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Artikel „Weber, Beda“ von Wilhelm Bäumker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 283–285, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Weber,_Beda&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 01:09 Uhr UTC)
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Weber: Beda W. wurde am 26. October 1798 zu Lienz in Tirol geboren und erhielt in der Taufe den Namen Johann Chrysanth. Nachdem er in der Ortsschule der Franciscaner unterrichtet worden war, erlernte er auf den Wunsch seines Vaters drei Jahre lang das Schusterhandwerk und war eben im Begriff, als Geselle in die Welt zu reisen, als sein früherer Lehrer, der Franciscaner Spiegelgraber, ihn im letzten Augenblicke veranlaßte, den Studien sich zu widmen. Ein halbes Jahr lang erhielt er von dem genannten Pater Unterricht in der lateinischen Sprache und ging dann zum Gymnasium nach Botzen, wo er in vier Jahren seine Studien vollendete. Um die Kosten seines Unterhaltes zu bestreiten, übernahm er Hauslehrerstellen u. a. bei dem Baron Josef von Giovanelli und dessen Schwester Antonia, deren Söhnen er Unterricht ertheilte. Nebenbei studirte er planlos besonders die Nächte hindurch, verdarb sich sein Gesicht, seine Gesundheit und alle frische Ansicht des Lebens. Scheinbar unheilbar an der Brust leidend, bezog er im Herbste 1818 die Hochschule in Innsbruck, um Philosophie zu studiren. „Damals lehrten dort“, sagt er, „fast lauter Männer der Josefinischen Schule in offenbarem Widerspruch mit der Kirche, zum Theil Spötter im Sinne der lüderlichen Encyklopädisten.“ Nebenbei betrieb er das Studium der alten und neuern Sprachen, der Kirchengeschichte und deutschen Litteratur, die er bisher fast ganz vernachlässigt hatte. Unterdessen hatte die Luft des Innthales ihn wider Erwarten gesund gemacht. So trat er im October des Jahres 1820 mit Pius Zingerle zu Marienberg (Südtirol) in den Benedictinerorden ein. Nach Ablegung der Klostergelübde (21. October 1821), wobei er den Namen Beda annahm, wurde er wieder zur Universität Innsbruck geschickt und studirte unter Bartoldi, Heilmoser, Probst und andern zwei Jahre lang Theologie. „Hier bestand ich“, sagt er, „die schmerzlichsten Studiennöthen meines Lebens, da ich fast immer im Hader lag mit der Schule des Tages, die mich mit tödtlicher Langweile erdrückte, das Hebräische ausgenommen, das mich anzog und zur Lesung der Psalmen trieb. Der unwillkürliche Widerwillen gegen alle diese josephinischen Jämmerlichkeiten zur Knechtung des freien kirchlichen Lebens verließ mich zeither nie mehr.“ Im Herbste 1823 schickte man ihn auf die bischöfliche Lehranstalt nach Brixen, um Moral und Dogmatik zu studiren. Hier fand er namentlich an dem Professor A. Stapf einen väterlichen Freund, der durch seine Milde wesentlich dazu beitrug, „das ausschweifend Wilde seiner bisherigen Art zu studiren, auf ein gehöriges Maß zurückzuführen“. Nachdem er am 18. September 1824 daselbst zum Priester geweiht worden war, studirte er eine Zeit lang an der bischöflichen Lehranstalt zu Trient Pastoral und was damit zusammenhängt. „Auch hier“, bemerkt er, „ging die Schule an mir fast ganz verloren. Ich hatte keinen Sinn für Theorieen, die ins Unendliche ausgesponnen wurden von Leuten, denen die praktische Seelsorge gänzlich unbekannt war.“ Im Juni des Jahres 1825 trat er zur Seelsorge über als Kaplan in der Pfarre Burgeis im Vintschgau. Aber schon nach dreizehn Monaten wurde er wieder abberufen und als Professor an dem von den Marienberger Benedictinern geleiteten Gymnasium in Meran angestellt, welches Amt er dreizehn Jahre lang bekleidete, nebenbei in der Seelsorge aushelfend. Auf seine Bitten hin wurde er dann als Kaplan nach St. Martin in Passeier gesandt, wo er zwei Jahre lang in der Seelsorge thätig war, um dann wieder als Professor nach Meran zu gehen. Hier blieb er bis zum Jahre 1848. Unterdessen reiste er im Sommer des Jahres 1829 über Florenz und Assisi nach Rom, und nach längerem Aufenthalte in der ewigen Stadt über Loreto und Venedig nach Tirol zurück, mit Eindrücken von mannichfaltigster Wirkung für sein ganzes Leben. Nach seiner Rückkehr von Rom begann W. seine schriftstellerische Thätigkeit durch Uebersetzung des Werkes: [284] „Ueber das Priesterthum“ vom h. Chrysostomus. Sodann widmete er sich der Tiroler Geschichte, woraus das Werk erwuchs „Das Land Tirol“. Ein Zufall führte ihn in das Gebiet der christlichen Mystik, die ihn sechs Jahre lang festhielt. Studien halber reiste er abermals nach Italien und hielt sich öfter und länger in Verona, Venedig und Mailand auf. Als zufällige Früchte dieser Richtung können „Tirol und die Reformation“, „Giovanna Maria della Croce“ und „Blüthen heiliger Liebe“ angesehen werden.

Im J. 1848 brachte ihn die Wahl seiner Landsleute zur Nationalversammlung nach Frankfurt. Hier entwickelte er nicht nur im Parlamente und in der Presse eine rege Thätigkeit, sondern wirkte auch in der Stadt und Umgegend aushelfend in der Seelsorge und als Prediger. So kam es, daß er die erledigte Stadtpfarrstelle erhielt und damit zugleich Domcapitular der Diöcese Limburg wurde. Seine Wirksamkeit als Stadtpfarrer war thaten- und segensreich. Einige Jahre vor seinem Tode leitete er noch die Restauration des Frankfurter Domes ein. Er starb am 28. Februar 1858 ziemlich unerwartet an einem Herzschlage. Die Akademien der Wissenschaften zu Wien und München hatten ihn zu ihrem Mitgliede ernannt.

W. hat zahlreiche Schriften herausgegeben, über die wir ein Urtheil finden in H. Kurz, Gesch. d. deutschen Litteratur 4, 34 (1872): W. ist ein vollblütiger Ultramontaner, und er gesteht es selbst: „Ja, ich bin Ultramontaner, mit den Worten, mit der That.“ Freilich will er mit dem Worte eine schönere Bedeutung verbinden, indem er hinzufügt: „Laßt uns alle Ultra sein, Ultra in der Lieb und Treue Für das Vaterland, das freie!“ Diese Richtung tritt auch in seinen „Liedern aus Tirol“ scharf hervor. Es ist in denselben eine reiche Phantasie und Gestaltungsgabe nicht zu verkennen, und seine Naturbilder sind kräftig gezeichnet; allein meistens verschwimmen seine Gedanken in mystischer Ueberschwänglichkeit, die an Clemens Brentano erinnert. Die anonym erschienenen „Vormärzlichen Lieder“ sind von ihm, obgleich er sie später verleugnete. W. hat sich außerdem durch sein inhaltreiches Werk „Das Land Tirol“ und die Ausgabe der Gedichte Oswald’s von Wolkenstein, dessen Leben er auch schilderte, verdient gemacht. Großes Interesse gewähren seine „Characterbilder“, wenn diese auch im entschieden ultramontanen und reactionären Sinne geschrieben sind. Später (4, 491) schreibt Kurz: W. hat in der Tragödie „Spartakus“ den fruchtbaren Stoff glücklich behandelt. Die Motive sind einfach, aber wahrhaft tragisch. Die Darstellung ist würdig, artet aber hie und da in Trivialität aus. Seine geschichtlichen Werke, sagt A. von Pichler, sind gewandt und schwungvoll geschrieben, das ersetzt jedoch nicht den Mangel an Objectivität und Verständniß der Urkunden. Ebenso fehlten ihm für die Ausgabe der Gedichte Oswald’s von Wolkenstein die sprachlichen Kenntnisse (Beitr. z. deutschen Litteraturgesch. Siehe unten). Ueber seine Predigten urtheilen die kath. Litteraturblätter zur Zeitschrift Sion 1852, Nr. 5, sie gehörten zum besten, was die deutsche Predigtlitteratur aufzuweisen habe.

Schriften: „Chrysostomus, sechs Bücher vom Priesterthum übersetzt“ (Innsbruck 1833); „Meran und seine Umgebung“ (das. 1835/45); „Das Land Tirol. Ein Handbuch für Reisende“ (3 Bde., das. 1837/38); „Innsbruck. Histor.-topogr.-statist. Gemälde dieser Stadt“ (das. 1838); „Denkbuch der Erbhuldigung in Tirol“ (das. 1838); „Tirol und die Reformation. In histor. Bildern und Fragmenten“ (das. 1841); „Lieder aus Tirol“ (Stuttgart und Tübingen 1842); „Blüthen heil. Liebe und Andacht. Aus den Schriften der Giovanna Maria vom Kreuze“ (Innsbruck 1845); „Giovanna Maria della Croce und ihre Zeit“ (Regensburg 1846. 2. Aufl. 1848. 3. Aufl. 1877); „Die Gedichte Oswald’s von Wolkenstein“ (Innsbruck 1847); „Die Stadt Bozen und ihre Umgebungen“ [285] (Bozen 1850); „Oswald von Wolkenstein und Friedrich mit der leeren Tasche“ (Innsbruck 1850); „Predigten ans Tiroler Volk“ (Frankfurt a. M. 1851); „Das Thal Passeier und seine Bewohner. Mit besonderer Rücksicht auf Andreas Hofer und das Jahr 1809“ (das. 1852); „Charakterbilder“ (Frankfurt a. M. 1853); „Cartons aus dem deutschen Kirchenleben“ (Mainz 1858); „Vormärzliche Lieder aus Tirol“ (Jena 1850). (Nach einer Angabe, die W. selbst Kehrein gemacht hat, sind einzelne Gedichte von ihm. Vgl. Kehrein, Biographisch-litterar. Lexikon II. Bd. 1871, S. 237. v. Pichler sagt, sie rührten alle von ihm her.) Zahlreiche Aufsätze aus seiner Feder brachten die „Kath. Blätter aus Tirol“, die „Histor.-polit. Blätter“ und das „Frankfurter Kath. Kirchenblatt“ 1853 und 1854.

Beda Weber’s Selbstbiographie in der Zeitung „Deutschland“ 1858. Nr. 69. Belletristisch-litterar. Beilage. – Beda Weber. Lebens- und Litteraturbild. Regensburg 1858. – A. von Pichler, Beiträge zur deutschen Litteraturgeschichte in der Oesterreichischen Wochenschrift für Wissenschaft und Kunst. N. F. 2. Bd. Wien 1872, S. 338–342 und S. 363–865. – Beda Weber von Dr. A. Muth in der Zeitschrift „Alte und neue Welt“ 15. Jahrg. (1881), S. 103 ff. und S. 135 ff.