ADB:Chasteler, Johann Gabriel Marquis von

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Artikel „Chasteler, Johann Gabriel Marquis von“ von Carl von Landmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 110–113, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Chasteler,_Johann_Gabriel_Marquis_von&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 18:12 Uhr UTC)
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Chasteler: Johann Gabriel Marquis v. Ch., der hervorragendste Ingenieurofficier des österreichischen Heeres in den Kriegen zu Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, geb. 22. Januar 1763 auf dem Schlosse Malbais bei Mons im damaligen österreichischen Flandern, † 7. Mai 1825 als k. k. Feldzeugmeister und Commandant von Venedig. Frühzeitig verließ Ch. das elterliche Haus; nachdem er in französischen Erziehungsanstalten zu Lille und Metz seine Schulbildung erhalten, trat er mit 13 Jahren als Cadet in ein österreichisches Infanterieregiment und erhielt nach zweijähriger Dienstzeit auf Betreiben seines Vaters die Erlaubniß, zu höherer kriegswissenschaftlicher Ausbildung die Ingenieur-Akademie in Wien zu besuchen. 1780 zum Unterlieutenant im Ingenieurcorps befördert, fand er in den nächsten Jahren Verwendung beim Bau der Festung Theresienstadt und kurze Zeit (1785) auch bei dem in den Niederlanden stehenden Heere, dessen Aufstellung der indessen bald beigelegte Streit mit den Holländern wegen der Scheldeschifffahrt nothwendig gemacht hatte. – Zum Kriege gegen die Pforte, 1788–1791, welche auf günstige Allianzen bauend, sich gegen Rußland erklärt hatte, stellte Oesterreich als Bundesgenosse ein Heer von 200000 Mann unter Lacy auf; Ch., welcher schon im Herbst 1787 zu den in der Bukowina stehenden Truppen abgeschickt worden war, hatte während dieses für die kaiserlichen Waffen so glänzenden Krieges vielfache Gelegenheit, sich als Ingenieur sowie in Dienstleistung als Generalstabsofficier in hervorragender Weise auszuzeichnen und rückte zum Major vor. Während der Waffenruhe des Winters 1790–91 war er mit anderen Officieren mit Aufnahme der Wallachei und Herstellung einer Karte dieses Landes beauftragt. Im Frühjahr nach Wien zurückgekehrt, wurde er in Anerkennung seiner Verdienste zu der in Brüssel stehenden Arcieren-Garde des Statthalters der Niederlande versetzt. – Erneute Thätigkeit als Ingenieur fand Ch. in dem 1792 ausgebrochenen Kriege gegen Frankreich. Nachdem er zuerst an der Herstellung der Festungswerke von Namur gearbeitet, nahm er rühmlichen Antheil an der vom Herzog Albert von Sachsen-Teschen geführten Belagerung und Einnahme von Lille. Der Tag von Jemappes hatte den Sieg auf die Seite der Franzosen neigen machen und den Oesterreichern fiel damit die Defensive zu: Ch. fand seine Stelle bei der Vertheidigung von Namur. Nach ehrenvollem Widerstande mußte die Festung an den französischen General Valence von Dumouriez’ Armee übergeben werden, und Ch. kam in feindliche Gefangenschaft. 1793 ausgewechselt, nachdem inzwischen Prinz Josias von Coburg an die französische Grenze vorgerückt war, nahm Ch. Theil an der [111] Belagerung von Valenciennes; bei der darauf folgenden Eroberung des verschanzten Lagers zwischen Bouchain und Cambray (camp de César) diente er als Führer von Clerfait’s Angriffscolonnen; dann wohnte er noch den Belagerungen von Le Quesney und Maubeuge bei. Die Siege der verbündeten Heere hatten inzwischen das Waffenaufgebot in Frankreich hervorgerufen: die von den Oesterreichern verlorene Schlacht von Wattigny am 15. und 16. October war das erste Anzeichen einer Wendung der Dinge. Als Führer von Infanterie-Abtheilungen hatte Ch. sich freiwillig am Kampfe betheiligt und war schwer verwundet worden. Wieder genesen eilte er 1794 auf den Kriegsschauplatz zurück, wo keine Partei inzwischen wesentliche Fortschritte gemacht hatte, und fand Verwendung bei der Belagerung von Landrecy und beim Entsatz von Charleroi, dann, als die Franzosen entschiedene Vortheile erlangt hatten, wurde ihm die Leitung der Befestigungsarbeiten von Lüttich übertragen. Die vom Prinzen von Coburg verlorene Schlacht von Fleurus entschied indessen den Feldzug und auch Clerfait, welcher an des genannten Stelle den Oberbefehl übernommen hatte, konnte nur mehr einen geordneten Rückzug über den Rhein ausführen; von diesem wurde Ch. Ende September nach Mainz als Ingenieur-Officier vom Platze beordert. In dieser Festung, welche bei dem allgemeinen Vorrücken der feindlichen Heere eine sehr hohe strategische Bedeutung erhielt, war Ch. so zu sagen ganz in seinem Elemente. Der Gouverneur ging auf Chasteler’s Ideen ein, und so wurde die Vertheidigung von Mainz als ein Muster von thätiger Vertheidigung während der 13monatlichen Umschließung durchgeführt, fortwährende Ausfälle gegen die Belagerungsarbeiten der Franzosen wiesen letzteren mehr eine defensive denn eine offensive Rolle zu, Ch. war die Seele aller dieser Unternehmungen. Durch die Operationen der Feldarmee unter Clerfait war inzwischen die Einschließung der Festung auf dem rechten Rheinufer aufgehoben worden. In der Nacht des 28. Oct. 1795 führte derselbe dann einen Theil seiner Truppen nach Mainz und unternahm am 29. Oct. mit 30000 Mann einen Ausfall gegen die feindlichen Verschanzungen des linken Rheinufers. In drei Colonnen geschah der Vormarsch, Ch. führte die mittlere derselben; die französischen Linien wurden erstürmt und unter Zurücklassung von 138 Geschützen traten die Franzosen eiligst den Rückzug an. In Würdigung seiner Verdienste schickte Clerfait Ch. mit der Siegesnachricht nach Wien, wo er vom Kaiser zum Oberst im Generalstabe befördert wurde. Von 1795 auf 1796 war Ch. als Commissär bei der durch die Theilung Polens nothwendig gewordenen Grenzberichtigung verwendet und später traf ihn dieselbe Aufgabe nach dem Frieden von Campo Formio bezüglich des von Oesterreich zu übernehmenden venetianischen Gebietes. Diese Angelegenheit führte ihn mit einem der bedeutendsten französischen Ingenieur-Officiere, dem gleichfalls als Commissär beorderten General Chasseloup zusammen und bot ihm ferner Gelegenheit, im persönlichen Verkehr mit dem Obergeneral Bonaparte die Ansichten dieses jungen Feldherrn über Kriegführung und die letzten Kriegsereignisse insbesondere aus dessen eigenem Munde zu hören. Im J. 1798 bereiste Ch. im höheren Auftrage zuerst Gallizien, dann Tirol und Venetien, um über die Vertheidigungsfähigkeit dieser Grenzgebiete ein Gutachten abzugeben.

Der Feldzug des Jahres 1799 sah Ch. als Generalquartiermeister des russisch-österreichischen Heeres unter Suwarow in Oberitalien. Inwieweit Chasteler’s Thätigkeit auf den günstigen Verlauf der Operationen von Einfluß war, läßt sich aus den vorhandenen Nachrichten nicht beurtheilen; an der siegreichen Schlacht an der Trebbia (17.–19. Juni) gegen Macdonald wird ihm indessen ein besonderes Verdienst zugeschrieben. Erfolg auf Erfolg krönte die Waffen der Verbündeten, doch Ch. konnte dem so glänzenden Feldzuge nicht bis zum Schlusse beiwohnen, da er bei der Einnahme der Citadelle von Alessandria [112] schwer verwundet wurde. Von seiner Wunde hergestellt kam Ch. 1800 als zweiter Generalquartiermeister zum Stabe des General Kray, welcher das Heer in Deutschland gegenüber Moreau befehligte. Hier ging es nun weniger glücklich; in einer Reihe von unglücklichen Gefechten, bei Engen, Möskirch etc., verlor die deutsche Armee mehr und mehr Terrain. Während des Waffenstillstandes, welcher der Entscheidungsschlacht von Hohenlinden voranging, wurde Ch. abbefohlen, um das Commando einer Brigade in Tirol zu übernehmen, die dortige Volksbewaffnung zu organisiren und einen Plan über die Vertheidigung des Landes festzustellen. Der Friede von Luneville ließ jedoch die getroffenen Anordnungen nicht mehr zur Verwerthung bringen, um so mehr wurde dafür Tirol durch den unglücklichen Gang des Krieges 1805 in Mitleidenschaft gezogen. In diesem Kriege stand Ch. als Befehlshaber einer Division in Nordtirol unter Commando des Erzherzogs Johann. Obwol mit Vortheil auf der am meisten vertheidigungsfähigen Linie gegen die von Norden vordringende baierische Division Deroy gekämpft wurde, so konnte doch gegen die übrigen von Süden und Westen und von Salzburg vorgehenden französischen und baierischen Heeresabtheilungen auf die Dauer nicht Widerstand geleistet werden. Bei St. Johann sammelte Ch. seine Truppen und trat über den Radstädter Tauern den Rückzug nach Klagenfurt an, um sich dort am 24. November mit dem Erzherzog zu vereinigen, welcher seine Stellung am Brenner geräumt hatte. Vor Abschluß des Preßburger Friedens gab es in dieser Gegend noch Gefechte mit dem von Süden anrückenden Corps Marmont. Während 1806–1807 stand Ch. als Divisions-Commandeur in Graz, im darauffolgenden Jahre leitete er die Befestigungsarbeiten von Komorn. Beim Ausbruch des Krieges von 1809 wurde Ch. der Oberbefehl über das bei Klagenfurt versammelte achte Armeecorps anvertraut. Zur Unterstützung des Aufstandes in Tirol rückte er im April mit 10000 Mann im Pusterthale vor. Die Tiroler hatten inzwischen über 5000 Mann der baierisch-französischen Besatzung nach einigen in der Umgegend von Innsbruck stattgehabten Gefechten gefangen genommen und die übrigen zum Rückzuge gezwungen, auch gegen den von Italien vorrückenden General Baraguay d’Hilliers[WS 1] glückliche Kämpfe bestanden. Doch als von Norden die drei baierischen Divisionen unter Lefebre[WS 2] vorrückten, wendete sich das Glück von den Oesterreichern. Ch. vermochte weder den Entsatz von Kufstein durch die Division Deroy zu hindern, noch Wrede bei Wörgl aufzuhalten. Nachdem auch noch durch das Vorrücken des Vicekönigs von Italien nach Villach der Rückzug ins Innere bedroht wurde, verließ Ch. unter Zurücklassung einer Brigade Tirol und zog durch Kärnthen nach Steyermark zur Vereinigung mit Giulay, dem Ban von Croatien, welcher dem von Dalmatien im Anmarsche befindlichen Marschall Marmont gegenüber stand. Der Friede machte bald darauf den Kämpfen ein Ende.

Für Chasteler’s Beurtheilung sind die beiden letzten Feldzüge insoferne von Bedeutung, als deren Verlauf zeigte, daß Ch. die Fähigkeiten des höhern Truppenführers nicht in dem Grade eigen waren wie die des Ingenieur-Officiers. Er war nicht im Stande gewesen, das Land zu behaupten, welches sich dreimal durch eigene Kraft vom Feinde frei gemacht hatte. Seine weitere Verwendung spricht auch dafür, daß man in Wien den ihm hauptsächlich passenden Wirkungskreis richtig erkannte. Von 1811–12 amtirte er als Territorial-Commandant von Schlesien und 1813 leitete er die Vertheidigungsarbeiten von Prag. Bei Ausbruch der Feindseligkeiten erhielt er das Commando einer Reserve-Division. An den Schlachttagen von Dresden und Culm spielte er im Reserve-Verhältnisse eine untergeordnete Rolle; bald darauf wurde er als General-Feldzeugmeister Gouverneur der Festung Theresienstadt, fand jedoch später wieder Verwendung bei der Einschließung und Uebergabe des verschanzten Lagers von Dresden. Den Feldzügen [113] nach Frankreich wohnte Ch. nicht mehr bei, während 1814 war er beim Wiener Congreß mit militärischen Ausarbeitungen beauftragt und im December dieses Jahres ernannte ihn der Kaiser zum Commandanten von Venedig. In dieser Stellung war ihm nun wieder Gelegenheit geboten, seine Kenntnisse und vielfachen Erfahrungen im Ingenieurdienst zu verwerthen. Die Instandsetzung und Instandhaltung des für Oesterreich so wichtigen Platzes war für die nächste Zeit, auch nach geschlossenem Frieden, Gegenstand seiner unermüdlichen Sorgfalt. Wenigen hervorragenden Männern haben schon die Zeitgenossen so allgemein Hochachtung gezollt wie Ch.: in jeder Beziehung vortreffliche Charaktereigenschaften, scharfer Verstand und allseitige Bildung sind ihm von jeder Seite zuerkannt worden. In der Richtung, für welche er sich vornehmlich ausgebildet hatte, im Ingenieurdienst und im Festungskriege, hat er hervorragendes geleistet, – über den Ingenieur-Officier ist er aber auch nicht hinausgekommen. Den Aufgaben der höheren Truppenführung, welche mit mehr wechselnden Größen zu rechnen hat als der Kampf um feste Objecte, war sein Geist nicht gewachsen. Wie 14 erhaltene Wunden beweisen, verleitete ihn öfter hervorragender persönlicher Muth sich mehr der Gefahr auszusetzen, als im Vortheile einer richtigen Gefechtsleitung lag.

Oesterr. milit. Zeitschr. 1827. Schels, Kriegsgeschichte der Oesterreicher, 1844. Schweigerd, Oesterr. Helden und Heerführer, 1855.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Louis Baraguey d’Hilliers (* 13. August 1764 in Paris; † Dezember 1812 in Berlin), französischer General.
  2. François-Joseph Lefebvre, Herzog von Danzig (* 25. Oktober 1755 in Rouffach/Elsass; † 14. September 1820 in Paris), französischer Revolutionsgeneral und Marschall von Frankreich.