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Artikel „Makart, Hans“ von Friedrich Pollak in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 158–164, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Makart,_Hans&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:27 Uhr UTC)
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Makart: Hans M., geboren am 28. Mai 1840 in Salzburg, † am 3. October 1884 in Wien, ist 1858 in Wien Ruben-Schüler an der Akademie der bildenden Künste, die er aber freiwillig verläßt. 1861 geht er durch Vermittlung des Malers Schiffmann nach München zu Piloty, 1863 zu den Weltausstellungen nach London und Paris, 1866, 1868, 1869 nach Italien, 1876 bis 1877 nach Aegypten, 1878 nach Antwerpen und Spanien, wird 1879 durch den Kaiser Franz Joseph I. nach Wien berufen, erhält die Ehrenprofessur, gleich darauf die ordentliche Professur. War Ehrenmitglied der Akademien in Berlin, München, Wien, erhält 1867 und 1882 die goldene Medaille in Wien, die Mention in Paris, 1878 das Kreuz, 1888 das Officierskreuz der Ehrenlegion. Die Nachrufe, daß M. irrsinnig geworden, sind völlig unwahr und übertrieben (ein kleines Nervenfieber hatte bei ihm selbst den Wunsch angeregt, auf kurze Zeit eine Anstalt aufzusuchen, doch kam es nie hierzu und er arbeitete bis 4 Tage vor seinem Tode); er ist am 3. October 1884 einem Schlagflusse erlegen. Ganz Wien, Hof, Behörden – das Volk haben ihm das letzte Geleit gegeben, wie es vor ihm und auch bis zum heutigen Tage noch keiner nicht-fürstlichen Persönlichkeit zu Theil geworden.

1867 – im Jahre, da Cornelius starb – machte Makart’s „Pest in Florenz“ ihren Triumphzug durch die Welt. Jahrzehnte lang hatte der kluge Kunstgreis mit seinen hohen Gedankenspinnereien das Auge der Farbe entwöhnt; nicht um zu schauen sah man Bilder mehr; man stand vor Quadratmetern, Fleiß und Gedankentiefe bewundernd, um in ehrfurchtsvollem Schauer Räthsel zu lösen. Was Wunder, daß die Leute, die gewohnt waren, sich vor Kaulbach und Cornelius ein Viertelstündchen ehrbar zu langweilen, erschrocken vor der Sinnengluth Makart’s zurückbebten. Und das war kein Wunder! Wol hatte Piloty schon ein wenig abgelenkt, hatte schon Stiefel und Tapeten, Klingen und Faltenwürfe fein säuberlich auf die Leinwand gepinselt, so wie [159] wir es ja von der Meiningerei gewohnt waren, doch erhoben sich seine Bilder, für die er von dem sarkastischen Schwind den Titel „Malenkönner“ erhielt, niemals über das Niveau der Komödie – der Coulisse, und wenn eine decent gekleidete Thusnelda stolz an ihrem Bezwinger vorbeischreitet, so muß man unwillkürlich an den Kothurn denken. M. warf die den üppigen Leib deckenden Fetzen ab und ließ die asketisch erzogene Menge erbeben unter dem wollüstigen Schauer weißer Frauenleiber, wie er sie dachte. Und doch steckt in diesen zuckenden Kadavern, deren lüsterne Berührung die Hand ersehnt, mehr Moral als in den schemenhaften Wesen seiner Vorgänger, die es mit jener Dirne halten, deren Moral in Mangel ihrer Reize, in ihrer Impotenz, Lust zu erregen, besteht.

Vielleicht war es kein Zufall, daß sich gerade in Salzburg, der Stadt, die nach A. v. Humboldt eine der drei schönsten Städte der Welt ist, der Stadt, wo Mozart’s Wiege stand, dieses immense Malgenie gebildet hat. Des österreichischen Volkes leichtbewegter Sinn, speciell Wien, die Stadt der Phäaken, mag unter dem Joch der Nazarener und der sentimentalen Anekdotenerzähler genug geseufzt haben. Zu den feurigen Straußwalzern paßte der feurige Rhythmus Makart’scher Gemälde besser als Danhauser’s Hogarthiaden und willig begrüßte die Heimath die tollen Fanfaren der Lebenslust, die ihr aus dieser Farbensymphonie entgegenklangen. Empire und Biedermeierstil fielen morsch in sich zusammen, und Makart’s Decorationstalent ward zum Katechismus des Geschmacks. – In der Gußhausstraße zu Wien stand oder steht – wie lange noch? – das Atelier, mehr Museum als Werkstatt. Zugleich mit den prachtliebenden Engländern Wilde und Watts ging ihm hier die farbige Blume der Renaissance auf. Brokate aus Genua neben Krystallen aus Venedig, indische Götzen aus weißem Elfenbein, persische Waffen mit Türkisen besät, in japanischen Vasen, deren mattes Gelb wie Bernstein schimmert, ragten tollrote Blumen und schwer hängende Früchte; die schillernde Klinge aus Toledo liegt auf goldgestickter Matte, eine verblaßte Madonna lehnt am Schrank, der zu Lionardo’s Zeiten vielleicht Meßgewänder und Reliquien beherbergt. Auf schwellendem Teppich streckt sich der langhaarige Hund aus Arabiens Wüste. Vom hohen Piedestale klingen die mächtigen Accorde, die Wagner eben geschaffen – und inmitten dieser Herrlichkeiten steht ein kleiner, ganz kleiner Mann in Reiterstiefeln und spanischem Wams, das kluge Gesicht von schwarzfunkelndem Barte umrahmt, vor einer Riesenleinwemd und malt mit einer Hast, als wüßte er, welch kurze Spanne Lebens ihm gegönnt.

Ich kenne Zeichnungen von Michelangelo, die, mehr gerissen als gezeichnet, Documente sind jener fieberhaften Angst, mit der er eilte, überquellende Gedanken zu Papier zu bringen, um dem Strom der nachkommenden Platz zu schaffen. So ähnlich äußerte sich auch Makart’s Schaffensdrang, erklärt sich seine Flüchtigkeit und sein Mangel an richtiger Zeichnung. Doch ihm war es einerlei – ihm entstanden vor dem Auge blitzschnell schimmernde Farbenflecke, die erst im Bilde Form gewannen, zum Unterschiede der Venezianer, deren Farbenfreudigkeit etwas Bewußtes hat, die die Farben als Staffage, nie als Selbstzweck benützen. Beim Anblick Makart’scher Werke muß ich immer der Wolter und – Madeiras gedenken, wo unter glühend strahlender Sonne der süße Wein braut, wo Menschen hoffnungsfreudig und gebräunten Antlitzes herumstolziren, den Todeskeim in der kranken Brust.

Hans M. ist am 28. Mai 1840 als ältester Sohn des im Mirabellschloß angestellten Hofbediensteten Johann M. geboren. Sein Vater (geboren 1815) war ein gebildeter Mann, der sich in seinen Mußestunden mit Litteratur beschäftigte; sein Bruder Fritz, Lithograph, ging als solcher nach Amerika, wo [160] er Ende der siebziger Jahre starb, seine Mutter ist erst vor kurzem hochbetagt gestorben.

In dem fünfzehnjährigen M. soll sich ganz bedeutende zeichnerische Fähigkeit und Lust zum Handwerke geregt haben, die ihn vom regelmäßigen Schulbesuch gar manchmal abhielt. Thatsächlich war seine Schulbildung ganz gering, er hat es nie über die ersten Realschulclassen gebracht. In dieser Zeit beraubte ihn ein Sturz auf einige Tage der Sprache und ließ ein Stocken im Sprachfluß für immer zurück. Darin und nicht in seiner sog. Unbildung ist wol der Grund seiner Schweigsamkeit zu suchen. Dieser kleine Sprachfehler hielt ihn auch vor großen Discussionen zurück. Für gewöhnlich war er ein großer Schweiger, doch im intimen Kreise konnte man ihn oft lebhaft debattiren hören; dann blitzte sein großes, tiefes, braunes Auge, und sein ganzes Gesicht bekam in solchen Momenten einen so freibelebten klaren Ausdruck, daß der träumerische Schleier, der sonst über seine Züge ausgebreitet lag, wie plötzlich hinweggeweht war. Sein erster Lehrer war der Landschafter Joseph Mayburger, der damals den Zeichenunterricht an der Realschule besorgte und auch der erste Lehrer F. v. Pausinger’s geworden ist.

Im Sommer 1858 kam M. an die Wiener Akademie, die er nach kurzem Besuche wieder verließ – nicht der Noth gehorchend, sondern dem eigenen Triebe, d. h. er ist niemals relegirt worden, sondern verließ die Anstalt, weil es ihm dort, wie er einmal selbst sagte, „zu langweilig war“, und kehrte nach Salzburg zurück, um Graveur zu werden. In Salzburg angekommen, beginnt er auf das Papier festzunageln, was Stadt und Umgebung Malerisches bieten, unter anderem auch die Donner’schen Putten im Mirabelleschloß. Einige dieser flüchtigen Blätter fallen dem damaligen Fürstbischof von Salzburg M. v. Tarnoczy in die Hände, der des Burschen große Begabung erkennt, ihm vom Graveurberufe abräth und auf eigene Kosten nach München zu Piloty schickt, wo damals Lenbach, Defregger und Gabriel Max studirten.

1861 wird er in Piloty’s glänzendes Atelier aufgenommen, wo der junge Salzburger Naturbursch bald der Stolz und Liebling des Meisters wird. Anfänglich hat er sich in München weidlich durchgehungert, späterhin verdiente er ein paar Mark, die er aber immer mit der zärtlich geliebten Mutter theilt. 1863 geht er mit Lenbach nach Paris und London, im Mai desselben Jahres auf Grund eines kaiserlichen Stipendiums von tausend Gulden nach Italien, wo besonders Tizian und Tintoretto mächtig auf ihn wirkten. Aus Rom schreibt er einmal als Erster, der Böcklin nicht nur nicht verlacht, sondern auch gewürdigt: „Es sind zwar nur Wenige da, die die Natur verstehen; ich kenne nur zwei – Rottmann und Böcklin“. 1866 tritt er endgültig aus dem Atelier Piloty’s aus, um selbständig zu arbeiten.

In den Jahren 1866–68 entstehen kleinere Werke wie die Leda, eine historische Landschaft mit schönen dunkeln Cypressen, Zeichnungen zu Stoffen aus dem dreißigjährigen Kriege, zu Uhland’s Gedichten, zu den lustigen Weibern u. s. w. Um diese Zeit beginnt sich auch der Hang zum Wohlleben, dem er später leider so maßlos gefröhnt, zu zeigen. Die Anekdote, daß er von der Akademie zum Oberpollinger, wo er speiste, ca. 100 Schritte, im Fiaker zurücklegt, ist in diesem Jahre entstanden. 1869 heirathet er die Münchnerin Amalie Roitmayer, mit der er bis zu ihrem am 3. Juni 1873 erfolgten Tode glücklich lebte und die ihm zwei Kinder, Hans und Grethe, gebar; seine zweite Frau hieß Bertha Lindner und stand ihm bis zu seinem Tode treu zur Seite. 1868 malt er für den Grafen Janos Palffy die „modernen Amoretten“, gleichzeitig entsteht nach einer Novelle des Boccaccio die „Pest in Florenz“, die geradezu unerhörtes Aufsehen erregte und im Triumph die Welt durchzog. [161] Renan und auch Schnitzler im „Schleier der Beatrice“ haben den Gedanken angeregt, wie sich wol die Völker benehmen würden, wenn sie am Vorabende eines sicheren Weltunterganges stünden. M. gibt in diesem Bilde die Antwort darauf. Höchster Taumel des Sinngenusses, Apotheose des lüsternen Fleisches. Der Eklat, mit dem dieses Bild in ganz Europa einsetzte, ist beispiellos. Alles, was Piloty, der bisherige Farbengott, geleistet, schien wässerig und zahm gegen dieses Furioso, vom Farbenwahne besessen. Besessen – es ist die einzig richtige Benennung für diese – nicht Symphonie – nein, Fanfare, die seiner Palette entströmte. Mit diesem Bilde beginnt in immer aufsteigender Linie die Geschichte eines Ruhmes, eines Erfolges, wie ihn die Kunstgeschichte nicht mehr verzeichnet. Er folgt einem Rufe unseres Kaisers, erhält von diesem freie Wohnung und Quartier, um am 1. Januar 1879 laut einstimmigen Beschlusses des Professorencollegiums an der Akademie zum Professor gewählt zu werden, der er bis zu seinem frühen Tode angehörte.

In die Zeit von Makart’s Ernennung fällt ein trauriges Ereigniß: Feuerbach, dessen Position in Wien unhaltbar geworden, gab seine Demission und M. erhielt den Stuhl für Historienmalerei. Kein Wunder, da Makart’s fascinirende Persönlichkeit, sein glänzendes Arrangement des Festzuges bei der silbernen Hochzeit des Kaiserpaares, endlich sein Oesterreicherthum bei Hof und im Cultusministerium gegen den nervösen und galligen Ausländer siegte. Intrigue liegt von seiner Seite nicht vor, und ich möchte all diesen feindseligen Ausstreuungen auf das energischste entgegentreten.

Nun beginnt die Unterjochung der Mode – alles trägt, schmückt sich und sein Heim nach Makart’s Dictatur. Sein Atelier bildet den Mittelpunkt von Wien, hier werden die Moden gemacht, die Toiletten bestimmt, Blumen arrangirt, und reichte das Atelier nicht aus, so zog er mit dem ganzen Farbenjubel auf die Ringstraße, die seiner ungezügelten Phantasie mehr Spielraum gewährte – mit einem Wort: er riß ganz Wien in den Taumel seiner Farbenfreude hinein. 1876–78 reiste er mit seinen Freunden Lenbach, Müller und Huber nach Aegypten, richtet sich in Kairo in einem alten Palaste ein Atelier ein, und nun entstehen die orientalischen Bilder, in denen er dem sinnlichen Reiz seiner Farbe noch die schwüle Sinnlichkeit orientalischer Leiber hinzufügt. Besonders zu nennen wären aus dieser Zeit: „Aegyptischer Häuptling“, „Fellahweiber am Brunnen“, „Nubische Familie“, „Die Perle“ nach einer Novelle der ihm befreundeten Schriftstellerin del Negro, „Orientalische Frauengruppe“, „Kleopatra’s Tod“, welcher Vorwurf ihn mehrmals beschäftigte, endlich die phantastisch bewegte „Jagd auf dem Nil“.

1872 entstand die „Siesta am Hof der Mediceer“, die er für Bühlmeyer malte und die jetzt im Mauthner’schen Besitze (Wien) ist. In die Zeit von 1872–1876 fallen die „Lustigen Weiber von Windsor“, die „Recitation“, die jetzt in England ist, die Decorationsstücke „Nacht, Morgen, Mittag, Abend“, die er für den Baumeister Oetzelt malte und die nach dessen Tode nach Rußland gingen, sowie die Theaterscenen „Romeo und Julia“, „Ophelia“, „Faust und Grethchen“, wobei der gespenstige Faust seine Züge trägt. Wagner’s „Ring der Nibelungen“ hat ihn zu einer ganzen Reihe von skizzenhaft gebliebenen Werken angeregt, so die „Loskaufung Freya’s“, „Kampf der Riesen um das Gold“ (Baron Springer), „Kampf zwischen Siegfried und Hunding“, „Wiedererlangung des Ringes“ (Moderne Galerie), „Brünhilde bringt Sieglinde in Sicherheit“, „Brünhilde verkündet Siegfried’s Tod“, sowie „Raub des Rheingoldes“. Endlich gehören auch die beiden Münchener [162] Abundantiabilder hierher. Als erstes der ganz großen Bilder, die seinen heutigen Ruhm ausmachten, entstand nach einer Anregung Dürer’s der jetzt in Hamburg befindliche „Einzug Karl’s V. in Antwerpen“, der dem Künstlerhaus bei dessen Ausstellung einen Reingewinn von 13 000 fl. brachte, die M. der Genossenschaft zum Geschenk machte, wofür sich diese mit einem Ehrengeschenk von 6000 fl. revanchirte. Das Bild, das viele Porträts der Wiener Gesellschaft enthält, ging dann nach Paris zur Weltausstellung, wo es die höchste Auszeichnung erlangte. Hierauf die Berliner „Katharina Cornaro“, die gleich dem „Einzug“ historisch ganz willkürlich aufgefaßt ist, dafür aber an Farbenreiz und Composition nichts zu wünschen übrig läßt. 1873 war die „Katharina Cornaro“ im Wiener Künstlerhaus ausgestellt. Anselm Feuerbach, der eben nach Wien berufen wurde, schreibt darüber: „Wien hat angefangen, im Farbenrausche zu schwelgen“, oder ein anderes Mal: „Schon unter dem Portal von der Marmortreppe aus sieht man sie leuchten. Der Zuschauerraum ist durch schwarzes Tuch ganz verdunkelt, so daß das Oberlicht haarscharf wirkt. Das Bild müßte durch die raffinirte Ausstellung, selbst wenn es schwach in der Farbe wäre, immerhin eine magische Wirkung erreichen. Rechts und links exotische Gewächse. Ich habe mich eines niederschlagenden Eindrucks nicht erwehren können, wenn ich bedachte, daß zwanzigjähriges Ringen einen Menschen aufreiben muß, während einem Anderen, mag er mehr oder weniger Talent haben, vergönnt ist, rasch zur runden und vollen Erscheinung zu kommen.“ – Dann der „Triumph der Ariadne“, wol das farbenfreudigste unter diesen drei Gemälden, welch letzteres Bild als Vorhang für die komische Oper gedacht war, dann nach Amerika ging, von wo es vor einigen Jahren zurückerobert wurde. 1880 entsteht der jetzt im Berliner Privatbesitz befindliche „Sommer“, 1882 die im New-Yorker Metropole Museum of Art aufbewahrte „Jagd der Diana“, und als letztes Gemälde auf Holz die „Judith“, als solches auf Leinwand der „Frühling“ (noch immer bei Miethke, der es im Nachlaß für 16 000 fl. erstand).

Den Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens jedoch erreichte er, als das lebenslustige, farbenfreudige Wien die Ausstattung des großen Huldigungsfestzuges in seine Hände legte. Hier erst sollte sich sein ganzer Farbendämon austoben. Es war am 28. April 1879; blauer Himmel – heiter strahlte die Sonne –, eine Million festlich geputzter Menschen hatte sich auf die Ringstraße gedrängt, um dem geliebten Herrscherpaare seinen Tribut zu zollen. Fünf Stunden hatte die Ordnung des 43 Gruppen und 27 Festwagen umfassenden Zuges, an dem 10 000 Personen activ Theil nahmen, gedauert, fünf Stunden defilirte das Riesenwerk vor den Majestäten. Voran, aus Mitgliedern des Hochadels gebildet, der Jagdzug: die Reisjagd, die Gemsjagd Kaiser Max I., die Hirschjagd aus dem 16. Jahrhundert, der Triumphwildwagen, die Sau-Bären-Falkenjagd. Die Feder versagt vor diesem überwältigenden, Tizian’s Farbenpracht überschattenden Festjubelrausch. Das Alles natürlich in den kostbarsten, echten alten Costümen, für deren Schnitt, Farbe u. s. w. M. immer und immer wieder gefragt, geplagt wurde. Unermüdlich eilte er von Einem zum Anderen, um da Rath, dort Abhülfe zu schaffen. Man staunt, daß dieser kleine schwache Körper solchen Riesenanstrengungen gewachsen war, ohne Schaden zu nehmen. Nach der Jagd kommen die Zünfte, natürlich auch alles in Originalcostüm, jede Zunft mit ihrem Festwagen. Da waren der Gartenbau, Weinbau, Bergbau, die Zuckerbäcker, Fleischhauer, Gastwirthe, Textilindustriellen, die Glaser, Hafner, Maschinenfabrikanten, Handel, Schifffahrt, Eisenbahnen, Goldschmiede, Buchdrucker – und die Künstler. Schon von ferne her konnte man ihr Nahen an dem freudigen Zuruf erkennen. [163] Unter ihnen M., hoch zu Roß, im Sammetwams als Rubens, das Gesicht noch bleicher als sonst. Jubel umgibt ihn, Mütter heben ihre Kinder empor, um ihnen den vielgeliebten, vielgefeierten Mann zu zeigen; als er das Kaiserzelt erreicht, steigert sich der Jubel zum Tosen, und als der Kaiser ihm tiefbewegt mit Thränen im Auge dankt, da rinnen auch über sein vor Aufregung bleiches Antlitz Zähren nieder. – Es war Wiens schönster Tag, nur ein kurzer Traum des Renaissancemenschen, des Zuspätgeborenen. Der Jubel ist längst verrauscht – übrig blieb davon nichts, nichts als ein Festalbum, das uns die Makart’schen Skizzen und Entwürfe aufbewahrt. – Das rauschende, pulsirende Leben, der alles durchdringende Feuergeist und das Toben des Beifalls fehlt. Doch die Wangen unserer Eltern röthen sich, ihre Augen werden feucht bei der Erinnerung an diesen schönen Tag und an den herrlichen Mann, der diesen Zauber erdacht. Durch diese That allein wird das Andenken Makart’s im Volk ewig fortleben, wenn von seinen Bildern längst nichts mehr erhalten ist.

Bemerkenswerth wären noch die „Fünf Sinne“, sowie die Decorationen für das Palais Dumba, in denen der Künstler seine ganze wilde Phantasie sich ungezügelt entfalten ließ. Auch Porträts hat er gemalt, wie das des Grafen Edmund Zichy und das historische Bild des „Eck v. Reischach“, im Besitze des Grafen Wilczek auf Schloß Seebarn; doch lag ihm gerade dieser Zweig der Kunst etwas fern. Gelungen ist ihm nur das Porträt der Wolter als Messalina, deren schwüle Gewitteratmosphäre ihm besonders lag. Der Vollständigkeit halber seien noch einige andere, allerdings zweitclassige Werke genannt: die Jugendwerke „Lavoisier im Gefängniß“, „Leda mit dem Schwan“, „Pappenheims Tod“, alle drei aus dem Jahre 1862, „Julia auf der Bahre“ (heute durch unsinnige Restaurirung wol ganz zerstört) im Kunsthistorischen Museum zu Wien (1869), die „Kleopatra“ zu Stuttgart (1875), „Ritter und Meermädchen“ bei Schack (1865), die beiden „Abundantia’s“ in der neuen Pinakothek zu München, „Titania“ (1875), „die Elfenkönigin“ bei Raczynski in Wien (1869). Zahllose Handzeichnungen, Farbenstudien und Entwürfe bewahren die Sammlungen des Kaiserhauses in Wien, die Albertina, sowie die Privatsammlungen Eugen Miller v. Aichholz und besonders Lobmair in Wien. Kurz vor seinem Tode beendete er die Lünetten im Kunsthistorischen Museum: „Gesetz und Wahrheit“, „Religiöse und profane Malerei“, „Dürer“, „Holbein“, „Tizian“, „Michelangelo“, „Rembrandt“, „Rubens, „Rafael“, „Velasquez“, „Lionardo“, „van Dyk“. An den rothen Blumen zu Füßen des Ritters im „Frühling“ that er seinen letzten Pinselstrich.

Am 3. October 1884 ist er in der Blüthe seiner Jahre gestorben. Die von den Wiener Aerzten Dr. Böhme und Dr. Bernhofer vorgenommene Hirnsecierung ergab Entzündung der harten Hirnhaut mit Blutaustritt in die Hirnbasis. Sein Tod kam überraschend wie sein Ruhm. Er hat Wundervolles geleistet – doch die Kunst auch nicht nur einen Schritt nach vorwärts gebracht. Er war ein glänzender Komet, der hastig den Horizont durchlief, um in das unergründliche Dunkel zu verschwinden – plötzlich – so wie er aufgetaucht.

An Litteratur gibt es nichts als ein Büchlein: Langstein, Makart und Hamerling, sowie Nekrologe in der Lützow’schen Zeitschrift für bildende Kunst und in der Wiener und Münchener Tageszeitung. Auf die große officielle Würdigung wartet der Künstler noch. Wie es unverbindlich heißt, bereitet das österreichische Unterrichtsministerium seine große Biographie vor. Im Wiener Stadtpark steht sein Standbild von Tilgner’s Meisterhand geschaffen [164] in seiner Tracht als Rubens, wie er in der Erinnerung aller Theilnehmer des grandiosen Festzuges lebt.