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Artikel „Lentner, Friedrich“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 265–267, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lentner,_Friedrich&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 16:45 Uhr UTC)
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Lentner: (Johann) Friedrich L., Maler und Dichter, geb. am 18. Decbr. 1814 zu München, absolvirte daselbst das Gymnasium, trat nach Wunsch seines Vaters, in die heute noch florirende Lentner’sche Buchhandlung, ging aber 1835 nach Innsbruck zu Felician Rauch in Condition. Hier faßte er die wirklich schwärmerische Vorliebe für Tirol, welche ihn durch das ganze Leben begleitete. Als erste Frucht dieser Begeisterung für Land und Leute verfaßte er das Charaktergemälde „Das Tiroler Bauernspiel“, welches die Jahre 1809–1816, mit der Staffage von Andreas Hofer, Speckbacher und P. Haspinger, zum Hintergrunde hat (Magdeburg 1841 und 1844, 2 Bde.). Nachdem L. noch anderthalb Jahre bei Wimmer zu Wien im Buchhandel gearbeitet hatte, kehrte er nach München zurück, wo er sich ebenso mit dem Pinsel im Malen, wie mit der Feder im Schriftstellern übte. Hier erschien, offenbar angeregt durch Dürer’s Arabesken, ein „Harfentöne“ betiteltes „Andachtsbuch für gebildete Christen“ (mit Bildern und Randzeichnungen, entworfen von J. F. L., auf Stein gezeichnet von E. Grünwedel u. H. Ehrl, München 1841 bei Bergmann u. Roller, 122 S. 12°. im abwechselnden Buntdruck), auch ein aus 10 Blättern bestehender Cyclus „Studententrinklieder, mit Illustrationen und Arabesken“ (lithographirt von F. Bergmann, Fol.) und eine ähnlich ausgestattete „Sammlung Deutscher Sprichwörter“. Einige Zeit redigirte L. mit Franz Trautmann die „Münchener Lesefrüchte“, und trieb sich mit Engelbert Seibertz im baierischen Gebirge auf künstlerischen Wanderfahrten und Entdeckungsteisen herum, wo sie z. B. im Sommer 1841 nach Frauen-Chiemsee gelangten und an diesem Lieblingspunkte der Münchener Landschaftsmaler die nachmals gefeierte, mit Bildern ausgestattete „Chronik der vielbelobten Malerherberg“ begründeten. Dann übersiedelte L. 1842 nach Prag, wo er im regen Verkehr mit Ruben und Haushofer ebenso der Kunst wie der Dichtkunst oblag. Die Erzählung „Diebesgelüste“ (zuerst in der „Europa“, dann im „Novellenbuch“, II. 153–237) spiegelt seine Bekanntschaft mit dem Leben in Prag, welches L. bald seines fühlbar auftretenden Lungenleidens wegen, mit dem milderen Klima in Meran vertauschte. Einige Zeit weilte er auch auf dem väterlichen Besitzthum zu Peiting (bei Schongau) am Lechrain, wo er einen Saal mit Fresken schmückte und mit dem [266] ihm eigenen Geschick auf Sagen, Sitten und Gebräuche des Volkslebens ein wachsames Auge hatte. Im J. 1844 erschien sein dreibändiger Roman „Ritter und Bauer“ (Magdeburg, bei Baensch), welcher noch in demselben Jahre eine zweite Auflage erlebte. Auf einer nach Oberitalien ausgedehnten Frühlingsfahrt durch die Tirolerberge wurde L. mit Dr. Streiter (in Bozen) bekannt und schloß mit diesem geist- und gesinnungsverwandten Dichter bleibende Freundschaft. In Meran, wo L. fortan immer in den Wintermonaten als Kurgast weilte, leitete er auch die Festlichkeiten während der Anwesenheit des Erzherzog Johann, zog sich aber durch vielfache Berichte über Tiroler Angelegenheiten, insbesondere des Etschlandes, gleicherweise die Neigung der Bewohner, wie den Haß der Behörden zu, welche ihn wiederholt mit Ausweisung bedrohten. In den Sommermonaten durchzog L. seit 1846 regelmäßig das südliche Baiernland und sammelte im Auftrage des damaligen Kronprinzen Maximilian eine Fülle culturhistorischen Materiales. Es war der schöne Gedanke, des Baiernlandes Volksthum gleichsam zu inventarisiren; Alles, was sich in Städten und Dörfern, in allen Ortschaften zu Berg und Thal noch an altem deutschen Herkommen finden ließ, wollte L., soweit seine Kraft reichte, aufzeichnen, zusammentragen, vergleichen und auslegen: Lieder und Sagen, Volksmeinungen und Bauernregeln, Aberglauben und Volksmedicin, Gebräuche im Winter und Sommer, bei Geburt, Hochzeit und Tod, ältere und neuere Trachten, auch die verschiedenen Arten des Haus- und Feldbaues, kurz das ganze Thun und Lassen sollte in der dazu gehörigen Mundart zusammengefaßt werden. L. ging mit großer Freude an das Werk, zu dem er ganz der rechte Mann war; unbegreiflicher Weise schloß er das Gebiet der Kunstgeschichte aus. Er hätte als Zeichner eine Menge Gegenstände festhalten können, welche unterdessen nach allen Winden verschleppt wurden. – Es taugte auch sonst zu seinen Verhältnissen, da er den Winter immer wieder in seinem lieben Meran verleben konnte, seine hinfällige Gesundheit zu pflegen, während er im Sommer die Gauen des Vaterlandes durchwandelte. Fortan war dieses die Aufgabe seines Lebens. Ueberall Bekanntschaft machend mit Herren und Bauern, mit Pfarrern und Beamten, Jägern, Hirten, Fuhrleuten, Flößern, Näherinnen und Schnitterinnen, pilgerte L. manches Jahr durch Stadt und Land, durch Wald und Flur von Ober- und Niederbaiern, durch Schwaben, den baierischen Wald und einen Theil der Oberpfalz. „Ich habe in 6 Jahren die Straßen und Wege ganz Altbaierns von Füßen bis Furth im Böhmerwalde, von Rain bis Schellenberg am Watzmann durchfahren, eine sehr beschwerliche Arbeit, wenn man diese Pfade kennt, ich habe die Küchenzettel der gesammten Nation studirt und könnte in allen Gauen Schneider und Näherin, Hochzeitlader und Todtengräber werden, ohne gegen Ritus und Mode zu sündigen“. Nach Lentner’s Tode setzte E. Fentsch durch die übrigen Kreise diese Sammlungen fort, welche theilweise den Grundstock bildeten zu der später von Riehl und Dahn herausgegebenen „Bavaria“. In Meran arbeitete er dann an seinen Novellen, Romanen und dramatischen Entwürfen, saß auch in stiller Einsamkeit auf der Burg Lebenberg, deren „baierisches Stüblein“ er mit Frescobildern schmückte, und schrieb daselbst die „Chronik“ dieses Schlosses, welche (1880) mit dem ganzen Schmucke seiner stilgerecht dazu gemalten Aquarellminiaturen in genauester Reproduction durch colorirten Zinndruck herausgegeben wurde. L. starb nach kurzer glücklicher Ehe am 23. April 1852 zu Meran. Zu seinen besten Leistungen als Dichter zählen sein „Novellenbuch“ (Magdeburg 1848, in 3 Bänden), die „Geschichten aus den Bergen“ (ebendas. 1851; vierte Auflage durch P. K. Rosegger 1881); das ländliche Charakterbild „Der Ju-Schroa“ in drei Abtheilungen, mit Musik von Ign. Lachner (1849). Seinen weiteren Nachlaß beabsichtigte Dr. Ludwig Steub herauszugeben, doch erschien davon nur [267] der erste, durch eine warme Biographie Lentner’s eingeleitete Band mit der Erzählung: „Herr Plattebener und seine Kinder“ (Stuttg. 1855).

Vgl. Prutz, Deutsches Museum, 1853, S. 193 ff. (von L. Steub); Nr. 153 u. 154 Beil. zur Neuen Münchener Ztg. 1855 (eine ausführliche Würdigung von Lentner’s Novellen); ebendas. Nr. 276 auch die Besprechung des Plattebener (durch S. v. Daxenberger); Wurzbach, Biogr. Lexikon, 1865, XIV. 363 ff. Chronica v. dem Geschlosse u. der Veste ze Lebenberg. Geschrieben und mit Bildern gezieret von Dr. J. F. Lentner. Durchgesehen von den Professoren Fr. Defregger u. Dr. J. V. Zingerle, herausgegeben v. Fridolin Plant, Meran 1880, Fol., bei Plant (vgl. L. Steub in B. 303 Allg. Ztg. v. 29. October 1880). Die neuesten Mittheilungen aus Lentner’s eigenen Briefen gab Hr. F. L. Hoffmann in Beil. 28 u. 29 der Allg. Ztg. 1882.