schriften „Ueber das Geschichtliche im Nibelungenliede“ (Rudolstadt 1814) und „Nibelungen und Ghibellinen“ (ebdas. 1817). Nach Vollendung seiner Studien übernahm G. im Frühjahr 1816 eine Lehrstelle als Professor am Gymnasium zu Rudolstadt, welche er Ostern 1819 mit der Directorstelle an dem neubegründeten oder richtiger neu zu begründenden – denn G. fand, als er am 17. April 1819 in Neuwied ankam, nichts als das zum Gymnasium bestimmte Haus vor – Gymnasium[1] zu Neuwied vertauschte. Die Schwierigkeiten, mit welchen die junge Anstalt zu kämpfen hatte, bewogen ihn im Februar 1821 seine Entlassung aus dieser Stellung zu erbitten, die er im August 1821 erhielt. Er ging zunächst nach Paris, um auf der dortigen Bibliothek Materialien für spätere wissenschaftliche Arbeiten zu sammeln, und kehrte dann in seine Vaterstadt zurück, wo er, nachdem er den Plan, sich als Privatdocent für Philologie an der Universität Heidelberg zu habilitiren, auf den Rath seines väterlichen Freundes Paulus aufgegeben hatte, im J. 1822 zum außerordentlichen Professor bei der philosophischen Facultät ernannt wurde. Seinem lieben Jena ist G. seitdem, trotz vielfacher verlockender Berufungen nach auswärts – 1824 und 1826 nach Berlin, 1831 als Rector nach Schulpforta, 1841 nach Göttingen als Nachfolger O. Müller’s, 1848 nach Tübingen –, trotz des nur langsamen Vorrückens zu einer ehrenvolleren und besser dotirten Stellung – er wurde 1826 zum Director des philologischen Seminars und zum Universitätsbibliothekar, 1829 zum Honorarprofessor, 1831 zum ordentlichen Professor ernannt und erhielt 1842 von der weimarischen Regierung den Titel „Geheimer Hofrath“ – bis an seinen Tod treu geblieben; die dortige Universität, die, wie sie mehr und mehr den Mittelpunkt aller Interessen Goettling’s bildete, allmählich in ihm ihre schönste Zierde, ja ihr geistiges Haupt zu sehen sich gewöhnte, verdankt ihm nicht nur einen neuen Aufschwung der philologischen Studien, sondern auch die Stiftung eines archäologischen Museums (1845), für dessen Begründung und Erweiterung er theils durch wissenschaftliche Vorträge, die er in Verbindung mit Collegen im Rosensaale in Jena hielt, theils durch seinen persönlichen Einfluß bei fürstlichen Gönnern verhältnißmäßig reiche Mittel beschaffte: das von ihm verfaßte Verzeichniß der Gegenstände dieser Sammlung (Abgüsse von antiken Bildwerken und kleine Originalwerke) erschien zuletzt in dritter Auflage (deren Vergleichung mit der 1846 veröffentlichten ersten Auflage ein anschauliches Bild von dem raschen Wachsthum der Sammlung gibt) im J. 1854. Seine Lehrthätigkeit, welche nur durch mehrere zu wissenschaftlichen Zwecken unternommene Reisen unterbrochen wurde – er durchreiste 1828 Italien und Sicilien, 1840 Griechenland, besuchte 1846 Paris und London, endlich 1852 nochmals Griechenland und Konstantinopel – umfaßte alle wichtigeren Zweige der classischen Alterthumswissenschaft: er las wiederholt über griechische und lateinische Grammatik, griechische und römische Alterthümer, griechische und römische Litteraturgeschichte, Mythologie, Archäologie, Aeschylos, Sophokles, Aristophanes, Thukydides, Aristoteles’ Politik und Cicero’s catilinarische Reden, vereinzelt auch über griechische und römische Geschichte, Homer, Hesiod, Livius und Cicero de natura deorum; seit dem J. 1852, wo ihm Karl Nipperdey als College zur Seite trat, beschränkte er sich in seinen Vorlesungen im Wesentlichen auf die das griechische Alterthum betreffenden Disciplinen (mit Einschluß der Archäologie und Mythologie) und die Erklärung griechischer Schriftsteller; nur im philologischen Seminar ließ er abwechselnd mit Nipperdey auch lateinische Autoren (am häufigsten [489] Horatius) interpretiren. Wie er in persönlichem Verkehr durch die Einfachheit und Wahrhaftigkeit seines ganzen Wesens, durch sprudelnden Humor und Innigkeit der Empfindung auf alle, die ihm näher traten, einen anziehenden und fesselnden Eindruck hervorbrachte, so wirkte er auch durch seine Vorträge, in welchen sich umfassendes Wissen, klare Anschauung und lebendige Auffassung des Alterthums ausprägten, in hohem Grade anregend und unmittelbar erfrischend auf die Zuhörer. Dieselbe Mannigfaltigkeit der wissenschaftlichen Interessen, derselbe Reichthum an Kenntnissen auf verschiedenen Gebieten wie in der akademischen ist auch in der schriftstellerischen Thätigkeit Goettling’s ausgeprägt. Das anschaulichste Bild davon gewinnt man, wenn man die beiden Bände seiner „Gesammelten Abhandlungen aus dem classischen Alterthum“ (Bd. I, Halle 1851, Bd. II, München 1863) nebst der noch von ihm selbst in seinen letzten Lebenstagen veranstalteten, aber erst nach seinem Tode im Druck erschienenen Sammlung seiner „Opuscula academica“ (Leipzig 1869) durchmustert. Antike Geographie und Topographie, Geschichte und Staatsleben der Griechen, Grammatik, Kritik und Hermeneutik, Litteratur, Philosophie, Epigraphik und Kunst der Alten sind durch die in diesen Sammlungen vereinigten, durchgängig frisch und geistvoll geschriebenen, wenn auch selten ihren Gegenstand erschöpfenden und abschließenden Aufsätze vertreten. Von Goettling’s größeren selbständig erschienenen Schriften gehören dem Gebiete der griechischen Grammatik an die zunächst für Schulen bestimmte Schrift: „Lehre vom Accent der griechischen Sprache“ (Rudolstadt 1818, 3. Aufl. 1825), die er dann zu einem größeren Werke unter dem Titel: „Allgemeine Lehre vom Accent der griechischen Sprache“ (Jena 1835) umgestaltet hat, und die Ausgabe der Grammatik des Theodosius (Leipzig 1822); dem Gebiet der römischen Alterthümer die „Geschichte der römischen Staatsverfassung von Erbauung der Stadt bis zu Cäsar’s Tod“ (Halle 1840) nebst den „Fünfzehn römischen Urkunden auf Erz und Stein“ (Halle 1845); in weiterem Sinne auch die ihrer Zeit mit dem lebhaftesten Interesse in den weitesten Kreisen begrüßte Schrift „Thusnelda Arminius’ Gemahlin und ihr Sohn Thumelicus in gleichzeitigen Bildnissen nachgewiesen“ (Jena 1843, wieder abgedruckt in Bd. I der „Gesammelten Abhandlungen“; neue mit Zusätzen und einem Wort über den „Fechter von Ravenna“ versehene Ausgabe, Jena 1856). Von classischen Schriftstellern hat G. herausgegeben die Gedichte des Hesiodus (Gotha und Erfurt 1831, 2. Ausg. 1843; von Joh. Flach umgestaltete Ausgabe Leipz. 1878) und des Aristoteles Politik (Jena 1824) und Oekonomik (ebdas. 1830); zahlreiche Beiträge zur Kritik und Erklärung verschiedener Schriftsteller, besonders des Sophokles, Aristophanes, Kallimachos und Horatius, enthalten die nur zum Theil in den Opuscula academica wieder abgedruckten Programme, welche er im Auftrage der Universität Jena verfaßt hat.

C. Nipperdeii Memoria Caroli Goettlingii, Jena 1869. Kuno Fischer, Vorwort zu C. W. Goettlingii Opuscula academica. G. Lothholz, C. W. Goettling, I. Abth. im Programm des Gymnasiums zu Stargard in Pommern, 1876.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Gyymnasium