Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Pettrich, Franz Johann Nepomuk“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 541–544, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pettrich,_Franz_Johann&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 09:05 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Petter, Anton
Band 25 (1887), S. 541–544 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Franz Pettrich in der Wikipedia
Franz Pettrich in Wikidata
GND-Nummer 118740563
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|25|541|544|Pettrich, Franz Johann Nepomuk|Rudolf Müller|ADB:Pettrich, Franz Johann}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118740563}}    

Pettrich: Franz Johann Nepomuk P. (auch Petrich), Bildhauer, geb. am 29. August 1770 (laut Matrikel) zu Trebnitz in Böhmen (Leitmeritzer Kreis), † zu Dresden am 23. Januar 1844, war der Sohn eines ehrbaren und wegen seiner fachlichen Tüchtigkeit viel beschäftigten Tischlers, der es zugleich verstand sich im „Jungen“ einen brauchbaren Gehilfen für die erforderlichen Schnitzarbeiten heranzubilden. Mit dieser Lehrzeit ist außerdem eine Tradition verknüpft, welche darauf hinweist, daß sich bei P. schon frühe der ureigne Trieb für bildnerische Gestaltung äußerte. Gehalten, die zum Hausstande gehörigen Kühe und Ziegen beim Grafen zu überwachen, vertrieb er sich dabei am liebsten die Zeit, seine Schützlinge auf mitgenommenen Brettchen zu porträtiren. Diese vielseitig bemerkte Talentäußerung führte endlich auch dazu, daß der Vater von seiner Vorherbestimmung abließ und den Sohn einem Leitmeritzer Steinmetz Namens Wiküp in die Lehre gab, wo dieser bis ins 17. Jahr verblieb, um hiernach als „freigesprochener Geselle“ behuf weiterer Ausbildung die Wanderzeit antreten zu können. Sein Weg führte ihn zunächst nach Prag, dort zu einem zwar untergeordneten Bildhauer Namens Molinsky, der jedoch rechtschaffen genug war, dem begabten und strebsamen Jünglinge behilflich zu sein für den Uebertritt an eine angemessenere Bildungsstätte. P. wanderte in Folge davon 1789 nach Dresden, suchte hier Aufnahme in der Akademie, vervollkommnete sich unter Casanova im Zeichnen und Modelliren, gewann namentlich durch seine Fertigkeit in letzterem die Zuneigung des Hofbildhauers Dorsch, der ihn bereitwillig [542] in seine Werkstätte aufnahm und bei seinen eben im Zuge befindlichen Ausführungen für den Zwingerbau mitbeschäftigte. – Die hierbei an den Tag gelegte Leistungsfähigkeit wirkte denn auch entscheidend für die nächste Zukunft Pettrich’s. Aufträge für selbstständig auszuführende Werke erfolgten, eine eigene Werkstätte konnte eingerichtet werden, und was er kaum noch ahnte, vollzog sich nach kurzer Wirksamkeit: König Friedrich August I. ernannte ihn 1795 zum Hofbildhauer. – Fast zu viel des Glücks! durfte er sagen, denn sein Planen war mittlerweile ein anderes. Nicht binden wollte er sich so frühe an die Scholle, sondern vorerst seine Reifeprüfung in Italien bestehen. – In aller Offenheit diese Absicht dem huldvollen Monarchen vortragend, und auf Verneinung gefaßt, überraschte ihn derselbe mit der vollen Zustimmung, überdies mit der vollen Zusicherung jeder erforderlichen Beihilfe. Vollkommen beruhigt vermochte also P. 1801 die Reise nach Italien anzutreten. – Bekannt wurde von dort, daß er sich dem gleichjährigen Thorwaldsen anschloß und vereint mit diesem unter Canovas Leitung Meisterschaft in der Behandlung des Marmors zu erlangen suchte. Inzwischen auch intim geworden mit Asmus Carstens, der jene neue Kunstrichtung, die ihre Ausläufer fand in Wächter, Schick, Koch, Overbeck, Cornelius etc. etc., anregte, hatte sich P. in das jener Zeit vom frischfröhlichsten künstlerischen Schaffen belebte Rom derart fest eingesponnen, daß ein Jahrzehnt darüber hinging, bevor er an die Rückkehr nach Dresden dachte. Die Gemahnung daran war freilich eine äußerst rauhe – von der Deutschland schwer heimsuchenden Kriegsfurie ausgehende. In die allgemeine Bewegung zur Vaterlandsvertheidigung mit einbezogen, bedurfte es dann auch für ihn zur Wiederaufnahme künstlerischer Thätigkeit des Pariser Friedensschlusses, nach welchem infolge der Neugestaltung der Kunstakademie, P. mit Decret vom 6. December 1815, an Stelle des † Dorsch, in die Professur für Bildhauerei einberufen wurde. Wirksam in dieser bis zu seinem Ableben, nützte er zugleich die ihm beschiedene, selten glückliche Lebensstellung mit dem Hervorbringen einer äußerst stattlichen Reihe von Werken aus. Bedauerlich, daß nirgends ein vollständiges Verzeichniß seiner Schaffensfrüchte vorfindlich. Erst durch Zufall wurde mir eine Anzahl anderweitig nicht verzeichneter bekannt. So in den deutschböhmischen Grenzstädten Rumburg und Schönlinde. Besonders vielfach beauftragte ihn letztere Stadt. Außer einem lebensgroßen Crucifixus mit anbetenden Engeln zu Seiten (in Metallguß) aus dem J. 1818, auf der Plattform der Kirchenstiege angebracht, enthält der alte, die Stadtkirche umgebende Friedhof noch sechs, durch künstlerischen Werth hervorragende Grabdenkmale. Das bedeutendste ist jenes der Frau Römisch, die ideale Gestalt der Verblichenen auf einem Sarkophag ruhend, hält mütterlicher Innigkeit das Abbild ihres – an dieser Stelle mitbegrabenen – Töchterleins umschlungen. Die übrigen vertheilen sich auf die Grabstätten der Marianne May, Apollonia Michel, Toni Rößler, der Handelsleute Zacharias Kögler und Adalbert Wünsche. – Die Stadtkirche zu Rumburg besitzt wieder ein interessantes, höchst originell componirtes Taufbecken. Dasselbe gelangte laut des Kirchen-Memoriale am Charsamstage des J. 1822 das erste Mal in Brauch, und ist damit auf seine Entstehungszeit hingewiesen, die übrigens noch durch ein vorliegendes Dresdener „Artistisches Notizenblatt“ Nr. 20, vom 31. October 1822 (Herausgegeben: C. A. Böttiger) erhärtet wird. Der Genannte verbreitet sich im Hauptartikel: „Prof. Pettrichs Taufstein“ vornehmlich über die Conception desselben, und sagt u. A. „Nicht die Dreifußgestalt als Gestelle des Taufbeckens ist es, welche als sinn- und bedeutungsvoll in dieser Form gelobt zu werden verdient … das Geistreiche ist die beziehungsvolle Anwendung des uralten Orakeldrachen auf das christliche Dogma der Erbsünde, welcher die Weihe des Kindes durch das Sacrament der Taufe entgegentritt“. In Anwendung gebracht ist [543] nämlich die am Mittelstück zwischen dem Dreifuß sich nach abwärts ringelnde Paradiesesschlange, gekennzeichnet durch den im Rachen gehaltenen Apfel. Den Abschluß der Füße nach Oben bilden anstatt der antiken Bukranien, geflügelte Engelsköpfchen mit dem Kreuzeszeichen an der Büste – entsprechend dem am Beckenkreise angebrachten Texte: „Im Namen des Vaters, des Sohnes etc.“ Der ursprünglich mit Akanthus gezierte Deckel erfuhr später eine Aenderung durch einen Aufsatz mit der trefflich in Holz geschnitzten und vergoldeten Darstellung der Taufe Christi. Dreifuß und Becken sind bronzirt. – Dresden selbst besitzt am Neustädter Begräbnißplatze das schöne Monument des Generals Christiani; am katholischen Friedhofe die Denkmale für den Kriegsminister Zinzendorf und für den Akademiedirector Casanova. Von seiner Hand ist ferner das als kolossales Relief ausgeführte, wettrennende Zweigespann an der neuen Dresdener Reitschule. Bekannte und gewürdigte Werke von ihm sind noch „Die von der Gottheit geschützte Gerechtigkeit“; „Theseus findet Schwert und Schuhe seines Vaters“; „Der Selbstmord des Pyramos und der Thisbe“. Ein Christus am Kreuze von besonders schöner Ausführung in der Friedhofskapelle zu Trebnitz. Besonderes Aufsehen durch Naturwahrheit erregte die naturgroße Statue „Eine Fischerin“ benannt; durch geniale Conception wieder das Hochrelief „Um einen Candelaber tanzende Kinder“. – Bedeutend war auch sein, jetzt in verschiedene Sammlungen zerstreuter Nachlaß an Modellen aller Formen sowie an Zeichnungen. – Von P. sind, wie mir jüngst mitgetheilt wurde, auch die Entwürfe für den Hauptaltar in Schönlinde, und für drei Altäre und die Kanzel in Hainsbach, (Leitmeritzer Bezirk). Zugleich liegt eine Angabe vor von mehreren für Schlesien ausgeführten Grabdenkmalen. – Die in und nach Italien geschaffenen Werke Pettrich’s erweisen durchweg jene Wesensläuterung, die fast an allen Künstlern wahrnehmbar wird, welche in Verband traten zu den Leitern der neuromantischen Bewegung, die während der ersten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts – eben von Rom aus – über München nach Deutschland ihren Zug nahm. Für Dresden war P. als Plastiker jedenfalls der erste und würdigste Repräsentant dieser den Mengs’schen Eklekticismus aus dem Felde schlagenden Kunstreform. Hervorragende Schüler von ihm waren sein Sohn Ferdinand, und Christian Gottlieb Kühn. P., in erster Ehe vermählt mit Karoline Dittrich aus Bautzen, in zweiter mit Juliane Gottschall aus Dresden, besaß von ersterer zwei Töchter und einen Sohn; von der anderen eine Tochter. Die älteste Tochter wurde Gemahlin des 1843 † Dresdener Bildhauers Christoph Neuhäuser. Von Vogel von Vogelstein existirt ein Bildniß Pettrich’s aus dem J. 1813.

Meusels Künstlerlex. – Nagler, neues allg. Künstlerlex. – Müller-Klunzinger, Künstlerlex. – Dlabacz, Allg. hist. K. Lex. – Eigene Forschungen.

Ferdinand P., Bildhauer, Sohn des Vorigen, geb. zu Dresden 1798, † zu Rom 1872, ging aus der Vorschule des Vaters, und nach Absolvirung des Lyceums, 1816 an die Kunstakademie über, von wo er unter besonderer Begünstigung, 1819, in die Gefolgschaft des Königs Anton von Sachsen für dessen Reise nach Italien aufgenommen wurde. Des Weiteren, bis 1835 in Rom Schüler Thorwaldsens, folgte er noch in diesem Jahre einem Rufe nach Washington behufs einer dort neuzuerrichtenden Kunstschule. Sein erfolgreiches Wirken, wie sein allgemeine Bewunderung findendes, künstlerisches Schaffen erregten indes den Neid und die Rachsucht der einheimischen Bildhauer, die schließlich nichts Geringeres wie seine gewaltsame Beseitigung planten. Rechtzeitig davon unterrichtet, entfloh P. nach Brasilien, wo sich ihm unerwartet ein neues Feld für fruchtbare Thätigkeit erschloß. Denn er fand in Rio de Janeiro nicht allein die gastlichste Aufnahme, sondern zur Werthschätzung als Künstler auch die einer solchen entsprechenden Aufträge. Besten Beweis, mit welchem [544] Behagen er jetzt zugleich Nebenziele verfolgen konnte, geben die zu einer Sammlung angewachsenen Nachbildungen indianischen Charakterköpfe, die ihn denn auch, als er sich seiner gefährdeten Gesundheit wegen, 1865, zur Rückkehr nach Rom bemüßigt fühlte, für den Rest seines Lebens sorglos stellte, und zwar dadurch, daß die Sammlung gegen eine Leibrente von der päpstlichen Regierung erworben wurde. Von den anderen überseeischen Werken Pettrich’s ist keine nähere Kunde zu uns gelangt, bekannt sind blos mehrere, während des ersten Aufenthalts in Rom ausgeführte Gebilde, so das „Mädchen mit der Angelruthe“, die beiden Reliefs „Tag“ und „Nacht“, (1823): „Belisar“, „Christus“, „Todesengel“ (1828). – In die nächste Folgezeit datirt seine Mitarbeit an dem, rings die ganze Wand umziehenden Marmorfries in der Walhalla (bei Regensburg), nach den Entwürfen von Mart. Wagner. – Ein besonders interessantes Werk des Künstlers, datirt Rom 1826, besitzt die Stadtkirche in Schönlinde als Epitaphium des verstorbenen Stadtdechants Jos. Ludw. Hübner – in Gestalt des auf dem Kreuze schlummernden Jesukindes, wunderschön ausgeführt in carrarischem Marmor. – Die Werke Pettrich’s kennzeichnet überhaupt Anmuth der Form und edler, von Naturwahrheit durchdrungener Stil.

Müller-Klunzinger, N. K. Lex. – Meyer, Conv.-Lex. – Eigene Forschungen.