Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Majunke, Paul“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 156–158, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Majunke,_Paul&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:37 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Maier, Peter
Nächster>>>
Makart, Hans
Band 52 (1906), S. 156–158 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Paul Majunke in der Wikipedia
Paul Majunke in Wikidata
GND-Nummer 11669131X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|156|158|Majunke, Paul|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Majunke, Paul}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11669131X}}    

Majunke: Paul M., ultramontaner Politiker und Publicist, wurde am 14. Juli 1842 zu Groß-Schmograu, Kreis Wohlau, in Schlesien, geboren. Nach Absolvirung des Gymnasiums studirte er in Breslau katholische Theologie sowie die Rechte und erhielt 1867 die Priesterweihe. Kurze Zeit als Kaplan in Neusalz a. O. thätig gewesen, übernahm er während des Vaticanischen Concils 1869 die politische Redaction der „Kölnischen Volkszeitung“, 1871, nach eingeschobenem einjährigen Wirken in der Seelsorge zu Breslau und Grottkau, diejenige des andern leitenden norddeutschen ultramontanen Blattes, der „Germania“ in Berlin. Nicht ohne Geist und Geschick – so erkannten auch die Gegner (z. B. Augsb. Abendztg.) beim Tod an – leitete er bis 1878 das Centralorgan der nun fest begründeten katholischen „Centrumspartei“ in intransigentem Sinn und Stile. Während des beginnenden sog. „Culturkampfs“ verfocht Dr. M. in der vordersten Schlachtreihe seiner Gesinnungsgenossen äußerst eifrig und scharf, oft sogar überaus schroff die klerikalkatholischen Interessen gegenüber den Schriften und Machtsprüchen der Bismarck’schen preußischen und reichsdeutschen Staatsregierung. Und zwar nicht minder energisch in der parlamentarischen Arena: in dieser erschien M. zuerst 1874, nämlich als Reichstagsabgeordneter für Trier-Stadt. Seit 1878 gehörte er für den Wahlkreis Geldern-Kempen auch dem preußischen Abgeordnetenhause an. Vom Jahre 1878 an gab M. von Berlin aus die „Correspondenz für Centrumsblätter“ heraus, mit der er allmählich in der Partei und besonders ihrer Presse einen geradezu übermächtigen Einfluß errang. Deshalb dünkte es die diplomatischen Führer der Fraktion, als diese anfangs der achtziger Jahre mit dem einlenkenden Reichskanzler zu einem [157] versöhnlicheren modus vivendi überging, gerathen, den streitbaren Wort- und Federkämpen kalt zu stellen, obgleich dieser wiederholt (im ganzen 2½ Jahre) durch Gefängniß in Plötzensee wegen Preßvergehens (seine Verhaftung nach gefällter Verurtheilung zu einem Jahre während der Session im December 1874 entfesselte im Reichstage einen der heftigsten Stürme) die politische Märtyrerkrone erworben hatte. Als so jene hitzigen Kämpfe eine Aera des Ausgleichs und der Vermittlung ablöste, die seinem Wesen wie seinen Ansichten widersprach, legte er 1884 beide Abgeordnetenmandate und die Redaction nieder, zog sich von der praktischen Politik ganz zurück und wirkte fürder zu Hochkirch (nicht dem bekannten Lausitzer Orte, wo Friedrich der Große 1758 unterlag) bei Glogau als Pfarrer, wo er am 21. Mai 1899 gestorben ist.

Allerdings ist M. noch seit 1884 im Dienste derselben Weltanschauung litterarisch thätig geblieben, welche er vorher anderthalb Jahrzehnte lang entschieden oft verbohrt, stets aber wehrhaft und furchtlos öffentlich vertreten hatte: einer höchst nachdrücklichen ultramontanen Tendenzschriftstellerei. Fruchtbar und eindringlich pflegte er solche publicistische Wirksamkeit, ungeschminkt im Ausdruck und stofflich nie an der Oberfläche haftend, wennschon er sich das Material nach seiner Schablone zuschnitt und gruppirte, im ganzen derselbe verblieben wie auf der Rednertrübne oder als Journalist. Die lange Reihe seiner selbständigen Schriften verzeichnet gemäß Majunke’s eigenen Angaben Kürschner’s „Deutscher Litteraturkalender“ in den Jahrgängen 1898 und 1899 vollständig. Zeitlich und der Zahl nach die erste Hälfte betrifft den Gegensatz und Conflict zwischen Staat und Kirche: „Die päpstliche Encyklika auf der Weltbühne“ (1865); „Gedanken über die kirchliche Aufgabe der Gegenwart“ (1869, auch 2. Aufl.); „Confessionell oder Confessionslos“ (1869); „Confessionelle Volksschule“ (1869, bis 3. Aufl.); „Parität in Preußen“ (1871); „Die Ohnmacht der modernen naturwissenschaftlichen Forschung“ (1875); „Das evangelische Kaiserthum“ (2. Aufl. 1881); abgeschlossen und abgerundet wird diese Gruppe durch seine „Geschichte des Culturkampfes in Preußen“ (1886, Volksausgabe 1890) und seine Biographie Ludwig Windthorst’s, seines hochverehrten Parteichefs (1891). Für sich stehen sodann die Schrift für „Die Wunder in Lourdes“ (1873) und die gar bald Lügen gestrafte blindwüthige Vertheidigung der angeblich stigmatisirten Belgierin Louise Lateau (2. Aufl. 1875), den Uebergang bildend zur zweiten Hauptreihe seiner Veröffentlichungen. Dieser rechnen zu „Der geweihte Degen Dauns“ (1882, 2. Aufl. 1885) sammt den gleichsam an einem einheitlichen Faden hangenden: „Luther’s Lebensende“ (4. Aufl. 1890), „Historische Kritik über Luther’s Lebensende“ (4. Aufl. 1890), „Letztes Wort an den Lutherdichter“ (1890, 2. Aufl. 1891), „Luther’s Testament“ (1891), zusammengefaßt als „Gesammelte Lutherschriften“ (1894), „Luther’s Lebensende nach Nik. Paulus“ (1898); dazu gab er die Verdeutschung der norwegisch geschriebenen Lutherbiographie von Kleis mit heraus (1896) und eine Neuauflage (1896 von Wilh. Meinhold’s Ausgabe (1849) der vielumstrittenen gefälschten sog. Lehnin’schen Wahrsagung, welch letzterer sich die Neuultramontanen seit 1872 wieder mehrfach bedienten, um den Ersatz der Hohenzollern durch einen katholischen Oberhirten darin prophezeit zu finden. Insbesondere haben Majunke’s ebengenannte Pamphlete das alte Märchen von Martin Luther’s Selbstmord aufgewärmt; wissenschaftliche Widerlegung von gegnerischer Seite hieß ihn keineswegs an dieser Fabel wankend werden, in die er sich eher nur noch hartnäckiger festhakte, seinen Namen als Schriftsteller arg schädigend und hinabdrückend. Für das Aufsehen erregende eigenartige Compendium „Geschichtslügen“, das 1883 als Werk dreier Anonymen hervortrat (15. Aufl. 1898), gilt M. schließlich [158] doch als Hauptverfasser bezw. „bedeutendster Mitherausgeber“ (so eingeweihte ultsramontane Zeitungen nach seinem Tode), wie er ja dieses tendenziöse Sammelbuch auch ohne weiteres a. a. O. unter seine Schriften aufgenommen hat. Hatte M. sich auch gewissermaßen selbst überlebt, so sank doch mit ihm eine der bekanntesten und markantesten Gestalten der ultramontanen Propaganda im neuen Deutschen Reiche, ein kühner Haudegen der Windthorst-Garde ins Grab. Die „Allgemeine Zeitung“ schließt ihren Nachruf (1899, Nr. 141, S. 2): „In den letzten Jahren scheint sich in diesem verbissenen und fanatischen Culturkämpfer eine Wandlung zum Frieden mit der Regierung vollzogen zu haben. Wenigstens legte kürzlich eine Mittheilung, welche in der ganzen deutschen Presse Beachtung fand, Zeugniß dafür ab, daß er die nationalen Interessen in den Vordergrund der Erörterung gestellt wissen wollte.“

Benutzt mancherlei Zeitungsmittheilungen nach dem Tode, wovon die wichtigsten meine kurze Skizze in Bettelheim’s Biograph. Jhrbch. u. Dtsch. Nekrolog IV, 285 f., die hier zu Grunde liegt, verzeichnet. Vgl. außerdem: Manz’ Conversationslex. IX, 199. – W. L. Hertslet, Der Treppenwitz der Weltgeschichte, 3. Aufl. S. 349 (für Geschichtslügen); 6. Aufl. (1905), S. 240 A. (für Luther’s Ende) und 285 (für Geschichtslügen und Daun’s Degen). – R. M. Meyer, Die deutsche Litteratur des 19. Jhrhs. 2 S. 689, 3 S. 638 nennt ihn als einen „talentvollen Publicisten“ vor J. Janssen und L. Pastor an der Spitze der neuesten katholischen Parteischriftsteller. Merkwürdig wenig Einblick vergönnt der 197. Antiquariatescatalog von Wilh. Jacobsohn & Co. in Breslau (1904), der u. a. Majunke’s nachgelassene Bibliothek enthält. – Vgl. R. Baumstark, Plus ultra (1882/85), S. 105 (Preuß. Jahrbücher 100, 301).