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Artikel „Gasser, Hans“ von Karl Weiß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 398–401, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gasser,_Hans&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 15:46 Uhr UTC)
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Gasser: Hans G., Bildhauer, geb. am 2. October 1817 zu Eisentratten bei Gmünd in Kärnthen, † am 24. April 1868 in Budapest, war ein sehr begabter und eigenartiger, in der ersten Periode seines Schaffens zu bedeutenden Hoffnungen berechtigender Künstler. Sein Vater Jacob G. lebte als Tischler und Holzschnitzer in dem kleinen Dörfchen Eisentratten und hatte außer Hans noch folgende fünf Söhne: Sebastian, Jakob, Josef, Max und Franz, mithin eine so zahlreiche Familie, daß er für deren Ausbildung nur nothdürftig zu sorgen vermocht hatte. Wenn der jüngste Sohn Hans aus der Dorfschule kam, mußte er das Vieh auf die Weide treiben oder sich in der Werkstätte anwenden lassen. Plötzlich erwachte auch in Hans die Lust am Bildschnitzen und er erlangte darin eine solche Fertigkeit, daß er die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich lenkte. Einer der Gönner, Graf Lodron, in Kärnten begütert, gab ihm die Mittel zur Reise nach Wien, wo bereits zwei seiner Brüder, Franz als Porträtmaler und Max als Wirthspächter in bescheidenen Verhältnissen lebten. Im Frühjahre 1838 betrat G. die Kaiserstadt, mit Empfehlungen an Künstler und Kunstfreunde versehen, welche sein einfaches ungezwungenes, aber von einem regen Geiste Zeugniß gebendes Wesen und seine edle, poetisch angehauchte äußere Erscheinung liebgewannen. Die reichen Kunstschätze und die interessanten geselligen Kreise, in welche er trat, machten aber auf den Alpensohn nicht jenen Eindruck, den man voraussetzen sollte. „An Menschen und Kunstwerken“, schrieb der Künstler damals einem Freunde nach Gmünd, „habe ich mich ordentlich satt gesehen; diese Menge in der Residenzstadt ist schauderhaft.“ Im November 1838 begann G. seine akademischen Studien. Zuerst nahm er Zeichnenunterricht bei Gsellhofer, später kam er in die Bildhauerschule der Professoren Klueber und Käßmann und erhielt schon in den Jahren 1839 und 1840 erste Bildhauerpreise. Wie groß auch die Aufmunterung war, welche dem sich rasch entwickelnden Talente zu Theil geworden, wie anregend auf ihn auch der Verkehr mit Künstlern und Kunstkennern wirkte, befriedigt war G., in dessen Seele sich ein Sehnen und Verlangen nach anderen Idealen kundgab, als sie die akademischen Kreise kannten, keineswegs. Seine Blicke lenkten sich nach München, wo König Ludwig durch den um ihn versammelten Kreis hochbegabter Künstler der deutschen Kunst neue Bahnen eröffnete und es gelang ihm auch, daß er 1842 als kaiserlicher Pensionär anstatt in Rom, wie damals üblich, in der deutschen Königsstadt seine künstlerische Ausbildung fortsetzen durfte. Der Zauber seiner Persönlichkeit und seine entschiedene Begabung erwarben ihm auch in München rasch Freunde. Er trat in nähere Beziehungen zu Kaulbach, Schnorr v. Carolsfeld und Ludwig v. Thiersch, dem Sohn des Hellenisten, Männer, an die ihn bis an sein Lebensende die wärmsten Bande der Freundschaft knüpften. Angeregt von ihnen bemühte sich G. in der Ausbildung seines Talentes Fortschritte zu machen. Auf Ausflügen nach Nürnberg, Augsburg, Freising, Regensburg etc. entfaltete sich sein romantischer Sinn in der Anschauung mittelalterlicher Kunstwerke, ohne daß er damals noch die Bedeutung und die Eigenthümlichkeit derselben begriff. Wiewol vorwiegend mit Studien beschäftigt, entstanden doch während seines Münchener Aufenthaltes eine Reihe gelungener Statuetten und Entwürfe. Unter den ersteren erregten jene von Kaulbach und Schnorr, eine Gruppe von Schnorr’s Töchtern, durch ihre Aehnlichkeit großes Interesse; unter den übrigen Arbeiten zeigte G. in der lebensgroßen Figur eines Faustkämpfers, heute Eigenthum der Akademie der bildenden Künste, bereits seine Hinneigung zu bewegten, lebensvollen Gestaltungen, in der Figur eines Engels, eines Porträtmedaillons von Fritz Kaulbach und eines Kinderporträts aus der Familie des Professor Arndts seinen feinen Sinn für Charakteristik. Ungeachtet der angenehmen Verhältnisse, in welchen G. in München lebte, litt es ihn dort nicht auf die Dauer. Er kehrte im J. 1846 [399] wieder nach Wien zurück, herzlich begrüßt von seinen alten Freunden, zu welchen vorzüglich F. Amerling, A. Böhm, R. v. Eitelberger, C. Radwitzky, Bücher etc. zählten, und neue Verbindungen anknüpfend. Durch die Kunstausstellungen gelangten seine Arbeiten in weitere Kreise, die das frische Talent bewunderten und aus welchen ihm kleinere Aufträge zugingen. Aber nicht auf diesem Wege war es möglich, daß Gasser’s Talent zu einer künstlerischen Reife gelangen konnte. Er bedurfte größerer plastischer Aufgaben, wozu jedoch unter den damaligen Verhältnissen in Wien keine Aussicht vorhanden war. Gelang es doch nicht einmal Wiener Bildhauern von anerkanntem Rufe solche Aufträge zu erhalten. Bei dem damals geplanten und auch zur Ausführung gelangten großen Denkmale für Kaiser Franz entschied die Staatsraison für den Italiener Marchesi und bei dem Brunnendenkmale auf der Freiung wählte die Gemeinde Schwanthaler, einen Münchener Künstler. Wie die übrigen jüngeren Wiener Bildhauer mußte sich daher auch G. mit Aufträgen von Privaten für Büsten, Statuetten, Grabdenkmalen begnügen. Von den Büsten machte jene der Jenny Lind, ausgeführt im Frühjahre 1847, für welche der Künstler sich begeistert hatte, in der Kunstwelt Aufsehen. Die einzige bedeutende Aufgabe war die Ausführung von allegorischen Figuren an der Façade des von den Architekten van der Nüll und Siccardsburg im J. 1847 neuerbauten Carltheaters, welche durch ihre Abweichung von den antiken Vorbildern, ihre Originalität und Anmuth einen so großen Reiz ausübten, daß sie durch viele Jahre in kleinerem Maßstabe nachgebildet wurden. – Erst nach dem Jahre 1848, an dessen politischen Ereignissen G. lebhaften Antheil nahm – so stand er im October unter den Kämpfern auf den Barrikaden in der Leopoldstadt – brach auch für G. eine neue Aera an. Im December 1850 trat er als Lehrer in die Modellir-Vorbereitungsschule der Akademie ein, ohne aber an diesem Berufe Gefallen zu finden. Er verließ bereits im October 1851 diese Stellung und widmete sich vollständig den ihm in reicher Zahl zu Theil gewordenen Aufträgen. Er führte Statuen für das Arsenal und das Waffenmuseum, das neue Bankgebäude, den Sitzungssaal des Gemeinderathes (1852) aus. Im J. 1853 vollendete er das Welden-Monument für Gratz, um dieselbe Zeit entstand der Entwurf zum Wieland-Denkmal für Weimar, welcher (1857) zur Ausführung kam. Bald darauf folgten die Figuren zum Hentzimonument in Ofen (1852), das Denkmal im Lloydarsenale in Triest, die Statuen an der Façade des Gebäudes der Creditanstalt (1857), das Grabdenkmal Mozart’s auf dem St. Marxer-Friedhofe (1856), der lebensgroße Christus der Lodron’schen Gruft zu Gmünd (1858), das Christallnigg’sche Grabmonument zu St. Michel im Zollfelde (1859), das Brunnendenkmal im Stadtparke (1865), die Statue des J. v. Sonnenfels auf der Elisabethbrücke (1864), das Maria-Theresien-Monument im Akademiegebäude zu Wiener-Neustadt (1862), das Standbild der Königin Elisabeth im Westbahnhofe (1860), die Monumental-Brunnen beim neuen Opernhause (1867) und andere kleinere Standbilder für Kirchen und Privatbauten und Grabdenkmäler für adelige Familien. Von den zahlreichen Porträtbüsten sind hervorzuheben jene des Karl Rahl, des Landschafters Marko, des Grafen Stephan Szechényi, des Geschichtsforschers Freiherrn v. Ankershofen, des Chemikers L. Schrötter, des Chirurgen Professor Dr. Schuh, der Maler Schrotzberg, Kriehuber und Einsle, der Professoren Oppolzer und Berres, des Schauspielers Dawison, des Geologen Haidinger, des Finanzministers Bruck, sein eigenes Bildniß etc. Von Fr. Schiller führte er eine Kolossalbüste aus. Diese außerordentliche Fruchtbarkeit war aber seinem Talente nicht förderlich. Wenig geübt in der Ausführung von größeren plastischen Werken, gedrängt durch die um des Gelderwerbes willen zu eifrig gesuchten und übernommenen Aufträge verwendete er auf die Mehrzahl seiner späteren Arbeiten nicht die gehörige [400] Sorgfalt und übergab sie mit deutlichen Merkmalen der Flüchtigkeit und der schablonenmäßigen Behandlung. In der industriellen Ausbreitung seines Berufes ging er oft so weit, daß er ohne eigentliches Hilfsmodell arbeitete. Zwischen dem sinnigen und reizvoll gemachten Entwurfe und dem ausgeführten Werke lag nicht selten eine weite Kluft. Nur in den weiblichen Brunnenfiguren des Stadtparkes und beim Opernhause – den letzten Arbeiten – entfaltete G. noch den ganzen Reiz der Anmuth und Schönheit seiner Jugendgestalten. An dieser Erscheinung trug wesentlich seine leidenschaftliche Lust an der Erwerbung von Kunstwerken aus älterer und neuerer Zeit Schuld. Kaum in den Besitz eines kleinen Kapitals gelangt, kaufte er sich im Wiener Gemeindebezirke Margarethen ein Haus mit schönem Garten. Dort baute er mit großen Kosten ein Atelier in mittelalterlichem Stile und ein mit zahlreichen Gemächern ausgestattetes Wohnhaus, welches er mit den aus allen Ländern erworbenen Alterthümern anfüllte. Kostbare Bilder, darunter von Andr. Achenbach eine schöne Waldlandschaft, Schränke, Flügelaltäre, Limoger Emails, Teppiche, Stickereien, Metall-, Glas-, und Thongefäße, aller Art Kupferstiche, waren dort vollständig ungeordnet wie bei einem Trödler aufgehäuft. Mäßig in seinen leiblichen Bedürfnissen fand er seine ganze Lust und Freude in der Betrachtung seiner Kunstschätze und opferte denselben nicht nur sein reiches Einkommen, sondern seine Vermögensverhältnisse geriethen in gewaltige Unordnung. Schon tief verschuldet und von Wucherern in Schuldenarrest getrieben, wollte er sich doch nicht von seinen Kunstschätzen trennen, bis endlich eine Anzahl von Kunstfreunden seine Angelegenheiten ordneten und den größten Theil seines Besitzes verkauften. Kaum hatte er die Freiheit des Handelns, begann er neuerdings zu sammeln. Nach seinem Tode kamen außer 397 Objecten, welche von seiner eigenen Hand herrührten, 834 Kunstgegenstände aller Art zur Versteigerung, von denen manche in öffentliche Sammlungen übergingen. Wenn auch diese Neigung Gasser’s aus einem edlen Motive entsprang, so war sie doch entschieden nachtheilig für den schaffenden Künstler. Er strebte nach leichtem und lohnendem Erwerbe, um als Amateur seine Bedürfnisse befriedigen zu können und die Sorgen seiner Schulden raubten ihm die ruhige Gemüthsstimmung und die volle Hingebung an seinen künstlerischen Beruf. – Wie schon erwähnt erweckte Gasser’s Persönlichkeit in seinen jüngeren Jahren ein besonderes Interesse. Nachdem er schon eine geraume Anzahl von Jahren in größeren Städten gelebt, blieb er sich treu in seiner schlichten Einfachheit und seiner unbefangenen Auffassung der Menschen und socialen Verhältnisse. Im Besitze einer geringen Bildung fühlte er sich angezogen von geistig hervorragenden Männern und strebte, mit ihnen einen engeren Verkehr anzuknüpfen. Dabei blieb er der Natursohn, welcher mit schwärmerischer Begeisterung an seiner Heimath hing und eine gründliche Abscheu vor den Sitten und Gewohnheiten der Städter hatte. Er erstreckte dies bis auf seine äußere Erscheinung. Ein Bild körperlicher Schönheit mit der schlanken Gestalt, den kräftigen, edlen Gesichtszügen, dem dunklen Auge, dem herabwallenden schwarzen Haupthaar und dem eigenthümlich gepflegten Vollbart, trug er bis an sein Lebensende eine dunkle Blouse, einen spitzen Hut nach Art der Gebirgsbewohner aus dem Oberammergau und legte diese Tracht selbst dann nicht ab, wenn er in die höchsten und feinsten Gesellschaftskreise eintrat. Dadurch war G. eine stadtbekannte Persönlichkeit geworden. In späteren Jahren, als sich in seinen Zügen Kummer und Schwermuth, in der Haltung und der Kleidung Spuren von Vernachlässigung ausprägten, und die ideale Lebensauffassung sich in einen gewissen Cynismus umgewandelt hatte, machte der Künstler einen traurigen Eindruck. Dazu kam, daß in den letzten drei Jahren an ihm ein körperliches Leiden zehrte, welches ihn in der Ausübung seiner Kunst hinderte. Vergebens suchte er in den [401] Ofener Bädern Heilung. Von treuen Freunden gepflegt, in seinem Inneren verbittert, hoffte er vergebens auf Heilung. Schon dem Tode nahe ließ er an sein Krankenbett aus seiner Sammlung eine Broncestatuette, Minerva vorstellend, und die bemalte Holzstatuette der Eva aus der Zeit Dürers kommen, um sich ihres Anblickes zu erfreuen. Der Tod des Künstlers rief in Wien und seinem Heimathland schmerzliches Aufsehen hervor. Die Versteigerung seines Nachlasses versammelte in Wien zum letzten Male seine Freunde; jeder derselben holte sich eine Reliquie. Der Leichnam wurde im J. 1870 nach Villach überführt und dort feierlich beerdigt. Seine Kärntnerfreunde errichteten ihm in letzterer Stadt ein Denkmal, bestehend aus dem Standbilde des Künstlers, welches, von dem Bildhauer Meßmer aus Gmünd gemeißelt und am 6. Mai 1871 enthüllt, den Gasserplatz schmückt. Im Landesmuseum in Klagenfurt wurden Gypsabgüsse von Statuetten des Künstlers aufgestellt und in einem Hause zu Gmünd die Jugendarbeiten des Künstlers gesammelt, als Tribut der Anerkennung seines Heimathlandes – nach seinem Tode.

R. v. Eitelberger, Hans Gasser’s biografische Skizze mit Abbildungen in Lützow’s Zeitschrift für bildende Kunst, J. 1871, S. 281. – Klagenfurter Zeitung v. 27. Januar 1871.