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Artikel „Haspinger, Joachim Johann Simon“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 746–750, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Haspinger,_Johann_Simon&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 02:06 Uhr UTC)
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Haspinger: Joachim Johann Simon H., tiroler Landesvertheidiger, wurde am 28. October 1776 im Dorf St. Martin im Gsießthal geboren. Seine Eltern, wohlhabende Bauersleute, bestimmten ihn für den geistlichen Stand; er begann jedoch erst in seinem 17. Lebensjahre Gymnasialstudien zu Bozen und unterbrach dieselben schon 1796, um in die Pusterthaler Schützencompagnie einzutreten, die zum Schutze der Landesgrenze im Ampezzaner Thal auf Vorposten zog. Bei einem auf eigene Faust unternommenen Streifzuge gelang ihm die Gefangennehmung eines französischen Stabsofficiers; die silberne Tapferkeitsmedaille war der Lohn für die waghalsige That. Auch im nächsten Jahr nahm er Theil an den Kämpfen gegen die Franzosen unter Joubert, namentlich am blutigen Gefecht auf der Höhe bei Spinges, wodurch sich Joubert zur Räumung des Pusterthals genöthigt sah. Nach Beendigung des Feldzugs kehrte H. zur Fortsetzung seiner Studien nach Bozen zurück und bezog 1799 die Universität Innsbruck. Noch im nämlichen Jahre aber griff er bei Erneuung des Krieges zwischen Oesterreich und Frankreich wieder zum Stutzen und zeichnete sich bei einer wichtigen Waffenthat seiner Compagnie im Taufersthal durch Geistesgegenwart und Unerschrockenheit aus. Nach Innsbruck zurückgekehrt, scheint er den Entschluß gefaßt zu haben, die geistliche Laufbahn aufzugeben, denn er studirte einige Semester Medicin; im November 1802 trat er jedoch in den Orden der minderen Brüder und wurde in das Kapuzinerkloster zu Eppan bei Bozen aufgenommen, wobei er den Klosternamen Joachim erhielt. Nach Vollendung der theologischen Studien wurde er am 1. September 1805 in Meran zum Priester geweiht und sodann als Prediger in das Kloster zu Schlanders im Vintschgau versetzt. Sein Wirken in der Seelsorge war jedoch nicht von langer Dauer. Für den unruhigen Charakter Haspinger’s war ein still beschauliches Klosterleben unerträglich. Als noch im nämlichen Jahre Oesterreich an Frankreich den Krieg erklärte, regte sich im Kapuziner die Soldatennatur, er trat wieder in die Reihe der Landesvertheidiger, diesmal als Feldpater. Sein geistliches Amt hielt ihn aber nicht ab, selbst am Kampfe Theil zu nehmen, und die frommen Tiroler folgten williger dem Führer in der Kutte, als einem „lateinischen Schützen“, wie der Volksmund spottend die Officiere der regulären Armee nannte. Nach dem für Oesterreich so unglücklichen Ausgang des Feldzugs kehrte H. nach Schlanders zurück. Der Preßburger Friedensvertrag vereinigte Tirol mit Baiern, und die kirchenpolizeilichen Neuerungen, die seit dem Regierungsantritt Max Josephs in Pfalz-Baiern durchgeführt waren, wurden nun auch auf das neuerworbene Gebirgsland ausgedehnt. Sie waren für den Ausbau eines modernen Staats, wie ihn der Minister Montgelas anstrebte, eine politische Nothwendigkeit, aber das mit zäher Beharrlichkeit im Guten, wie im Schlimmen am Althergebrachten hangende tiroler Volk wurde dadurch mehr als durch alle anderen Maßregeln der bairischen Regierung gegen die neuen Landesherren gereizt und sann auf Aufruhr und Befreiung. Besonders streng ging die Regierung gegen die Mendikantenklöster vor, da sie wol kaum mit Unrecht annahm, daß durch ihre mit dem Volk in engstem Verkehr stehenden Mönche die Unzufriedenheit genährt und geschürt werde. Gleich anderen Kapuzinerklöstern wurde auch Schlanders im August 1808 von einer Militärabtheilung besetzt und die Väter wurden nach anderen Orten transportirt. Pater H. kam in das sogenannte Centralkloster zu Klausen zwischen Brixen und Bozen. Ein für die Geschichte Tirols classischer Boden. Hoch über der Heerstraße und dem Städtchen Klausen erhebt sich auf senkrecht steilem Felsen das Stift Säben, der älteste Bischofssitz in Tirol. Das Kapuzinerklösterchen ist eine Stiftung der Königin Maria Anna von Spanien, der Gattin des letzten spanischen Habsburgers, die für ihren Beichtvater, den tiroler Kapuziner P. Gabriel Pontifeser, dieses Asyl herrichten ließ. Der wilde, rauhe [747] Charakter der Landschaft legt unwillkürlich einen Vergleich mit der Sinnesart jenes Mannes nahe, der nach eigenem Geständniß schon lange vor Ausbruch des Aufstands die Bauern des Eisackthales zum Widerstand gegen die verhaßten Blauröcke, diese „Atheisten und Freimaurer“, aufreizte. Der Unmuth des Mönchs und der Thalbewohner wurde noch dadurch gesteigert, daß die bairische Regierung damals Anstalten traf, den reichen Kirchenschatz der Lorettocapelle zu Klausen, der eine große Anzahl von Geschenken jener spanischen Königin und darunter Vieles von hohem Kunstwerth umfaßt, in die königlichen Sammlungen abzuführen. Mit dem Sandwirth Hofer von früher bekannt, schloß sich H. bald jener Verschwörung an, deren Fäden in den Gemächern des Erzherzogs Johann zusammenliefen, und als sich im April 1809 das tiroler Volk zu Gunsten des habsburgischen Kaiserhauses erhob, verließ er sein Kloster, um, wie ein zweiter Peter von Amiens, den Kampf gegen die Ungläubigen anzufachen. Seine Erscheinung war überaus grotesk. Als Kopfbedeckung trug er einen abgenützten niederen Bauernhut mit breiten Krempen, auf einer Seite aufgestülpt und mit einem Gemsbart und einer Feder geziert, so wie es Sitte der „Robler“, der handwerksmäßigen Raufer seiner Heimath. Ueber der Kutte hing ein Dragonersäbel, grobe Bauernschuhe bedeckten die Füße. Wegen seines struppigen, fuchsrothen Barts gaben ihm Freund und Feind den Namen Rothbart. Auf dem Marsch und im Gefecht trug er einen weißen Stecken mit einem geschnitzten Bild des hl. Franciscus. Nachdem in den ersten glücklichen Treffen eine Menge Pferde erbeutet worden war, bediente er sich einer Kalesche mit zwei kleinen Pferden oder stieg auch wol selbst zu Pferd, um rascher die Bewegungen seiner Rotten leiten zu können. Die Regeln der Taktik waren ihm ebenso fremd, wie fast allen übrigen Führern, allein daraus gerade zogen sie großen Vortheil, daß sie allen Gesetzen der Kriegskunst zuwider, aber immer unter geschickter Benutzung der Terrainverhältnisse den Augenblick auszubeuten verstanden und dadurch, in allen Bewegungen überraschend, verblüfften und überrumpelten. H. war Feldpater und Hauptmann zugleich. Im entscheidenden Kampf am Berg Isel (29. Mai) war ihm die Leitung des ganzen linken Flügels anvertraut. Er führte mit kühnster Entschlossenheit die Seinen zum Angriff auf die Höhen von Natters, durch rastlosen Zuruf anfeuernd, jedes Hindernisses und jeder Gefahr spottend. Den ganzen heißen Tag über blieb er ohne Nahrung und Trank; am Abend, als sich die Entscheidung schon zu Gunsten der Tiroler geneigt hatte, stürmte er noch das Dorf Wilten und richtete die erbeuteten feindlichen Geschütze gegen die verschanzte Triumphpforte der Stadt Innsbruck. Am nächsten Tag zog er unter dem Jubelruf seiner Schützen in die Hauptstadt ein, wurde aber im dortigen Kapuzinerkloster nichts weniger als freundlich empfangen, ja der Provincial verbot ihm sogar, sich an der Fortsetzung des Kampfes selbstthätig zu betheiligen, bis Hofer den strengen Anwalt der Regel des hl. Franciscus zum Nachgeben bewog. Ueber den Antheil, den der Kapuziner durch Rath und That an der weiteren Entwickelung des Aufstandes nahm, schrieb er selbst nach Beendigung des Krieges das Denkwürdigste nieder; diese Mittheilungen sind sowohl der Schrift des preußischen Gesandtschaftsecretärs in Wien, Bartholdy, über den Tiroler Aufstand als der von Schallhammer verfaßten Biographie des „Tiroler Heldenpredigers“ zu Grunde gelegt. Damit contrastiren freilich seltsam andere Aufzeichnungen, welche eigenen Angaben Haspinger’s nachgeschrieben sein sollen, woraus Streiter einige Auszüge mittheilt. Hierin persiflirt der „zweite Johannes Capistranus“ sich selbst und die ganze Volkserhebung weidlich und spricht namentlich von Hofer’s Geistesgaben und Muth mit überraschender Geringschätzung. Als Quelle dürfte wohl dieses kaum ernsthaft gemeinte Machwerk ebenso wenig unbedingt Glauben verdienen, wie jene Auto-Apologie. Keinem [748] Zweifel unterliegt, daß er unter allen Bauernführern am entschlossensten und zähesten an der Idee des Widerstands, des Kampfes bis auf’s Messer festhielt und auch nach dem Abzug der österreichischen Truppen von keinem Nachgeben und Ruhehalten wissen wollte. In den ersten Tagen des Monats August leitete er neben Mayrhofer die Vertheidigung der Bergpässe nächst der Brixner Klause. Hier im Eisackthal war es, wo sich auf Haspinger’s Rath die Landesvertheidiger mit gräßlichem Erfolg einer bisher in männermordenden Schlachten unbekannten Waffe, der sogenannten Steinbatterien, bedienten, indem sie „die Berge wandeln ließen“, ungeheure Felstrümmer von den Höhen herabwälzten, so daß die Schlucht für Roß und Mann der sächsischen Colonnen ein ungeheures Grab wurde. Am 13. August befehligte H. am Berge Isel wieder, wie im früheren Treffen, den linken Flügel. Seine Schützen vereitelten den Versuch des Marschalls Lefebvre, von der Gallwiese aus den Feind zu umgehen; den ganzen Tag über war das Rößlein des Kapuziners in den vordersten Reihen sichtbar, am Abend fiel er in Folge der übermenschlichen Anstrengung in schwere Ohnmacht. Der unerwartet glückliche, ans Wunderbare grenzende Erfolg der zweiten Schilderhebung ließ nun aber auch den Tollkühnen alle Vorsicht und kluge Beschränkung vergessen. Die abenteuerlichsten Gedanken und Hoffnungen wurden in ihm rege, er glaubte sich allen Ernstes dazu berufen, Napoleon selbst, das „Thier der Apokalypse“, zu besiegen und gefangen zu nehmen. Obwol Hofer mit einer Ausdehnung des Kampfes auf nichttirolisches Gebiet durchaus nicht einverstanden war und alle Besonnenen von dem weitaussehenden Unternehmen abriethen, faßte H. den Plan, alle Gebirgsvölker der österreichischen Lande zum Kampf aufzurufen, Salzburg im Sturm zu nehmen und dann gegen Napoleon nach Wien vorzurücken. Wie aus einem Schneeballen rasch ein Schneeberg wird, der als Lawine in das Thal niederdonnert, so hoffte er, mit seinen schwärmerisch begeisterten Schaaren Alles mit sich fortreißen, jeden Widerstand zermalmen zu können. Der Gedanke einer sicilianischen Vesper schwebte ihm vor, vom Bodensee bis zum Sömmering sollte sich Alles stürmisch gegen die Fremdherrschaft erheben. Er beachtete nicht, daß sich ungeheure, ungeordnete Massen wol aufregen, aber schwer zu einheitlichem Vorgehen leiten lassen. Anfänglich glückte alles über Erwarten. Ein wichtiger strategischer Punkt, Werfen, wurde genommen, der Luegpaß durch Wunder der Tapferkeit erstürmt, H. war Meister des Pinzgaues und Pongaues, die Straße nach Salzburg in seinen Händen. „Wenn Jeder seine Schuldigkeit thut“, sagt er in einem „im Namen des Herrn Andreas Hofer m. p.“ erlassenen Tagesbefehl vom 22. Septbr. 1809, „so werden wir in kurzen gerettet sein und unsern guten Kaiser zu Hilfe kommen und ihn aus den Klauen Napoleons retten.“ Am 3. November wurden jedoch bei Hallein die Landesvertheidiger, die sich unbegreiflicher Sorglosigkeit überlassen hatten, plötzlich durch Kanonenschüsse aufgeschreckt. Marschall Lefebvre selbst setzte den Angriff in Scene. Die Bauern geriethen in äußerste Verwirrung, sodaß sie sogar mit Zurücklassung ihrer Kanonen in die Berge flohen. Nur H. mit wenigen Tapferen hielt Stand, es kam in Hallein noch zu blutigem Straßenkampf, aber endlich wurden die Bauern zum Rückzug genöthigt. Der Fall von Hallein zog auch die Räumung von Berchtesgaden nach sich, und noch gefährlicher war die moralische Wirkung der Niederlage: der Glaube an die Unbesiegbarkeit des geistlichen Feldhauptmanns war vernichtet, alle Bande der ohnehin nur lockeren Disciplin waren gelöst. Dazu kam noch die Uneinigkeit der Führer, namentlich H. klagte stets über Hofer’s Unentschlossenheit und hielt es oft gar nicht der Mühe werth, den Obercommandanten von seinen Plänen zu unterrichten. Von Tag zu Tag lichteten sich mehr seine Schaaren, und als Speckbacher am 17. October im Salachthal eine furchtbare Niederlage erlitt, lösten sich die Angriffscolonnen, [749] die zur Befreiung Wiens und Gefangennehmung Napoleon’s ausgezogen waren, fast gänzlich auf. Bei nüchterner Beurtheilung der Lage konnte auch Niemand verhehlen, daß Tirol sich nicht länger gegen die Uebermacht der Franzosen und Baiern behaupten könne, und im Hauptquartier Hofer’s selbst war ruhige Ueberlegung eingekehrt. Schon war der Obercommandant Willens, die angebotenen Friedensbedingungen anzunehmen und die Waffen niederzulegen, – als H. eintraf und unheilvollsten Einfluß auf den wankelmüthigen Hauptführer der Erhebung gewann. Nach Hormayr träfe den Priester Donay die Schuld, die Fortsetzung des nutzlosen Kampfes veranlaßt zu haben. Nach allen übrigen Angaben aber war es H., der Alles, was von Frieden zwischen Oesterreich und Frankreich gefaselt werde, als eitel Lügenbotschaft bezeichnete und schon den Gedanken einer Unterwerfung als himmelschreienden Landesverrath brandmarkte. Die eigenen Landsleute Haspinger’s fällen über ihn das strengste Urtheil. Beda Weber nennt ihn „Hofer’s bösen Geist“, und Rapp sagt: „Alles Unheil, was jetzt noch über das unglückliche Land kam, selbst Hofer’s Hinrichtung, wie die Unfälle im salzburgischen Gebirge, sind als des Kapuziner’s Werk anzusehen.“ H. zerriß die bairischen Proclamationen, Hofer schenkte seinem sinnlosen Rath, nochmals das Waffenglück zu versuchen, Gehör, und zum dritten Mal kam es am 1. November am Berg Isel zum Entscheidungskampf. Schon nach dreistündigem Kampf war der Sieg der Baiern entschieden, obwol H. beim Schloß Ambras zwei Stürme glücklich abgewiesen hatte. Am 2. November hielt Hofer mit Speckbacher und H. und andren Getreuen neuerdings Berathung in Steinach. Auch hier eiferte der Kapuziner gegen Frieden und Unterwerfung und suchte darzulegen, daß das Schreiben des Erzherzogs Johann, das die Tiroler zu Nachgiebigkeit und Waffenruhe aufforderte, nur eine betrügerische Fälschung verrätherischer Gesellen. Er drang jedoch mit dieser Ansicht nicht mehr durch, Hofer und alle Deputirten sahen ein, daß nach dem definitiven Friedensschluß das verlassene tiroler Volk nicht allein den Kampf gegen Napoleon fortführen könne. Alle Anwesenden unterzeichneten eine Unterwerfungsacte, nur H. entfernte sich voll Zorn und Unmuth und stellte sich nochmals in Klausen an die Spitze der Bauern, die den Durchbruch des Feindes nach Bozen hindern wollten. Der Versuch mißlang, fast das ganze Land war in den Händen der Baiern und ihrer Verbündeten. Jetzt konnte den von den Blauröcken ebenso gefürchteten, wie gehaßten Rothbart nur schleunigste Flucht retten. Er begab sich zuerst in die Schweiz; weil er sich aber hier nicht sicher fühlte, da die französische Regierung mit Eifer seine Auslieferung betrieb, flüchtete er auf Schloß Tschengls im Vintschgau, wo er neun Monate lang in einer Stube verborgen war, bis er auch hier verrathen wurde und abermals in die Schweiz fliehen mußte. In Chur arbeitete er als Tapezierer unter dem Namen Johann Gruster und nach Verlauf eines Jahres gab ihm die Behörde auf diesen Namen einen Paß, mit dem er durch Oberitalien nach Klagenfurt schlich. Hier war er auf österreichischem Boden und fand Sicherheit und eine Versorgung aus der Cabinetscasse des Kaisers. Der Erzbischof von Wien, Graf Hohenwart, drang jedoch darauf, daß er, da ein Ordensbruder auch nicht für Religion und Vaterland zu den Waffen greifen dürfe, säcularisirt werde. Man übertrug ihm daher eine Pfarre in Niederösterreich. Als nach dem russischen Feldzug ein Umschwung der österreichischen Politik eintrat und Krieg gegen Napoleon aufs neue ins Auge gefaßt wurde, betraute man die ehemaligen Führer des tiroler Aufstands, darunter auch H., mit geheimen Missionen, um in den in Feindeshand gerathenen Kronlanden eine Erhebung vorzubereiten und die feindlichen Streitkräfte auszuforschen. H. war beauftragt, in Oberitalien über Stärke und Bewegungen der italienischen Armee unter Vicekönig Eugen Kundschaft zu bringen, und entledigte [750] sich der Aufgabe mit Glück und Gewandtheit. An der neuen Erhebung der Tiroler gegen die Baiern, die inzwischen selbst Bundesgenossen Oesterreichs geworden waren, dem „Satyrspiel des Aufstandes von Anno Neun“, scheint H. nicht betheiligt gewesen zu sein. Bis 1836 lebte er als Pfarrer zu Traunfeld; wegen Kränklichkeit in Ruhestand versetzt, siedelte er nach Hietzing bei Wien über und hatte nun Nichts mehr zu thun, als bei einem Glas Wein von 1809 zu erzählen. An den Ereignissen der Gegenwart nahm der Hochbetagte keinen Antheil, bis 1848 die Kunde kam, daß die Italiener in seine Heimath eingefallen seien. Da litt es den alten tiroler Schützen nicht länger in friedlichen Kreisen. Als die Landsleute, die sich in Wien aufhielten, den Beschluß faßten, eine Compagnie zu bilden und an die bedrohte Grenze zu marschiren, schrieb auch H. in die Liste ein: „Joachim H. gibt Blut und Leben für Gott, Kaiser und Vaterland!“ Sein Antrag, als Feldpater mitzugehen, wurde mit Jubel aufgenommen, und auch in allen Städten, welche die Compagnie auf ihrem Marsch berührte, wurde der Zweiundsiebenzigjährige voll Theilnahme begrüßt. Auf die Ereignisse in Tirol wirkte er nicht mehr unmittelbar ein, doch überkam bei der Rede, die H. vor Ertheilung der Generalabsolution zu Roveredo hielt, die jungen Tiroler, welche dem Feinde entgegenzogen, eine Ahnung dessen, was dieser Greis einst gewesen. Nach dem kurzen Feldzug begab er sich nach Wien zurück, siedelte aber bald nach Salzburg über, wo er sein 50jähriges Priesterjubiläum feierte. Durch kaiserliche Gnade wurde ihm eine Freiwohnung im Residenzschloß Mirabell gewährt. Nun saß er Tag für Tag im Schloßgarten. „Bei einer Ansprache“, schreibt ein Correspondent des Kirchenblatts 1855, „dankt er wohl freundlich, ist aber wortkarg; spricht man jedoch von der Landesvertheidigung Tirols, dann beginnt sein Blut zu wallen, neues Leben kehrt in die erstarrten Glieder, er sieht im Geiste die treu ihm folgenden Schaaren und schildert mit solcher Geistesfrische die Ereignisse jener Zeit, als hätten sie erst gestern sich zugetragen.“ Sein Verhältniß zu Hofer charakterisirte er selbst am richtigsten: „Hofer war mehr Geistlicher als Soldat, bei mir war es gerade das Gegentheil.“ Am 12. Januar 1858 entschlief er. Das nämliche Bataillon des tiroler Jägerregiments, welches 1823 die Asche Hofer’s aus Mantua nach Tirol brachte, gab auch der Leiche Haspinger’s das Grabgeleite.

Schallhammer, Biographie des Tiroler Heldenpriesters Joachim Haspinger. – Beilage zur Augsburger Allgem. Zeitung, Jahrg. 1858, Nr. 20. – Bartholdy, der Krieg der Tyroler Landleute im Jahre 1809. – J. Rapp, Tirol im Jahre 1809. – Beda Weber, Das Thal Passeier und seine Bewohner mit besonderer Rücksicht auf A. Hofer und das Jahr 1809. – Peternader, Tirols Landesvertheidigung nebst Biographien etc. merkwürdiger Tiroler Landesvertheidiger, III. Bd., S. 214. – Streiter, Blätter aus Tirol, S. 94: Haspinger und Donay.