ADB:Heinrich IV. (deutscher König)

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Artikel „Heinrich IV., deutscher König und Kaiser“ von Theodor Lindner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 399–411, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_IV._(deutscher_K%C3%B6nig)&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:12 Uhr UTC)
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Heinrich IV., deutscher König und Kaiser, wurde am 11. November 1050, wahrscheinlich zu Goslar, geboren, † am 7. August 1106. Da seine Mutter, Agnes, ihrem Gemahl, dem Kaiser Heinrich III., vorher nur Mädchen geboren hatte, wurde der künftige Thronerbe mit hoher Freude begrüßt; gleich am Weihnachtsfeste ließ der Vater die anwesenden Fürsten ihm Treue geloben. Am folgenden Osterfeste, am 31. März 1051, hielt in Köln der Abt Hugo von Cluny das Kind über die Taufe, welche Erzbischof Hermann vollzog. Nachdem auf dem Reichstage zu Tribur im November 1053 die Fürsten einhellig H. zum König gewählt, wurde er feierlich am 17. Juli des folgendes Jahres zu Aachen von dem Kölner Erzbischofe gekrönt. Auch die künftige Gemahlin wurde wenig später dem erst fünfjährigen Knaben bestimmt, indem er mit Bertha, der Tochter der Markgräfin Adelheid von Susa, verlobt wurde. Ohne Störung ging, als Heinrich III. am 5. October 1056 starb, der Thronwechsel vor sich; die Vormundschaft über den unmündigen König fiel dessen Mutter Agnes zu. (Ueber sie vergl. Bd. I. S. 138–140.) Da sie ihre Aufgabe nur in sehr unvollkommener Weise zu lösen vermochte, machten die dem Kaiserthum entgegenstrebenden Gewalten unter ihrer Regentschaft erhebliche Fortschritte. Die deutschen Fürsten, welche Agnes durch Willfährigkeit an sich zu fesseln suchte, betrachteten es mehr und mehr als ihr Recht, auf die Leitung des Reiches entscheidenden Einfluß zu üben und sich neben die Krone zu stellen; sie dachten wieder daran, die königliche Macht zu Gunsten ihrer eigenen Gerechtsame zu mindern. In diesem Streben begegneten sich mit den weltlichen die geistlichen Herren, welche kaum noch geneigt waren, den Gründen, aus welchen sie das Königthum zur Macht erhoben hatte, gerecht zu werden. Die Männer, welche die Kaiserin zu den höchsten [400] Würden erhob, Gottfried von Lothringen, Rudolf von Schwaben, Otto von Nordheim, Berthold von Kärnthen, ferner Siegfried von Mainz, Burkhard von Halberstadt u. A. waren zum Unglück Heinrichs nicht aus dem Holz geschnitten, wie es der Thron zu seiner Stütze bedurft hätte. Wenn auch dem Reiche größere Erschütterungen im Inneren zunächst erspart blieben, verlor doch die Krone mehr und mehr an Ansehen, während die persönliche Bedeutung der Fürsten wuchs, und es ließ sich voraussehen, daß es dem jungen Könige dereinst schwer fallen würde, die ihm gebührende Stellung zu erringen. Auch in der äußeren Politik war Agnes nicht glücklich. Abgesehen von der Niederlage in Ungarn, war es besonders bedenklich, daß in Italien nach dem Tode des Papstes Victor II. Herzog Gottfried zu immer größerer Bedeutung gelangte und die Leitung der dortigen Verhältnisse fast ganz in seine Hände bekam. Dadurch gelang es der Partei Hildebrand’s[WS 1], die kirchlichen Verhältnisse Roms nach ihren Wünschen zu gestalten und die cluniacensische Richtung, welche Heinrich III. theils aus persönlicher Zuneigung, theils aus politischen Rücksichten begünstigt hatte, zeigte an Umfang und innerer Stärke gewinnend immer klarer ihre Tendenz, dem Papstthum eine selbständige Stellung neben dem Kaiserthum zu gewinnen. Unter der Förderung Roms brach zunächst in Mailand, dann auch in anderen Städten Oberitaliens jene patarenische Bewegung aus, welche, zunächst gerichtet gegen die simonistischen Bischöfe, sofort einen politischen Charakter annahm, indem das Bürgerthum zugleich den Adel, mit welchem die Bischöfe im engsten Zusammenhange standen, bekämpfte und seine Herrschaft in den Städten brach. Dadurch gewann das Papstthum an den lombardischen Bürgerschaften kräftige Stützen zum Kampfe gegen das Kaiserthum. Man kann zwar der deutschen Regierung nicht vorwerfen, daß sie den sich vorbereitenden Umschwung nicht erkannt, sich nicht bemüht hätte, ihm entgegenzutreten, aber einer wirklichen Kraftentfaltung unfähig, vermochte sie nicht durchzudringen. So erfolgte das Wahldecret des Nicolaus, welches zwar hauptsächlich gegen den römischen Stadtadel, nicht prinzipiell gegen das Kaiserthum gerichtet war, aber doch die künftigen Papstwahlen der Hildebrand’schen Partei sicherte; es erfolgte die Belehnung der Normannen mit Unteritalien, welche die kaiserlichen Rechte verletzend eine gefährliche Gegenmacht im Dienste des Papstthums schuf; es erfolgte die Erhebung Alexanders II. ohne Wissen und Willen der Kaiserin, welche dem von ihr aufgestellten Gegenpapste Cadalus von Parma es überlassen mußte, sich selbst seine Würde zu erkämpfen. Auch hier war ein gefährlicher Conflikt in der Schwebe, als die Kaiserin gestürzt wurde. Anno von Köln (vgl. über ihn Bd. I. S. 472–475) war das Haupt der Verschwörung, an welcher Otto von Nordheim, sowie Ekbert von Braunschweig und vermuthlich noch andere Fürsten theilnahmen; auch Herzog Gottfried, der in Italien weilte, muß von ihr gewußt haben. Als die Kaiserin im Mai 1062 mit Anno in Kaiserswerth zusammentraf, lockte der Erzbischof den jungen König auf ein bereit liegendes Schiff, welches alsbald vom Ufer abstieß. Rasch entschlossen, sprang H., die schlimme Absicht erkennend, in den Strom, der ihn verschlungen haben würde, wenn ihn nicht Ekbert mit eigener Lebensgefahr aus den Fluthen gerettet hätte. Er wurde alsbald nach Köln gebracht. Agnes verzichtete darauf, den Verschworenen ihren Raub mit Gewalt abzunehmen und trat von der Leitung des Reiches zurück, hinfort frommen Uebungen sich widmend. Der kühne Streich war geglückt; der König und mit ihm das Reich standen in der Gewalt der Fürsten. Derjenige Bischof, in dessen Sprengel der König sich gerade aufhielt, sollte die Reichsgeschäfte leiten. In der That aber übte Anno, welcher den König nicht von seiner Seite ließ, im Verein mit dem Baiernherzoge, den größten Einfluß aus. Ihm hatte es Papst Alexander zu verdanken, daß im October desselben Jahres die Augsburger Synode [401] den Bischof Burchard von Halberstadt, den Neffen Anno’s, beauftragte, die Sache der beiden streitenden Päpste zu untersuchen. Wie zu erwarten, erklärte er sich für Alexander, den er zusammen mit Herzog Gottfried nach Rom zurückführte. Zwar wurde noch die letzte Entscheidung einer Synode vorbehalten, aber Rom hatte den ersten Sieg davongetragen: das Reich selbst erkannte den wider Willen des Reichsoberhauptes erhobenen Papst an und ließ den von letzterem ernannten fallen. Im Laufe des Sommers 1063 trat in der obersten Leitung des Reiches eine Aenderung ein, indem Erzbischof Adalbert von Bremen unter dem Titel eines patronus die Führung der Reichsgeschäfte übernahm, während dem Kölner Erzbischofe als magister die Erziehung und Obhut des Königs überlassen blieb. Wie wir überhaupt über diese Zeit schlecht unterrichtet sind, vermögen wir auch hier nicht die Verhältnisse klar zu übersehen und die Gründe zu erkennen, welche hierfür maßgebend waren. Anno scheint dem Druck der übrigen Fürsten nachgegeben zu haben, welche seine allzu große Macht mit Neid betrachteten, andererseits scheinen auch die schwebenden kirchlichen Fragen – Cadalus hatte wieder den Versuch gemacht, die Papstwürde zu erobern und war in Rom eingedrungen – eingewirkt zu haben. Zunächst begleitete Adalbert den jungen König auf dem ersten Feldzuge, welchem dieser beiwohnte; der Schwager Heinrichs, Salomon, wurde wieder als ungarischer König eingesetzt und nahm seine Krone als Lehen vom deutschen Reiche. Im Mai des folgenden Jahres wurde durch Anno auf der Synode zu Mantua endgiltig die Anerkennung Alexanders ausgesprochen; nach allem, was bisher geschehen war, konnte dieser Versuch, die bisherige Stellung der deutschen Krone gegenüber dem Papstthum zu retten, nur bedeutungslos sein.

Am 29. März 1065 wurde H. in Worms nach alter Sitte mit dem Schwerte umgürtet und damit für mündig erklärt. Er gedachte sich alsbald in Rom auch die kaiserliche Krone zu holen, aber obgleich die Vorbereitungen bereits getroffen waren, unterblieb der Zug aus uns unbekannten Gründen. Zum zweiten Male wurde im folgenden Jahre die Romfahrt durch den eiligen Aufbruch Herzog Gottfrieds über die Alpen verhindert. Das war nicht nur für die künftige Stellung zum Papstthume, sondern auch für das augenblickliche Verhältniß zu den Fürsten von großem Nachtheil. Nur kurze Zeit dauerte überhaupt Heinrichs Selbständigkeit. Adalbert hatte durch seinen Hochmuth, durch das Uebermaß von Schenkungen, welche er sich machen ließ, Haß und Neid bei geistlichen und weltlichen Fürsten hervorgerufen, und diese verschworen sich zu seinem Sturze. Dem Könige blieb nichts übrig, als den Freund aus seiner Nähe zu entfernen. Der Erzbischof wird beschuldigt, den übeln Neigungen seines jugendlichen Herrn allzusehr nachgegeben und diesen zur Unsittlichkeit verlockt zu haben. Wenn nun auch Adalbert gewiß zu H. zärtliche Liebe hegte, so sind diese Anklagen doch unzweifelhaft zu weit gehend. Allerdings hat sich H. von jugendlichen Verirrungen nicht frei gehalten und gelegentlich vom Leichtsinn hinreißen lassen, aber der Vorwurf einer wirklichen, im Charakter begründeten Unsittlichkeit läßt sich nicht erhärten. Die Beschuldigungen, welche gegen ihn erhoben wurden, sind entweder ganz allgemein gehalten und erklären sich zur Genüge aus der feindseligen Stellung der betreffenden Schriftsteller oder sie sind geradezu unsinnig. Entgegen stehen die Aussagen anderer Zeugen und das Urtheil, welches wir uns selbst aus seinem Leben bilden können. Die natürliche Folge war, daß der König, wenn auch seine Regierung dem äußeren Wesen nach selbständig blieb, wieder mehr in Abhängigkeit von den Fürsten gerieth und ihrem Einflusse sich beugen mußte. Sie scheinen es gewesen zu sein, welche ihn wider seinen Willen nöthigten, seine Verlobte, Bertha, nun im Juni 1066 als Königin heimzuführen; daher hielt sich H. von seiner Frau fern und [402] zeigte offen seinen Widerwillen gegen sie. Er versuchte sogar wenige Jahre später die Auflösung der Ehe zu erreichen, aber der päpstliche Widerspruch, wie die Vorstellungen der Fürsten nöthigten ihn, seine Absicht aufzugeben. Er hat es nicht zu bereuen gehabt; bald wurde die Ehe zu einer glücklichen und die edle Bertha seine treueste und hingebendste Gefährtin.

Kein Wunder, wenn alle diese trüben Erfahrungen den König mit Abneigung und Argwohn gegen die Reichsfürsten erfüllten, wenn er sich lieber mit anderen Freunden umgab, welche, zugleich Genossen seiner Jugendfreuden, ihm persönlich ergeben waren. Umgekehrt mußten diese Günstlinge, Eberhard von Nellenburg, Leopold von Mörsburg, Udalrich von Godesheim und Andere wieder den Groll der Fürsten erregen, welche seit Jahren gewöhnt, den König nach ihrem Willen zu leiten, ihn nun sich allmählich selbständig entwickeln sahen. H. begann mit Nachdruck die Zügel der Herrschaft zu führen und strebte mit lebhaftem Eifer danach, die in der Zeit seiner Abhängigkeit verkümmerten königlichen Rechte voll wieder herzustellen. Dabei mochte er wol manchmal mit zu großer Hast zu Wege gehen und die Reichsfürsten, welche die veränderten Verhältnisse schwer ertrugen, nicht genügend berücksichtigen. Daher begannen die Zerwürfnisse mit den großen Herren, deren Weiterwirkung für H. so verhängnißvoll werden sollte. Der erste Kampf wurde 1069 gegen den Markgrafen Dedi von der Ostmark geführt; im folgenden Jahre wurde Otto von Nordheim, gemäß dem Spruche der sächsischen Fürsten, welche ihn für des Hochverraths schuldig erklärten, seines Herzogthums Baiern entsetzt und dieses Welf übergeben. In das Schicksal Otto’s wurde auch Herzog Magnus von Sachsen verwickelt, welcher in Haft genommen ward. Bald folgte ein Zwist mit Rudolf von Schwaben, ebenso mit Herzog Bertold von Kärnthen, die zwar für den Augenblick wieder beigelegt wurden, aber doch, wie es scheint, dauernde Spuren hinterließen. So war des Königs Lage höchst unerquicklich und Schwanken und Unsicherheit im Regiment unvermeidlich, und dadurch wurde es ihm unmöglich, das Ansehen der Krone wieder herzustellen. Da brach der sächsische Aufstand aus. Die Gründe desselben liegen, wie neuere Forschungen gezeigt haben, tiefer, als sonst angenommen wurde. Nicht allein die alte Abneigung der Sachsen gegen die Franken und die Könige aus diesem Stamme, nicht allein der Unwille über den häufigen und für das Land mit schweren Unkosten verbundenen Aufenthalt der Herrscher in Sachsen und namentlich in Goslar sind es gewesen, welche die Empörung hervorriefen. H. ging vielmehr darauf aus, in Sachsen und Thüringen die alten königlichen Besitzrechte auf Ländereien, Forsten u. dgl. wieder geltend zu machen, und ließ durch die Besatzungen von Burgen, die aber nur zum geringsten Theile deswegen neu erbaut waren, darüber wachen. Da aber diese Rechte außer Uebung gekommen und in Vergessenheit gerathen waren, fühlten sich die Sachsen in ihren Rechten und Freiheiten gekränkt, und so kam es, daß es den ohnehin mit H. unzufriedenen Bischöfen und Herren leicht wurde, in der großen Masse Anhang zu finden. Uebertriebene Gerüchte von schlimmen Anschlägen des Königs mit Absicht verbreitet, fanden leichten Glauben. Es handelte sich also auch hier für die sächsischen Fürsten im letzten Falle lediglich darum, eine Neuerstarkung der königlichen Macht selbst mit Gewalt zu verhindern.

Ende Juni 1073 traten in Goslar die Absichten der Verschworenen klar zu Tage; der König hielt es daher für gerathen, in der festen Harzburg die Entwickelung der Dinge abzuwarten. Als jedoch die Sachsen an die Belagerung derselben gingen, floh er auf heimlichen Waldwegen nach Hersfeld und rief die Reichsfürsten, welche zu einem beabsichtigten Kriege gegen die Polen in Franken gerüstet standen, zur Hülfe herbei, nachdem er vorher Herzog Magnus seiner Haft entlassen hatte, um, bei den Reichsfürsten, wie bei den Aufständischen günstigere [403] Meinung zu erwecken. Aber die gehoffte Hülfe erhielt er nicht, sondern er wurde auf den Herbst vertröstet. Obgleich Rudolf und seine Gesinnungsgenossen wahrscheinlich nicht mit den Sachsen im Einverständnisse waren, wollten sie offenbar für die Wiederherstellung der königlichen Macht keine Opfer bringen. H. mußte den Weg der Unterhandlungen betreten, welche endlich zu dem Fürstentage zu Gerstungen vom 20. October führten. Allerdings berichtet Lambert, dort seien die Fürsten einhellig übereingekommen, H. zu entsetzen, aber vorläufig den Entschluß geheim zu halten, jedoch der Glaubwürdigkeit dieser Nachricht stehen schwere Bedenken im Wege. Vermuthlich wurde bestimmt, daß die Sachsen sich dem Könige unterwerfen, dafür aber ihr Recht erhalten sollten. Wie dem nun sei, der Aufstand blieb in voller Kraft und H. hatte trübe Tage, die noch durch schwere Erkrankung verbittert wurden, zu durchleben. Um sein Ungemach voll zu machen, trat ein gewisser Regenger mit der Anklage auf, der König habe ihn zur Ermordung der Herzöge Rudolf und Berthold dingen wollen. Tief empört, wollte er selbst mit Rudolf, den er als den Anstifter betrachtete, im Gottesurtheil kämpfen; erst nach längerem Zögern beschlossen die Fürsten, daß durch einen Zweikampf zwischen Ulrich von Godesheim und Regenger der Handel entschieden werden sollte. Aber letzterer starb vorher im plötzlichen Wahnsinn. In dieser Noth war es die Treue der Bürger von Worms, welche ihn in seinem Unglück wieder aufrichtete und neue Kraft verlieh. Im Beginne 1074 konnte er mit Heeresmacht ins Feld ziehen und die Sachsen waren nun bereit, das Friedensangebot des Königs anzunehmen, doch mußte H. die Zerstörung seiner Burgen gestatten. Die sächsischen Bauern jedoch ließen sich durch ihre Vernichtungswuth zu schweren Freveln gegen die geweihten Stätten auf der Harzburg hinreißen und dadurch kam H. in unerwarteten Vortheil. Mit den Kräften des gesammten Reiches konnte er im folgenden Jahre in Sachsen eindringen und am 9. Juni errang er den glänzenden Sieg bei Homburg an der Unstrut; im Herbst wurde der Aufstand völlig unterdrückt und seine Häupter kamen in die Hände des Königs.

Aber schon hatte das Zerwürfniß mit Gregor VII. begonnen, welches zu welterschütternden Kämpfen führen sollte. Es ist verkehrt, für den Ausbruch desselben ausschließlich den Papst oder den König verantwortlich machen zu wollen; die Wurzeln liegen viel tiefer. Es war ein Kampf, der unvermeidlich war. Die ganze Entwickelung, welche das Abendland genommen und welche namentlich seit den Tagen Karls des Großen ihre bestimmte Richtung erhalten hatte, drängte zum Conflikt zwischen Kaiserthum und Papstthum hin. Beide beruhten auf derselben Grundidee, der Einheit der gesammten Christenheit. In dieser Gleichheit des Grundprincips lag der Zwiespalt eingeschlossen, indem jede der beiden Gewalten danach streben mußte, den Vorrang vor der anderen zu gewinnen, um nicht von ihr zurückgedrängt zu werden. Bisher hatte das Kaiserthum unzweifelhaft den Vortritt gehabt, aber dabei dem Papstthum die größte Förderung angedeihen lassen, theils aus aufrichtiger Hingabe an die Kirche, theils um durch diese die eigene Herrschaft zu stützen. Indem sich aber namentlich durch die Cluniacenser mehr und mehr die Anschauung herausbildete und zur Herrschaft über die Geister gelangte, daß die Kirche die alleinige Vertreterin Gottes auf Erden sei und daß sie dargestellt werde durch das Papstthum und mit diesem identisch sei, daß das Geistliche hoch über dem Weltlichen stehe, kam es dazu, daß das Papstthum, indem es nur die Freiheit der Kirche zu erstreben behauptete, das Kaiserthum sich unterzuordnen bemühte. Dabei kam nun die Einrichtung, welche die Kaiser selbst dem Reiche gegeben hatten, die enge Verbindung des Geistlichen und Weltlichen, welche sie selbst gepflegt hatten, gerade dem Papstthum außerordentlich zu Statten. Indem sich die Päpste als die [404] alleinigen Vertreter des Geistlichen hinstellten, wollten sie dem Kaiser nur das Weltliche überlassen; wie aber der staatliche Zustand war, ließ sich eine Scheidung der beiden Elemente nicht durchführen und indem die Päpste das Geistliche beanspruchten, mußten sie zugleich tief in die weltliche Sphäre des Kaiserthums eingreifen, wie das besonders bei dem Investiturverbote in der schroffsten Weise der Fall war. Da nun das Kaiserthum zur Nothwehr gezwungen wurde, wenn es nicht sein ganzes bisheriges Wesen einbüßen wollte, da es nach Möglichkeit den bisherigen Stand zu behaupten trachtete, mußte der Kampf zwischen den beiden Häuptern der Christenheit entbrennen. Es war ein Kampf um Principien, in welchem Beide um ihre höchsten Lebensinteressen rangen, beide getrieben von der historischen Nothwendigkeit, beide erfüllt von der Ueberzeugung, nur so den Pflichten ihrer Würde gerecht zu werden. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, ob das Reformprogramm der Cluniacenser richtig und nothwendig war, genug, daß sie und Gregor, sowie dessen Nachfolger davon fest überzeugt waren. – Wenn auch das Papstthum der angreifende Theil war, darf man es deswegen doch nicht einseitig verurtheilen und seine großen Vertreter nicht lediglich als herrschsüchtige Naturen darstellen, aber ebensowenig darf man vergessen, daß der Kampf, den sie führten, schließlich zum politischen werden und die religiösen Ideen, von denen sie ausgingen, mehr und mehr zurücktreten mußten. Keine große Entwickelung in der Geschichte geht vor sich ohne tiefe Erschütterung, ohne zahllose Opfer zu erfordern. Die Nachwelt genießt die Früchte, welche die Mitwelt unter schmerzlichen Leiden säete. So war es für H. ein großes Unglück, gerade in diesem schwersten Momente, den das deutsche Kaiserthum erlebte, die Krone zu tragen. Trotz der letzten Erfolge über die Sachsen war seine Macht im Reiche wenig gefestigt, überall unter den Fürsten mehr Gegner als Anhänger; die vorangegangenen Jahre der Erniedrigung sollten jetzt erst recht ihre gefährlichen Folgen zeigen. Obgleich die Mailänder Angelegenheit, in welcher das Papstthum das Investiturverbot gegen das gute Recht des Königs praktisch durchsetzen wollte, und die damit zusammenhängende Excommunication der königlichen Räthe, welche gleichwohl nicht vom Hofe entfernt wurden, die äußeren Momente waren, die den Bruch herbeiführten, so handelte es sich doch von Anfang des Streites an darum, ob H. sich dem Papste, wie dieser es forderte, unterordnen und dessen Ansprüche erfüllen, oder seine königlichen Rechte zu wahren suchen würde. Der Briefwechsel zwischen Beiden hat manche Wandlungen durchgemacht, auch den Einfluß der Kaiserinmutter hatte Gregor für sich aufgeboten, aber schließlich zeigte sich doch, daß H., gehoben durch den Sieg über die Sachsen, nicht nachgeben wollte. Aufschrift und Schluß des Ultimatums, welches Gregor am 8. Januar 1076 an H. richtete, lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: während diese dem Könige den apostolischen Segen ertheilt, doch nur unter der Voraussetzung, daß er dem heiligen Stuhle gehorche, wie es einem christlichen Könige gezieme, hält jener ihm das Schicksal Sauls vor Augen. Noch mehr erbitterten den Herrscher die mündlichen Drohungen, welche die Gesandten im Auftrage des Papstes dem Schreiben hinzufügten. Am 24. Januar 1077 ließ H. durch die Synode zu Worms Gregor VII. absetzen, und dieser blieb die Antwort nicht schuldig, indem er am 22. Februar den König bannte und dessen Unterthanen von dem Treueide entband. Heinrichs Schritt war unklug, weil er sich über seine Macht und die Verhältnisse täuschend nicht im Stande war, dem Beschlusse der Synode Nachdruck zu geben. Er war ferner nicht gerechtfertigt, weil die Absetzung ohne jedes vorhergehende rechtliche Verfahren erfolgte. Außerdem waren die Gründe, aus denen die Unrechtmäßigkeit von Gregor’s Pontifikat hergeleitet wurde, nicht mehr zutreffend, weil Gregor bisher vom König und Reich ohne jeden Anstand anerkannt [405] worden war. Andererseits war Gregor weit hinausgegangen über die Stellung, welche bisher dem Papstthum zukam, und thatsächlich zum größten Theil im Unrecht; daher ist die leidenschaftliche Aufwallung Heinrichs, des Nachfolgers Otto’s I. und Heinrichs III. leicht erklärlich. Als römischer Patricius, als Vertreter des Kaiserthums hielt er sich für befugt – und wenn man die bisherigen Verhältnisse berücksichtigt, muß man sagen, nicht mit Unrecht –, durch synodalen Spruch den Papst absetzen zu lassen, der seine Rechte antastete und ihm selbst mit Entsetzung drohte. Daß das Concil ein ausschließlich deutsches war, konnte, wie bis dahin die allgemeine Lage gewesen war, nicht sonderlich in Betracht kommen. Gregor dagegen unternahm ein Wagniß der kühnsten Art, völlig entsprechend seinen Anschauungen und durch diese, wenn er sie nicht preisgeben wollte, nicht minder geboten. Mit Recht ist bemerkt worden, daß für die Vertreter des Kaiserthums die Sachlage von vornherein deswegen ungünstig lag, weil sie, wie die gesammten Zeitgenossen, im Grunde über die Nothwendigkeit und Competenz des römischen Papstthums nicht viel anders dachten, als dessen Repräsentanten, und weil sie daher nur die Person, nicht das System an sich bekämpfen konnten. Daher kam es, daß auch die deutschen Fürsten und namentlich die Bischöfe in ihrer eigenthümlichen Stellung sich in einen Widerstreit von Pflichten getrieben sahen, aus dem nur eine ungewöhnlich klare Natur den richtigen Weg finden konnte. Aber ein großer Theil dieser Herren betrachtete schon seit geraumer Zeit den König mit Argwohn und Abneigung und trachtete nach Minderung der königlichen Autorität. Wenn es auch zu weit gegangen wäre, zu behaupten, daß diejenigen, welche nun von H. abfielen, die Religion lediglich zum Deckmantel ihrer eigennützigen Absichten benutzten, so läßt sich doch nicht verkennen, daß für so Manchen sich jetzt eine willkommene Gelegenheit bot, dem Könige, wie sie meinten, mit gutem Gewissen entgegentreten zu können. H. sah sich genöthigt, nicht nur persönlich seine Krone gegen den Papst zu wahren, sondern auch für die Stellung des Königthums im Reiche zu kämpfen. Des Papstes Bannspruch war mächtiger, als der Befehl des Königs; reißend schnell griff der Abfall unter Fürsten und Bischöfen um sich, namentlich in Oberdeutschland, bald flammte auch der Aufstand in Sachsen, wohin die Verbannten zurückkehrten, wieder auf. Das Nationalconcil, welches das gesetzliche Verfahren gegen Gregor einleiten und einen anderen Papst wählen sollte, den der König selbst nach Rom führen wollte, kam nicht zu Stande, und die Synode der dem Könige noch ergebenen Bischöfe, welche im Sommer in Mainz die Excommunication über den Papst aussprach, vermochte an der Sachlage wenig zu ändern. Die feindlichen Fürsten, welche inzwischen eifrige Verhandlungen mit Rom gepflogen hatten, traten am 16. October in Tribur zusammen, wo auch päpstliche Legaten erschienen. Noch kam es nicht zur Wahl eines Gegenkönigs, aber H., der von dem nahen Oppenheim aus die Stimmung für sich günstiger zu gestalten suchte, mußte geloben, sich in allen Stücken dem Papste zu unterwerfen, der allein ihn absolviren könne; bis zum 22. Februar müsse die Lossprechung vom Banne erfolgt sein, wenn er nicht das Reich verwirkt haben wollte. Zugleich war in Aussicht genommen, daß der Papst im Anfang des nächsten Jahres nach Deutschland kommen sollte, um dort mit den deutschen Fürsten über die Sache des Königs zu verhandeln.

Einsam und verlassen – denn seine Freunde und Räthe hatte er von sich weisen müssen – verlebte H. in Speier die nächsten Monate, ohne die Reichsgeschäfte auszuüben, kaum noch dem Namen nach König. Vor allem mußte verhütet werden, daß Gregor über die Alpen kam; konnte H. mit ihm allein, ohne die deutschen Fürsten, verhandeln, war eine Lossprechung vom Banne am ehesten zu erhoffen, und außerdem wurde so die Demüthigung eines öffentlichen [406] Gerichtes des Papstes und der Fürsten über den König vermieden. Heimlich verließ er daher um die Mitte December Speier und ging nach Burgund, unter unsäglichen Beschwerden überschritt er, begleitet von seiner treuen Gemahlin und seinem dreijährigen Söhnchen Konrad, den mit tiefem Schnee und Eis bedeckten Mont Cenis. Die von den Lombarden bereitwillig angebotene Hülfe wies er zurück und eilte nach Canossa, der Burg Mathildens, wo Gregor sich aufhielt, dessen Aufbruch nach Deutschland eine unerwartete Zögerung erfahren hatte. Drei Tage mußte er im Büßergewande vor den Thoren der Feste harren, bis sich der Papst entschloß, ihm das zu gewähren, was er nach den Kirchengesetzen ihm nicht verweigern konnte. Endlich am 28. Jan. 1077, nachdem H. schriftlich gelobt, daß er zu einem vom Papste zu bestimmenden Termine den deutschen Fürsten entweder nach des Ersteren Urtheil Recht thun oder sich nach dessen Rath mit ihnen aussöhnen und daß er dem Papste, wenn dieser über die Alpen oder in andere Länder gehen wolle, und dessen Gesandten und Allen, welche zu ihm zögen, überall Sicherheit gewähren würde, wurde er vorgelassen und empfing die Absolution. So hatte H. das Verlangen der Fürsten erfüllt, aber die Mehrzahl, statt ihn wieder als König anzuerkennen, beharrte bei der Absicht, ihn abzusetzen. Und wenn er auch zunächst eifrig bemüht war, den Papst zufrieden zu stellen, so mußten die Verhältnisse in der Lombardei, wenn er nicht jeden Einfluß auf dieselben aufgeben und nicht in diesem Lande, welches im Augenblick ihm noch allein anhing, selbst allgemeinen Abfall herbeirufen wollte, doch alsbald wieder Mißstimmung zwischen ihm und Gregor hervorrufen. Der Papst dagegen forderte gleich anfangs die deutschen Fürsten auf, bis zu seiner Ankunft auf dem einmal betretenen Wege zu verharren; er ließ es ruhig geschehen, daß unter der thätigen Mitwirkung seiner Legaten am 15. März in Forchheim in Rudolf von Schwaben ein Gegenkönig ganz nach seinem Sinn aufgestellt wurde. H. zögerte nicht, den Kampf aufzunehmen, über Aquileja und Kärnthen gelangte er Anfang Mai nach Baiern. Seine Sache zeigte sich günstiger, als er vielleicht selbst gehofft hatte. Die Bürgerschaften, eben der Fülle der Kraft, welche in ihren Mauern pulsirte, sich bewußt werdend, stellten sich auf seine Seite, wie Mainz, welches sich am Krönungstage selbst gegen Rudolf erhob und ihn mit seinem Anhange zur Flucht nöthigte, wie die schwäbischen Städte. Die Bürger blieben fortan die treuesten Anhänger des Königs; mochten auch die Gegner über die Krämerheere spotten, in diesen Kämpfen begann sich die schönste Blüthe deutschen Lebens zu entfalten. Schwaben, der Elsaß, das Rheingebiet, Lothringen, ein großer Theil Baierns und Frankens fielen H. zu, wenn auch die Herzöge selbst und die großen Herren meistens zu Rudolf hielten. Bald sah sich dieser auf Sachsen beschränkt, das in seiner alten Feindschaft gegen H. beharrte.

Wir unterlassen es, die Einzelheiten des Kampfes zu verfolgen; weder H. noch Rudolf vermochten durchschlagende Erfolge zu erringen, während Gregor’s Politik eine vorsichtig abwartende blieb. Erst als H. immer mehr das Uebergewicht erlangte und die Sachsen immer ungestümer drängten, entschloß sich der Papst auf der Fastensynode von 1080 aufs neue den Bannfluch gegen den König zu schleudern, indem er zugleich das Investiturverbot in alter Schärfe erneuerte. H., der bis dahin noch immer gehofft hatte, mit Gregor ein friedliches Abkommen zu treffen, und wiederholte Verhandlungen angeknüpft hatte, schritt nun zur Aufstellung eines Gegenpapstes. Am 25. Juni 1080 wurde in Brixen von einer nicht unbeträchtlichen Zahl deutscher und italienischer Bischöfe Erzbischof Wibert von Ravenna zum Papste gewählt, ein Mann von vornehmstem Blut, eingeweiht in alle Geschäfte des Reichs, hochgebildet und, wie ihm selbst die Gegner zugestehen, sittenrein. Der Schritt war nicht ohne Bedenken, [407] aber nicht unbegründet. Gregor selbst hatte den Bruch zu einem unheilbaren gemacht, und für den König schien es bei den Anschauungen der Zeit durchaus nöthig, einen Papst auf seiner Seite zu haben, der ihm die kirchliche Rechtfertigung und die Kaiserkrone verlieh. Allerdings wurde damit in den obwaltenden Streit ein zweites Element gemischt; H. hatte nun nicht allein für seine Krone, sondern auch für die Tiara Wiberts zu kämpfen, was keineswegs gleichbedeutend war. Denn ob die Wahl Wiberts, welche den Anschauungen, wie sie sich einmal über die Papstwahl ziemlich allgemein herausgebildet hatten, durchaus widersprach, selbst bei allen Anhängern Heinrichs Beifall finden würde, stand dahin. Ehe er seinen Papst nach Rom geleiten konnte, mußte H. Rudolf gegenüber eine Entscheidung herbeiführen. Wenn auch die Schlacht bei Mölsen in der Nähe Merseburgs am 15. October 1080 verloren ging, den großen Vortheil brachte sie, daß Rudolf tödlich verwundet wurde und bald nachher verschied. Zwar war Deutschland noch keineswegs ganz beruhigt, aber H. hatte dort genug Getreue, vor allen den neuen Herzog von Schwaben, den Staufer Friedrich, denen er die Wahrung seiner Rechte überlassen konnte, während er selbst nach Italien zog. Ohne Widerstand gefunden zu haben, erschien er am 21. Mai 1081 vor Rom, wo ihn Gregor in verzweifelter Lage, aber ungebrochenen Muthes erwartete. Doch die Stadt blieb dem Papste getreu und nach zwei Monaten vergeblichen Harrens mußten die Deutschen wieder abziehen, wenn sie auch den italienischen Boden nicht verließen. Ebenso vergeblich wurde die Stadt Anfang 1083 bestürmt, erst im Juni gelang es den Deutschen, die Leostadt zu überrumpeln und zu erobern. Gregor flüchtete in die Engelsburg, ungebeugt und trotz aller Gefahren festen Sinnes. Da H. vermuthlich hoffte, durch Verhandlungen mit den Römern die friedliche Uebergabe der Stadt zu erreichen, begnügte er sich, die Mauern der Leostadt niederzureißen, und eine kleine Besatzung deutscher Ritter unter Udalrich von Godesheim in einer Verschanzung zurücklassend, zog er wieder nach der Lombardei. Sein zögerndes Verfahren in diesen Jahren bietet überhaupt manche Räthsel dar. Erst Ende des Jahres kam er wieder nach Rom, wo er Weihnachten feierte; nach einem kurzen Zuge nach dem Süden öffnete ihm endlich Ende März 1084 die Stadt ihre Thore, nur die Engelsburg und einige Festen blieben im Besitze des Papstes und seiner Anhänger. Da jede Aussicht auf die Nachgiebigkeit Gregors geschwunden war, ließ H. nun Wibert die feierliche Papstweihe ertheilen, der dann am 31. März ihm selbst und seiner Gemahlin die Kaiserkrone in St. Peter aufsetzte, während das römische Volk den Herrscher als Patricius anerkannte. Schon nahte indessen der Normannenfürst Robert Guiscard mit einem Heere, welches dem deutschen an Zahl weit überlegen war, und H. hielt es für gerathen, dem ungleichen Kampfe auszuweichen und verließ am 21. Mai die Stadt. Leicht fiel diese den Feinden in die Hände und wurde in entsetzlicher Weise verheert. Mit den abziehenden Normannen ging auch Gregor VII. in das Exil, in welchem er am 25. Mai 1085 starb.

Im Juni erschien der Kaiser wieder in Deutschland. Dort war bald, nachdem H. über die Alpen gezogen, im August 1081 ein neuer Gegenkönig aufgestellt worden, Hermann von Luxemburg, ein reichbegüterter Fürst. Wenn nun auch der Kampf mit neuer Erbitterung begann, vermochte Hermann doch keine großen Erfolge zu erringen, wie überhaupt unseres Wissens wenigstens Herzog Welf der einzige Fürst von großer Bedeutung war, welcher an seiner Wahl theilnahm. Dem rückkehrenden Kaiser glückte es bald, fast das gesammte Reich, selbst das trotzige Sachsen, unter seine Autorität zu bringen; der größte Theil der deutschen Bischöfe erkannte auf der Maisynode 1085 in Mainz den Papst Clemens an, und mit der Kircheneinheit schien es auch möglich, den allgemeinen Frieden [408] herzustellen. Freilich wurden diese Erfolge wieder auf einige Zeit in Frage gestellt, als der ehrgeizige und treulose Markgraf Ekbert von Meißen sich empörte und H. zur Flucht aus Sachsen nöthigte. Dadurch gewannen auch die übrigen Gegner des Kaisers neuen Muth, die vereinigte Macht des Gegenkönigs und Welfs brachten ihm am 11. August 1086 in der Nähe von Würzburg eine Niederlage bei. Rasch gewann er jedoch seine Kraft zurück und erlangte allmählig die Oberhand. Der Gegenkönig verlor im September 1088 beim Sturme auf eine Burg sein Leben, und Ekbert, der sich unterworfen, aber alsbald aufs neue wieder empört hatte, wurde nach wilden Fehden im Juli 1090 erschlagen. Jedoch es ging H. wie Hercules mit den Köpfen der Hydra: so oft ihm die Aussicht winkte, endlich in Frieden das Reich regieren zu können, sah er sich alsbald in neue Gefahren verwickelt. Am 12. März 1088 bestieg Urban II. den päpstlichen Thron, entschlossen, demselben Ziele zuzustreben, wie Gregor, aber ruhiger und gewandter, als dieser, ein überaus geschickter Diplomat und genauer Kenner der deutschen Verhältnisse. Sein Vorgänger, Victor III., hatte das Papstthum in traurigen Verhältnissen hinterlassen, aber Urban wußte seine Erbschaft allmählig zu größtem Glanze zu erheben. Er verstand es, den Kampfeseifer der Mönche, welche die cluniacensische Richtung verfolgten, neu zu beleben, von den Schwarzwaldklöstern ging wiederum die Losung zum Kampfe gegen den Kaiser aus. Das Haupt des Aufruhrs wurde der alte Welf, der durch die Ehe seines 17jährigen Sohnes mit der 40jährigen Markgräfin Mathilde, dieser Jeanne d’Arc des Papstthums, wie sie mit Recht genannt worden ist, völlig gewonnen wurde. H. mochte daran denken, wie sein Feldzug gegen Gregor ihm einst schließlich gute Früchte getragen hatte, und so zog er denn im März 1090 über die Alpen, um namentlich Mathilde zu bekämpfen. Wieder folgte seinen Fahnen der Sieg, auch in Rom saß siegreich sein Papst Clemens, während Urban flüchtig umherirrte. Hätte H. jetzt Clemens fallen lassen wollen, würde er vielleicht von seinen Gegnern einen vortheilhaften Frieden erlangt haben, aber wie konnte er das thun? Er hätte seine Ehre preisgegeben, und dieser Friede wäre doch kein dauerhafter gewesen. Sein Loos war einmal gefallen; wirklichen Frieden konnte er nicht erlangen, wenn er nicht seine Gegner völlig niederwarf, und das war nicht möglich. Allmählig sank sein Glücksstern nieder, die Gegner erstarkten in Italien, wie in Deutschland. Und da trafen ihn die schwersten Schläge; an den Abfall der Fürsten war er gewöhnt, aber der Verrath im eigenen Hause traf ihn ins Herz. Sein ältester Sohn, Konrad, der bereits seit 1087 zum Könige gekrönt war, unterlag in dem Conflikte zwischen kirchlichen und Sohnespflichten und ließ sich von Mathilde und dem Papste zum Abfall bewegen – es war um Ostern 1093 – und bald floh auch Heinrichs zweite Gemahlin, die Russin Praxedis, zu den Feinden und trat mit den unwürdigsten Anschuldigungen gegen ihn auf. Unlösliches Dunkel liegt über dieser Familientragödie, aber das spätere Verhalten der päpstlichen Partei gegen Praxedis, die fallen gelassen wurde, als der Zweck erreicht war, zeugt für ihre Schuld. Vier Jahre brachte H. in Oberitalien zu, die Lombardei war ihm verschlossen durch den Abfall Konrads, die Rückkehr nach Deutschland abgeschnitten durch Welf, der die Alpenpässe besetzt hielt. Völlig machtlos weilte er theils im Etschthal, theils in Verona und Padua, vergebens nach Hülfe ausspähend. Unterdessen feierte das Papstthum seine glänzendsten Triumphe, die lodernde Begeisterung des Abendlandes wußte es durch die Züge nach dem heiligen Lande in seinem Dienste anzufachen. Wol wußte Gregor VII., was er wollte, als er einst selbst an die Spitze des Kriegszuges nach Jerusalem zu treten beabsichtigte, während der deutsche König zu Haus bleiben sollte. Wenn das Kaiserthum an die Spitze des großartigen Unternehmens trat, so konnte es den Anspruch, den es erhob, [409] der Schirmherr und Vorkämpfer der gesammten Christenheit zu sein, zur Wahrheit machen; nichts hätte sein Ansehen höher heben können. Jetzt saß der Kaiser fast wie ein Gefangener in einem verlorenen Winkel und der Papst nahm die Stelle ein, die diesem gebührt hätte. Nun jetzt wurde das Papstthum wirklich zum Centrum der christlichen Welt, das Kaiserthum war seiner universalen Bedeutung entkleidet. Erst als die Welfen erkannten, daß sie nur Werkzeug der päpstlichen Politik waren, und sie die Hoffnung auf die reiche Erbschaft der Mathilde aufgeben mußten, eröffnete sich für H. die Möglichkeit der Rückkehr nach Deutschland. Das Pfingstfest 1097 feierte er wieder auf deutschem Boden, in Regensburg. Nur langsam befestigte sich seine königliche Autorität, doch erreichte er schon im Mai 1098, daß die Fürsten den abtrünnigen Konrad entsetzten und dem zweiten Sohne, Heinrich V., die Nachfolge des Vaters zuerkannten. Des Kaisers Sorge war nun darauf gerichtet, den öffentlichen Frieden wieder herzustellen. Clemens in Italien blieb ohne Unterstützung und als er im September 1100 sein an Kummer und Leiden reiches Leben beschloß, errang Paschalis einen leichten Sieg über die von den Wibertisten ohne Heinrichs Zuthun aufgestellten Gegenpäpste. Die heftigen Gegensätze der letzten Jahrzehnte schienen an Kraft und Schärfe zu verlieren; H. selbst dachte daran, mit Paschalis sich auszusöhnen und ein gütliches Abkommen zu treffen; dann wollte auch er das Kreuz nehmen und nach dem heiligen Grabe ziehen. Aber die Ruhe war nur trügerisch und der Fluch des Unfriedens wich nicht vom Kaiser. In Rom war man keineswegs ermattet; der wiederholte Wechsel der päpstlichen Würde brachte jedesmal eine Persönlichkeit mit frischen Kräften an die Leitung der Geschäfte, während H., der nun schon den vierten Papst sich feindlich gegenüber sah, von dem unablässigen Ringen, von der Wucht der Schicksalsschläge, wenn auch nicht gebrochen, doch erschöpft war. An ein Aufgeben der Ansichten, für die er seine Manneskraft eingesetzt hatte, dachte er freilich auch jetzt nicht. Aehnlich stand es im Reiche. Ein neues Geschlecht umgab hier den Kaiser. Die alten Gegner, welche einst in Forchheim Rudolf aufgestellt, waren dahingeschieden, ihre Erben und Nachfolger waren aufgewachsen in wilder Zeit, in Unbotmäßigkeit gegen den Gebieter, sie hatten geschmeckt, wie süß die Unabhängigkeit sei, und früh gelernt, sie mit rücksichtsloser Gewalt zu wahren. Ebenso waren die früheren Freunde Heinrichs nach mühevollem Dasein zur Ruhe gegangen, und die Bischöfe, welche jetzt den Krummstab führten, hegten andere Gesinnungen, als die, welche unter den Traditionen des alten Kaiserthums groß geworden waren. Selbst die Freunde des Kaisers theilten in den kirchlichen Fragen nicht mehr so unbedingt seine Meinung. Auf allen Seiten fand er rüstige Gegner seiner allmählig wieder errungenen Stellung, während er nur wenige zuverlässige Anhänger zählen konnte. Nach den kurzen Jahren der Ruhe rührte sich wieder der Abfall erst im Stillen, um bald zu offenem Verrath zu werden. Das Haupt desselben wurde sein eigener Sohn. Konrad war daran zu Grunde gegangen, daß er in Italien auf fremdem Boden nie etwas anderes sein konnte, als das Spielzeug der päpstlichen Partei; H. V. begann die deutschen Fürsten, in deren Händen doch zunächst der Entscheid lag, für sich zu gewinnen. Die Sorge, daß nach dem Tode des Vaters ihm, dem Sohne des Gebannten, die Herrschaft entgehen könnte, trieb ihn dazu, bei Zeiten sich dieselbe zu erringen. Im December 1104 trat seine Absicht unverhohlen zu Tage, als er plötzlich das Lager des gegen sächsische Fürsten zu Felde ziehenden Kaisers verließ. Indem er erklärte, daß nur die Liebe zur Kirche ihn zu seinem Schritt gezwungen, zog er leicht die gregorianische Partei und den Papst selbst auf seine Seite.

[410] Wir unterlassen es, das traurige Spiel im Einzelnen zu verfolgen, wie der Vater sich überlisten ließ von dem entarteten Sohne, bis er endlich am 22. December 1105 in Bingen seiner Freiheit beraubt und als Gefangener in schmähliche Haft nach der Burg Böckelheim gebracht wurde. Wenige Tage später mußte er in Ingelheim der Herrschaft entsagen, ohne daß ihm die begehrte Absolution gewährt wurde. In Mainz erfolgte darauf die wiederholte Wahl und Anerkennung Heinrichs V. durch die Fürsten, doch der alte Kaiser war nicht so verlassen, wie der Sohn wähnte. Die Städte wußten ihm Dank für den Eifer, mit welchem er den öffentlichen Frieden zu wahren gesucht hatte; ohnehin im Gegensatz zu ihren geistlichen Herren, waren sie für die gregorianischen Ideen weniger zugänglich. Mit Jubel wurde H., als er endlich von Ingelheim aufbrach, in Köln empfangen; Bischof Otbert von Lüttich und mit ihm Herzog Heinrich von Niederlothringen und andere lothringische Herren erklärten sich für ihn. Die Entscheidung war wieder auf die Spitze des Schwertes gestellt, da starb plötzlich der Kaiser am 7. August 1106, kaum 56 Jahre alt, in Lüttich. Der Haß der päpstlichen Partei verfolgte ihn über das Grab hinaus. Seine Leiche mußte aus dem Dome zu Lüttich, wo sie Bischof Otbert ehrenvoll beigesetzt hatte, entfernt und in einer ungeweihten Kapelle eingescharrt werden. Nach wenigen Tagen ließ sie H. V. nach Speier bringen und dort in der Kaisergruft beisetzen, aber der fanatische Bischof Gebhard von Speier erzwang, daß der Sarg wieder herausgenommen und in eine ungeweihte Seitenkapelle gestellt wurde, und päpstlicher Spruch bekräftigte sein Verfahren. Erst am 7. August 1111 wurden die Ueberreste wieder unter den größten Feierlichkeiten in der Kaisergruft beigesetzt, wo sie über fünf Jahrhunderte ruhten, bis die französischen Mordbrenner die Asche den Winden preisgaben. –

Wechselnd wie das Schicksal der Leiche, welche bald vom Volke wie die eines Heiligen verehrt, bald von erbitterten Feinden geschändet wurde, ist auch das historische Urtheil über H. gewesen. Schon die Zeitgenossen stehen sich in seiner Würdigung schroff gegenüber; die Einen preisen ihn als den milden, frommen und gerechten Herrscher, die Anderen – und das ist die Mehrzahl – sind von flammendem Zorn erfüllt und häufen auf ihn die gemeinsten Verleumdungen, nur Wenige suchen sich ein maßvolles Urtheil zu bewahren. Die Entwickelung der Dinge, welche immer mehr zum Siege der päpstlichen Anschauungen führte, brachte es mit sich, daß in der späteren mittelalterlichen Geschichtsschreibung die ungünstige Auffassung Heinrichs als eines verworfenen Tyrannen, eines Feindes der Kirche überwog. Sie blieb auch herrschend, als in Folge der Reformation die kirchlichen Fragen anders beurtheilt wurden, die Persönlichkeit Heinrichs an sich entging trotzdem nicht hartem Tadel. Zuerst hat Melchior Goldast in seinen Apologiae pro D. N. Imp. Henrico IV., in denen er die wichtigsten für H. und das Kaiserthum Partei nehmenden gleichzeitigen Schriften zusammenstellte (erschienen Hanoviae 1611), den Kaiser zu rechtfertigen gesucht. Doch finden sich bis in unsere Zeit hinein die Spuren der früheren ungünstigen Beurtheilung, selbst bei sonst unparteiischen Darstellern, erst Floto und Giesebrecht haben eine richtigere Anschauung begründet. Gleichwol hat Gfrörer kein Bedenken getragen, die schmutzigsten und unsinnigsten Erzählungen eines Bruno und dergleichen mit Behagen aufzutischen und sie noch durch eigene Erfindung zu überbieten; an gläubigen Ohren fehlt es ihm ja leider nicht. Aber was auch H. in seiner Jugend gefehlt haben mag, wenn er auch die Treulosigkeit und Hinterlist seiner geistlichen und fürstlichen Gegner zuweilen mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen versucht haben mag, in diesem unedeln Wettstreit war er sicher nicht ihr Meister. Im Gegentheil, soweit wir über mittelalterliche Personen, welche unserer Denk- und Sinnesweise so fern stehen, [411] urtheilen können, so bricht bei H. doch immer, trotz aller Bitterkeit, die er ansammeln mußte, eine gute Gemüthsanlage, eine versöhnliche Gesinnung durch. Indem er die Principien, welche er seiner Stellung gemäß verfechten mußte, seine königlichen und kaiserlichen Rechte festhielt, hat er sich den Dank der Nachwelt reichlich verdient. Hätte er widerstandslos gleich zu Anfang nachgegeben, so wäre das theokratische System Hildebrands ohne weiteres zur Herrschaft gelangt und die geistige wie politische Unterwerfung des Abendlandes unter die römische Herrschaft wäre entschieden gewesen. Indem aber H. sich widersetzte, wenn er auch persönlich unterlag, bewirkte er, daß jene Tendenzen nie zur ausschließlichen Herrschaft gelangen konnten, daß geistige Gegenströmungen sich zu bilden Zeit gewannen, welche von vornherein die Einförmigkeit durchbrachen. Zwar ist das Kaiserthum später erlegen, aber daß seinem Fall der des Papstthums so bald folgte, das hängt unmittelbar mit dem Widerstande, welchen ihm H. leistete, zusammen.

Das für die Geschichte Heinrichs IV. erforderliche Quellenmaterial, wie die neuere Litteratur darüber sind bei Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. III., erschöpfend angegeben, so daß eine Aufzählung oder gar Besprechung derselben hier füglich unterbleiben kann.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hildebrand von Soana, bekannter als Papst Gregor VII.