Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Benda“ von Arrey von Dommer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 314–318, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Benda&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 04:27 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Bendavid, Lazarus
Band 2 (1875), S. 314–318 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Benda (Familien) in der Wikipedia
Benda in Wikidata
GND-Nummer 118655310
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|2|314|318|Benda|Arrey von Dommer|ADB:Benda}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118655310}}    

Benda: angesehene und weit verzweigte Musikerfamilie. Der Stammvater derselben, Hans Georg, war Altmeister der Leinweberzunft zu Alt-Benatka in Böhmen, doch der Musik nicht unkundig, denn er spielte Schalmei, Hackbrett und Sackpfeife. Er hatte vier als Musiker bekannte Söhne, Franz, Johann, Georg, Joseph und eine Tochter, Anna Franziska. Von Franz, Georg und Joseph stammte eine zweite Musiker-Generation ab: Franz hatte zwei Söhne, Friedrich Wilhelm Heinrich, und Karl Hermann Heinrich, sowie zwei musikalische Töchter: Marie Caroline und Juliane; Georg hatte einen Sohn: Friedrich Ludwig; Joseph ebenfalls einen: Ernst Friedrich. Die berühmtesten [315] sind Franz und Georg, deren Biographien hier nachfolgen; von den übrigen findet man einige Nachrichten weiter unten.

Franz B., der älteste Sohn von Hans Georg, geb. zu Alt-Benatka 25. Nov. 1709,[WS 1] zuletzt königl. preuß. Concertmeister zu Berlin. Als Knabe war er in verschiedenen Capellen zu Prag und Dresden, und nicht blos tüchtig im Chor sondern auch sehr guter Solosänger. Nachdem er schon im Componiren sich etwas versucht hatte, veranlaßte ihn ein (nur vorübergehender) Schaden an seiner Stimme zur Violine zu greifen, und da er für den Augenblick kein besseres Unterkommen fand, zog er mit einer fahrenden Tanzmusikanten-Bande umher. Eins ihrer Mitglieder, der blinde Jude Löbel, war ein geschickter Violinspieler und wirkte auf Benda sehr anregend; doch hätte dieser, noch nicht achtzehn Jahre alt, seine abenteuernde Jugend fast als Zuckerbäcker in seiner Vaterstadt beschlossen, wenn nicht der Graf Kleinau von Benatka ihn davor bewahrt hätte. B. kam nach Prag zum Violinisten Konyczeck und studirte mit Leidenschaft, darauf nach Wien, wo er öfter Gelegenheit hatte den berühmten Violoncellisten Francischello zu hören und mit ihm zu spielen. Wie er jedoch schon früher von Prag und Dresden heimlich entwichen war, so machte er sich auch von Wien in aller Stille davon, und pilgerte ziemlich landstreichermäßig mit drei anderen tüchtigen Musikern: Höckh, Czarth und Weidner, nach Warschau. Hier wurden sie von dem musikliebenden Starosten Suchaczewsky Szaniawsky in Dienst genommen, die kleine Capelle wuchs auf neun Personen und wurde unter Benda’s Leitung eine der besten in ganz Polen. Nach Deutschland zurückgekehrt[WS 2], kam er 1732 durch Quanz in die Capelle des Kronprinzen von Preußen, womit sein fahrendes Musikantenthum ein Ende nahm, und von da an ist Benda eine durchaus gesetzte, würdige Erscheinung. In Ruppin wurde der nachmalige königl. Concertmeister Johann Gottlieb Graun sein Lehrer im Violinspiele, besonders im Vortrage des Adagio; in der Composition bildete er sich unter Karl Heinr. Graun und Quanz weiter. Bevor Graun an die Capelle kam, trat B. auch noch als Sänger auf, doch gab er nachher nur noch Gesangunterricht. In der Capelle versammelte sich allmählich ein ganzer Familienkreis um ihn, denn seine drei Brüder und beiden Söhne waren nach und nach ebenfalls Mitglieder derselben geworden; und als 1771 der Concertmeister Graun starb, kam B. an dessen Stelle, wobei sein jüngster Bruder Joseph ihn unterstützte, da er schon lange an der Handgicht litt. Solo gespielt hatte er schon seit mehreren Jahren nicht mehr, und es war nur eine Ausnahme, daß er 1772 noch einmal vor Burney sich hören ließ, bei welcher Gelegenheit er ihm erzählte, daß er während seiner 40 Dienstjahre dem Könige an 50000 Concerte accompagnirt habe (Reise III. 100). Einige Jahre vor seinem Tode setzte ein Schlaganfall ihn ganz außer Stande zu spielen, und er beschloß sein thätiges Leben am 7. März 1786.

Wie B. zugleich ein tüchtiger Sänger gewesen, so lag die Hauptstärke seines Violinspieles im Adagio und gefühlvollen Gesange; große Musiker versicherten Burney (a. O. 91), daß sie durch sein Adagiospielen sehr oft zu Thränen gerührt worden seien. Sein Ton soll eine seltene Schönheit, Fülle und Reinheit besessen haben, auf Darlegung erstaunlicher Fertigkeit gab er weniger; wiewol er nach Hiller’s Bericht (Lebensbeschr. 49) „alle erforderliche Stärke in der Geschwindigkeit, Höhe und allen nur möglichen Schwierigkeiten besaß und zur rechten Zeit vernünftigen Gebrauch davon zu machen wußte“, stimmt doch auch dieser Schriftsteller mit Burney überein, daß „das edle Singbare dasjenige gewesen sei, wozu ihn seine natürliche Neigung vornehmlich und mit dem besten Erfolge gezogen habe“. In seinen Compositionen sind nur selten solche Passagen, die nicht ebensogut von der menschlichen Stimme ausgeführt werden könnten. Einer eigentlichen Violinistenschule gehörte er nicht an, sondern hatte [316] sich im wesentlichen selbständig gebildet. „Sein Stil ist weder der Stil des Tartini, Somis, Veracini, noch irgend eines Hauptes einer musikalischen Schule oder Secte, davon ich die geringste Kenntniß hätte; sondern es ist sein eigener und nach dem Muster gebildet, welches alle Instrumentalisten studiren sollten, gutes Singen nämlich“ (Burney, 101). Hingegen hat B. eine so namhafte Reihe guter Violinisten erzogen, daß man ihn den Stifter einer Schule nennen kann; nach Hiller gehören dazu: Benda’s jüngster Bruder Joseph, sein Assistent in der Capelle; seine beiden Söhne, ferner Körbitz, Bodinus, Pitscher, Veichtner, Kamnitz, Fr. W. Rust und Matthies, welche sämmtlich als tüchtige Violinisten in angesehenen Capellen standen und die Traditionen ihres Meisters noch eine geraume Zeit hindurch lebendig erhielten. Auch ein guter Gesanglehrer muß B. gewesen sein, sonst würde der bekannte Sopranist Paolo Bedeschi (Paolino) von der Berliner Oper, nachdem er des berühmten Perti zu Bologna Schüler gewesen, nicht noch bei ihm studirt haben (Schneider, Berl. Oper 89). Seine zahlreichen Compositionen bestehen aus Symphonien, sehr vielen Concerten, Solo’s, Etüden; gedruckt sind aber nur 12 Solo’s für Violine (Paris), ein Flötensolo (Berlin) und 3 Lieferungen „Violin-Etuden“ (Leipzig, Kühnel). Seine ausführliche Biographie bei J. A. Hiller, Lebensbeschr. Leipz. 1784.

Georg B., berühmter Componist und Capellmeister, dritter Sohn des Hans Georg und Bruder des Franz, geb. zu Jung-Bunzlau um 1721. Im J. 1740 kam er nach Berlin, und 1742 als Violinist in die königl. Capelle, bildete sich daneben zu einem tüchtigen Clavierspieler und Oboisten, begann auch mit Talent und Geschick zu componiren. Einen anderen Lehrmeister in der Tonsetzkunst, als eigenes Studium guter Vorbilder, hat er jedoch weder vor- noch nachher gehabt. Ein größerer und seine Entwickelung fördernder Wirkungskreis eröffnete sich ihm in Gotha, wohin er 1748, an die Stelle von Stölzel, der im folgenden Jahre starb, als Capellmeister berufen wurde. Hier componirte er verschiedene Jahrgänge von Kirchenstücken, Messen, Passionen etc., bis ihn 1764 der musikliebende Herzog Friedrich III. auf seine Kosten nach Italien sandte, wo B., durch die leichte und klare Manier der Italiener und besonders des Galuppi angeregt, Neigung zur dramatischen Musik faßte. Die ersten Früchte derselben nach seiner Rückkehr von Italien waren zwei italienische Opern: „Ciro riconosciuto“, 1765, und „Il buon marito“, 1766 (Hiller’s Wöchentl. Nachr. I. 41, 143). Als aber 1775 die Seyler’sche Schauspielgesellschaft nach Gotha kam und ein Hoftheater gegründet wurde, begann man auch dort die deutsche Oper zu pflegen und B. fand eine erwünschte Thätigkeit. Schon 1772 hatte Brandes in Weimar für seine Frau die „Ariadne“ gedichtet, und diesen, schon von Schweizer in Musik gesetzten Text componirte B. 1775 noch einmal für Gotha, und zwar als Melodrama, worunter man bekanntlich eine Dramengattung versteht, in welcher gesprochene Dichtung von malender und den Ausdruck verstärkender Instrumentalmusik begleitet wird. Diese Ariadne von Brandes und B. ist das erste deutsche Melodrama, wenn auch nicht das erste Product dieser Art überhaupt; denn Rousseau hatte diese Gattung dramatischer Tonwerke aufgebracht und sein „Pygmalion“ war bereits 1773 in Partitur erschienen. Aber es heißt, daß B. dieses Werk des Rousseau gar nicht gekannt, mithin die nämliche Idee ganz selbständig gefaßt habe. In derselben Weise componirte B. bald darauf die von Gotter für Mad. Seyler geschriebene „Medea“, welche an Wirkung der Ariadne nicht nachstand. Mozart schrieb 1778 an seinen Vater, „daß beide wahrhaft vortrefflich seien und er beide Werke so liebe, daß er sie bei sich führe“ (Nissen 410); denselben Beifall fanden sie überall, die Ariadne erregte 1781 selbst in Paris auf dem Theatre italien viel Aufsehen; eine ausführliche Kritik über beide s. in Forkel’s „Krit. Biblioth“. III. 250, vgl. auch [317] Reichardt’s „Kunstmagazin“ I. 86. Ebenso componirte B. noch den Text von Rousseau’s „Pygmalion“, ferner Ramler’s „Cephalus und Procris“; in „Almansor und Nadine“ versuchte er später Arien und Chöre mit der melodramatischen Behandlung zu verbinden. Seine in Gotha noch geschriebenen deutschen Opern sind: „Der Dorfjahrmarkt“, 1776; „Walder“, 1777 (s. Forkel a. O. II. 230), „Romeo und Julie“, 1778. Aber noch in diesem Jahre gab er seine gute Stelle daselbst auf, weil er seinem Rivalen Schweizer gegenüber sich zurückgesetzt glaubte, ging nach Hamburg an das Schröder’sche Theater (Meyer, Schröder’s Biogr. I. 299), dann nach Wien, kehrte aber wieder nach Gotha zurück und lebte mit einem Gnadengehalte eine Zeit lang in Georgenthal, mit Sammlung und Herausgabe seiner zu Gotha geschriebenen Claviersachen beschäftigt; 1781 war er bei Aufführung seiner Ariadne in Paris. Nachdem er noch, in steter Unruhe, seinen Aufenthalt verschiedentlich gewechselt, lebte er zuletzt in Köstritz, von allem Verkehr und selbst von seiner Kunst ganz zurückgezogen, bis zu seinem am 6. Nov. 1799[WS 3] erfolgten Tode. Seine ausführliche Biographie in Schlichtegroll’s Nekrolog 6. Jahrg. II. 290; Anekdoten von seiner bekannten Zerstreutheit auch in Marpurg, Metaphrastes 116 ff. und Allg. Mus. Ztg. II. 876.

Gleich seinem älteren Bruder Franz war er, auch in seinen persönlichen Eigenheiten, ein ächtes naturwüchsiges Künstlergenie. Seine Zeitgenossen schätzten ihn ungemein hoch und man sah in ihm einen würdigen Vorläufer Mozart’s, der auch selbst erklärte „daß B. unter den lutherischen Capellmeistern immer sein Liebling gewesen sei“ (Nissen a. a. O.). Besonders die Ariadne, Medea, Walder, Romeo und Julie, die Ode auf den Tod der Gemahlin Friedrichs III. und manche Kirchensachen wurden viel bewundert, und nur die Uebermacht der drei großen Meister konnte alle Erinnerung daran so völlig verwischen. Das Melodrama war freilich als Kunstgattung nicht lebensfähig, der Zwiespalt zwischen Musik und gesprochenem Worte blieb immer unversöhnlich; aber den Spuren einer großen Begabung folgt man in Benda’s Werken auch heute noch mit Interesse. Im Druck erschienen sind u. a.: die Clavierauszüge zum „Dorfjahrmarkt“, 1776; „Walder“, 1777; „Ariadne“, 1778, 1782 (in Part. 1781, 1785); „Medea“, 1778 und später; „Romeo und Julie“, „Der Holzhauer“, 1778; „Pygmalion“, 1780; „Lucas und Bärbchen“, 1786; „Gesänge aus dem tartarischen Gesetz“, „Das Findelkind“, 1787; „Almansor und Nadine“, 1802. Ferner: „Zwei Sammlungen italienischer Arien“, 1782–83; Cantaten: „Amynt’s Klage“, 1774; „Cephalus und Aurora“, „Benda’s Klagen“, 1792; „Claviersonaten“, 1757; „Sechs Sammlungen Clavier- und Singstücke“, 1781–87; „Clavierconcerte mit Begleitung“, 1779, 1783; „Violinconcerte“, 1783. Handschriftlich hinterließ er noch die erwähnten Jahrgänge von Kirchenstücken, Cantaten, eine Messe, Friedensmusik, Symphonien, Concerte etc. für alle möglichen Instrumente.

Die übrigen Mitglieder der Familie[WS 4] B.: Johann, jüngerer Bruder des Franz, lebte 1733 zu Dresden, war später Kammermusikus zu Berlin, starb aber schon 1752. – Joseph, jüngster Bruder des Franz, sein Amanuensis und Nachfolger als Concertmeister, geb. zu Alt-Benatka um 1724, gest. zu Berlin 1804. – Friedrich Wilhelm Heinrich, ältester Sohn des Franz, geb. zu Potsdam 15. Juli 1745, königl. Kammermusikus zu Berlin, tüchtiger Violin- und Clavierspieler, sowie geschätzter Componist. Gedruckt sind von ihm: die Cantate „Pygmalion“, 1784; „Orpheus“, deutsche Oper, 1787; ferner Concerte, Trio’s, Sonaten und andere Instrumentalsachen. – Karl Hermann Heinrich, jüngster Sohn des Franz, geb. zu Potsdam 2. Mai 1748, ausgezeichneter Violinspieler, im Vortrage des Adagio seinem Vater am nächsten kommend; er war königl. Kammermusikus, seit 1802 Concertmeister und lebte 1812 noch als Correpetitor beim Ballet der königl. Oper zu Berlin. – Friedrich Ludwig, [318] Sohn des Georg, geb. zu Gotha 1746,[WS 5] Director des Seyler’schen, dann des Hamburger Theaterorchesters, 1783 in mecklenburgischem Dienste, 1789 Concertdirector zu Königsberg, gest. daselbst 27. März 1792. Componist verschiedener Operetten, Cantaten, Violinconcerte. – Ernst Friedrich, Sohn des Joseph, geb. zu Berlin 1747,[WS 6] Concertmeister daselbst, 1770 Stifter und Dirigent des dortigen Liebhaberconcerts, gest. 1785. – Johann Wilhelm Otto, geb. 30. Oct. 1775, † 28. März 1832, ist nach dem N. Nekrol. X. (1832) S. 236 ff. ein Sohn des voraufstehenden Ernst Friedrich, also nicht Franz Benda’s Enkel, wie gewöhnlich angegeben wird. Er studirte Rechtswissenschaft zu Halle. Nach allerlei wechselnden Schicksalen während der Jahre der französischen Occupation (er war ein glühender Patriot, auch Director im Tugendbund) ward er 1809 Bürgermeister in Landeshut und 1816 Regierungsrath zu Oppeln. Bekannter als seine eigenen poetischen Arbeiten („Die Irrthümer der Liebe und die Launen des Geschicks“, 1806; „Romantische Erzählungen“, 1807) hat ihn seine jetzt freilich gänzlich werthlose Uebersetzung Shakespeare’s in 19 Bänden, 1825 ff., gemacht. – Anna Franziska, Schwester des Franz, bedeutende Sängerin, seit 1751 Kammersängerin zu Gotha, vermählt mit dem dortigen Concertmeister Hattasch. – Marie Caroline und Juliane, Töchter des Franz, jene an den Capellmeister Wolf in Weimar verheirathet, diese Friedr. Reichardt’s Gattin; beide vortrefflich im Clavierspiel und Gesange, besonders Juliane, welche auch Lieder und Clavierstücke zu Hamburg 1782 im Drucke herausgegeben hat.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Nach neueren Forschungen geb. am 22. November 1709.
  2. Vorlage: zurückgehrt
  3. † 6. November 1795 in Köstritz
  4. Vorlage: Famlie
  5. geb. 1752, getauft am 4. September 1752
  6. Nach neueren Forschungen geb. 10. Oktober 1749, † 24. Februar 1785.