ADB:Kosegarten, Ludwig Gotthard

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kosegarten, Ludwig Gotthard“ von Adolf Häckermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 745–751, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kosegarten,_Ludwig_Gotthard&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 11:34 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Kosegarten, Gottfried
Nächster>>>
Kosegarten, Wilhelm
Band 16 (1882), S. 745–751 (Quelle).
Ludwig Gotthard Kosegarten bei Wikisource
Ludwig Gotthard Kosegarten in der Wikipedia
Ludwig Gotthard Kosegarten in Wikidata
GND-Nummer 11898618X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|16|745|751|Kosegarten, Ludwig Gotthard|Adolf Häckermann|ADB:Kosegarten, Ludwig Gotthard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11898618X}}    

Kosegarten: Ludwig Gotthard K., Dichter und Universitätslehrer, geb. zu Grevesmühlen in Mecklenburg zwischen Wismar und Lübeck am 1. Februar 1758 als Sohn des dortigen Präpositus Bernhard Christian K. und † am 26. October 1818. Unter der Leitung mehrerer Hauslehrer und seines Vaters, welcher mit ernstem religiösen Sinn gelehrte und philosophische Bildung verband und auch zu Kant’s Verehrern gehörte, obschon er gegen dessen „Religion innerhalb der Grenzen der Vernunft“ Protest erhob, genoß er den ersten Unterricht. Bald weckte der frühe Tod seiner Mutter am 15. Mai 1762, deren Bild ihm tief in die Seele geprägt blieb, einen Hang zur Abgeschlossenheit und tieferen Einkehr in sich selbst, so daß schon im 11. Lebensjahre sowol ein ungewöhnlicher Eifer und Fortschritt im Lernen als Neigung zur Dichtkunst bei ihm hervortrat. Er gewann eine tüchtige Kenntniß der klassischen und neueren Sprachen sowie der hebräischen, studirte fleißig Geschichte und las daneben mit großem Eifer englische und französische schönwissenschaftliche Werke, Volksmärchen und alte Kirchenlieder. Seine eigenen kleineren und größeren Gedichte waren bereits in seinem 16. Lebensjahre zu einer kleinen Sammlung angewachsen. Am Charfreitage, den 1. April 1774 Nachmittags hielt er noch vor dem Abgang zur Universität Greifswald seine erste Predigt; daß der Vater für den Sohn die pommersche Hochschule wählte und ihn die Landesuniversitäten Rostock und Bützow vermeiden ließ, geschah darum, weil er ihn von dem in Mecklenburg vorherrschenden Pietismus fern halten wollte. Am 18. September 1775 reiste er von Grevesmühlen nach Greifswald ab. In der Theologie waren vornehmlich der Generalsuperintendent [746] Stenzler, die Professoren Brockmann und Quistorp, in der Philosophie Peter Ahlwardt und J. Chr. Muhrbeck, in der Geschichte Peter Möller, in der Lectüre Homer’s Trågard, in der Horazischen Kellmann, in der Naturgeschichte Otto seine Lehrer; persönlich näher trat ihm Muhrbeck sowol wegen seiner philosophischen Richtung, wie sich dieselbe namentlich in seiner Vorlesung über natürliche Theologie aussprach als auch wegen seiner liebreichen Gesinnung. Durch innige Freundschaft war er namentlich mit dem späteren akademischen Künstler Gottfried Quistorp und Franz Gering verbunden, denen er auch seine ersten im Druck erschienenen Liedersammlungen widmete. Indessen erwarb ihm seine vom Feuer der Jugend entflammte poetische Schöpferkraft auch in weiterem Umfange die Achtung der Professoren und Studirenden, namentlich die religiöse Hymne „Das Wehen des Allliebenden“, sowie die am 24. Januar 1777 am Geburtstage König Gustavs III. im akademischen Auditorium gehaltene Festrede über wahre Fürstengröße, welche er zugleich mit der für die Feier gedichteten Hymne „An den Genius des Nordens“ herausgab. Die zu Greifswald und Rostock gedichteten Lieder erschienen im März dieses Jahres unter dem Titel „Melancholien“. Ostern 1777 besuchte er mit seinem Freunde Gering die benachbarte Stadt Wolgast, wo er später seine erste Anstellung finden sollte, und nicht nur die Gegend, sondern auch die Trümmer des alten pommerschen herzoglichen Schlosses zogen ihn mächtig an. „Im Mondschein“, schrieb er in seinem vortrefflich geführten Tagebuche, sei es ein „prächtiger ossianischer Anblick, schön und düster.“ Weitere Fahrten unternahm er dann nach dem Eilande Rügen und erregte dort durch seine Kanzelreden sowie Poesien allgemeine Aufmerksamkeit. Nachdem er dann Michaelis 1777 nach zweijähriger Abwesenheit die Vaterstadt wieder besucht hatte, begann er nun seine achtjährige Thätigkeit als Hauslehrer zuerst bei dem Landvogt Carl Gustav v. Wolfradt in Bergen auf Rügen. Hier entstanden u. A. die Gedichte „Der Nachtsturm“ und „Rugard im Schnee“; auch gab ihm ein Weihnachtsaufenthalt, durch welchen er mit dem schön gelegenen Ralow bekannt wurde, die erste Anregung zu seinen später an dasselbe gerichteten Gesängen. Zugleich suchte er in den Kreisen der gebildeten Gesellschaft gegen die vorherrschende Verehrung der französischen Tragiker Shakespeare’s dichterischen Genius hervorzuheben, mit dem er damals durch Eschenburg’s Uebersetzung genauer bekannt geworden war. Im April 1778 dichtete er die Elegien an Agnes und veröffentlichte die zweite Sammlung seiner Poesieen „Thränen und Wonnen“, sowie 1779 das Trauerspiel „Darmond und Allwina“, in welchem er, ähnlich wie Goethe im Werther (1774), den Schmerz unglücklicher Liebe und die Demüthigung, welche die Ungleichheit des Standes hervorruft, in ergreifender Weise schildert, und 1780 „Weuna oder die Thränen des Wiedersehens“. In den Frühling des genannten Jahres 1780, da er eine Stelle als Hauslehrer bei Herrn v. Kantzow auf Zansebur zwischen Stralsund und Barth angenommen hatte, fällt ein Lebensereigniß, welches für die künftige Entwickelung seiner Poesie eine gleiche Bedeutung gewann, wie Goethe’s Neigung zu Friederike Brion in Sesenheim. Auf den benachbarten Gütern Lassentin und Todenhagen lernte er nämlich Dorothea Hagenow, die Tochter des dortigen Domänenpächters, aus einer im J. 1802 geadelten Familie, kennen und fühlte sich bald, bei gleicher Bildung der Seele und des Gemüthes, mit ihr in innigster Neigung verbunden. Leider wurde dieser Bund im J. 1782 durch die Härte des Vaters, der vielleicht an dem schwärmerischen Charakter des Jünglings und dem Mangel einer amtlichen Stellung Anstoß nahm, getrennt und Dorothea gezwungen, sich mit dem um mehr als 20 Jahre älteren Pastor Otto zu Niepars zu vermählen. Mehrere Briefe, ein Tagebuch aus dieser Zeit und 33 bisher noch ungedruckte Gedichte bezeugen die Tiefe seiner Empfindungen und seines Schmerzes; von letzteren sind [747] mehrere, u. A. das zum Verlobungsringe, deshalb wichtig, weil der Frohsinn der ersten Jugendliebe seiner Posie einen ebenso einfachen harmonischen Klang verleiht, wie ihn das Sesenheimer Liederbuch zeigt. Ebenso läßt sich vermuthen, daß der tiefe Schmerz über die Zerstörung seines Liebesglückes ihn in der Folge zu jener düsteren Ueberschwänglichkeit führte, welcher, in Nachahmung von Ossian, Young und Klopstock, der damalige Zeitgeschmack huldigte. Einen deutlichen Beweis für diese Behauptung können wir in dem, nach zwei späteren Bearbeitungen (Kos. Dicht. 1812, V. 143, 1824, IX. 126, wo die Jahreszahl 1778 unrichtig ist) gedruckten Gedichte „Der Himmelswagen“ finden, dessen erste Fassung von 1780, abgesehen von einigen sprachlichen Härten, eine viel einfachere und schönere Form zeigt. (Die 33 Gedichte, u. a. Originalhandschriften, nebst einer Biographie der Braut († 1844) befinden sich, ein Geschenk des Fräulein Bertha Balthasar, einer Enkelin von Dorothea, auf der Universitätsbibliothek zu Greifswald.) In Folge dieses schmerzlichen Erlebnisses gab er die Stelle in Zansebur auf und lebte in ähnlichen Verhältnissen in Mecklenburg und auf Rügen. Hier schrieb er, durch die Lectüre Petrarka’s und Tasso’s angeregt, „Ewalds Rosenmonde“, übersetzte die 12 ersten Gesänge von Homer’s Odyssee, sowie aus den Werken Milton’s und Thomson’s und begann auch die altnordische Litteratur in den Kreis seiner schriftstellerischen Bestrebungen zu ziehen. Nachdem er dann im Juli 1781 das theologische Examen zu Greifswald bestanden, wurde er im Sommer 1785 als Rector an die Stadtschule nach Wolgast berufen und erhielt zugleich von der philosophischen Facultat zu Bützow die Magisterwürde, bei welcher Gelegenheit er die ästhetische Abhandlung „De pulcro essentiali, ex placitis veterum“, Lipsiae 1785, herausgab. Neben der Ausübung seiner amtlichen Pflichten, denen er sich bis zur Erschöpfung seiner körperlichen Kräfte unterzog, ertheilte er nicht nur weiblicher Jugend Privatunterricht, sondern war auch unausgesetzt schriftstellerisch thätig. Unter seinen Schülern hatte er die Freude zwei besonders begabte Talente, den als lyrischen Dichter bekannten Karl Lappe (s. d. Art.) aus Wusterhusen und den geistvollen Maler Philipp Otto Runge (s. d. Art.) aus Wolgast zu fördern. Im Herbste des Jahres 1786 verheirathete er sich mit seines verstorbenen Freundes, des Pastors Linde zu Casneviz zweiter Tochter Katharina und verlebte seitdem die Ferienzeit häufig auf dem bei Greifswald gelegenen Gute Klein-Kiesow, welches ein Bruder seines Schwiegervaters bewohnte. Der ruhige beschauliche Aufenthalt an diesem ländlichen Wohnsitze gab ihm Gelegenheit mit neuen Dichtungen hervorzutreten, unter denen „Psyche, ein Märchen des Alterthums“, die erste Ausgabe seiner Gedichte, der erste Band der Rhapsodien, dem später noch zwei Bände folgten, „Ewalds Rosenmonde, herausgegeben von Tellow“, Haining’s Briefe an Emma, ferner die Uebersetzungen von Pratt’s Freudenzögling, der Clarissa von Richardson, von Smith’s Theorie der sittlichen Gefühle und Goldsmith’s römischer Geschichte zu nennen sind. Letztere widmete er dem Kronprinzen, späteren Könige Gustav IV. Adolph von Schweden und stellte ihm in der Vorrede die Willkür der Herrschergewalt als das größte Uebel dar, eine Mahnung, welche der Prinz günstig aufnahm mit dem Bemerken, daß er nur den Ruhm eines Titus erstrebe. Als sich K. nun in der Folge um die erledigte Pfarre Altenkirchen auf Wittow, der nördlichsten Halbinsel Rügens bewarb, während er eine Berufung zum Hofprediger der Königin von England und außerdem zum Rector des kaiserlichen Lyceums zu Riga mit dem Diaconat zu St. Jakobi ablehnte, hatte er es namentlich dem Einflusse des Kronprinzen zu verdanken, daß er die reich dotirte Pfarre erhielt. Zuvor in Greifswald ordinirt, trat er das neue Amt schon im Juni 1792 an und fühlte sich bald in Altenkirchen auf der einsamen vom Meere umwogten Halbinsel überaus glücklich. Auch sein Familienkreis erweiterte sich, indem der zu Wolgast im Sommer 1789 [748] geborenen Tochter Alwina zu Altenkirchen am 10. September 1792 ein Sohn folgte, der später als Orientalist und Historiker berühmt gewordene Johann Gottfried Ludwig K. (s. o. S. 742). Das neue Amt gab ihm nicht nur kirchliche, sondern auch weltliche Geschäfte mancherlei Art, da zu der Pfarre in 25 Dörfern und Höfen eine zahlreiche Gemeinde gehörte, welche mit ihrem Seelsorger nicht nur in kirchlicher Verbindung, sondern auch unter seiner Patrimonialgerichtsbarkeit stand, so daß man in allen wichtigen Vorkommnissen des täglichen Lebens seinen Rath einholte und sich zwischen der Gemeinde und ihm als deren Pfarrer, Richter, Patron und Vormund ein wahrhaft patriarchalisches Verhältniß bildete. Dabei hatte er zur Zeit des Heringsfanges in dem Filial Vitte im Angesichte des Meeres die sogenannten Uferpredigten zu halten, die er in seinem Gedichte „Jukunde“ anschaulich geschildert. Den Gottesdienst hielt er streng in seinen alten, dem Volke heilig gewordenen Gebräuchen, war ein Feind der modernisirten Lehr- und Gesangbücher und zog ihnen Katechismus, Lieder und Formeln Martin Luther’s, Paul Gerhard’s und Johann Bugenhagen’s vor. Was den Geist seiner Predigten anbetrifft, so bemerkt K. selbst in der Geschichte seines 50. Lebensjahres, daß er im Interesse der beginnenden Aufklärung eine Weile dem Glauben an Teufel, Gespenster und Hexen den Krieg gemacht und gemeinnützige Kenntnisse aus der Diätetik und Oeconomie von der Kanzel zu verbreiten gesucht habe, bald aber zu der Ueberzeugung von der Ungehörigkeit dessen gelangt sei und sich fortan darauf beschränkt habe, die Glaubens- und Sittenlehre vorzutragen sowie Liebe und Hoffnung zu beleben. Er entsagte dem einseitigen Bestreben möglichst populär zu sein und bemühte sich statt hernieder zu steigen zu den Zuhörern, diese vielmehr zu sich emporzuheben; dabei trug er seine Predigten frei nach summarischer Disposition und mit dem lebhaftesten Gemüthsausdruck vor. Was der Prediger zu erstreben und zu leisten habe, veranschaulicht sein dem Consistorialrath Biederstedt in Greifswald zu dessen Amtsjubelfeier überreichtes Festgedicht. Auch das Leben frommer Männer der Vorzeit, wie das des Ignatius und des vaterlandsliebenden Nikolaus von der Flüe, schilderte er mitunter in historischen Kanzelvorträgen; Spener’s Erbauungsschriften schätzte er vor Allen und war ein Freund der evangelischen Brüderunität, deren reisende Mitglieder ihn bisweilen besuchten. Einzelne seiner Predigten wie diejenige beim Amtsantritt in Altenkirchen wurden monographisch veröffentlicht, andere findet man in der Eusebia und in den Rhapsodien. Zu den dort herausgegebenen Schriften religiösen Inhalts gehören auch die genannte „Eusebia, ein Jahrbuch zur Beförderung der Religiosität“ und „Der Prediger, wie er sein sollte, dargestellt im Leben des Baptistenpredigers Robert Robinson“. Von seinen Amtsgeschäften suchte er am liebsten Erholung in Ausflügen nach der Capellenbrink, dem Vorgebirge Arkona, und dem in der „Inselfahrt“ beschriebenen „Bernsteineiland“ Hiddensee. Den innigsten Umgang pflog er mit der Familie des Präpositus Schwarz zu Wyk auf Wittow, seines nächstwohnenden Amtsgenossen. Während des Sommers erhielt er häufig Besuche von Fremden aus allen Gegenden Deutschlands und lernte bei solcher Gelegenheit auch Wilhelm v. Humboldt kennen. Als ihm in der Folge zu Altenkirchen noch ein Sohn und zwei Töchter geboren wurden, nahm er zur Erziehung der Kinder im J. 1796 Ernst Moritz Arndt und nach diesem den als lyrischen Dichter bekannten Karl Lappe und zuletzt Hermann Baier aus Lobbin, der später Kosegarten’s älteste Tochter Alwina heirathete, ins Haus. Obwol er in einem Briefe an eine Freundin einer guten That mehr Werth zuschreibt als 20 Gedichten, gehörte er doch zu den fruchtbarsten Dichtern Deutschlands und bekennt selber: „Ich dichtete wachend und träumend, während der Mahlzeiten, während der gesellschaftlichen Unterhaltungen, während der kirchlichen Verrichtungen.“ Seine poetischen Schöpfungen vollendete [749] er in unglaublich kurzer Zeit; nachträglich zu feilen und zu glätten versäumte er in der ersten Periode seines Schaffens und erhielt deshalb bisweilen Briefe von Boie, Bürger, Schiller und Herder, welche ihn ermahnten sich einer größeren Correctheit zu befleißigen; auch blieb, wie die dreifache Bearbeitung des „Himmelswagens“ zeigt, jener Rath nicht unberücksichtigt. Im J. 1793 erhielt K. von der Facultät zu Rostock die theologische Doctorwürde und schrieb bei dieser Gelegenheit die Abhandlung „Dissertatio theologico-aesthetica de auctorum sacrorum, ipsiusque Jesu Christi vi atque indole poetica“, Rostockii 1793. Im folgenden Jahre erschien der zweite Band der Rhapsodien, 1795 seine „Geschichte des oströmischen Kaiserthums“, 1796 ff. „Eudämon’s Briefe an Psyche oder Untersuchungen über das Urschöne, Urwahre und Urgute“, sowie die vom Hauptmann v. Blankenburg begonnene Uebersetzung der Geschichte Griechenlands von John Gillies und der Geschichte Griechenlands von John Gast. Eine neue verbesserte Ausgabe seiner Gedichte veröffentlichte er 1798 unter dem Titel „Poesien“ und gab 1800 das brittische Odeon heraus, welches in zwei Bänden biographische Nachrichten von englischen und schottischen Dichtern des 18. Jahrhunderts und Uebersetzungen ihrer Dichtungen enthält, wobei ihm Karl Lappe hülfreich zur Seite stand. Das Schauspiel „Ebba von Medem“ erschien in demselben Jahre und im folgenden unter dem Titel „Blumen“, eine Sammlung von Uebersetzungen schottischer, schwedischer und dänischer Volkslieder. Der dritte Band der „Rhapsodien“ 1801 enthält neben eigenen Gedichten Uebersetzungen aus dem Englischen und Schottischen, sowie drei zu Vitte gehaltene Uferpredigten. Um die nämliche Zeit begann K. eine Reihe romantischer Dichtungen in Prosa, in welchen er die verschiedenen Erweisungen des Gefühls der Liebe darstellen wollte, die erste dieser Dichtungen „Ida von Plessen“, 1800, spielt auf Rügen und stellt die Liebe der Natur dar, die zweite „Bianca del Giglio“, 1802, deren Ereignisse nach Italien und in das Morgenland verlegt sind, schildert die religiöse Liebe, die dritte „Adele von Cameron“, 1803, deren Vorgänge sich in Schottland ereignen, stellt die Liebe der Heimath dar; eine vierte „Guy und Yseule“, betr. die bräutliche Liebe zur Zeit der Kreuzzüge, blieb ebenso wie zwei andere, welche die kindliche Liebe und die Freundschaft darstellen sollten, in Folge veränderter Lebensverhältnisse unvollendet. Im J. 1803 vollendete K. auch seine am bekanntesten gewordene ländliche Dichtung „Jukunde“ in fünf Eclogen, deren Scene nach Wittow versetzt ist und 1805 folgte eine ähnliche Dichtung „Die Inselfahrt oder Aloysius und Agnes“ in sechs Eclogen, deren Handlung auf Hiddensee vorgeht. Sein Interesse für die Kirchengeschichte und die Anfänge des Christenthums bewog ihn im J. 1805 die „Legenden“ herauszugeben, theils in metrischer, theils in prosaischer Form. Außerdem übersetzte er Thomas Garnett’s „Reise durch Hochschottland und die Hebriden, mit Beilagen, den Ossian betreffend“, 2 Bde., 1802 und den französischen Roman „Jukunde von Castle“, 2 Bde., 1802. Von Beiträgen zu Zeitschriften und Recensionen hielt er sich fern, weil es ihm nicht behagte an einen bestimmten Abfassungstermin gebunden zu sein; auch schränkte er den früher ziemlich ausgedehnten Briefwechsel nach und nach ein. Unablässig war und blieb er zugleich für Amt und Gemeinde bemüht. Im J. 1802 ertheilte Gustav Adolph bei der Geburt seines zweiten Sohnes, des Großherzogs von Finnland, K. den Titel eines königlichen Consistorialrathes. Als nach Abschaffung der bisherigen Landesverfassung mit der herkömmlichen Justiz, insbesondere der Patrimonialgerichtsbarkeit sowie der Leibeigenschaft der König am 12. Juli 1805 auch die Einführung der schwedischen Kirchenverfassung mit der schwedischen Agende und dem Katechismus anordnete, schrieb K. an die Deputirten des Priesterstandes zum öffentlichen Landtage am 4. August eine kleine Anrede, in welcher er die Annahme aller königlichen Propositionen, insbesondere [750] für die Wiederherstellung des Cultus, in seiner alten Majestät empfahl; zugleich übersetzte und bearbeitete er den Katechismus des Suebilius für die Einführung in Pommern. Als dann in Folge des Krieges von 1806 die Franzosen unter den Marschällen Mortier, Brune und Soult in Pommern eindrangen und Kosegarten’s Lage sowol durch die Kriegsunruhen als andere amtliche Verhältnisse für ihn und seine gesunkenen körperlichen Kräfte zu schwierig ward, bewarb er sich um die erledigte Professur der Geschichte zu Greifswald und erhielt dieselbe mit der Erlaubniß, sein Pfarramt durch einen Vicar verwalten lassen zu dürfen. Nunmehr berief er seinen früheren Hausgenossen Hermann Baier zum Diaconus und begab sich im August 1808 in seinen neuen Wirkungskreis, in welchem er sich wohl und behaglich fühlte; seine Kräfte und Gemüthsheiterkeit kehrten wieder und freudig begrüßte er die ungestörte Muße, sich mit wissenschaftlichen und poetischen Studien beschäftigen zu können. Zu Michaelis 1808 begann er seine Vorlesungen, welche alte und neue Welthistorie sowie die griechische Litteraturgeschichte umfaßten, auch erklärte er Ilias, Odyssee, Hymnen des Pindar, die Orestie des Aeschylus, die Biographien des Plutarch und Demosthenes’ Reden; nach sorgfältiger Ausarbeitung trug er frei und ohne Concept vor. Wiederholt hielt er Festreden, präsidirte 23 Mal bei den Promotionsdisputationen der Doctoranden der philosophischen Facultät und schrieb dazu 18 Dissertationen historischen, philosophischen, philologischen und theologischen Inhalts; auch verwaltete er wiederholt das Rectorat der Universität und das Decanat der philosophischen Facultät. Ebenso nahm er an allgemeinen Angelegenheiten der Universität, welche der Leitung des Concilii anvertraut waren, den thätigsten Antheil. Da im J. 1809 bei der französischen Occupation in Schwedisch-Pommern der Geburtstag des Kaisers als damaligen Landesherrn feierlich begangen wurde, so hielt K. seine ihm mit Unrecht so viel verargte und später auf dem Wartburgfeste verbrannte „Rede am Napoleonstage des Jahres 1809“, in welcher er die glänzenden politischen wie militärischen Erfolge des Imperators panegyrisch pries, obwol er der Heimath Hermanns und Wittekind’s die politische Wiederherstellung prophezeite. Auch hatte die Rede für ihn keine ungünstigen Folgen, vielmehr wurde er nach Zurückgabe Schwedisch-Pommerns durch einen königlichen Erlaß Karls XIII. von Stockholm am 14. Mai 1810 in seinem akademischen Amte bestätigt. Eine neue und verbesserte Ausgabe seiner Dichtungen erschien 1812. Als Rector magnificus wahrte K. im J. 1812, als die Franzosen auf dem Vormarsch gegen Rußland aufs Neue hinterlistig und gewaltthätig in Pommern eindrangen, das Ansehen und Recht der Universität und hielt am 7. October vor der förmlich eingeladenen französischen Generalität die Festrede zum königlichen Geburtstag „über die Hingebung des Leonidas“, welche mit dem Wunsche schloß, daß auch Deutschland einen Leonidas gezeugt haben möchte. Als dann im J. 1813 der heißersehnte Freiheitskampf begann, dichtete er seine vaterländischen Gesänge, in denen er gegenüber der in manchen Liedern und Flugblättern geführten unedlen Sprache eine reinere und edlere Richtung des Nationalgefühls anzubahnen versuchte und auf die Verdienste der Franzosen um europäische Bildung und Gesittung hinwies. Zwei Festreden, am königlichen Geburtstag gehalten, „Der Tag von Clermont“ und „Das tausendjährige Gedächtniß Kaiser Karls des Großen“ wurden später durch den Druck veröffentlicht. Bei der Uebergabe Schwedisch-Pommerns an Preußen im Herbst 1815 verfaßte K. ein Festgedicht, in dem er die nationale Wiedervereinigung begrüßt und dem skandinavischen Reiche ein Lebewohl zuruft; auch die Festgedichte an den Staatskanzler Fürsten Hardenberg und Friedrich Christoph Scheele zu dessen Amtsjubelfeier wurden von ihm im Namen der Universität dargebracht. Zur Abwehr von Verdächtigungen Uebelwollender, welche ihn einen Bonapartisten [751] schalten, schrieb er gleichsam als Apologie die Geschichte seines 50. Lebensjahres, 1816. Schon lange war er ein Freund der sogenannten Theologie des Herzens oder der mystischen gewesen, weniger des theosophischen Zweiges nach dem Vorbild Jacob Böhme’s und Valentin Weigel’s, als des asketischen, wie sich derselbe in den Schriften des Lacombe und des Franz v. Sales darstellt, daher beschloß er eine ihrer besten Schriften bekannter zu machen und gab unter dem Titel „Die Ströme“ 1817 ein Buch heraus, welches eine deutsche Bearbeitung des ebenso überschriebenen Werkes der de la Motte Guyon enthält, mit den Beilagen „Vom Wege und von der Vereinigung mit Gott“, „Die Maximen des Lacombe“, der kleinen Schrift „Vom Freund und von dem Geliebten“, drei Gedichten des Johannes a Cruce und einem Gedicht von Tauler. Die wiederkehrende Liebe zur Theologie bewog ihn, sich im J. 1816 um die damals erledigte ordentliche theologische Professur zu bewerben und das königliche Ministerium verlieh ihm diese Stelle. Er übergab nun das Altenkirchener Pfarramt seinem bereits zum Nachfolger ernannten Schwiegersohne Baier und trat die theologische Professur und das damit verbundene Pastorat zu St. Jakobi Michaelis 1817 an. In der Greifswaldischen Gemeinde fand er das neue pommersche Gesangbuch vor, auf seinen Antrag indeß gestattete die königliche Regierung, eine von ihm beschaffte Sammlung lutherischer und anderer Kirchenlieder gelegentlich nebenher zu benutzen. Bei der 300jährigen Gedächtnißfeier der Reformation hielt K. von Seiten der theologischen Facultät die Festrede auf den pommerschen Reformator Johannes Bugenhagen. Die Amtsgeschäfte der Professur und des Pastorats nahmen seine Kräfte jetzt doppelt in Anspruch; auch entsagte er nebenher den Musen nicht, wie eine im Anfang des Jahres 1818 herausgegebene Sammlung von Distichen beweist. Zu Ostern 1818 trat er zum zweiten Male das Rectorat an, wodurch seine amtlichen Geschäfte sich um ein Bedeutendes vermehrten. Dieser Ueberanstrengung aber, welche sich den Sommer hindurch wiederholt durch betäubenden Kopfschmerz kundgegeben hatte, erlag er. Die Leiche ward seinem Wunsche gemäß nach Altenkirchen gebracht und dort beigesetzt, wobei sein jüngerer Freund, der Pastor Schwarz zu Wyk auf Wittow, die Gedächtnißrede über Daniel 12, 2 und 3 hielt.

Leben Ludwig Gotthard Kosegarten’s von seinem Sohne Joh. Gottfr. Ludw. K., Greifswald 1827; ebendesselben Geschichte der Universität Greifswald, 1857, I. S. 315; Kanngießer, Zum Andenken an Ludwig Gotthard Kosegarten, Greifsw. 1819; Meinhold in den Pommerschen Provinzialblättern, III, 1821, S. 39–58, mit einem vorzüglichen Porträt von Hübner; Geschichte seines 50. Lebensjahres, Leipzig 1816; Biederstedt’s Nachrichten von dem Leben und den Schriften neuvorpommerisch-rügenscher Gelehrten, Greifsw. 1824, S. 93–95. Selbstbiographie in Koppe’s jetzt lebendem gelehrten Mecklenburg, Rostock 1783. – Dichtungen u. Briefe in der Orig.-Handschr. auf der Greifsw. Univ.-Bibl.