ADB:Rapp, Joseph
[295] Poesie und Rhetorik als Oberstufe des sechsclassigen Gymnasiums beendigt hatte, wandte er sich an der Landesuniversität den damaligen philosophischen Studien zu, welche den Durchgang zu den andern Facultäten abgaben. In diese Studienzeit fällt das geräuschvolle Kriegsjahr 1799. Der Einbruch der Franzosen nach Westtirol bewirkte das Aufgebot des Tiroler Landsturmes. Im Gefolge der Steinacher Studentencompagnie, dem Hauptmann Anton Natter als Fourier zur Seite, zog der 19jährige R. zum erstenmale gegen den Landesfeind. Das Jahr darauf (1800) gab es zwei Züge des Landsturmes an die bairische Landesgrenze und R. rückte damals zum Lieutenant und Oberlieutenant vor; ja er wurde von der Stubaier Compagnie infolge der Verhinderung des Hauptmannes an dessen Stelle erwählt und erwarb sich in dieser Eigenschaft die Anerkennung des Schützenmajors Grafen Thurn und Taxis und des Landeshauptmannes Paris Grafen v. Wolkenstein. Nach Abschluß des Waffenstillstandes ging es wieder an die Studien. R. erwählte sich, obschon er in den ersten Curs der Theologie eingetreten war, die Laufbahn der Rechtsstudien. Im J. 1803 Doctor der Rechte geworden, begann R. die Beamtenpraxis in Bozen, wurde 1804 an Stelle des erkrankten Professors Schuler Supplent des öffentlichen und des Privat-Kirchenrechtes, behielt jedoch die praktische Laufbahn im Auge, zu welchem Ende er in die Kammerprocuratur eintrat. Mit dieser Praxis verband er die Supplirung des tirolischen Privatrechtes an der Universität. Als zweiter unbesoldeter Adjunct des Innsbrucker Hauptcriminalgerichts (Spätjahr 1805) bekam er mit den Kriegsnöthen des Landes zu thun. 1806 wurde R. nach Ablegung der Advocaturprüfung in die Liste der Innsbrucker Advocaten eingetragen, zog jedoch die zweite Fiscaladjunctenstelle bei der Kammerprocuratur vor. Damals war Tirol bairisch geworden, und die Neugestaltungen des Jahres 1808, zufolge deren das Land förmlich provinzialisirt wurde, führten die Auflösung der Innsbrucker Kammerprocuratur herbei, womit die Versetzung Rapp’s in der Eigenschaft eines juridischen Finanzrathes nach Trient, in den Etschkreis, Hand in Hand ging. Als der Aufstand der Tiroler gegen die bairisch-französische Fremdherrschaft (1809) Tirol wieder österreichisch machte, kam R. infolge Verfügung des damaligen k. k. Intendanten, Freiherrn v. Hormayr, als Finanzrath des Innkreises nach Innsbruck zurück. Aber bald trat die neue schlimme Wendung ein, und auch R. gerieth in eine schlimme Lage, da er von der bairischen Regierung beseitigt wurde und zu Ende des Jahres 1810 ganz mittellos in Wien eintraf. Hier glückte es ihm, 1811 eine Advocatenstelle zu erlangen und dieselbe 1812 mit einem Wechsel-Notariatsposten zu vertauschen. In gesicherterer Lebensstellung gründete er in Wien seinen häuslichen Heerd, indem er eine Landsmännin, Anna v. Stolz, aus Deutsch-Matrei, seinem Heimathsorte, zur Frau nahm. Sobald jedoch das Vaterland für Oesterreich dauernd wieder zurückgewonnen war, zog es ihn heimwärts, und dies umsomehr, als die Wiederherstellung der Innsbrucker Kammerprocuratur (1816) ihm den willkommenen Posten eines Leiters derselben mit dem Titel eines k. k. Gubernialrathes verschaffte. 1817 wurde R. überdies Director der juridischen Studien. 1829 als Kammerprocurator nach Linz übersiedelnd, blieb er nahezu 20 Jahre dem Heimathlande fern. In diese Zeit fallen seine wissenschaftlichen Arbeiten zur Landes- und Rechtsgeschichte Tirols. Den Anfang machten 1835 seine „Abhandlungen über die Künstler Thomas und Joseph Lang“ im 1. Bande der vom Tiroler Landesmuseum (Ferdinandeum) herausgegebenen Zeitschrift für Tirol und Vorarlberg. Von bahnbrechender Bedeutung erscheinen jedoch die umfang- und inhaltreichen Aufsätze „Ueber das vaterländische Statutenwesen“ in drei Abtheilungen, im 3., 5. und 8. Bande dieser Zeitschrift. R. theilt seine Aufgaben in zwei Perioden, „wovon die erste den Rechtszustand unsers [296] Vaterlandes vor, die zweite denselben nach dem Erscheinen und Zusammenwirken aller vier Stände des Landes Tirol im weiteren Sinne, und mit Hinblick auf Vorarlberg darstellen soll“ (S. 39, Abth. 3). Jede Abtheilung ist mit einem ziemlich starken Urkundenabhange versehen. In die Zeit des Aufenthaltes in Linz fällt auch die Abfassung eines Werkes, das, bereits 1845 im Manuscripte vollendet, erst 1853 als 1., 2., 3. Heft der genannten Zeitschrift (III. Folge) erschien und einen starken Band (VIII u. 876 8°) füllt, unter dem Titel „Tirol im Jahre 1809; nach Urkunden dargestellt von Dr. Joseph Rapp, jubilirtem k. k. Gubernialrath und Kammerprocurator zu Innsbruck“. 1848 hatte nämlich R. mit dem Innsbrucker Kammerprocurator v. Fluck einen Dienstpostentausch gemacht, 1849 als Mitglied der Landescommission zur Durchführung der Grundentlastung und als Stellvertreter des gleich ihm streng conservativen Ministerialcommissärs Dr. Hasslwanter, in der Uebergangsära gewirkt und seit der Durchführung der neuen Unterrichtsorganisation das Präsidium der theoretischen Staatsprüfungscommission übernommen, welches Amt er bis 1859 führte, obschon seine Pensionirung als Kammerprocurator und Gubernialrath bereits am 25. October 1851 eingetreten war. Sein völliges Ruheleben schloß 1865 ab. – Das oben erwähnte Werk beruht, abgesehen von den Erinnerungen eines Zeitgenossen und Augenzeugen, auf einem reichhaltigen Litteratur- und Actenbestande, und behandelt in sechs Hauptabschnitten oder Perioden die Geschichte des Jahres 1809 von den Vorbereitungen zum allgemeinen Aufstande des Landes bis zum Ausgange der dritten Insurrection und den Folgen des Aufstandes. Im Schlußcapitel (S. 819 ff.) wird von der Tiroler Hofcommission in Wien, von den englischen Subsidien für Tirol und Vorarlberg, von der Tiroler-Ansiedlung im Banate und von dem damaligen k. k. Intendanten, Freiherrn v. Hormayr gehandelt. Findet sich in Rapp’s Darstellung wiederholt eine und die andere Berichtigung der bezüglichen historischen Werke Hormayr’s, so beschäftigt sich das Schlußwort des Rapp’schen Werkes mit den Geldschulden der Landesvertheidigung, „zu deren Bezahlung das österreichische Aerar entweder durch förmliche Verträge oder durch die Natur der Sache und die wiederholten feierlichsten Zusicherungen verpflichtet worden war“, und der Handlungsweise Hormayr’s in dieser Richtung. Sie wird auf das schärfste verurtheilt. R. schreibt darüber folgendes (S. 828 u. 829): „Da der Freiherr v. Hormayr als gewesener Intendant des österreichischen Truppencorps in Tirol von diesem Gegenstand die genaueste Kenntniß besaß und hierüber die erste und gewichtigste Stimme führte, so war von einem Manne, welcher die gewaltigen Flammen des Aufstandes nicht nur angezündet, sondern durch alle ihm zu Gebote gestandenen Mittel verbreitet und genährt, überdies in Tirol sein Vaterland hatte, mit vollem Rechte zu erwarten, daß er sich für die Bezahlung der Schulden auf möglichste Weise verwenden werde. Allein, wie schmerzlich fand man sich hierin getäuscht, als man erfuhr, daß eben Hormayr die Liquidität der Forderungen am heftigsten bestritt und sich ihrer Befriedigung aus dem österreichischen Aerar widersetzte! Dieses unnatürliche und widerrechtliche Benehmen konnte man sich nur dadurch erklären, daß Hormayr durch Abweisung des größten Theiles der Tiroler Forderungen sich die schwere Rechnungslegung über seine Verwaltung erleichtern wollte.“ Speciell aber wird mit Hinweis auf die Darstellung des Rapp’schen Geschichtswerkes (377–691) Hormayr einer „schändlichen Lüge“ geziehen, wenn er vorgebe, daß „das mit seiner Zustimmung von dem Finanzrathe Rapp (Verf. dieses Buches) negocirte Darlehen wenig Erfolg gehabt und daß R. mit einigen Begleitern ihm (Hormayr) nach Sachsenburg nachgeeilt sei, und dem Intendanten die Unterschrift einer Obligation über das projectirte aber nicht voll gewordene freiwillige Darlehen von 30 000 Gulden abgerungen habe, worin für diese [297] Summe gleiche Vorrechte und gleiche Sicherheit mit den gezwungenen Anlehen nachträglich stipulirt werden sollten“. – Ueberhaupt bildet Rapp’s Buch eine fortlaufende Kritik der Hormayr’schen Darstellung und theilweise eine Ehrenrettung des von Hormayr verunglimpften Hofer, dessen Persönlichkeit sehr eingehend (576 ff.) charakterisirt erscheint. „Freiherr von Hormayr“, äußert sich R. (S. 590), „welcher den edeln Hofer in allen seinen Ministerialberichten möglichst herabzuwürdigen und zu verläumden suchte, hat an ihm (nichts weniger als ein willfähriges Werkzeug seiner Umtriebe) „einen Popanz des Volkes“ gefunden. Hofer sah sich schon im Mai (1809) bestimmt, mit dem Intendanten seine Verbindungen thunlichst abzubrechen, gegen den er bei jeder Gelegenheit Mißtrauen und Unzufriedenheit ausgesprochen, sowie alle Correspondenz mit ihm vermieden hat. Er merkte nur zu gut, daß bei dem Intendanten die Schlechtigkeit des Charakters im Verhältnisse mit dem ungeheuren Umfange seiner Talente stand“ … Stofflich zählt Rapp’s Geschichtswerk zu den wichtigsten Darstellungen dieser Epoche und in dieser Beziehung hat es – da die Handschrift des Buches im Ferdinandeum hinterlag – der Verfasser des Buches „Das Thal Passeier mit besonderer Rücksicht auf Andreas Hofer und das Jahr 1809“ – wie R. in dem Vorwort bemerkt – „sehr fleißig und mit einer Treue benutzt, die es nicht nöthig fand, ihre Quelle zu citiren“(!). Die Urkundensammlung zu seinem Werke hat R. im Archive des Innsbrucker Nationalmuseums hinterlegt.
Rapp: Joseph R., tirolischer Staatsbeamter, Rechtshistoriker und Geschichtsschreiber, geboren am 28. Februar 1780 in Deutsch-Matrei bei Innsbruck, an der Brennerstraße, † zu Innsbruck am 30. Juni 1865. Als Kind einer wenig bemittelten Bäckerfamilie, welche für die Studien mehrerer Söhne nicht leicht aufkommen konnte, wurde der begabte Musterschüler der höhern Studienlaufbahn, dem Gymnasium und der Universität, nur durch fremdes Wohlwollen und Fürsprechen zugeführt. Die Lateinschule besuchte R. seit 1792. Nachdem er die vier Grammatikalclassen zurückgelegt und die sog. Humanitätsclassen: