ADB:Karl (Herzog von Sachsen-Meiningen)

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Artikel „Karl August Friedrich Wilhelm, Herzog zu Sachsen-Meiningen“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 449–451, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karl_(Herzog_von_Sachsen-Meiningen)&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 03:02 Uhr UTC)
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Karl *) August Friedrich Wilhelm, Herzog zu Sachsen-Meiningen, der ältere Sohn des Herzogs Anton Ulrich (s. Bd. I S. 493) aus dessen zweiter Ehe mit Charlotte Amalie von Hessen-Philippsthal, wurde den 19. November 1754 zu Frankfurt a. M. geboren, wo sich sein Vater nach vorher wechselndem Aufenthalte in den letzten 21 Jahren seines Lebens niedergelassen hatte. Als dieser am 28. Januar 1763 gestorben war, übernahm die Herzogin-Wittwe nach der letztwilligen Verfügung ihres Gemahls die Regierung des Landes im Namen der beiden minderjährigen Prinzen Karl und Georg und kehrte, trotz des Einspruches der ernestinischen Verwandten durch kaiserlichen Entscheid als Obervormünderin und Regentin bestätigt, mit ihren fünf noch lebenden Kindern am 22. März 1763 nach Meiningen zurück. Hier gönnte die einsichtige Mutter ihren Söhnen, welche die ängstliche Fürsorge des alternden Vaters kaum mit der Außenwelt hatte verkehren lassen, den zur Entwickelung ihrer körperlichen Kräfte nothwendigen Spielraum, so daß sie sich von nun an frei im Schloßgarten umhertummeln und mit Spaten und Schaufel arbeiten durften. Diese naturgemäße Erziehungsweise hob bei dem jüngeren Prinzen die nachtheiligen Folgen jener Verzärtelung wieder auf, während sie den älteren nicht auf die Dauer zu kräftigen vermochte; in geistiger Beziehung aber entwickelten sich dessen Anlagen aufs vortheilhafteste und schon früh erwachte in ihm eine lebhafte Neigung zu Kunst und Wissenschaft. Der daheim empfangene Unterricht erhielt dann seinen Abschluß in Straßburg, wo K. mit seinem Bruder etwas länger als ein Jahr verweilte und sich namentlich in der französischen Sprache und in den sogenannten schönen Künsten ausbildete. Ueber diesen Aufenthalt hat er in Briefen an seine ältere Schwester Wilhelmine fleißig berichtet und es ergibt sich aus denselben, daß nicht nur öffentliche Festlichkeiten und die Pracht vornehmer Häuser, sondern auch Concerte und Theatervorstellungen, Bibliotheken und Kunstsammlungen seine Aufmerksamkeit fesselten. Nicht weniger zogen ihn geistig bedeutende Persönlichkeiten an: so die weimarischen Prinzen Karl August und Constantin, der großbritannische Leibarzt J. G. Zimmermann und vor allem Goethe, mit dem er dreimal in Frankfurt und Straßburg zusammentraf und dessen bezauberndes Wesen einen großen Eindruck auf ihn machte. Die Ferienzeit verwendete K. mit seinem Bruder zu einer Schweizerreise und bemühte sich während derselben mit Vorliebe um die Bekanntschaft ausgezeichneter Männer. In Basel besuchte er den Kupferstecher v. Mechel und den Rathsschreiber Isaak Iselin, in Zürich den gerade mit seinen physiognomischen Studien beschäftigten Lavater und den Idyllendichter Salomon Geßner, in Bern den bekannten Schriftsteller K. V. v. Bonstetten. Ueber Genf und durch das südliche Frankreich kehrten dann die Reisenden nach Straßburg zurück, worauf im September 1775 eine Zusammenkunft der Prinzen mit ihrer Mutter in Frankfurt und bei dieser Gelegenheit jene dritte Begegnung mit Goethe erfolgte, über welche dieser im 20. Buche von „Dichtung und Wahrheit“ ausführlich berichtet hat. Als hierauf K. am 19. November 1775 das volljährige Alter erreicht hatte, trat er als Mitregent an die Seite seiner Mutter, die aber für den jüngeren Georg ihr Amt als Obervormünderin auch noch ferner beibehielt. Mit dem 16. März des folgenden Jahres gingen die Straßburger Studien zu Ende und die Prinzen kehrten nach Meiningen zurück, wo sich K. sofort mit Eifer seinen Regentenpflichten widmete. Zunächst machte die mißliche Lage seines tiefverschuldeten Landes eine Herstellung des finanziellen Gleichgewichtes nothwendig, wozu er bereits 1775 durch den Landtag die einleitenden Schritte thun ließ, während er selbst, um eher an das Ziel zu kommen, seinen Hofhalt möglichst beschränkte. [450] Sodann lag ihm vornehmlich die Hebung der Volksbildung am Herzen. Er ernannte eine Schulcommission, deren Leitung er dem Geheimenrath v. Dürkheim übertrug, und begünstigte die Gründung eines Schullehrerseminars (1776), das nachmals (1826) mit demjenigen in Hildburghausen vereinigt worden ist; er führte den allgemeinen Reichskalender in seinem Lande ein, verlegte die überflüssigen Feiertage auf die Sonntage und betraute den von ihm zum Hofprediger berufenen J. G. Pfranger mit der Bearbeitung eines neuen Gesangbuches, dessen Vollendung er jedoch nicht mehr erlebte. Für die Neuordnung der herzoglichen Bibliothek, deren Benutzung fast unmöglich geworden war, beförderte er den bisherigen Consistorialkanzlisten W. F. H. Reinwald, Schiller’s nachmaligen Schwager, zum Bibliothekar. Neben diesem ernsteren Bemühen huldigte er aber auch einer mehr auf sinnigen Genuß gerichteten, für die Bildung seines Volkes jedoch nicht unwichtigen Thätigkeit, indem er, schon in Straßburg zum eifrigen Freund der Schaubühne geworden, im Juni 1776 ein Liebhabertheater in seinem Schlosse einrichten ließ und neben seinem Bruder, seinen Schwestern und verschiedenen Herren und Damen des Hofes in einer Anzahl Rollen auftrat, wie in Diderot’s „Hausvater“, in Marmontel-Gotter’s Operette „Walder“ (Musik von Georg Benda), in Wieland’s „Johanna Gray“, in H. A. O. Reichard’s „Nacht und Ohngefähr“ und in Leisewitz’ „Julius von Tarent“. In dem letztgenannten Stücke spielte er die Titelrolle und ließ bei Gelegenheit dieser Aufführung (1780) eine noch vorhandene besondere Ausgabe des Drama’s veranstalten, welcher eine Reihe von Urtheilen aus kritischen Zeitschriften beigefügt sind. In schwierigen Fällen bediente sich der Herzog wol auch des Rathes und der Hülfe des im Theaterwesen wohlbewanderten Reichard in Gotha, mit dem er deshalb in brieflichem Verkehre stand. Zwar nahm die fürstliche Liebhaberbühne mit dem Jahre 1780 ein Ende, aber an ihre Stelle trat bald darauf eine bürgerliche, welche unter der Begünstigung des Hofes die unterbrochenen Vorstellungen wieder aufnahm und auf welcher der Herzog gleichfalls persönlich mitwirkte. Am 5. Juni desselben Jahres vermählte sich dieser mit der klugen und liebenswürdigen Prinzessin Luise von Stolberg-Gedern; am 4. Februar 1782 trat die Regentin von ihrer hohen Stelle zurück, so daß die beiden fürstlichen Brüder fortan ihr Land gemeinsam regierten. Diese Doppelregierung verlief in herzlicher Eintracht und bethätigte sich in der Verschönerung der Residenzstadt, die, bisher mit Wall und Mauer in mittelalterlichem Stil umgeben, jetzt zu einem offenen freundlichen Orte mit Spaziergängen und Alleen umgeschaffen wurde. Als damals – es war im Mai 1782 – Goethe in dienstlicher Angelegenheit nach Meiningen kam, schrieb er über diese Verschönerungslust die Worte nieder: „Die Herzoge wenden Erde und alte Mauern um und machen Thorheiten, die ich ihnen gern verzeihe, weil ich mich meiner eigenen erinnere“. Schon vorher (1779) hatte K. auch das von seinem Vater neuerbaute Schloß Altenstein ausschmücken lassen und sein Bruder Georg hat es später (1798) mit anmuthigen Gartenanlagen umgeben und zur ständigen Sommerresidenz erhoben. – Nicht lange jedoch sollte dieses gemeinsame Wirken dauern; denn schon am 21. Juli 1782 starb Herzog K. im Oberamthause des Städtchens Sonneberg (Meininger Oberland), erst 28 Jahre alt, und vererbte die Ausführung seiner wohlwollenden Pläne und Entwürfe seinem gleichgesinnten Bruder Georg, dessen volksfreundliche Persönlichkeit noch heute in seinem Lande unvergessen ist. Von dem verstorbenen Fürsten aber durfte Reinwald in Schlözer’s „Staats-Anzeigen“ (Jahrg. 1782, am Schlusse) mit Recht sagen:

„Er mildert’ unsre rauhen Sitten; Er brach die Bahn
Durch’s Vorurtheil, mit Riesenschritten, den Fels hinan.
Er war voll Thätigkeit und Strebens nach höherm Ziel:
Schön war sein kurzer Akt des Lebens. – Der Vorhang fiel.“

[451] Und mit gleichem Rechte konnte der Herausgeber der „Staats-Anzeigen“ dem Gedichte die Anmerkung beifügen, daß Karl von Sachsen-Meiningen „einer der größten Wohlthäter dieses Journals“ gewesen sei; denn derselbe hatte die Gründung und den Fortgang dieser Zeitschrift mit lebhaftem Antheil verfolgt und selbst Beiträge in dieselbe geliefert, um dadurch „Aufklärung und Duldungsgeist zu befördern und Bosheit und Dummheit zu entlarven und zu unterdrücken“.

Ludw. Bechstein, Mittheilungen aus dem Leben der Herzoge zu Sachsen-Meiningen, Halle 1856, S. 80–193, 211–212, 215. – Vgl. auch Dav. Voit, Das Herzogthum Sachsen-Meiningen, histor., statist., geogr. u. topographisch dargestellt, Gotha 1844, S. 106–107, u. G. Brückner, Landeskunde des Herzogthums Meiningen, 1. Thl., Meiningen 1851, S. 69–70.

[449] *) Zu Bd. XV S. 338.