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Artikel „Neugart, Trudpert“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 492–494, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neugart,_Trudpert&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 05:52 Uhr UTC)
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Neugart: Trudpert N., Geschichtsschreiber, geb. am 23. Februar 1742 zu Villingen auf dem Schwarzwalde. Der Sohn bürgerlicher Eltern, erhielt er seine höhere Ausbildung an dem Gymnasium der Benedictiner zu St. Georg und St. Blasien. Im J. 1759 trat er hier in den Orden selber ein und wurde 1765 zum Priester geweiht. Von einer gründlichen Vertiefung in die Wissenschaft von jeher beseelt, widmete er sich zunächst mit so erfolgreichem Eifer dem Studium der biblischen Sprache, dass ihm bereits im J. 1767 die Professur derselben an der Universität Freiburg im Br. übertragen wurde. In dieser Stellung verlieb er indeß nur kurze Zeit und kehrte im J. 1770, wie es scheint, nicht ungern in sein Kloster zurück, wo ihm der Abt Gerbert berühmten Namens das Lehramt der Theologie für die jüngeren Ordensbrüder übertrug. Vom J. 1780 an treffen wir N. auf verschiedenen St. Blasischen Exposituren und zwar als Pfarrer in Gurtweil und in Nöggenschwihl und seit 1771 als sogenannten Lehenpropst in Bonndorf. Nach dem Jahre 1772 nach St. Blasien zurückgerufen, erhielt er die Würde des Stiftsdecans; nach dem Tode des Fürstabts Moritz eröffnete sich N. sogar die Aussicht, dessen Nachfolger zu werden, er entzog sich jedoch dieser Ehre und begnügte sich mit der Propstei Krotzingen, die in der Nähe von Freiburg im Br. lag und seiner Zeit der Wohnsitz des bekannten Geschichtschreibers Marquard Herrgott (s. A. D. B. XII, 212–214) gewesen war. N. selbst war in der Zwischenzeit zu geschichtlichen Studien übergegangen und hatte im J. 1780 von dem Abt Gerbert den Auftrag erhalten, die Geschichte des Bisthums Constanz zu schreiben, die bestimmt war, einen Theil der Germania Sacra zu bilden, zu welcher der genannte Fürstabt die ruhmvolle Anregung gegeben hatte. N. hatte sich bisher zwar mit geschichtlichen Arbeiten nicht beschäftigt, aber er bewies durch die That, dass er zu solchen vollkommen berufen und befähigt war. Er erkannte ganz gut, dass es zweckmäßig sei, dem geplanten Werke eine umfassende urkundliche Grundlage zu geben, und dieser Einsicht verdankt der Codex diplomaticus Alemanniae seinen Ursprung. Die Sammlung des betreffenden urkundlichen Materials war übrigens für N. mit mancherlei Verdrießlichkeiten und Enttäuschungen verbunden, weil die verschiedenen Stifter und Abteien, an deren Archive er sich dabei mit angewiesen sah, voll ängstlichen Misstrauens seinen Eifer mit geringem Entgegenkommen erwiderten und viele geradezu sich weigerten, ihm den Zugang zu ihren Schätzen zu gestatten. Er ließ sich jedoch durch diese entmuthigenden Erfahrungen nicht abschrecken und seine Ausdauer machte es möglich, dass der erste Band des in rede stehenden Urkundenbuches noch im J. 1791 an das Licht treten konnte. Die ehrende Aufnahme, die diese Publication fand, durfte ihn für die harte Probe, auf welche seine Geduld gestellt worden war, einigermaßen entschädigen und zur Vollendung des Begonnenen ermuntern. Er hat auch in der That den zweiten Theil zu Stande gebracht und der Oeffentlichkeit übergeben. Auf dieser festen Grundlage baute er dann seinen „Episcopatus Constantiensis Alemanniae“ auf, dessen ersten Bandes ersten Theil er auf dem Propsteihofe in Krotzingen vollendete und der im J. 1803 aus der Druckerei von St. Blasien hervorging. N. hatte [493] ihn dem Kurfürsten von Mainz, Karl Theodor von Dalberg, der zugleich Fürstbischof von Constanz war, zugeschrieben. Seit dem Erscheinen des Urkundenwerkes, noch mehr aber seit der Veröffentlichung des ersten Theiles des Geschichtswerkes nahm N. unter den deutschen Geschichtsforschern eine hochgeachtete Stellung ein und stand mit verschiedenen gelehrten Forschern in näherer Verbindung. Es sei hier vor allem seiner Beziehungen zu dem Geschichtschreiber der Schweiz, Johannes v. Müller, gedacht, und erwähnt, dass dieser sich u. a. auch Neugarts’s Empfehlungen bediente, um seine Berufung nach Mainz verwirklicht zu sehen. N. war, was seine kirchlichen Gesinnungen anlangt, nichts weniger als ein blinder Eiferer, und es ist bekannt, dass seine Beurtehilung der Reformation von hoher Unbefangenheit Zeugniß ablegt: aber aus den Briefen, die er damals an Johannes Müller gerichtet hat, geht doch zugleich hervor, dass er damals die Hoffnung und den Wunsch nicht ganz zu unterdrucken vermochte, der so billig urtheilende Censor des Mittelalters möge folgerechter Maßen in den Schoß der Mutterkirche zurückkehren. (Vgl. die Briefe an J. v. Müller, herausgegeben von Maurer-Constant, Bd. 6.) N. hatte wohl gedacht, der zweite Theil des ersten Bandes seines Geschichtswerkes sollte nicht allzuspät auf den ersten folgen. Es war aber anders damit beschlossen. Die gewaltigen Veränderungen, mit welchen das deutsche Reich seit dem Anfange des 19. Jahrhunderts heimgesucht wurde, griffen auch in sein Schicksal empfindlich ein. Die Fürstabtei St. Blasien wurde bekanntlich säcularisirt und kam unter badische Herrschaft. N. beurtheilte diese Umwälzung gefaßter und verständiger als viele andere, die davon betroffen wurden. Er hätte es zwar gern gesehen, wenn St. Blasien, in Erinnerung an seine Vergangenheit und Verdienste um die Cultur, von der beschlossenen allgemeinen Vernichtung ausgenommen worden wäre und strengte sich in dieser Richtung an. Als dann über die Vergeblichkeit solchen Bemühens kein Zweifel übrig blieb, hätte er wenigstens für seine Person eine Ausnahme gewünscht und sich auf Lebenszeit den Besitz der Propstein Krotzingen gern vorbehalten gesehen; aber auch dieser Wunsch blieb unerhört und es wurde nicht für zweckmäßig befunden, ihm zu Liebe eine Ausnahme von der Regel zu machen. So beschloß denn der Convent von St. Blasien, der das Loos der Säcularisirung nicht über sich ergehen lassen wollte, sich auswärts eine neue Heimath zu suchen. N. war es, der es (1787) übernahm, im Auftrage seiner Mitbrüder nach Wien zu gehen und ihre Aufnahme irgendwo im Umkreise des Kaiserstaates zu betreiben. Die Verwendung war von Erfolg begleitet. Die österreichische Regierung wies den Sanct Blasianern das seiner Zeit von Kaiser Joseph II. aufgehobene Kloster St. Paul im Lavantthal bei Klagenfurt als neue Heimath an. Hierher siedelte der Abt Berchtold mit 40 Conventualen, worunter auch N., noch in demselben Jahre über. Noch 18 Jahre hat N. in diesem Asyl zugebracht. Auch dieser Theil seines Lebens war dem Dienste zugleich der Wissenschaft geweiht, wie der vorausgegangene es gewesen war. N. vollendet zunächst den zweiten Theil des ersten Bandes seines Epicopatus Constanc., der freilich erst 37 Jahre nach seinem Tode (1862) zum Druck gelangte und wegen der berührten Verhältnisse und der Entfernung vom Heimathslande an Wert dem ersten Theile nicht ganz gleichkommt. Zugleich vertiefte sich N. jetzt aber auch in die Geschichte seiner neuen Heimath und verfasste u. a. eine auf gründlichen Studien ruhende Geschichte des Klosters St. Paul in lateinischer Sprache; auch dieses Werk ist erst mehrere Jahrzehnte nach seinem Hinscheiden (1848–1854) veröffentlicht worden. Neugart’s Wirksamkeit in St. Paul, namentlich als Lehrer angehender Mönche, wird von sachkundiger Seite gerühmt und er soll zugleich für die Belebung der historischen Studien in seiner Umgebung in hohem Grade belebend gewirkt haben. G. v. Ankershofen z. B., der sich um die Geschichte Kärnthens mehrfach verdient gemacht hat, ist von ihm angeregt worden. Seine alte Heimath [494] hat N. nicht wieder gesehen; am 15. Dezember 1825, im Alter von beinahe 83 Jahren, ist er gestorben.

Vgl. F. J. Mone, Quellensammlung zur badischen Landesgeschichte (Karlsruhe 1848). 1. Bd., Einleitung, S. 49–52. – Derselbe in den Heidelberger Jahrbüchern, Jahrgang 1855, S. 533–542. – H. Schreiber, Geschichte der Universität Freiburg im Br. 3. Thl. (Freiburg 1866) S. 147–148. – Joseph Bader, Das ehemalige Kloster St. Blasien auf dem Schwarzwalde und seine Gelehrten-Akademie (Freiburg im Br. 1874) S. 115–120, wo sämmtliche Schriften Neugart’s aufgeführt sind.