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Artikel „Speckbacher, Joseph“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 78–81, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Speckbacher,_Josef&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 22:25 Uhr UTC)
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Speckbacher: Joseph S., Tiroler Landesvertheidiger, geb. im Untersböckhof im Gnadenwald bei Hall am 13. Juli (14. August?) 1767, † am 28. März 1820 zu Hall. Es geht die Sage, daß die Ueberlieferung von mannhaften Thaten des Großvaters bei der Vertheidigung Tirols gegen Max Emanuel den Enkel zu ähnlichen Thaten angespornt habe. Den Vater, dem der Holzhandel ansehnlichen Gewinn brachte, verlor Joseph schon in jungen Jahren; er suchte deshalb Anstellung im Bergbau, war aber auch als verwegener Jäger und Bergsteiger bekannt. Durch Verheirathung mit Maria Schmiederer von Rinn gelangte er in Besitz eines Hofes in Rinn, den er fortan selbst bewirthschaftete; daher stammt die historische Bezeichnung „der Mann von Rinn“. Schon 1797, [79] 1800 und 1805 betheiligte sich S. als Landesschütze an der Vertheidigung von Tirol, ohne sich durch besondere Thaten hervorzuthun. Dagegen gehörte er, als der Aufstand von 1809 ausbrach, von Anfang an zu den Führern der Bewegung. Am 12. April leitete er den Kampf bei Volders und Hall; die Einnahme des letztgenannten Städtchens war das Werk Speckbacher’s und seiner Leute vom Gnadenwald. Auch an der Erstürmung der Landeshauptstadt am folgenden Tage, wobei mehr als 5000 Baiern und Franzosen in die Hände der Bauern fielen, nahm S. thätigen Antheil. Vom Befehlshaber der österreichischen Linientruppen in Tirol, Feldmarschall Chasteler, ist schriftlich bezeugt, daß Joseph S. bei Beginn der Erhebung treffliche Dienste leistete, indem er allenthalben die Landsleute zu den Waffen rief und heimlich organisirte, die baierischen Munitionsvorräthe ausspähte und deren Aufhebung einleitete und nach Eröffnung der Feindseligkeiten mit seinen Rinnern und Tulfesern immer an den gefährlichsten Punkten scharmuzirte; auch wird von Chasteler mit Recht als Hauptverdienst Speckbacher’s hervorgehoben, daß er bei jeder Gelegenheit seine Landsleute zu Gehorsam und Achtung gegenüber den österreichischen Civil- und Militärbehörden anhielt. Bei den Kämpfen am Berg Isel (29. Mai) befehligte „Herr Spöck“, wie ihn Andreas Hofer in seinen Briefen titulirte, die erste Colonne, welche als äußerster rechter Flügel gegen Hall und Volders vorging und die Brücken, welche an beiden Punkten über den Inn führten, nach heißem Streit eroberte und sprengte. Nach dem Abzug der Baiern folgte ihnen S. bis Kufstein, doch blieben alle Bemühungen, auch diese Bergveste zur Uebergabe zu zwingen, erfolglos. Als nach Bekanntwerden des am 12. Juli zu Znaim abgeschlossenen Waffenstillstands die österreichischen Truppen Tirol räumten, schickte sich auch S. an, das Land zu verlassen; er fuhr mit einigen Officieren vom Corps Buol durchs Pusterthal. Da, bei St. Nepomuck unfern Bruneck, kam das Gefährt des Weges, in welchem Hofer von Lienz zurückkehrte, wo er die officielle Botschaft des Waffenstillstands erfahren hatte. Kaum gewahrte er seinen Freund S. in solcher Gesellschaft, so rief er ihm zu: „Seppel, auch Du willst mich im Stich lassen? Sie führen Dich in die Schand’!“ Der Vorwurf schnitt S. in die Seele; ohne sich weiter um die Oesterreicher zu bekümmern, ohne auch nur nach seinem Hut zu greifen, sprang er aus dem Wagen und kehrte mit Hofer wieder um. In den folgenden Kämpfen mit Marschall Lefevbre zeigte er insbesondere bei Vertheidigung des Stilfserjochs neben persönlichem Muth auch eine natürliche taktische Begabung, die sogar die geschulten, kriegserfahrenen Officiere der französischen Armee in Erstaunen setzte. Dagegen scheint auch die für den Bauernaufstand so verderblich gewordene Ausdehnung des Kampfes auf baierisches Gebiet hauptsächlich auf Speckbacher’s und Haspinger’s Einfluß zurückzuführen zu sein. Vom neuen „Obercommandanten von Tirol“ am 21. August zum Untercommandanten für das Unterinnthal ernannt, drang S. ins Pinzgau ein; zu St. Johann im Pongau ward ihm die Freude zu theil, mit seinem Sohne Anderl, der sich inzwischen, obwol noch ein Knabe, durch tapfere Dienste ausgezeichnet hatte, zusammenzutreffen. Am 16. August leitete S. den Angriff auf Lofer, dann streifte er bis Reichenhall und Berchtesgaden. In einem öffentlichen Aufruf mahnte „Joseph S., erster Postencommandant“, die Bewohner des Salzkammerguts, sich den Tirolern anzuschließen; falls sie sich weigern würden, könne er „in seinem ferneren Kriegsplan keine Neutralität geben, und die Tiroler würden dann in diesem Fall die Gegenden auf ihrem Kriegszug mit Feuer und Schwert verwüsten.“ Namentlich in diesen Tagen bewährte sich S. als ein Mann von seltener Thatkraft, Unerschrockenheit und Ausdauer, wie ihn Rückert besang: „Der Speckbacher! Der Speckbacher! Wenn der die Schützen rief! Der Tag und Nacht, und Nacht und Tag dem Feinde auf dem Rücken lag, und selbst [80] des Nachts nicht schlief!“ S. und Haspinger gaben sich der ausschweifenden Hoffnung hin, sie könnten auch die Kärthner und Steirer für sich gewinnen und dann jählings aus den Bergen hervorbrechend, die französische Armee an der Donau im Rücken angreifen. Als aber im October französische und baierische Truppen auf drei Linien zugleich durch Inn-, Puster- und Etschthal in Tirol eindrangen, konnten auch die wagehalsigsten Anstrengungen Speckbacher’s und anderer Anführer die überlegene Macht nicht mehr aufhalten. Am 17. October erlitt S. bei Melegg unweit Unken wahrscheinlich infolge eigener Unvorsichtigkeit eine furchtbare Niederlage. Er selbst entrann nur mit Mühe der Gefangenschaft; schon hatten baierische Soldaten ihn zu Boden gestreckt und durch Stöße mit den Gewehrkolben fürchterlich zugerichtet, da raffte er sich nochmals auf und entkam, mit seiner Büchse wie ein Wahnsinniger um sich schlagend, auf das steile Gebirge. Sein Sohn Anderl aber und mehrere Hundert Genossen wurden gefangen genommen. Mit dem Tag von Melegg waren die Abtheilungen Speckbacher’s und Firler’s, die zu den besten des Landsturms gezählt hatten, theils vernichtet, theis zersprengt; die Tiroler hatten noch im ganzen Kriege keine so entscheidende Niederlage erlitten. Trotzdem ließ sich S. nicht abschrecken, er sammelte neuen Anhang und nochmals wurde das Innthal der Schauplatz kühner Thaten der Landesvertheidiger. Doch auf die Dauer ließ sich gegen die erdrückende Uebermacht nicht ankämpfen; Verwirrung und Schrecken verbreiteten sich im Lande, und Eintracht fehlte gerade da, wo sie am nothwendigsten gewesen wäre, im Kriegsrath der Bauern. Von Mühlthal aus erließ S. am 5. November „an alle Gemeinden und treuen Tiroler“ einen Aufruf, der Hofer’s Entschluß, den Brenner zu behaupten, bekannt gab, alle Tiroler zur Unterstützung mahnte und die Säumigen mit Confiscirung ihrer Habe, Ausschließung vom Gottesdienst, sogar mit Landesverweisung bedrohte. Doch solche Worte fanden nicht mehr den begeisterten Anklang, wie in der „Gnadenzeit“ der unerhörten Erfolge. Kirchthurm-Interessen machten sich geltend, Hofer’s Plan wurde verworfen, der Landsturm vertheilte sich zur Vertheidigung der einzelnen Thäler. Als endlich am Abschluß des Friedens, wodurch das Wiener Cabinet die Tiroler preisgab, nicht mehr zu zweifeln war und sich bei Prüfung der Lage jedem als Gewißheit aufdrängen mußte, daß die Fortführung des Kampfes nur den Ruin des Landes nach sich ziehen werde, beschloß auch S. sich von der Bewegung zurückzuziehen. Während er bei seiner Frau in einer Sennhütte zu Stallsinns verweilte, kam an ihn ein Brief des baierischen Generals Siebein, wodurch ihn dieser in Kenntniß setzte, daß König Max Joseph den als Gefangenen nach München geschleppten Anderl aufs freundlichste aufgenommen habe und auf seine Kosten im kgl. Erziehungsinstitut studiren lasse; mit dieser erfreulichen Nachricht war die Aufforderung verbunden, S. möge sich unterwerfen und auch seine Landsleute bestimmen, daß sie die gefallene Entscheidung und den Frieden respectirten. Zu gleicher Zeit kam aber auch Anzeige von Hofer, daß er den Kampf fortzusetzen gedenke, und S. griff wieder zur Büchse. Um nicht als Abtrünniger zu erscheinen, setzte er, wie Rapp naiv beklagt – es war doch nur die Aussicht auf Erfolg, nicht der Charakter der Bewegung verändert – „sein wahnsinniges, revolutionäres Treiben fort“. Ein neuer Aufruf blieb aber fast gänzlich wirkungslos. Noch ein zweites Mal erbat und erhielt er einen Sicherheitspaß; als er aber trotzdem fortfuhr, das Landvolk aufzuwiegeln, wurde ein Steckbrief gegen ihn erlassen und demjenigen, der ihn todt oder lebendig einbrächte, eine namhafte Belohnung zugesichert. Nun mußte er in der Flucht auf unwegsame Berge Rettung suchen. Nach entsetzlichen Strapazen gelangte er zu seinem Hof in Rinn; hier brachte er, im Düngerhaufen versteckt, in beständiger Furcht vor Entdeckung und Gefangennehmung zwei Monate zu; dann erst wagte er die Flucht nach Steiermark [81] fortzusetzen. Er kam glücklich nach Wien, wo ihm Kaiser Franz einen Gnadengehalt von tausend Gulden auswarf. In Wien lernte ihn der Berliner Diplomat Bartholdy kennen; aus diesen Beziehungen erklärt sich, daß S. in dem 1814 erschienenen Buch Bartholdy’s „Der Krieg der Tiroler Landsleute im Jahre 1809“ unverhältnißmäßig bedeutsam in den Vordergrund der Ereignisse gerückt ist. Hormayr macht sich deshalb über den Geschichtsschreiber, der sich von dem schlauen Tiroler „einseifen“ ließ, weidlich lustig; andrerseits steht ebenso fest, daß der eifersüchtige Hormayr in seinen Schriften über den Tiroler Aufstand die Wirksamkeit Speckbacher’s wie Andreas Hofer’s allzu gering anschlägt. Im allgemeinen ist die Charakteristik Staffler’s gewiß zutreffend. „S. hatte ausdruckvolle Gesichtszüge, ein ungemein scharfes Auge, eine hohe Gestalt, festen Körperbau und ungewöhnliche Muskelkraft. Auch seine Geisteseigenschaften erhoben ihn über Andere. Er vereinigte Scharfsinn und Kühnheit in seinen Plänen, volle Beharrlichkeit und unaufhaltsame Energie, oft Verwegenheit in der Ausführung, Muth und List in Noth und Gefahr. Immer thatkräftig und rasch entschlossen, schwankte er selten in der Wahl der Mittel. Dem Hause Oesterreich mit Leib und Seele zugethan, voll feuriger Liebe zu den heimathlichen Bergen, im Innthal überall gekannt und geachtet, war Niemand bereiter, der Volksbewaffnung sich anzuschließen, und Niemand geeigneter, eine wichtige Rolle dabei zu übernehmen.“ „Der kecke, verschlagene Rinner Gebirgsschütze“ sagt Josef Egger, „repräsentirte mit dem gutmüthigen, frommen Sandwirth ebenso treffend das tirolische Bauernthum, wie Achill und Odysseus das griechische Heroenthum.“ Ein von S. in Scene gesetztes und von Kaiser Franz unterstütztes Unternehmen, in Ungarn eine Colonie von ausgewanderten Tirolern und Vorarlbergern anzulegen, endete mit entschiedenem Mißerfolg. Schon der Platz, den S. und Thalguter aussuchten, war in keiner Weise zur Ansiedlung geeignet und ebenso wenig waren die Colonisten von „Königsgnad“ der Aufgabe gewachsen. Als 1813 nach dem Uebertritt Oesterreichs zu den Verbündeten eine neue Volkserhebung in Tirol geplant wurde, begab sich auch S. mit den kaiserlichen Truppen in seine Heimath und leistete bei den Kämpfen mit den Franzosen gute Dienste. Nach der Wiedervereinigung Tirols mit Oesterreich siedelte er nach Hall über; mit Titel und Pension eines k. k. Majors ausgestattet, lebte er hier bis zu seinem Tode. Im Juni 1858 wurden Speckbacher’s Gebeine aus dem Haller Kirchhof ausgegraben und neben Hofer’s Ueberresten in der Hofkirche zu Innsbruck bestattet.

Bartholdy, der Krieg der Tiroler Landleute im Jahre 1809 (1814). – Hormayr, J. S., im Taschenbuch für vaterl. Gesch., 33. Bd. (1844). – Joh. Gg. Mayr, Der Mann von Rinn (1851). – Rapp, Tirol im J. 1809, in der Zeitschr. des Ferdinandeums, 3. Folge, 1. Bd. (1853). – Egger, Geschichte Tirols, 3. Bd. (1880) – Wurzbach, 36. Bd., S. 119.