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Artikel „Welf II. (V.)“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 670–671, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Welf_V.&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 08:18 Uhr UTC)
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Welf II. (in der Familienreihe V.), der Dicke, Sohn Herzogs Welf’s I. und der Judith von Flandern, Herzog von Baiern 1101 bis zu seinem Tode, 24. Sept. 1120. Als siebzehnjähriger Jüngling reichte er 1089 der mehr als vierzigjährigen Gräfin Mathilde von Tuscien, der Freundin Papst Gregor’s VII. und seines Nachfolgers, die Hand zu einem von Papst Urban II. vermittelten, von der Welt verspotteten Ehebunde. Als Folge desselben erwarteten ihn in der Lombardei sogleich Kämpfe mit den Anhängern des Gegenpapstes Wibert und mit Kaiser Heinrich IV., wobei das Glück auf Seite der Gegner war. Nach dem Falle Mantuas (10. April 1091) mußte W. die Flucht ergreifen und nun theilten fast sämmtliche Burgen Mathildens Mantuas Geschick. Der eheliche Unfrieden, der in einem so unnatürlichen Bunde nicht überraschen kann, blieb nicht lange aus und war wol die Haupttriebfeder dazu, daß W. im Sommer 1095 mit dem Vater über die Alpen zurückkehrte und daß beide sich dem Kaiser zu nähern versuchten. Dies führte im folgenden Jahre zur Restitution des Vaters im Herzogthume Baiern, doch erfolgte die Aussöhnung mit dem Kaiser, wie es scheint, nicht mit voller Zufriedenheit der Söhne, die sich 1097 gegen Heinrich IV. erhoben und den kaiserlich gesinnten Bischof Anzo von Brixen festnahmen. Auf einem Fürstentage zu Worms Anfangs 1098 aber scheinen sie sich dem Kaiser unter der Bedingung unterworfen zu haben, daß W. die Nachfolge im Herzogthume des Vaters zugesichert ward – anfängliche Verweigerung dieses Zugeständnisses seitens des Kaisers mag der Grund ihrer Auflehnung gewesen sein.

Nach dem Tode des Vaters folgte ihm Welf II., ohne daß von Schwierigkeiten berichtet wird, auf den herzoglichen Stuhl. Während des größten Theils seiner Regierung und seit Heinrich V. die Krone trug, ohne Wanken hat er, mit der Politik des Vaters brechend und durch die streng kirchliche Gesinnung der ungeliebten und von ihm getrennt lebenden Gemahlin nicht beeinflußt, die kaiserliche Sache gegenüber der päpstlichen verfochten. Man rühmte seine maßvolle Gesinnung, die jedem Widerstand lieber Güte und Unterhandlungen als Gewalt entgegensetzte, seinen wohlgeordneten Hof, wo sich bairisches, schwäbisches und italienisches Wesen mischte und junge Edelleute aus allen Reichsprovinzen gern ihre höfische Erziehung suchten. Vergebens versuchte der Papst W. und dessen Bruder Heinrich dem Kaiser zu entfremden, doch konnte W. nicht verhindern, daß unter dem bairischen Adel, angeblich wegen Bevorzugung der Franken und Sachsen, Mißstimmung gegen das Regiment des alternden Kaisers großwuchs, daß diese Unzufriedenen die ehrgeizigen Wünsche des Kaisersohnes Heinrich nährten, daß dieser sich an Papst Paschalis anschloß und in offenem Aufruhr gegen seinen Vater erhob. W. gehörte nicht zu den Anstiftern dieser Empörung, scheint jedoch nach ihrem glücklichen Verlauf bald auf ihre Seite getreten zu sein. An der Fürstenversammlung, welche zu Mainz Weihnachten 1105 Heinrich V. als König anerkannte, hat wol auch er theilgenommen, jedenfalls ihrem Beschlusse zugestimmt. Wenigstens übernahm er, als die Gesandten dieser Versammlung auf ihrer Reise zum Papste von den kaiserlich gesinnten Trientinern überfallen und zur Haft gesetzt wurden, den Vollzug der Rache, erstürmte die Trientiner Klausen, erzwang die Befreiung der Gefangenen, Aufnahme des von der kirchlichen Partei gesetzten Bischofs Gebhard und demüthige Unterwerfung der Bürger und ihres Anführers, des jungen Grafen Adalbert. 1107 finden wir ihn unter den königlichen Gesandten, die zu Châlons a. d. Marne mit dem Papste und dem Könige von Frankreich zusammenkamen und fruchtlos über einen Ausgleich [671] zwischen Reich und Kirche verhandelten. Bewunderungswürdig, wie ein Franzose sagt, in seiner ganzen Länge und Dicke, ließ er sich dort stets ein Schwert vortragen und führt in den Versammlungen ein lautes und gebieterisches Wort. In den ruhm- und erfolglosen Feldzügen, welche die ersten Regierungsjahre Heinrich’s V. ausfüllten, gegen den Grafen Robert von Flandern, gegen König Koloman von Ungarn, gegen Polen und Böhmen hat wol W. meistens seine Baiern im kaiserlichen Heere geführt. Sicher ist seine Theilnahme am ungarischen Feldzuge 1108, der vor den Mauern Preßburgs kläglich scheiterte. 1110 schloß sich W. mit einem bairischen Heere der Romfahrt des Königs an. An der Gefangennehmung des Papstes hatte er keinen Theil, bemühte sich vielmehr in der Folge um einen Ausgleich zwischen den Gegnern. Friedensunterhandlungen scheinen überhaupt seine starke Seite gewesen zu sein: auch bei der Empörung der Sachsen trat er ihrem Herzog Lothar bei Corvei neben dem Würzburger Bischof Erlung als kaiserlicher Unterhändler entgegen.

Die Gräfin Mathilde war nach ihrer Vermählung mit W. und nach dessen Regierungsantritt in Baiern stets auf ihren italienischen Gütern geblieben (s. ihre Regesten bei Overmann, Die Besitzungen der Großgräfin Mathilde von Tuscien, Berlin 1892). Sie starb am 24. Juli 1115 zu Bianello unweit Canossa. Im Februar des folgenden Jahres zog der Kaiser, begleitet von Welf’s Bruder Heinrich, über die Alpen und zog ihr reiches Erbe, sowol Reichslehen als Allode an sich. W. ließ sich dies gefallen, ohne in seiner Ergebenheit gegen den Kaiser irre zu werden. Daß dies nicht ohne Entschädigung geschah, darf man wol annehmen; vielleicht hat der Kaiser schon damals dem Kinderlosen die Nachfolge seines Bruders im Herzogthume zugesichert. 1119 nahm W. an den Friedensunterhandlungen, die zwischen dem Kaiser und Papst Calixtus II. in Frankreich gepflogen wurden, theil und beschwor Heinrich’s Versprechen, am 24. October zu Mouzon die Vertragsurkunden zu tauschen. Doch das Ende des Investiturstreites zu erleben war dem Manne des Friedens nicht beschieden. Spätestens im December 1119 aus Frankreich nach Baiern zurückgekehrt, starb er am 24. September 1120 auf seiner Burg Kaufering bei Landsberg am Lech und fand im Familienkloster Weingarten die letzte Ruhestätte.

Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit III und IV. – Chr. Fr. Stälin, Wirtembergische Gesch., bes. II. 272. – Riezler, Gesch. Baierns I, 554–584.