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Artikel „Ruthard, Erzbischof von Mainz“ von Karl Georg Bockenheimer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 44–45, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ruthard&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 10:30 Uhr UTC)
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Ruthard, Erzbischof von Mainz, nach Einigen (Joannis I, 525) aus Thüringen, nach Anderen (Bodmann, Rheing. Alterth. 195 Note b) aus dem Rheingau stammend, verdankte im Juli 1089 seine Beförderung vom Abte zu St. Peter in Erfurt auf den Stuhl des heil. Bonifatius wesentlich dem Einflusse Heinrich’s IV., auf dessen Seite er so lange stand, bis er vom Kaiser wegen eines schändlichen Vorganges in Mainz zur Rechenschaft aufgefordert wurde. Zur Zeit des ersten Kreuzzuges sammelten sich am Rheine Schaaren gemeinen Volkes, welche Gewaltthätigkeiten aller Art ausführten. Unter Leitung eines Grafen Emicho fiel eine Bande am 27. Mai 1096 über die Mainzer Juden her, die, nach den Würzburger und Hildesheimer Jahrbüchern, 1014 an der Zahl, in dem erzbischöflichen Palaste mit Hab und Gut Zuflucht suchten, daselbst aber überfallen, beraubt und ermordet wurden. Weder der Erzbischof noch dessen bewaffnete Mannschaft hatten das Verbrechen zu hindern vermocht (Mannheimer, Die Judenverfolgungen in Speier, Worms und Mainz im J. 1096; Schum, Die Jahrbücher des St. Albanusklosters zu Mainz, S. 39, 74, 84). An der Plünderung nahmen Angehörige des Erzbischofs (Wulferich von Winckel, nach Bodmann) Theil; nach den Berichten einzelner Zeitgenossen hatte auch der Erzbischof Geld aus der Beute an sich genommen. Zu Gunsten des Erzbischofs sprach es keinesfalls, daß er der Verantwortung durch die Flucht nach Thüringen, woselbst er dem Kaiser Verlegenheiten zu bereiten gedachte, sich entzog. Dem Kaiser kam die Flucht gelegen, denn sie bot ihm Gelegenheit, die Erträgnisse des Erzstifts an sich zu bringen. Der Kaiser war es auch, der den zu ihm stehenden Papst Clemens III. zur Verhängung des Bannes über [45] R. (29. Juli 1099) veranlaßte, eine Maßregel, die von dem Gegenpapste Urban II. wieder aufgehoben wurde. Acht Jahre weilte der Erzbischof fern von Mainz, woselbst der Kaiser wiederholt seinen Aufenthalt nahm und die Zuneigung der Einwohner sich erwarb. Erst im dritten Jahre nach Abschluß des Reichsfriedens kam R. unter dem Geleite von König Heinrich V. in die Hauptstadt seines Landes zurück. Inzwischen war er der Leiter der Partei dieses Königs im Streite gegen den Kaiser geworden und hatte die päpstliche Partei in Deutschland geführt, von welch letzterer Thätigkeit sein Auftreten auf der Synode in Nordhausen (Mai 1105), insbesondere sein Eifer gegen Simonie und Priesterehe Zeugniß gibt. Kaum war R. in Mainz, so erfolgte nach einer Zusammenkunft zwischen Kaiser und König in Koblenz die Gefangennahme des Ersteren (22. December 1105) und die Zusammenkunft der Fürsten in Mainz, auf welcher der über den Kaiser verhängte Bann verkündigt wurde (25. bis 27. December 1105). Am 5. Januar darauf überreichte R. dem König Heinrich V. die Reichsinsignien unter der Mahnung, der König möge sich alle Zeit als Schutzvogt der Kirche Gottes bewähren, andernfalls das Schicksal des Vaters auch über ihn hereinbrechen würde. Wenn nun auch bei diesem Anlasse wie auch früher R. als treuer Anhänger der Sache des römischen Stuhles auftrat, so ließ er sich doch bestimmen, den gegen das Investiturverbot erwählten Bischof Reinhard von Halberstadt zu weihen (31. März 1107). Nicht minder steht mit seiner bis dahin bewährten Gesinnung die Thatsache im Widerspruche, daß er auf dem wegen des Investiturstreites nach Troyes berufenen Concile nicht erschien, wofür er mit andern deutschen Bischöfen der Strafe der Suspension verfiel. Schwerlich war körperliches Gebrechen bezw. hohes Alter der einzige Grund, der ihn von dem Besuche des Concils abgehalten hatte, vielmehr möchte die Rücksicht auf Heinrich V. ihren Einfluß auf die Entschließung Ruthard’s ausgeübt haben. Papst Paschalis II. hob auf seine Vorstellung die Strafe wieder auf. Von da an erscheint R. nur noch in Urkunden, mittels welcher er Kirchen und Klöster beschenkte, wie denn R. es an Mildthätigkeit während seiner Regierungszeit nicht fehlen ließ. Nach seinem Tode (2. Mai 1109) blieb die Mainzer Kirche über zwei Jahre verwaist.

Nachweise in Will, Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe. Einleitung LVIII u. LIX und S. 223–243.