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Artikel „Otto von Nordheim“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 640–642, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Otto_von_Northeim&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 15:39 Uhr UTC)
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Otto von Nordheim, Herzog von Baiern 1061–1070, † am 11. Januar 1083. Die Familie, die sich nach einer Burg bei Göttingen nannte, gehörte zu den reichsten und angesehensten des Sachsenlandes. Otto’s Eltern hießen Benno und Eilika, sein Oheim war jener Graf Sigfried von Nordheim, der Heinrich’s II. Nebenbuhler, den Markgrafen Ekkehard von Meißen, erschlagen hatte. Als ein unglücklicher Feldzug gegen Ungarn und die neuerdings feindliche Stellung dieses Nachbars ein kraftvolles Regiment im Südosten des Reiches als Bedürfniß erscheinen ließ, übertrug die Kaiserin-Wittwe Agnes (1061) das Herzogthum Baiern, das sie bisher selbst verwaltet hatte, durch ihren Sohn, König Heinrich IV., an O., der sich in den Reichsgeschäften bereits ausgezeichnet hatte und in dem in Krieg und Rath wenige Fürsten verglichen werden konnten. Die nächsten Jahre nimmt der neue Herzog Theil an dem Spiel der Ränke, mit dem die Großen des Reichs den beherrschenden Einfluß am Hofe einer Frau und eines Kindes sich streitig machen. Um der Kaiserinwittwe die Regentschaft zu entreißen, verbündet er sich mit dem Erzbischof Anno von Köln und dem Markgrafen von Meißen und im Frühling 1062 entführen diese Fürsten den jungen König seiner Mutter. Kurze Zeit erscheint O. mit Sigfried von Mainz und dem Markgrafen Dedi von der sächsischen Ostmark in Einverständniß gegen den Kölner Erzbischof. Dann aber schließt er sich nur um so enger wieder diesem an. Auf einer Reichsversammlung zu Mainz setzte er an der Spitze der Kriegspartei [641] einen neuen Feldzug nach Ungarn durch, der im Herbste 1063 unternommen wurde, mit vollständigem Erfolge gekrönt war und den Schützling der Deutschen, den vertriebenen König Salomon, auf den Thron zurückführte. Wie der Entschluß, ward auch das Gelingen des Krieges vornehmlich dem Baiernherzoge zugeschrieben. Als Geschenk der ungarischen Königin-Mutter Anastasia empfing O. damals ein kostbares Stück des ungarischen Kronschatzes, das sagenberühmte Schwert, das einst ein Hirte dem Könige Attila gebracht haben soll. Die Waffe wechselte in der Folge rasch ihre Besitzer, und es entstand der Glaube, daß sie jedem nur Unheil bringe. Im Mai 1064 reisten O. und Anno von Köln als Schiedsrichter über das päpstliche Schisma nach Italien. Auf der Synode zu Mantua ward in ihrem Beisein Cadalus (Honorius II.) abgesetzt, Alexander II. als rechtmäßiger Papst anerkannt. Als sich dann im Reiche Adalbert von Bremen zum einflußreichen Berather des jungen Königs emporschwang, ließ dieser, wie er überhaupt die Fürsten durch Vergabungen von Reichsgut für sich zu gewinnen suchte, die reiche Abtei Niederaltaich in Otto’s Gewalt übergehen, konnte aber dadurch nicht verhindern, daß sich O. bald mit den mächtigsten Reichsfürsten zu seinem Sturze verband und ihm das Regiment entriß. Die Alpen überschritt O. in königlichem Auftrage noch zweimal, zuerst 1066, um das gute Einvernehmen mit Alexander II. wiederherzustellen, dann im Frühjahr 1068, um des Königs Rechte in der Lombardei zu wahren. Auch nach Rom führte ihn die letzte Reise, dort aber wurden die deutschen Gesandten, da sie Verhandlungen mit dem abgesetzten Gegenpapste angeknüpft hatten, von Papst Alexander höchst ungnädig empfangen: im Aufzuge von Büßern mußten sie vor ihm erscheinen. Von Otto’s Gegnern ward später ausgesprengt, bei Gelegenheit dieser Mission habe O. den Herzog Gottfried in Italien für einen aufrührerischen Plan gegen den König gewinnen wollen. Einer Verhandlung, die O. mit diesem Fürsten zu Piacenza eröffnete, ward durch wüsten Tumult der Einheimischen ein rasches Ende bereitet. Unter allen diesen Händeln und Geschäften fanden die Angelegenheiten seines eigenen Herzogthums bei O., wie es scheint, nicht sehr große Beachtung. Zumal mußte es auffallen, daß der Herzog als Schützer des Landfriedens die greuelvollen Fehden nicht verhinderte, in denen die baierischen Großen seit 1067 gegen einander wütheten; man sagte ihm sogar nach, er habe damals von beiden Parteien Geld genommen. Im Jahre 1069 begleitete O. den König auf zwei Heerfahrten, gegen die Liutizen und gegen den aufständischen Markgrafen Dedi. Auf dem Rückwege von dem ersten Feldzuge, während der König in einer der sächsischen Burgen des Herzogs als Gast weilte, waren vor der Thüre des königlichen Schlafgemachs herzogliche Mannen und königliche Diener in Streit gerathen, ohne daß man dem Vorgange sogleich Bedeutung beigelegt hätte. Im Juni 1070 aber erhob Heinrich auf einer Fürstenversammlung zu Mainz gegen O. die Klage des Hochverraths auf die Aussage eines gewissen Egino hin: bei jenem Streite auf Otto’s Burg habe er mit einem Schwerte, das ihm O. selbst gegeben, den König ermorden sollen. O. leugnete und erklärte, seinen Ankläger, der übrigens ein gar übel berüchtigter Mensch war, nicht einmal zu kennen. Das Gottesurtheil des Zweikampfes sollte entscheiden. O. aber erschien in Goslar, wo die weitere Verhandlung anberaumt war, mit starkem Waffengefolge und erklärte, nur gegen die Zusage sicheren Geleites vor dem Könige erscheinen zu wollen. Als dies verweigert ward, ritt er davon, das Hofgericht aber, das Heinrich am folgenden Tage aus Otto’s Landsleuten, sächsischen Großen, zusammenrief, sprach den Herzog schuldig, erklärte ihn als friedlos und sein Herzogthum eingezogen. Ein sicheres Urtheil über die Gerechtigkeit dieses Urtheils steht uns selbstverständlich nicht zu, doch dürfte die Wagschale mehr zu Otto’s Gunsten neigen. Vielleicht war die [642] Gefahr, die der König von dieser Seite befürchtete, nur in dem sehr verschiedenen Ansehen begründet, das die beiden Fürsten in der öffentlichen Meinung behaupteten: während das Volk des Baiernherzogs männliche Kraft, Erfahrung und Kriegsruhm pries, hatte Heinrich durch sittenloses, unreifes und gewaltthätiges Gebahren seinen guten Namen verscherzt. Zwei der hervorragendsten unter unseren Berichterstattern, Lambert und Ekkehard, stellen O. als unschuldig und seinen Ankläger Egino als Werkzeug seiner Feinde am Hofe hin. Als solche werden namentlich bezeichnet der hessische Graf Giso, wie es scheint, Otto’s Nachbar, und die Schwaben Liutpold von Meersburg und Adalbert. Man sah das Gericht Gottes darin, als diese binnen kurzem ein gewaltsames Ende fanden. Noch mehr aber mußte der Glaube an die Gerechtigkeit des Urtheils schwinden, als Otto’s Ankläger Egino als Verbrecher entlarvt ward; zuerst als Straßenräuber festgesetzt, später wegen verschiedener Schandthaten geblendet, beschloß er sein elendes Dasein als herumziehender Bettler. O. war vermählt mit Richenza, der Wittwe des westfälischen Grafen Hermann v. Werl, mit der er drei Söhnen und drei Töchter erzeugte. Eine der letzteren, Ethelinde, war die Gemahlin Welf’s IV., der nun nach Otto’s Sturz durch ihre Verstoßung sich schmählich den Weg zum Herzogthum Baiern bahnte. O. hatte sich nach seiner Verurtheilung mit einer Schaar Getreuer in den Thüringer Wald geworfen und behauptete sich hier glücklich gegen die Angriffe der Königlichen, bis Heinrich gerathen fand, die gegen ihn ausgesprochenen Acht aufzuheben, ihm auch seine Eigengüter zurückzuerstatten. Auf diese Bedingungen hin unterwarf sich O. zu Pfingsten 1071 zu Halberstadt, worauf eine kurze Haft über ihn verhängt wurde. Als aber 1073 der große sächsische Aufstand gegen Heinrich ausbrach, war er unter den Führern der Bewegung. Der Frieden von Gerstungen (2. Febr. 1074) legte dem Könige die Wiedereinsetzung Otto’s in das Herzogthum Baiern auf, da sich aber alle oberdeutschen Herzoge in Welf’s Interesse dagegenstemmten, blieb der Nordheimer seines Fürstenamtes beraubt und dem Könige ein gefährlicher Gegner. In einer Reihe von heißen Feldschlachten focht er an der Spitze seiner Landsleute gegen Heinrich und seine früheren Untergebenen, die Baiern. Bei Homburg (9. Juni 1075) konnte seine Tapferkeit die Niederlage nicht abwenden. Heil vom Schlachtfelde entronnen, mußte er doch später mit den anderen sächsischen Großen als Gefangener sich stellen. Bald erlangte er nicht nur die Freiheit, sondern auch das Vertrauen des Königs in solchem Maße zurück, daß er mit der Statthalterschaft in Sachsen betraut ward. Dies war jedoch nur eine kurze Episode: als Papst Gregor dem Aufruhr gegen Heinrich neues Leben einhauchte, stand O. wieder im Lager der empörten Sachsen. Seine Gedanken waren noch immer auf das baierische Herzogthum gerichtet, und als auf der Versammlung zu Forchheim (März 1077) Rudolf von Schwaben zum Gegenkönig gewählt wurde, wollte er diesem seine Stimme nicht eher geben, bis ihm die Erfüllung dieses Wunsches zugesagt würde. In der Schlacht bei Mellrichstadt (7. Aug. 1078) bewährte O. den Ruhm seiner Kriegstüchtigkeit: er behauptete das Schlachtfeld, während der andere Flügel des sächsischen Heeres von Heinrich zurückgeschlagen wurde. Den Sieg der Sachsen bei Forchheim (27. Januar 1080) entschied Otto’s glückliches Eingreifen, auch bei Hohenmölsen (15. October 1080) warf er die Baiern zurück und verfolgte sie bis zum Lager. In dieser Schlacht empfing der Gegenkönig Rudolf die tödtliche Wunde und nun wünschten die Sachsen Otto’s Erhebung als Rudolf’s Nachfolger. Am 11. Januar 1083 aber befreite der Tod Heinrich IV. von einem seiner gefährlichsten Gegner.

Giesebrecht, Kaiserzeit Bd. III. – Mehmel, O. v. Nordheim, Göttingen, 1870. – Riezler, Gesch. Baierns, Bd. I.