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Artikel „Döderlein, Ludwig von“ von Conrad Bursian in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 281–282, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:D%C3%B6derlein,_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 12:16 Uhr UTC)
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Döderlein: Ludwig D., Philolog und Pädagog, geb. 19. Dec. 1791 in Jena, gestorben in Erlangen 9. Nov. 1863. Nachdem er schon am 2. Dec. 1792 seinen Vater, den Professor der Theologie und Kirchenrath Johann Christoph D. (s. o.), verloren hatte, fand er in Friedrich Immanuel Niethammer, mit welchem sich seine Mutter einige Jahre darauf wieder vermählte, einen zweiten Vater. Als dieser 1804 einem Rufe als Professor an die Universität Würzburg folgte, wurde D. auf das Gymnasium zu Windsheim geschickt, das er 1807 mit der Landesschule Pforta vertauschte; von hier kam er 1810 nach München, wo sein Stiefvater damals als Central-Schul- und Studienrath wirkte, und begann hier unter der Leitung des kurz vorher an das Gymnasium berufenen Friedr. Thiersch seine philologischen Studien, die er 1811–13 in Heidelberg unter Creuzer und Voß, 1813–14 in Erlangen (wo er im Frühjahr 1814 mit einer kritischen Arbeit über Sophokles, dem „Specimen novae editionis tragoediarum Sophoclearum“ promovirte), endlich in Berlin unter Wolf, Buttmann und Böckh fortsetzte. Noch während seines Berliner Aufenthaltes erhielt er 1815 einen Ruf als Professor der Philologie an die Akademie zu Bern, dem er Folge leistete. Nachdem er hier vier Jahre als Lehrer gewirkt, auch einige schriftstellerische Arbeiten (Uebersetzung des Agricola des Tacitus nebst Rechtfertigungen, Aarau 1817, und in Verbindung mit dem Züricher Professor Joh. Heinr. Bremi „Beiträge zur Philologie aus der Schweiz“, Zürich 1819) veröffentlicht hatte, wurde ihm 1819 die zweite ordentliche philologische Professur an der Universität Erlangen und das Rectorat des Gymnasiums daselbst übertragen; das letztere Amt, das er selbst als seinen Hauptlebensberuf betrachtete, behielt er auch nach seiner Ernennung zum Professor der Beredsamkeit und Director des philologischen Seminars (1827) bei und legte es erst nach 43jähriger Thätigkeit am 8. Nov. 1862 nieder; als akademischer Lehrer war er bis fast an sein Lebensende thätig. Der Schwerpunkt von Döderlein’s Wirksamkeit liegt auf dem Gebiete der Gymnasialpädagogik: als Gymnasial-Rector und Lehrer hat er durch den Zauber seiner ganzen Persönlichkeit, durch die Macht seiner Rede auf seine Schüler wie auf seine Collegen eine bedeutende und nachhaltige Wirkung ausgeübt, und auch von seinen im Druck erschienenen Arbeiten lassen die im wesentlichen auf diesem Gebiete sich bewegenden „Reden und Aufsätze“ (erste Sammlung Erlangen 1843; zweite Sammlung ebdas. 1847) sowie die „Oeffentlichen Reden“ (Frankfurt a. M. und Erlangen 1860) den reinsten und befriedigendsten Eindruck zurück. Auch als akademischer Lehrer hat er namentlich durch den persönlichen Verkehr mit den Studirenden vielfach anregend gewirkt; doch vermißte man an seinen Vorlesungen strenge Methode, gleichmäßige Durchdringung und systematische Anordnung des Stoffes. Eben dieser Mangel an strenger wissenschaftlicher Methode, die in seinem ganzen Wesen begründete Neigung, geistreichen Einfällen nachzugehen, die nicht selten den Charakter des Absonderlichen, ja Bizarren annehmen, ist auch der Grund, daß seine philologischen Arbeiten trotz des Scharfsinnes und der reichen Gelehrsamkeit, die fast überall [282] darin zu Tage treten, kaum auf eine bleibende Bedeutung Anspruch machen können. Mit besonderer Vorliebe bearbeitete er die Gebiete der Synonymik und der Etymologie, namentlich war die letztere, trotz der Nichtanerkennung von Seiten der Fachgenossen, über welche er in einem Sendschreiben an Jakob Grimm (Reden und Aufsätze, 1. Sammlung, S. 355 ff.) mit dem ihm eigenen Humor sich beklagt, recht eigentlich sein Steckenpferd. Seine umfänglichsten Werke gehören diesem Gebiete an; so die „Lateinischen Synonymen und Etymologien“ (6 Bde., Leipzig 1826–38), die „Lateinische Wortbildung“ (ebdas. 1838), das „Handbuch der lateinischen Synonymik“ (ebdas. 1839, 2. Aufl. 1849) und das „Handbuch der lateinischen Etymologie“ (ebdas. 1841); wesentlich auf gleichem Gebiete bewegt sich sein „Homerisches Glossarium“ (3 Bde., Erlangen 1850 bis 1858). Von griechischen Schriftstellern haben D. besonders Homer und Sophokles von lateinischen Horaz und Tacitus beschäftigt: hier sind außer zahlreichen Beiträgen zur Kritik und Erklärung einzelner Stellen dieser und anderer Schriftsteller (wie Theokrit und Thukydides), die größtentheils in den Sammlungen seiner Reden und Aufsätze wieder abgedruckt sind, zu erwähnen die Ausgaben des Oedipus auf Kolonos des Sophokles (c. not. var. Lips. 1825) und der homerischen Ilias (2 Theile, Lips. et Londin. 1863–64), die Gesammtausgabe der Werke des Tacitus (2 Bde., Halle 1841 und 1847), die Ausgabe der Germania desselben Schriftstellers mit deutscher Uebersetzung (Erlangen 1850), endlich die Ausgaben der Episteln (Leipzig 1856–58) und der Satiren des Horatius (ebdas. 1860) mit metrischer deutscher Uebersetzung und Erläuterungen (die deutsche Uebersetzung allein in zweiter Auflage, ebdas. 1862). Diese metrischen Uebersetzungen wie auch einige in seinen Reden und Aufsätzen veröffentlichten Uebersetzungsproben gehören zu dem Trefflichsten, was auf dem Gebiete der Uebersetzungskunst geleistet worden ist.

Vgl. Jahrbücher für Philologie und Pädagogik Bd. 90 (1864) S. 320 ff.