ADB:Gebhard III. (Bischof von Konstanz)
Bertolds I., Bruder Bertolds II. von Zähringen (vgl. Bd. II. S. 535), war G. einer der heftigsten Vorfechter der kirchlichen Partei in Schwaben gegen Heinrich IV. – Wol vor der Mitte des 11. Jahrhunderts geboren, hatte G. [454] zuerst die Würde eines Propstes zu Xanten bekleidet, als er in das unter dem Abte Wilhelm seit 1069 zu so hoher Bedeutung emporgestiegene Kloster Hirschau als Mönch eintrat; es war die gleiche streng die Beziehungen zur siegreich kämpfenden römischen Kirche aufweisende Gesinnung in ihm lebendig, die 1073 seinen Bruder, den Markgrafen Hermann, zu Clugny ein Jahr vor seinem Tode in das Kloster führte. Schon 1079 war Papst Gregor VII. nach dem Tode des Erzbischofs Werner bemüht gewesen, den Gegenkönig Rudolf auf G. als auf einen Mann hinzuweisen, der für die erledigte Diöcese Magdeburg in Frage kommen könnte. 1084 aber wurde nun G. Bischof zu Constanz, dadurch, daß der päpstliche Legat Bischof Otto von Ostia (seit 1088 als Papst Urban II. Gregor’s zweiter Nachfolger) ihn „der schon lange verwittweten Constanzer Kirche“ als “katholischen Hirten“ gab (22 December). Bernold (vgl. Bd. II. S. 469 u. 470), welcher dergestalt über G., „einen Mann, der edel durch seine Geburt, aber edler durch mönchischen Wandel ist“, in seiner Chronik berichtet, vertheidigte dann in einer eigenen Schutzschrift die Ordination desselben als eine streng canonische gegen ergangene Angriffe. Auch zu Constanz war nämlich, wie anderswo, seit Gregor VII. gegen den 1071 durch Heinrich IV. eingesetzten Bischof Otto I. in der heftigsten Weise vorging und denselben 1080 förmlich mit dem Anathem belegte, eine völlige Anarchie ausgebrochen. Der von der Gegenpartei gegen Heinrichs IV. Herzog Friedrich, den Staufer, erhobene Gegenherzog Bertold, der Sohn des 1080 verstorbenen Gegenkönigs Rudolf, stellte gegen Bischof Otto den Bertolf als Gegenbischof auf; doch blieb derselbe gänzlich machtlos. Erst G. nahm nun, thatkräftig, wie er war, und gefördert durch seine in Schwaben so mächtigen Verwandten, den Kampf in nachhaltiger Weise auf, zu dessen anfangs nur sehr ungerne übernommener Führung ihn wol hauptsächlich sein Abt Wilhelm auserwählt hatte. Zwar gestaltete sich gleich anfangs die Lage für den neuen Bischof nicht günstig, insbesondere dadurch, daß Heinrich, mit der Kaiserkrone geschmückt, nach der Einsetzung seines Papstes Wibert aus Italien zurück und wieder auf deutschem Boden war, was seiner Partei gegen den Gegenkönig Hermann zur Befestigung diente. G. wurde nebst anderen Bischöfen im Mai 1085 durch eine kaiserliche Synode zu Mainz excommunicirt, Otto als der rechtmäßige Bischof für Constanz erklärt. Besonders aber sah er sich gleich vom Anfang an in den Streit über das Kloster Reichenau verwickelt, für welches der eifrig kaiserlich gesinnte Abt Ulrich III. von St. Gallen (s. d. Art.) 1079 durch Heinrich IV. als Vorsteher, gegen den wirklichen Abt Ekkehard, eingesetzt worden war, und deshalb mußte er nun Constanz auf kurze Zeit verlassen. Allein im Anfange des J. 1086 starb sein Gegner, Bischof Otto, und G. vermochte so sich der Angelegenheiten seines Sprengels anzunehmen, besonders die Stiftung Gebhards II., Petershausen, durch die Berufung von Hirschauer Mönchen zu reformiren, so daß das Kloster jetzt unter seinem neuen Abte Theoderich (1086–1116) ungemein emporblühte, und zwar unter reger Theilnahme des Bischofs vorzüglich an den Bauten; aber auch an seiner 1052 zusammengestürzten Domkirche baute G. fort, so daß 1089 die Hauptweihe des ganzen Neubaues stattfinden konnte, und 1085 half er Abt Wilhelm bei der neuen Gründung einer Hirschauer Colonie zu St. Georgen auf dem Schwarzwalde. Doch 1089 bestellte nunmehr ein Schreiben Papst Urbans II. G. gradezu zum Führer der päpstlichen Partei für Deutschland, zunächst natürlich für Schwaben: er wurde am 18. April neben Bischof Altmann von Passau mit der Vollmacht eines päpstlichen Legaten für „Sachsen, Schwaben und die übrigen Gegenden“ ausgestattet. Die Antwort hierauf war die erneuerte Erhebung eines Gegenbischofs gegen G., in der Person des St. Galler Mönchs Arnold, Bruders des Grafen Heinrich von Heiligenberg, welchen Kaiser Heinrich in der Osterzeit [455] 1092 zu Mantua auf Abt Ulrichs Betreiben hin bezeichnete. Ulrich gedachte, Arnold mit Gewalt einzusetzen; aber der Versuch scheiterte kurz vor Weihnachten 1092 durch den entschlossenen Widerstand der Constanzer Bürger. Inzwischen jedoch hatte die päpstliche Partei in Schwaben 1092 nach dem 1090 eingetretenen Tode Bertolds von Rheinfelden den Bruder des Bischofs, Bertold II. von Zähringen, zum Herzog erwählt, und 1093, in welchem Jahre auch ein neuer Mittelpunkt kirchlicher Bestrebungen durch Herzog Bertold im Kloster St. Peter im Schwarzwalde geschaffen und von G. eingeweiht wurde, hielten beide Brüder mit den meisten übrigen schwäbischen Großen im November eine Versammlung zu Ulm ab, wo sie ohne Zweifel als Führer des Stammes gegen den Kaiser hervortraten. Es wurde beschlossen, daß G. allein als dem päpstlichen Stellvertreter in allen geistlichen Dingen zu gehorchen sei, während man Bertold dagegen im Weltlichen hold und gewärtig sein müsse; andererseits jedoch hatte Bertold dem Bruder in die Hand den Vasalleneid für den hl. Petrus förmlich geschworen. Aber auch auf Baiern erstreckten sich diese Einwirkungen, so daß ein in Ulm aufgestellter Landfriede, von welchem einzig der Gegenbischof Arnold und seine Anhänger ausgeschlossen blieben, durch Herzog Welf IV. dorthin verpflanzt wurde; ebenso nahm an einer Synode zu Constanz, welche G. Ostern 1094 berief, Welf abermals Antheil. Eine förmliche päpstliche Regierung schien sich um die Person des Legaten mit Ausschluß der kaiserlichen Gewalt in diesem Theile von Oberdeutschland bilden zu sollen. 1095 wohnte G. der großen Kirchenversammlung zu Piacenza bei, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Gutachten des gelehrten Theologen Bernold, des Chronisten, über die Gültigkeit der von excommunicirten Geistlichen gespendeten Sacramente, welches von G. bestellt worden war, als derselbe eine nächstens bevorstehende Kirchenversammlung nach päpstlicher Berufung besuchen wollte, eben auf diesen Anlaß sich bezog. Hatte hier G. an einem der größten Triumphe der rasch emporsteigenden Vorherrschaft des Papstthumes sich betheiligt, so sah er sich dagegen in den nächsten Jahren als Verfechter der päpstlichen Sache in Schwaben sehr eingeengt. Herzog Welf versöhnte sich mit dem Kaiser und sogar des Bischofs eigener Bruder, Bertold II., erstellte durch den Ausgleich mit Herzog Friedrich I. die Möglichkeit eines friedlichen Nebeneinanderbestehens der zähringischen und der staufischen Interessen, so daß jetzt von 1097 an die Waffen ruhten und G. als Anhänger Urbans II. allein stand. Von selbst ergab es sich, daß nach Urbans Tode der neue Papst Paschalis II. den Bischof in seiner „apostolischen Vertretung in den deutschen Landen“ 1100 bestätigte. Aber die Lage desselben wurde eine immer unerquicklichere; nach einer Zuschrift des Papstes welche wol dem nächsten Jahre (1101) angehört, scheint sogar G., „um den Verkehr mit Excommunicirten zu vermeiden“, mit dem Plane auszuwandern umgegangen zu sein, so daß Paschalis bei allem Lobe des religiösen Eifers diejenigen tadelt, „welche mitten in einem verkehrten und schlechten Volke nicht ausharren können“. Wirklich mußte G. 1103 vor einem durch den Grafen Heinrich von Heiligenberg unterstützten Angriffe des Gegenbischofes Arnold auf einige Zeit aus Constanz weichen. Am Lichtmeßfeste des Jahres wurde Arnold in den Dom eingeführt; auch der G. getreue Abt Theoderich wich aus Petershausen hinweg; umsonst entsandte Paschalis am 10. Februar Rundschreiben an die Welfen und Zähringer (den Bruder und Neffen des Bischofs selbst) und die übrigen „dem verkehrten Haupte“, Arnold, anhänglichen schwäbischen Fürsten, daß sie G. gehorsam bleiben sollten. Erst die Ereignisse, welche im Zusammenhange mit dem Abfalle des jungen Königs Heinrich von seinem kaiserlichen Vater standen, führten G. aus seinem Exil zurück (in der Zwischenzeit scheint er sich in St. Blasien, sowie im Breisgau aufgehalten zu haben, wobei Egino, Mönch und später, 1109, Abt von St. [456] Ulrich und Afra zu Augsburg, in seine Dienste trat, kaum jedoch bei seinem Bruder Bertold II.). Als der jüngere Heinrich nach dem Ausbruche der Verschwörung gegen den Vater 1104 im December das Lager desselben verlassen und nach Baiern sich begeben hatte, schickte er gleich nach dem Weihnachtsfeste Versicherungen seiner Unterwerfung an Paschalis. Die Aufträge des Papstes an den König eröffnete nun G. im Anfange des J. 1105 persönlich, daß Paschalis, „in der Hoffnung, daß der Zwiespalt zwischen Vater und Sohn von Gott gekommen“, den apostolischen Segen und Lösung aus dem Banne ertheile. Heinrich selbst scheint den Gegenbischof aus Constanz vertrieben und G., sowie Theoderich, den er zu seinem Beichtvater machte und reich beschenkte, in ihre Aemter wieder eingesetzt zu haben. Als Legat begleitete nunmehr G. den König nach Sachsen, wo sie im Mai 1105 zu Nordhausen zum Behufe der durchgängigen Umgestaltung der sächsischen Kirche im Sinne der römischen Interessen eine Synode abhielten, nachdem schon G. allein den Bischof Widelo von Minden als einen Anhänger des Kaisers vertrieben hatte. Theils allein, theils gemeinschaftlich mit dem Mainzer Erzbischof Ruthard setzte darauf G. auch in Goslar und Magdeburg, wo er den von der päpstlichen Partei zum Erzbischof erwählten Heinrich in einer hernach vom Papste selbst mißbilligten überstürzten Hast weihte, seine Anordnungen fort. Für den auf das Weihnachtsfest nach Mainz angesagten Reichstag, welcher über den Besitz der Reichsgewalt angesichts des nicht geschlichteten Streites zwischen Vater und Sohn entscheiden sollte, war G. neben dem Cardinalbischof Richard von Albano, einem geborenen Lothringer, als Legat bezeichnet; nachdem dann der Kaiser durch den König überlistet und gefangen genommen worden war, betheiligte sich G. in hervorragender Weise an den Verhandlungen der von 52 Großen des Reiches, darunter wol auch seinem Bruder Bertold II., besuchten glänzenden Versammlung. Wenn auch Richard bei den Acten zu Ingelheim, welche in den ersten Tagen von 1106 den Kaiser völlig demüthigten, in erster Linie hervortrat, so nahm doch G. an der Königsweihe Heinrichs V. zu Mainz und an der Durchführung der römischen Begehren auf dem Reichstage ebenfalls einen großen Antheil, und es verstand sich von selbst, daß neben einer großen Gesandtschaft deutscher Kirchenfürsten auch G. mit einigen Begleitern nach Rom abgeordnet wurde, für dessen Sieg er voran seit Jahren und in den letzten Monaten in erhöhtem Maße gerungen hatte. Allein einzig G. gelangte zum Papste: denn die anderen Gesandten scheinen durch die ihnen im Februar 1106 zu Trient zu Theil gewordene gewaltsame Behandlung von der Fortsetzung der Reise abgeschreckt worden zu sein, und ebenso hinderten die in Deutschland neu hervortretenden Wirren den Papst, der Einladung, welche an ihn ergangen war, zu folgen und zu Heinrich V. dorthin zu kommen. Dagegen hielt nun Paschalis zu Guastalla im October 1106 ein Concil, an welchem einige deutsche Bischöfe, darunter auch G., sich betheiligten: jetzt wollte der Papst der erneuerten Aufforderung des Königs Folge leisten, als er plötzlich wieder anderen Sinnes wurde und statt nach Augsburg, nach Frankreich ging. Hierdurch und durch die Erneuerung des Investiturverbotes lockerten sich die engen Beziehungen zwischen Paschalis und Heinrich V.; aber auch für G. war bei diesen veränderten Verhältnissen ein Festhalten der bisherigen Vertrauensstellung bei beiden Gewalten nicht mehr möglich. Nach Constanz zurückgekehrt, hielt er sich in seinen letzten Lebensjahren, beschäftigt mit der Besorgung der Angelegenheiten seines Bisthums, von anderweitigen Dingen, im starken Gegensatze gegenüber seinen früheren Jahren, zurück. Wol im Einklange mit den Interessen der Familie – die Zähringer, voran Bertold II., hielten sich zu Heinrich V. – wagte es G. nicht, dem Könige sich zu widersetzen. Wahrscheinlich gleich anderen deutschen Bischöfen durch Heinrichs V. Wink zurückgehalten, fand sich G., trotz seiner Stellung als [457] Legat, auf dem Concil zu Troyes im Mai 1107 nicht ein, so daß Paschalis auch ältere Dinge hervorsuchte, die Magdeburger und die Mindener Angelegenheit, um G. mit starken Verweisen zu bestrafen: nur die Erinnerung an seine frühern Verdienste und die Fürbitte der versammelten Väter – versicherte der Papst – hätten ihn abgehalten, G. vom Amte zu suspendiren. G. scheint von da an vollends sich ganz ruhig einzig seinem Sprengel gewidmet zu haben, bis er im Jahre vor Bertold II. starb. – G. ist, wie einer der hervorragendsten Vertreter der gregorianischen Politik unter den deutschen Bischöfen, so auch mit der provincialen Kirchengeschichte Schwabens, besonders mit der Entstehung oder Entwicklung einer Reihe von Klöstern (so war er außer bei den genannten noch z. B. bei Ochsenhausen 1093, bei Alpirsbach 1095 mitrathend und weihend) vielfach auf das engste verbunden. Die hervorragende Begabung, besonders die politische Tüchtigkeit der Zähringer trat in G. auf dem kirchlichen Felde glänzend hervor.
Gebhard III., Bischof von Constanz, † am 12. November 1110. Ein Sohn- Eine im Codex Hirsaugiensis rühmend erwähnte Vita Gebehardi ist leider verloren, jedoch nach Giesebrecht’s Vermuthung möglicher Weise in den Casus monast. Petrishus., Lib. III., benutzt. In nahen persönlichen Beziehungen zu G. stand außerdem, wie wir mehrfach sahen, der Chronist Bernold, so daß auch dessen Annalen 1084–1100, sowie die bei Ussermann: German. Sacrae Prodromus, Bd. II, gesammelten Streitschriften manches bieten. Die allgemeinen Reichsgeschichten, ebenso speciell die Continuatio casuum s. Galli, sowie für zähringische Dinge der Rotulus Sanpetrinus (bei Leichtlen: Die Zähringer, S. 60–91), für Hirschauisches und St. Blasianisches der Codex Hirsaugiensis (Bibl. d. litterar. Vereins in Stuttgart, Bd. I) und das Chron. Bürgelense (ed. R. Heer: Anonymus Murensis denudatus, S. 365–84), für St. Georgen die Notitiae fundationis s. Georgii (ed. Bader: Mone’s Ztschr. f. Gesch. d. Oberrheins, Bd. IX. S. 194–225) u. a. m., kommen außerdem in Betracht. – Zusammenhängende Schilderungen geben Neugart: Episcop. Constant., Bd. I. S. 467–502, und Karl Zell, im Freiburger Diöces.-Archiv Bd. I. S. 305–404).