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Artikel „Heinrich V.“ von Wilhelm Arndt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 411–419, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_V._(K%C3%B6nig)&oldid=- (Version vom 14. Oktober 2024, 04:57 Uhr UTC)
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Heinrich V. (als Kaiser in den Urkunden H. IV. genannt) geboren 1081. Nach dem Aufstande seines älteren Bruders Konrad, erlangte es der Vater von den Fürsten, daß sie H. (im J. 1098) zum König wählten. H. mußte dem Vater eidlich geloben, daß er so lange derselbe lebe, sich niemals in die Reichsgeschäfte mischen, daß er dem Vater niemals nach dem Leben und nach der Freiheit trachten werde. Darauf wurde er zu Aachen am 6. Januar 1099 zum König gekrönt. Wie schlecht er seinen Schwur gehalten, ist in der Biographie Heinrich IV. geschildert. Die Lage im Reiche nach dem Tode des Vaters war für H. im Allgemeinen eine überaus günstige, er war die einzige Person, um die sich alle Parteien schaaren konnten, von ihm, der sich noch kurz vorher als den getreuen, gehorsamen und allezeit hülfsbereiten Sohn der Mutter Kirche erklärt, konnte und durfte Papst Paschalis II. ein unbedingtes Nachgeben in den großen kirchlichen Fragen, namentlich in der Investiturfrage, mit Recht erwarten. Allein schon das Concil von Guastalla (Mitte October 1106), auf dem nach dem Wunsche des Papstes die streitigen Fragen zum endlichen Austrag gebracht werden sollten, konnte nicht einen Abschluß erzielen, weil der neue König in schlauer politischer Berechnung, daß auf deutschem Boden für ihn und das Reich günstigere Resultate zu erreichen sein würden, an den Papst das Ansuchen stellte, mit ihm und den Reichsfürsten in Mainz am Weihnachtsfest zusammen zu treffen, dort die definitiven Verhandlungen gemeinsam vorzunehmen. War der Papst anfänglich geneigt, auf diese Pläne einzugehen, so erfolgte bald ein Rückschlag. Französischer Einfluß muß im Spiel gewesen sein. Das Investiturverbot wurde erneut, Paschalis begiebt sich nach Frankreich und gedenkt dort ein Concil abzuhalten. Jedenfalls muß König Philipp I. von Frankreich im Einverständniß mit dem Papst gewesen sein, wir hören daß er eine Gesandtschaft an den deutschen König gesandt, ohne daß wir über dieselbe aus den Quellen näher aufgeklärt werden. Mit der größten Wahrscheinlichkeit dürfen wir annehmen, daß diese französische Gesandtschaft an H. die Einladung zu dem am 23. Mai 1107 in Troyes abzuhaltenden Concil überbrachte, daß H. eine günstige Antwort ertheilte, sein persönliches Erscheinen zusagte und auch den deutschen Bischöfen die zur Theilnahme am Concil vom Papste geladen wurden, kein Hinderniß in den Weg zu legen versprach. Das aber scheint gewiß, daß der [412] König trotz seiner Zusage von Anfang an entschlossen war, nicht nach Frankreich zu gehen, daß er auch den deutschen Bischöfen ein dahin gehendes Verbot zukommen ließ. War es nicht möglich, den Papst zu einer Reise nach Deutschland zu bewegen, so konnte vom deutschen Standpunkt aus die streitige Frage nur in Rom selbst zum Austrag kommen. So wurde denn nur eine Gesandtschaft abgeordnet, die den Papst und den König von Frankreich in Chalons sur Marne antraf. Erzbischof Bruno von Trier formulirte hier die Forderungen des deutschen Königs dahin, daß dieser zu jedem Dienste an den Papst bereit sei, aber unbeschadet aller Rechte der Krone; daß dem Kapitel die Designation eines Bischofs zustehe, daß aber vor der Kundgebung der getroffenen Wahl der König zu befragen, ob ihm die ins Auge gefaßte Persönlichkeit genehm sei, daß darauf unter Mitwirkung des Volkes und des Clerus die canonische Wahl zu vollziehen, der Erwählte sodann vom König die Investitur mit Ring und Stab zu empfangen, den Treu- und Lehnseid zu schwören habe. Als Stütze ihrer Forderungen brachten die Gesandten eine Urkunde herbei, die angeblich vom Papste Hadrian I. Karl d. Gr. verliehen sein sollte, und nach welcher diesem das Recht zur Wahl des Papstes zustand, sowie die Befugniß, sämmtliche Bischöfe vor ihrer Weihe zu investiren. Auf diesen letztern Punkt glaubte Paschalis nicht eingehen zu können. Trotzig erklärten die Gesandten, nun werde in Rom das Schwert entscheiden. Denn niemals würde ihr Herr zugeben, daß über die deutsche Investiturfrage in einem fremden Reiche etwas festgesetzt würde. Weitere Versuche des Papstes den König zur Nachgiebigkeit zu bestimmen, schlugen völlig fehl. Die Gesandten kehrten heim. War etwa H. schon damals entschlossen mit dem Schwert seine Ansprüche durchzusetzen? Wir wissen wenigstens daß er damals eine bedeutende Truppenmacht in Lothringen zusammengezogen, sich eine Zeitlang in Metz aufgehalten hat. Das Concil von Troyes trat in die Verhandlungen ein, ohne daß die deutschen Bischöfe zugegen gewesen. Die Hauptbestimmung, die hier getroffen wurde, richtete sich wiederum gegen die Investitur aus Laienhand, ein Bischof der diese empfange und dann erst geweiht würde, solle seines Amtes verlustig gehen, ebenso der ihn Weihende. Bezeichnend ist es, daß keine Strafbestimmung gegen die Investirenden festgesetzt wurde, im Gegentheil verschob der Papst diese Frage, indem er dem König aufgab, innerhalb eines Jahres in Rom vor versammeltem allgemeinen Concil zu erscheinen, wo über die Investitur dann eine endgültige Entscheidung zu treffen sei. Die deutschen Bischöfe jedoch traf der Zorn des Papstes in ausgedehntem Maßstabe, sehr viele von ihnen wurden ihres Amtes entsetzt, – eine Maßregel, die in Deutschland selbst sehr viel böses Blut erregte, den Papst ins Unrecht stellte, und was für die Folgezeit verhängnißvoll war, von ihm selbst nicht für die Dauer aufrecht erhalten werden konnte. Noch hatte er zwar ungebeugten Muth, schon sei das Schwert des heiligen Petrus, äußerte er damals, gegen H. und gegen die Deutschen, diese schlechte und verderbte Nation gezückt; aber dem am Ende des Jahres 1107 nach Rom Heimgekehrten traten die römischen Adeligen mit ihren Forderungen von Selbstregierung entgegen, zwangen ihn nach einem Jahre sogar der ewigen Stadt den Rücken zu kehren und in Benevent einen ruhigen Zufluchtsort zu suchen. Zur Abhaltung eines Concils bot im ganzen Jahr die Stadt Rom keinen Raum. H. selbst beachtete die Beschlüsse des Concils von Troyes in keiner Beziehung, er konnte auch mit vollem Recht so handeln, war doch über das Recht der Krone in Troyes keinerlei Entscheidung getroffen. Als einziger Herr des Reiches war er schon jetzt entschlossen, den Rechten dieses Reiches von Niemanden Abbruch thun zu lassen, nicht vom Papst und nicht von den einzelnen Reichsständen; dem Papste hoffte er auf dem Romzuge entgegenzutreten, wer sich sonst in Deutschland und an dessen [413] Grenzen seiner Oberherrlichkeit widersetzte, sollte schon jetzt die Wucht seines Armes fühlen. Schon im Jahre 1107 hatte H. gesehen, daß ganz Sachsen und die Rheinlande beruhigt waren, er hier allenthalben als König und Herr anerkannt wurde. Nun galt es in Osten und Westen, in Ungarn, Polen, Böhmen, Flandern den deutschen Einfluß und die Oberherrlichkeit des deutschen Königthums, die dort fast ganz in Vergessenheit gekommen waren, wieder herzustellen. Obschon H. gegen Graf Robert von Flandern nicht gerade kriegerische Vortheile davon trug (November 1107), gelang es diesen zur Ableistung des Lehneides zu bewegen. Die Verhältnisse im Bisthum Cambray wurden zu Gunsten der deutschen Partei geregelt, die Commune, die die Bürger errichtet, aufgelöst. Schwieriger war die Lage im Osten. In Böhmen war Herzog Boriwoi einer Coalition, die von Swatopluk von Mähren, Boleslaus III. von Polen und Kalmani von Ungarn geschlossen, erlegen (Mai 1107), flüchtend traf er bei König H. ein und flehte um Hülfe. Der Thronräuber Swatopluk erhielt den Befehl, sich vor dem deutschen König zu verantworten. Er stellte sich wirklich, wurde aber sogleich in strenge Haft genommen. Boriwoi jedoch, obschon durch deutsche Truppen unterstützt, zeigte sich nicht fähig das Verlorene wieder zu gewinnen, und H., der inzwischen von dem gefangenen Swatopluk glänzende Anerbietungen für den Fall seiner Restitution erhalten, zögerte nicht, den Unfähigen fallen zu lassen, Swatopluk mit Böhmen zu belehnen. Ungarn sowol wie Polen hielten sich mit Recht durch einen Staat, der an ihren Grenzen gelegen, nur ein deutsches Lehen war, den deutschen Heeren nach ihren Gebieten Thor und Thür öffnete, für gefährdet. Ein Vertrag zwischen Boleslaus und Kalmani kam zu Stande, wonach sich jeder von ihnen verpflichtete, für den Fall daß eines dieser Reiche vom König mit Krieg überzogen würde, sofort in Böhmen einzufallen. Ein Grund, den Feldzug von deutscher Seite aus gegen Ungarn zu eröffnen, war bald gegeben. Der Bruder Kalmani’s Almus war aus seinen Besitzungen am adriatischen Meere von Kalmani verjagt, bei König H. suchte er Hülfe. Kalmani hatte inzwischen nicht blos die Herrschaft über die dalmatische Seeküste an sich gerissen, sondern auch Besitzungen Venedigs und des deutschen Reichs selbst. Das polnisch-ungarische Bündniß richtete zudem seine Spitze nicht blos gegen Böhmen, sondern auch gegen Deutschland. Im September 1108 stand der deutsche Heerbann bereits an der ungarischen Grenze. Preßburg wurde belagert. Da kommt die Nachricht daß Boleslaus von Polen in Böhmen eingefallen. Swatopluk eilt von Ungarn, wohin er Heeresfolge geleistet, in sein Herzogthum und vertrieb in raschem Ansturm die Polen aus seinem Gebiet. Die Belagerung von Preßburg aber zog sich in die Länge, das deutsche Heer konnte keine Vortheile erringen, ein Winterfeldzug mit allen seinen Unbillen und Schrecken stand bevor. Gegen Ende October beschloß H. den Rückzug, unverrichteter Sache, die Brust mit Racheplänen gegen Boleslaus erfüllt. Der Böhmenherzog setzte den ganzen Winter über den Krieg gegen Ungarn fort, es waren schnelle Einfälle die er ausführte, die ihn tief nach Ungarn hineinbrachten, die dieses Land mit entsetzlicher Verwüstung füllten. H. entbot zum Sommer des Jahres 1109 den Heerbann aus ganz Deutschland gegen Polen. An Boleslaus sandte er die Forderung, derselbe solle seinen vertriebenen (unehelichen) Bruder Zbigniew, der bei dem deutschen König eine Zufluchtsstätte gesucht und gefunden, wieder aufnehmen, ihm – dem deutschen König – aber jährlich 300 Mark Silber Tribut zahlen oder ebensoviel schwerbewaffnete Ritter zum Römerzug stellen. Als der Polenkönig diese Forderungen entschlossen ablehnt, bricht das deutsche Heer gegen die Oderlinie auf. Boleslaus, vollständig überrascht – er [414] kämpfte in den Niederungen der Netze gegen die Pommern – organisirt schnell den Widerstand gegen die Deutschen, denen es inzwischen gelungen die Oder zu überschreiten, in steten kleinen, unvorhergesehenen Gefechten greift er das deutsche Heer, das die Oder herunter unter den schwierigsten Verhältnissen nur langsam vordringen konnte, an; die festen Plätze ergaben sich nicht den Deutschen. Neue Anerbietungen, weit günstigerer Art als früher – es wurde nur noch die Tributzahlung verlangt – bestimmten den Polen nicht zum Nachgeben, selbst die Drohung Heinrichs, er werde nach Krakau ziehen und dieses besetzen, verhallte wirkungslos. Das deutsche Heer war gezwungen den Rückzug anzutreten. In dieser Lage trifft den deutschen König ein neuer Unfall, der Böhmenherzog, der mit ihm treu die Gefahren getheilt, fällt durch Meuchelmord (21. Sept.). Auf den Wunsch des böhmischen Heeres verleiht H. das erledigte Herzogthum dem Bruder des Erschlagenen, Otto, er selbst setzt ungestört seinen Rückzug fort. Die Verhältnisse in Böhmen jedoch kamen nicht gleich zur Ruhe. Gegen Otto erklärte sich eine starke Partei unter Führung des Bischofs von Prag, unsicher geworden verzichtete er lieber zu Gunsten seines jungen Bruders Wladislav auf die Krone. Aber auch Boriwoi – der bisher in Polen gelebt, machte seine Ansprüche geltend, und fiel unterstützt von Boleslaw von Polen und seinem Neffen Wiprecht (dem Jüngeren) von Groitzsch in Böhmen ein. H. hatte die Absicht auf einem am 1. Januar 1110 in Regensburg abzuhaltenden Reichstage die Ansprüche Wladislavs zu untersuchen. Bereits hatte sich dieser auf den Weg zum König gemacht, als die Nachricht von Boriwoi’s Einzug in Prag ihn erreicht und zur schleunigen Umkehr, nachdem er den deutschen König um Hülfe ersucht, bestimmt. Am 1. Januar 1110 bereits überschreitet H. die böhmische Grenze, seine nach Prag vorauseilenden Gesandten befehlen Waffenstillstand und laden die streitenden Parteien nach Rokyczan (bei Pilsen) vor den Richterstuhl des Königs. Dort werden dann Boriwoi und der jüngere Wiprecht auf Befehl des Königs sofort in Haft genommen und nach der Feste Hammerstein abgeführt, Wladislav erhält die Belehnung mit Böhmen, H. sieht die Oberherrlichkeit der deutschen Krone allseitig anerkannt, kann nach Deutschland zurückkehren und in Ruhe zur Romfahrt rüsten. Schon während des Jahres 1109 war eine Gesandtschaft Heinrichs an Paschalis, der inzwischen wieder nach Rom zurückgekehrt, gegangen, um die Romfahrt anzumelden. Bereits am heiligen Dreikönigstage kann der König den in Regensburg versammelten Reichsfürsten anzeigen, daß der Papst ihm freundlich gesinnt, daß er selbst beabsichtige nach Rom zu ziehen um die Kaiserkrone zu gewinnen, die italischen Angelegenheiten zu ordnen und nach dem Wunsche des Papstes die streitigen kirchlichen Fragen beizulegen. Zugleich erläßt er an die versammelten Fürsten das Aufgebot, nach damaligem Herkommen beschwören dieselben die Heerfahrt. Auf den Reichstagen zu Utrecht (Ostern 1110) und zu Speier (Mitte August) verpflichten sich auch die andern Fürsten und Provinzen dazu, die Vorbereitungen werden auf das sorgsamste getroffen, ein Heer, wie es selten nach Italien geführt worden, versammelte sich, gegen 30 000 Mann harren auf den Befehl des Königs. Das Glück schien H. ganz und voll zu lächeln, hatte er doch auch schon in Utrecht seine Verlobung mit dem englischen Königskind, mit Mathilde, der Tochter König Heinrich I. von England feiern können. Unmittelbar nach dem Tage von Speier erfolgte der Aufbruch des Heeres nach Italien. Glücklich wurde der Uebergang über die Alpen bewerkstelligt, der Widerstand den einzelne Städte Oberitaliens dem Heere entgegenstellten rasch gebrochen, auf den roncalischen Feldern fand die althergebrachte große Heerschau statt. Fast alle Städte der Lombardei schickten Gesandte und reiche Geschenke, die Truppen der oberitalischen Städte stießen zu den deutschen, selbst die große Markgräfin Mathilde erkannte [415] die Oberherrlichkeit des Reiches an, bat aber zugleich, sie für diesmal von der Heeresfolge entbinden zu wollen. Ueber Piacenza, Parma, Pisa, Florenz und Arezzo ging unaufhaltsam der Marsch des Königs, von letzterer Stadt aus gingen Gesandte an das römische Volk und den Papst. Dieser hatte auf einem lateranischen Concil 1110 das Investiturverbot erneut, mit den Normannen und den römischen Großen sich verbunden. Jetzt aber dachten diese nicht daran, dem Papste beizustehen, er muß sich zu Verhandlungen mit dem Könige verstehen. Will er der Kirche die Investitur retten, so muß die Kirche Opfer bringen. Er schlägt dem König also vor, die Bischöfe hätten alle Besitzungen dem Staat zurückzugeben und sich für die Zukunft nur mit dem Zehnten und den von den Gläubigen freiwillig dargebrachten Gaben zu begnügen, dafür habe der König auf die Investitur zu verzichten. H. ging auf diese Vorschläge ein, auf beiden Seiten sollten über diese Punkte Urkunden ausgefertigt werden, nach ihrem gegenseitigen Austausch sollte die Kaiserkrönung erfolgen. Am 11. Februar 1111 lagert das deutsche Heer vor Rom, am folgenden Tage zieht der König in feierlichem Zuge nach St. Peter. Es sind ewig denkwürdige Momente die nun folgten. Die Urkunden mit dem Verzicht der beiden Parteien werden verlesen, als der Wortlaut des vom Papste ausgestellten Schriftstückes bekannt wird, entsteht ein allgemeiner Schrei des Unwillens. Nun hatte es H. in der Hand, den Papst vor allen Bischöfen und Reichsfürsten bloszustellen, und er zögerte nicht es zu thun, – von dem Papst, nicht von ihm dem König ginge dieser Plan, die Kirchen ihrer Güter zu berauben aus, so erklärt er, und da er sich nur verpflichtet hatte, der Investitur zu entsagen, wenn die Reichsfürsten in ihrer Gesammtheit ihre Zustimmung gäben, so sieht er die ganze Frage als gescheitert an. Aber jetzt verlangt er die Krönung. Der Papst weigert sich. Hin und her verhandeln die Parteien, schon neigt sich der Tag zur Nacht, da umringen deutsche Bewaffnete den Papst und führen ihn gefangen ab. Im allgemeinen Wirrwarr gelingt es einigen Cardinalbischöfen zu entkommen, während der Nacht entflammen sie das römische Volk, am nächsten Morgen beginnt der Sturm auf die Leonina und die überraschten Deutschen. Im beginnenden Kampf wird der König selbst verwundet, aber es gelingt ihm den Volkssturm zu dämpfen. In der Nacht vom 15. zum 16. Februar zieht H. mit seinem ganzen Heere ins sabinische Gebiet. Der Papst und sechzehn Cardinäle werden gefangen mitgeführt, der erstere im Castell Trevi in strengster Haft gehalten. Einundsechzig Tage dauerte diese Gefangenschaft, einundsechzig Tage bestürmte man die Seele des Papstes um ihn zur Nachgiebigkeit dem König gegenüber zu bestimmen. Endlich gelang dies, er verhieß die Kaiserkrönung, entsagte der Investitur zu Gunsten des Reichs, versprach niemals den König zu bannen. Dann durfte er nach Rom zurückkehren. H. folgte und empfing am 13. April aus den Händen des Papstes die Kaiserkrone. Darf man von einer Sühne des Tages von Canossa sprechen, das Jahr 1111 hat sie reichlich gebracht. Der neue Kaiser hielt es doch für gerathen, sofort nach der Krönung die ewige Stadt zu verlassen. Kaum hat er sich entfernt, als Alles auf den unglücklichen Paschalis einstürmt, ihn zum Widerruf des ertheilten Privilegs, zur Excommunication des Kaisers bestimmen will. Eine Synode wird in Rom, ohne daß der Papst sie berufen, gehalten, in eigenmächtigem Vorgehen cassirt die Versammlung das von Paschalis dem König gegebene Privileg, erneuert die alten Decrete der früheren Päpste. Noch verweigert der Papst dazu seine Zustimmung zu geben, aber was er weigerte, thaten andere Würdenträger der Kirche. Mochte der Papst in seiner „Einfalt“ dies pravilegium gegeben haben, sie waren dadurch zu nichts verpflichtet. Konon von Präneste, der apostolische Gesandte in Jerusalem, bannt den König; der Erzbischof Guido von Vienne versammelt in seiner Metropole im October 1112 ein Concil, das die Investitur [416] aus Laienhand als Ketzerei verdammt, das Pravilegium (wie man sich ausdrückte) als ungültig verwarf, den König mit dem Anathem belegt, von Paschalis Anerkennung aller dieser Beschlüsse fordert. Der Papst sieht sich in den Händen der strenggesinnten Geistlichkeit, er mußte ihr nachgeben, er mochte wollen oder nicht. Er läßt sich gegen den geleisteten Eid bestimmen die Beschlüsse der Synode von Vienne anzuerkennen, aber setzt dennoch – eine so zweideutige Seele wohnte in ihm – die freundlichen Beziehungen zum Kaiser fort. Bald sollten auch diese aufhören, denn inzwischen hatte der Kaiser auch in Deutschland an Boden verloren. Nach der Rückkehr von der Kaiserkrönung hatte es H. eine seiner ersten Sorgen sein lassen, die Leiche seines Vaters, die noch immer nicht in geweihtem Boden ruhte, in der Ahnengruft zu Speier beizusetzen. Dann begann er die Ausführung eines Planes, den er entschieden lange gefaßt, für welchen ihm jetzt nach seinem Siege über den Papst die richtige Zeit gekommen schien. Es galt die deutsche Fürstenmacht zu brechen. Mit Herzog Lothar von Sachsen begann die erste Verwickelung, in welcher es auf einem Reichstag zu Goslar (Dec. 1111) sogar zur Entsetzung des Herzogs kam. Doch war nach kurzer Zeit alles wieder beigelegt und der Herzog restituirt. Im Sommer des J. 1112 begannen neue Feindseligkeiten zwischen H. und den Fürsten. Nach dem Tode des Grafen Ulrich von Orlamünde hatte H. dessen Besitzungen nach dem Spruch des Reichshofgerichts als erledigte Reichslehn eingezogen, während der Pfalzgraf vom Rhein Siegfried Rechte darauf zu haben glaubte. Da er der Schwager des Herzogs von Sachsen, so kommt bald zwischen diesen beiden ein Bund zu Stande, dem sich andere thüringisch-sächsische Fürsten, vor allem aber auch Erzbischof Adalbert I. von Mainz (der frühere Kanzler und getreue Anhänger des Kaisers) anschlossen. Noch einmal siegt H. vollständig über die Empörung, Adalbert, der in die Hände des Kaisers gerathen, wird nach Burg Trifels zu strenger Haft abgeführt. Im nächsten Jahre aber, an dessen Anfang er sich in Mainz (7. Januar 1114) mit Mathilde vermählt, bricht sie von Neuem und in weit größeren Dimensionen aus, auch Köln, die blühende und weitberühmte Stadt, hatte sich angeschlossen. Das Glück hat H. den Rücken gewendet. Die Kölner und ihre rheinischen Verbündeten siegen bei Andernach, am 11. Februar 1115 Lothar und seine Genossen beim Welfesholze. Jetzt greift auch die Kirche ein. Der päpstliche Legat, Konon von Präneste wagt es in Köln offen den Bann gegen den Kaiser auszusprechen. Ein allgemeiner Abfall der deutschen Fürsten erfolgte, nur wenige blieben dem Kaiser treu, unter ihnen vor allem Herzog Friedrich von Schwaben und sein Bruder Konrad. Inzwischen war am 24. Juli die große Gräfin Mathilde gestorben, nachdem sie alle ihre Besitzungen dem Papste vermacht. Natürlich konnte sie nur über ihre Allodialgüter in dieser Weise verfügen, da aber Heinrich annahm, daß der Papst auch die von der Gräfin besessenen Reichslehen für sich als volles Eigenthum in Anspruch nehmen würde, war seine persönliche Anwesenheit in Italien nothwendiger als je. Er beschließt vorher den Frieden mit den deutschen Fürsten zu machen, schreibt dazu auf den 1. November eine Reichsversammlung nach Mainz aus, tritt mit den Sachsen in directe Verhandlungen. Der päpstliche Gesandte Kardinal Dietrich wagt es, obschon ihm nur vom Papste der Auftrag geworden, die kirchlichen Angelegenheiten Sachsens zu ordnen, in Goslar den Bann gegen den Kaiser zu schleudern, sämmtliche Bischöfe Sachsens gegen ihn aufzuwiegeln. So geschieht es, daß der Kaiser vergeblich auf das Erscheinen der zum Reichstag geladenen Fürsten wartet, daß sogar die Mainzer Bürger sich gegen H. empören und die Loslassung ihres Erzbischofs bei ihm ertrotzen. Adalbert wird jetzt die Seele des Widerstandes der sich gegen den Kaiser erhebt, von allen Seiten bedroht, hält es dieser am gerathensten, eine Aussöhnung mit Papst Paschalis II. [417] herbeizuführen. Auch die Mathildische Erbschaftsangelegenheit forderte nothwendig ein Erscheinen des Kaisers in Italien. Dem getreuen Friedrich von Schwaben und seinem Bruder wird die Verwaltung des Reichs übertragen, von seiner Gemahlin, dem Herzog Heinrich von Kärnthen und einigen Bischöfen begleitet, zieht H. (Ende Februar 1116) über die Alpen. In Venedig wird gerastet, dieser Stadt Gebiet und Freiheiten durch manchen Gnadenbrief des Kaisers vergrößert, überhaupt ist hervorzuheben, daß H. damals die oberitalischen Städte mit weitgehenden Freiheiten ausgestattet hat. Erkannte er etwa, daß er im Kampfe mit dem Papste in den Städten getreue Anhänger gewinnen konnte? Die Erbschaft der Mathilde ward ungestört von ihm in Besitz genommen, nicht einmal die Eigengüter der großen Gräfin nahm der Papst für sich in Anspruch, aber auf dem Lateranconcil, am 6. März 1116, hatte er doch, von den Kardinälen gedrängt, das Investiturprivileg als erzwungen erklärt und feierlich verdammt. Ein neuer Aufstand der Römer gegen den Papst, der das Amt eines Stadtpräfecten an ein Mitglied der ihm verbundenen Familie der Pierleone geben wollte, unterbrach die Verhandlungen, die H. mit Paschalis angeknüpft hatte, veranlaßte den Kaiser nach Rom zu eilen (um Ostern 1117). Nicht noch einmal wollte der Papst sich sorglos in die Hände seines Todfeindes geben, er verläßt, nachdem er dem Kaiser als einziges Mittel der Versöhnung vorgeschlagen, derselbe solle sich dem Urtheilsspruch eines Concils unterwerfen, die Stadt. Nur sterbend ist er dahin zurückgekehrt. Nach seinem Tode wird Gelasius II. von der päpstlichen Partei erhoben, gegen ihn dann nach wenigen Wochen von dem in Eilmärschen heranziehenden Kaiser und der ihm verbündeten römischen Adelspartei der Frangipani der Erzbischof Burdinus von Braga als Papst Gregor VIII. auf den Stuhl Petri gesetzt. Gelasius konnte sich nicht behaupten, in Frankreich suchte er ein Asyl und fand sein Grab. Die Kardinäle wählten zu seinem Nachfolger den Erzbischof Guido von Vienne, als Calixtus II. hat er die Tiara getragen. In Clugny gewählt, in Vienne geweiht (Februar 1119) mußte er sich wol fragen, ob ihm je beschieden sein würde, Rom zu sehen. Ihm aber, der energischen muthvollen Natur, waren die Verhältnisse günstig, bald zog er in die ewige Stadt ein, bald fiel ihm der Gegenpapst in die Hände, unterstützt von den Normannen konnte er wieder größere politische Absichten hegen, ihm ist es denn auch gelungen, den Streit zwischen Papstthum und Kaiserthum wenigstens zu einem vorläufigen Abschluß zu bringen. Die deutschen Angelegenheiten hatten schon im Jahre 1118 die Rückkehr des Kaisers veranlaßt. Bald stellte es sich heraus, daß beide Parteien von einem lebhaften Friedensbedürfniß erfüllt waren; wurde Erzbischof Adalbert von Mainz, die Seele des Widerstandes gegen den Kaiser in Deutschland, genöthigt, auch nach Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung zu trachten, so war Alles gewonnen. Noch einmal schien der Widerstand des Kirchenfürsten Alles in Frage zu stellen, schon stehen sich im Juni 1121 das kaiserliche und das Heer der Empörer in der Gegend von Mainz feindlich gegenüber, als die gesünderen und gemäßigteren Elemente der Fürstenpartei die Vermittelung in die Hände nehmen und zum glücklichen Ende führen. Es wird beschlossen, daß jede der beiden kämpfenden Parteien zwölf Fürsten ernennen solle, die die Grundlagen eines Friedens aufzustellen und einem auf Michaelis nach Würzburg zu berufenden Reichstage zur Beschlußfassung vorzulegen hatten. So geschah es, im October des Jahres 1121 wird als Reichsgesetz verkündet, daß was des Kaisers dem Kaiser, was der Kirche der Kirche verbleibe. Mit dem Papste wird der Kaiser unterstützt von den Fürsten Frieden schließen. Die Fürsten werden darnach streben, daß unbeschadet des Reiches Würde der Investiturstreit beigelegt werde, die rechtmäßig gewählten Bischöfe bleiben bis zur Ankunft des Papstes in Deutschland [418] unbehelligt, ihnen und überhaupt allen Gläubigen sei es gestattet, frei mit dem noch im Bann befindlichen Kaiser zu verkehren. Alles Vergangene soll abgethan und vergessen sein, der Kaiser werde alle Rachegedanken fahren lassen. Eine Gesandtschaft überbringt diese Beschlüsse an Calixt. Freudig ergriff auch dieser die angebotene Gelegenheit zur Versöhnung, brieflich äußert er sich darüber an den Kaiser, entsendet sofort seine Legaten zum Friedenswerk nach Deutschland. Zum September schreiben diese ein allgemeines Concil nach Mainz aus, aber diese Versammlung trug ein zweifaches Aussehen, es war eine Kirchenversammlung und eine Reichsversammlung. Mehr als acht Tage lang wurden die Verhandlungen geführt, beide Parteien hatten von ihren Forderungen Manches nachzulassen, endlich kommt es zum Abschluß. Die Urkunden sind ausgefertigt und werden vor dem bei Lobwiesen in der unmittelbaren Nähe der Stadt Worms zusammengeströmten Volk verlesen. Das ist das Wormser Concordat, das nach der Unterschrift der kaiserlichen Urkunde, am 23. Septbr. 1122 Rechtskraft erlangte. Die Wahl der Bischöfe und Aebte soll demnach in aller Zukunft von den Kapiteln frei, aber doch in Gegenwart des Kaisers oder seiner Bevollmächtigten, vollzogen werden. Der Erwählte habe dann vom Kaiser die Belehnung mit den Regalien seines Amtes durch das Scepter zu erhalten und von denselben alles was aus ihnen und durch sie dem Kaiser zustünde zu leisten. Auf die Investitur mit Ring und Stab hat der Kaiser zu verzichten. Ist die Belehnung durch das Scepter erfolgt, so darf die kirchliche Weihe des Gewählten erfolgen. Dieser Punkt gilt aber nur für Deutschland. Für die anderen Reichstheile soll die Weihe der Wahl gleich folgen dürfen, der Geweihte nur verpflichtet sein, innerhalb 6 Monaten die Belehnung mit den Regalien vom Kaiser nachzusuchen. Nach dem Wormser Tag hat dann H. im J. 1123 einen kurzen Feldzug nach Holland unternommen, dann über die Mark Meißen und die Niederlausitz nach dem Tode des Markgrafen Heinrich des Jüngeren zu Gunsten des Grafen Wiprecht des Jungen von Groitzsch und Hermanns von Winzenburg verfügt. Hiegegen erhoben sich der Herzog Lothar von Sachsen und die mit ihm verbundenen Fürsten, Konrad von Wettin nimmt Meißen, Albrecht der Bär die Niederlausitz in Besitz. Der Widerstand den die Anhänger des Kaisers verbunden mit dem Herzog Wladislaw von Böhmen diesen entgegensetzten, hat keinen Erfolg. Auf dem Reichstage zu Bamberg (4. Mai 1124) sieht sich H. genöthigt, die Fürsten zur Reichsheerfahrt gegen Lothar zu entbieten. Am 25. Juli soll sie angetreten werden. Aber nicht gegen Sachsen werden die versammelten Scharen geführt. Ganz und voll hatte sich der Kaiser der Politik seines Schwiegervaters gegen Frankreich zugewandt, es galt ja für ihn den Gegner empfindlich zu züchtigen, der im großen Kampf zwischen Deutschland und dem Papst alles aufgeboten hatte, den letzteren zu heben, ersteres zu schwächen. Gegen Ende Juli bricht H. gegen Ludwig VI. auf, Rheims erscheint überaus gefährdet. Da erwachte der deutschen Invasion gegenüber der französische Volksgeist zu voller Einmüthigkeit, dem sich sammelnden zahlreichen französischen Heer gegenüber kann H. mit seinen wenigen Truppen nicht an Eroberungen denken, auch diesmal sieht er sich zum Rückzug genöthigt. Dann dachte er, schon ein kranker Mann, daran die inneren Angelegenheiten des Reichs zu ordnen. In Lüttich, wo er das Osterfest des Jahres 1125 feiert, erläßt er neue und strenge Maßregeln zur Erhaltung des Landfriedens. Dann denkt er, wenn man dem Bericht eines späteren Schriftstellers Glauben schenken darf, nach dem Vorbilde des englisch germanischen Königreichs und auf den Rath seines Schwiegervaters daran, das gesammte deutsche Reich sich zinspflichtig zu machen, d. h. eine allgemeine Grundsteuer einzuführen. Alle diese Pläne vereitelte der Tod. Ein Krebsleiden, das von Jugend an ihm angehaftet, brach mit [419] Heftigkeit aus, der Kaiser wußte, daß er sterben mußte. In Utrecht traf er seine letzten Bestimmungen über das Reich, die Reichsinsignien werden der Gemahlin überliefert, die Sorge für diese und für seinen Nachlaß überhaupt dem treuen Friedrich von Schwaben, in welchem der Sterbende seinen Nachfolger zu erblicken glaubte, übergeben. In Utrecht, am 23. Mai des Jahres 1125 ging Kaiser H. heim, erst 43 Jahre alt. An dem Orte, wo der erste Kaiser aus dem salischen Hause aus der Welt geschieden, starb auch der letzte aus diesem Hause. In der Ahnengruft zu Speier wurde die Leiche beigesetzt. Deutschland stand vor einer neuen Königswahl. – Nur wenig ist von den Zeitgenossen über Heinrichs Persönlichkeit überliefert. Was uns während seiner ganzen Regierung immer wieder und wieder entgegentritt, ist seine Herrschsucht. Diese suchte er mit allen Mitteln zu befriedigen. Ihr zu Liebe häufte er Schätze auf, schloß Bündnisse und Verträge. Etwas Tragisches liegt in seiner Erscheinung, etwas Tragisches auch in seinem Ausgang. Wunderbar aber ist es, daß das deutsche Volk ihn lange nicht vergessen konnte. Dreizehn Jahre nach seinem Tode hatte ein in Solothurn auftauchender falscher H. großen Zulauf, und noch später erzählte man sich in dem fernen England, Heinrich sei gar nicht im J. 1125 gestorben, er habe sich damals in eine Wüste nach Chester zurückgezogen und noch lange Jahre gelebt. Muthet uns das nicht an wie die Lieder und Sagen von den gewaltigen deutschen Volkskönigen, den Karl und Friedrich, die auch nicht gestorben, sondern nur bergentrückt, einst wieder kommen sollen?

Hauptsächlich in Betracht kommende Quelle ist die Chronik des Ekkehard in ihren verschiedenen Rezensionen. Neuere Darstellungen in Stenzel, Geschichte Deutschlands unter den Fränkischen Kaisern, Leipzig 1827. – Gervais, Kaiser Heinrich V., Leipzig 1841 und Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Band III.