ADB:Ulrich I. (Patriarch von Aquileja)

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Artikel „Ulrich v. Eppenstein, Abt von St. Gallen und Patriarch von Aquileja“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 212–214, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ulrich_I._(Patriarch_von_Aquileja)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 21:59 Uhr UTC)
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Ulrich v. Eppenstein, Abt von St. Gallen und Patriarch von Aquileja, † (wahrscheinlich) am 13. December 1121. Das in der Landschaft der oberen Mur begüterte Geschlecht der Steiermark, die Eppensteiner, gab zuerst seit 1012 in Adalbero (s. A. D. B. I, 51 u. 52) einen seines Hauses als Herzog für Kärnten. Doch war dieser 1035 durch Konrad II. entsetzt worden. Aber als 1072 Heinrich IV. mit dem Zähringer Berchtold I. (A. D. B. II, 535: es ist da nicht richtig von Entsetzung durch den König gesprochen) in Spannung gerathen war, griff Adalbero’s Sohn Markward III. thatsächlich nach der Ausübung der Herzogsgewalt, was um so leichter war, da Berchtold stets einer durchgreifenden Macht in Kärnten entbehrt hatte. Markward war, als Heinrich IV. zum Behufe der Lösung vom Banne 1077 in Italien weilte, schon gestorben, sein Sohn Liutold durch den König jetzt mit dem Herzogthum förmlich ausgestattet. Heinrich IV. nahm selbst durch Kärnten seinen Rückweg nach den deutschen Gebieten, um sogleich gegen den neu erwählten Gegenkönig Rudolf (A. D. B. XXIX, 559) den Krieg zu beginnen. Der König sah in den Eppensteinern treue Anhänger und Verwandte zugleich; Liutold und er hatten in Herzog Hermann II. von Schwaben (A. D. B. XII, 154 u. 155) einen gemeinsamen Urgroßvater. So empfahl sich auch Liutold’s junger Bruder U. als Verwalter eines geistlichen Gebietes in Schwaben, das Heinrich IV. Rudolf’s Griffen entziehen wollte, wohin dieser einen Abt Lutold Ostern 1077 schon eingesetzt hatte. Das war St. Gallen, dessen Abt Ulrich II. am 9. December 1076 gestorben war, das aber nur sehr widerwillig Lutold als Abt annahm. Obschon U. keineswegs Mönch des Klosters gewesen war, schlugen sich die St. Galler Mönche als Anhänger des Königs auf seine Seite und verjagten den ihnen aufgezwungenen Lutold. Wahrscheinlich hatte Heinrich IV. selbst den neuen Abt aus Kärnten mitgeführt. U. erscheint nun in der nächsten Zeit als Hauptverfechter der Sache Heinrich’s IV. in den Landschaften um den Bodensee. Wohl unterrichtet, in seinem ganzen Auftreten gewandt, hohen Sinns, doch heftigen Gemüthes, wie ihn ein Mitlebender schildert, nahm U. gegen Abt Ekkehard von Reichenau[WS 1], der zunächst sich bestrebte, den vertriebenen Lutold nach St. Gallen zurückzuführen, den Kampf auf; er erhielt, als Ekkehard 1079 auf dem Wege nach Rom bei Parma gefangen worden war, von Heinrich IV. auch Reichenau übertragen. U. suchte geeignete Plätze in größerer und geringerer Entfernung von St. Gallen, an wichtigen Flußübergängen, der Sitter, des Rheins, zu befestigen; auch in offener Feldschlacht, wahrscheinlich bei Veltheim, nahe dem Tößflusse, stießen die Heere auf einander. U. eroberte und zerstörte wichtige feindliche Plätze, so die Kiburg, das Städtchen Bregenz, die Burg Markdorf nördlich landeinwärts vom Bodensee. Aber reichlich vergalten die Gegner, Berchtold II. von Zähringen, Herzog Welf IV., den Besitzungen St. Gallens diese Gewaltthaten, so daß das Kloster in Noth gerieth und der Kirchenschatz vielfach seine Kostbarkeiten zur Bestreitung hergeben mußte; 1080 und 1081 kam der der Haft ledig gewordene Abt Ekkehard vier Male, aber stets ohne durchschlagenden Erfolg, zerstörend nach St. Gallen hinauf, und 1083 suchte er, nachdem [213] er Lutold fallen gelassen, einen andern Reichenauer Mönch Werinhar St. Gallen aufzunöthigen. Dessen ungeachtet hielt U. fest und griff zu neuen Auskunftsmitteln. Er baute im Hochgebirge, wahrscheinlich nahe dem Ursprunge der Sitter, auf einem natürlich festen Platze eine Burg; er verstand es, besonders in der stets wichtigen Stellung bei Kräzern, vom Uebergang über die Sitter unweit westlich von St. Gallen. durch geschickte Ausnutzung der Oertlichkeit, Angriffe abzuwehren. Allein 1084 erfuhr die Gegnerschaft Ulrich’s durch die Wahl des thatkräftigen und umsichtigen Zähringers Gebhard als Bischof von Constanz – Gebhard III. (A. D. B. VIII, 454) eine weitere Stärkung. Dagegen wurde auch U. der Kampf für Heinrich IV. erleichtert, als er 1086 nach dem gewaltsamen Tode des Swatobor-Friedrich, des Przemysliden, in den Besitz des reichen Patriarchates von Aquileja kam und nun hier – in Anlehnung an seine nicht minder entschieden kaiserlich gesinnten Brüder, Herzog Liutold und Markgraf Heinrich von Istrien, der 1090 Nachfolger Liutold’s in Kärnten wurde – die Sache des Kaisers führte. Freilich trat die Sorge für St. Gallen, das U. daneben beibehielt, nothwendigerweise mehr zurück. Zunächst scheint zwar jetzt nach Ulrich’s Weggang nach Aquileja – durch den kaiserlichen Papst Wibert-Clemens III. geschah die Ordination – Werinhar wirklich in St. Gallen sich festgesetzt zu haben; aber die in der Burg im Hochgebirge durch U. zurückgelassene Besatzung muß den Gegenabt so beunruhigt haben, daß er schließlich Verzicht leistete. In der nächsten Zeit war U. bei dem Kaiser, nachdem dieser 1090 nach Italien gekommen war, am Hofe anwesend, und nachdem 1091 zu Mantua an einen St. Galler Mönch Arnold, aus dem gräflichen Hause von Heiligenberg, das Bisthum Constanz übergeben worden war, unternahm es U., ohne Zweifel der Urheber der Maßregel, in eigener Person diesen Gegenbischof seines verhaßten Gegners Gebhard nach Constanz einzuführen. Doch am Widerstande der Constanzer Bürger scheiterte der Versuch, und erneute heftige Anfeindungen und Schädigungen St. Gallens waren die Folge; dabei that sich neuerdings besonders Berchtold II., Gebhard’s Bruder, hervor. Ein Ersatz für solche Einbuße sollte wohl in einer Schenkung des Kaisers, die dieser 1093 in Pavia an St. Gallen wies, ausgesprochen sein; doch ebenso sehr lag darin eine Anerkennung für U., dem am gleichen Tage – 12. Mai – als Patriarch von Aquileja die Mark Krain für seine Kirche zurückerstattet und das Recht, einen Bischof von Pola zu bestellen, gegeben wurde. U. wurde da von Heinrich IV. als dilectissimus consanguineus noster bezeichnet. Auch bis in die letzte Zeit blieb U. dem Kaiser treu; noch 1105 erschien er zur Osterzeit in Mainz am Hofe, um zu einem Vergleiche mit dem Papste Paschalis II. zu rathen. Daß dann U. nach Heinrich’s IV. Tode durch das Concil zu Guastalla 1106, nebst andern deutschen und italienischen Bischöfen, gebannt wurde, ist wieder ein Beweis dafür, daß er in seiner Haltung sich nicht verändert hatte. Wie sehr nachher, seit Heinrich’s V. Bruch mit dem Papste, U. auch in den Augen des jungen Königs als ein zuverlässiger Anhänger galt, ging 1111 nach dem 12. Februar daraus hervor, daß der nach dem Tumult in der St. Peterskirche gefangen gesetzte Papst Paschalis II. ihm zur Obhut anvertraut wurde. Nachher tritt U. nicht mehr in bedeutenderem Grade hervor. Dagegen machte er sich um den Patriarchat Aquileja mehrfach durch kirchliche Stiftungen verdient. Die 1119 vollendete Gründung des Benedictinerklosters Moggio im Friaul, bei dessen Weihe U. auch die Namen der St. Galler Heiligen heranziehen ließ, ging auf die Schenkung eines Grafen Cazellin zurück. Ebenso richtete U. zu Rosazzo ein Benedictinerkloster ein. Dann entstand an der Grabstätte des erwähnten Grafen zu Eberndorf in Kärnten nach dessen Anordnung durch U. eine Kirche. Ein Jahr nach U. starb sein Bruder Herzog Heinrich von Kärnten, womit das Haus Eppenstein erlosch.

[214] Für Ulrich’s Leben – als Abt Ulrich III. von St. Gallen – fließt als reiche Quelle über die Jahre 1077 bis 1093 der Bericht von St. Galler Annalen – der Jahre 1074 bis 1094 –, welche der dritte Fortsetzer der Casus S. Galli einerseits, Gallus Oehem (A. D. B. XXIV, 179–181) anderntheils benutzten: vgl. die a. a. O., S. 181, citirte Reconstruction der Annalen. – Tangl’s weitschweifige Behandlung, in: Die Grafen, Markgrafen und Herzoge aus dem Hause Eppenstein, III und IV, im Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen, Band XI. und XII. (1853, 1854) ist durch F. M. Mayer: Die östlichen Alpenländer im Investiturstreite (1883), S. 90 ff., 129 (wo aber über Ulrich’s Verhalten ein falscher Schluß gezogen wird), 153 ff., überholt.


Anmerkungen (Wikisource)