ADB:Rahl, Carl
Karl Heinrich R., welchen das Bewußtsein, stets künstlerisch zu wirken, auch bei dem unbedeutendsten Blättchen, das er stach, nie verließ; seine Mutter stammte aus der alten Wiener Bürgerfamilie Lorenz. Die Erziehung, welche R. im Vaterhause genoß, war eine treffliche. Von Jugend an von einer Welt des [168] Schönen umgeben, durch den universell gebildeten Vater mit der Dichtung und der Geschichte des classischen Alterthums bekannt gemacht, entzückte der Knabe schon durch seine lebhaften Schilderungen der Heldenkämpfe seine Schulgenossen. In der dämmernden Seele des Jünglings ging eine Welt der Ideale auf, welche immer mehr feste Gestalt gewannen und die Richtung seines Lebens bestimmten. Als der Vater den Sohn nach absolvirter Realschule dem Kaufmannsstande zu widmen gesonnen war, da machte sich die Gewalt des von innen hervorquellenden Dranges und die Begeisterung für die Kunst zum ersten Male bemerkbar. Hatte der Knabe schon früher durch, wenn auch der Form nach unvollendete, dem Concepte nach aber gedankenreiche Zeichnungen sein Talent bewiesen, so bestürmte er den Vater im Momente der Entscheidung, welche seinen künftigen Beruf bestimmte, mit Bitten und der Versicherung „lieber ein armer Künstler, als ein reicher Kaufmann werden zu wollen“, ihn die Künstlerlaufbahn wählen zu lassen.
Rahl: Karl R., Historienmaler, wurde laut Taufschein zu Wien am 13. August 1812 geboren. Sein Vater war der berühmte Wiener KupferstecherDer Vater selbst wurde Rahl’s erster Lehrer im Zeichenunterrichte, welcher mit Vorlagen aus Michelangelo’s Anatomie begann, denen dann Zeichnungen nach der Antike und der Natur folgten. Während Mengs seinen Sohn zum Zeichnen zwang, ertrug R., beglückt durch die Erfüllung des ersehnten Wunsches, Maler werden zu dürfen, gern und willig alle Pedanterie und eine oft übermäßige Strenge seines Lehrers. Erst nachdem sich der Vater die Gewißheit verschafft hatte, daß sein Sohn eine correcte Zeichnung zu liefern im Stande sei, gab er die Erlaubniß, daß der Jüngling sich mit der Technik der Malerei vertraut machen dürfe. Die nächsten Lehrer waren Joseph Bayer und Mantschko, unter dessen Leitung das erste Bild „Streit des Achill und Agamemnon“ entstand. Im Jahre 1827 trat R. unter den Professoren Anton Petter und Karl Gsellhofer in die Malerschule der Wiener Akademie ein. Schon im nächsten Jahre hatte er über Auftrag des Propsten des Stiftes Reichersberg dessen Porträt, im Jahre 1829 eine „thronende Madonna mit dem Christuskinde“ und 1830 einen „Sturz der Engel“ (Hochaltarblatt für die Stiftskirche in Reichersberg) vollendet. Diese Bilder zeigen, wenn auch noch nicht geklärt, die Kunstrichtung Rahl’s: klare Gruppirung, üppige Gestalten und kräftiges Colorit. Im Jahre 1831 gewann R. mit dem Gemälde „David in der Höhle Adullam“ den „Reichel’schen“ Preis und damit den Anspruch auf ein Reisestipendium nach Italien, welches ihm aber zufolge engherziger Auslegung der akademischen Bestimmungen mit der Motivirung verweigert wurde, daß er zum Bezuge dieses Stipendiums, weil er das zwanzigste Lebensjahr noch nicht zurückgelegt habe, noch zu jung sei. Dies war für R. die erste Zurücksetzung, deren er in seinem Vaterlande so viele zu erdulden hatte. Nur einem so großen Charakter und begeisterten Kunstjünger, wie R., war es möglich das Probestück abzulegen „daß er durch dreißig Jahre Niedrigkeit, Unbehagen und Kummer nicht gebändigt, nicht aus dem Wege gerückt, nicht abgestumpft werden konnte“. War ihm auch vorderhand der Besuch Italiens nicht gegönnt, so begründete das Concurrenzbild seinen Ruf als Maler. Den Erlös, welchen er aus seinem „Fischer“ und dem Altarblatte „Vermählung Mariens“ erzielte, verwendete er zu einer Reise nach München. Dort hatte der kunstsinnige König Ludwig I. einer auserlesenen Künstlerschaar reiche Gelegenheit zu monumentalen Schöpfungen gegeben. Wenngleich in technischer Hinsicht vielfach und besonders im Gebiete der Frescomalerei an Erfahrungen reicher geworden, konnte sich R. mit der Auffassung der historischen Stoffe, wie er sie in München fand, nicht befreunden. Er verließ München und besuchte Stuttgart, wo er in Eberhard Wächter, dessen Compositionen „Hiob mit seinen Freunden“, „Belisar“ und die „Horen“ ihm schon durch seines Vaters treffliche Kupferstiche bekannt waren, einen Förderer und [169] Rathgeber für seine Kunst fand. Aus dieser Zeit stammt das gegenwärtig im deutschen Hochstifte zu Frankfurt a. M. befindliche Porträt Wächter’s, welches R. in Stuttgart und jenes des Dichters Lenau, welches er in Kerner’s Hause gemalt hat. In der zweiten Hälfte des Jahres 1834 finden wir R. wieder in Wien mit der Vollendung des großen Altarblattes „die heilige Anna“ für die Kirche in Debreczin beschäftigt. Im nächsten Jahre entstand das Bild „Chrimhilde erklärt an der Leiche Siegfried’s Hagen als dessen Mörder“ (Belvedere-Galerie in Wien). Die Begabung, welche R. durch edle Auffassung und Technik in diesem Bilde bewies, bestimmten seinen Vater, ihn zur weiteren Ausbildung nach Italien zu senden. Im Jahre 1836 betrat er das gelobte Land der Kunst. Welches Gefühl, als er in Venedig in der von Palladio erbauten Carità, welches Gebäude Goethe zur Bewunderung für den genialen Architekten hinriß, die Werke eines Tizian, Bellini, Veronese erblickte. Dort copirte er Tizian’s „Himmelfahrt“, nachdem er vorher in kleineren Skizzen die Tüchtigkeit der Technik und den Zauber des Colorits des großen Meisters nachzuempfinden versuchte. Von Venedig ging er nach Rom, nicht ohne früher in den Galerien zu Bologna und Florenz emsige Studien gemacht zu haben. Der Eindruck Rom’s mit all seinen Kunstschätzen war wol ein großartiger, dennoch zeigen die Copien und Zeichnungen, welche R. von dort mitbrachte, ein vollkommen zielbewußtes Studium, durch welches er die Vervollkommnung seiner Kunst anstrebte. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß er auch in Rom in den Farbenskizzen und Copien hauptsächlich der Technik und dem Colorit der Venezianer, in den Zeichnungen der genialen Gruppirung eines Rafael und Michelangelo nahezukommen suchte. Während Mengs durch das Studium der großen Italiener zum Eklektiker, wenn auch in des Wortes bestem Sinne, wurde, wußte sich R. aus den Meisterwerken Tizian’s, Veroneses, Rafael’s und Michelangelo’s einen Canon, sowohl der Technik, wie dem Concepte nach abzuleiten, welcher aber seine Eigenthümlichkeit nie beeinträchtigte. Wir haben schon früher bemerkt, daß Rahl’s Figuren, auch aus seiner ersten Zeit, eine gewisse Ueppigkeit bekunden. Seine Studien an den Venezianern bestärkten ihn noch mehr dieser Formgebung treu zu bleiben. Alle Zeichnungen, Skizzen und Gemälde, selbst ein großer Theil der Porträts nicht ausgenommen, welche R. seit jener Zeit fertigte, zeigen besonders in den weiblichen Figuren eine manchmal fast ans Derbe grenzende Gedrungenheit, als hätte den Meister eine Welt von Hünen und Titanen umgeben. Den Umschwung in der Technik, welcher sich bei R. infolge der Studien an der Malweise eines Tizian, Bonifazio und Paolo Veronese vollzog, hat der Künstler selbst seinem Freunde Fr. Hottner mit folgenden Worten erklärt: „Ich selbst habe früher mit dunklem Grau untermalt, dann das Bild mit Deckfarbe, aber so leicht übergangen, daß das Grau durch die Deckfarbe durchschimmerte, und ich die Modellirung der Untermalung benützen konnte; erst zuletzt beim Fertigmachen habe ich bloß Lasuren gebraucht. Das eigene Porträt Tizian’s im Museum zu Berlin schien mir auf diese Art gemalt. Später habe ich es vorgezogen, die Untermalung beinahe weiß zu machen, und die Kraft und Rundung besonders in den Fleischtönen durch Lasuren zu erzeugen“.
Noch unter dem Ausdrucke der ersten Begeisterung entstanden die Bilder „Hagen und Volker vor der Thüre der Chrimhilde“, „Der Schweizerbund auf dem Rüttli 1307“ (vom Vater Rahl’s in Kupfer gestochen und 1842 vollendet) und das große Historienbild „Manfred’s Leiche von Karl von Anjou auf dem Schlachtfelde von Benevent aufgefunden“. Dieses letztere Bild ist, seit es im Jahre 1838 in Wien ausgestellt und dann für die Belvedere-Galerie angekauft wurde, im Depot der genannten Galerie seines großen Umfanges halber gerollt [170] aufbewahrt. Außerdem vollendet er das Gemälde „Die Christenverfolgung““, kehrte für kurze Zeit nach Wien zurück, fertigte hier mehrere Porträts und die Historienbilder „König Enzio“ und „Tod König Heinrich VII.“. Im December des Jahres 1839 traf R. zum zweiten Male in Rom ein, wo er im Kreise der ihm befreundeten Künstler Riepenhausen, Koch, Wagner und Thorwaldsen stets neue Anregung und Belehrung fand. Der Aufenthalt in der ewigen Stadt währte bis zum Jahre 1847, während welcher Zeit er dieselbe nur für wenige Wochen im Jahre 1843, als der Tod seines Vaters ihn nach Wien zurückzukehren zwang, und im Jahre 1845, als er eine größere Reise über Belgien, Holland, Deutschland und nach Paris unternahm, verließ. In Rom führte er bedeutende Gemälde aus. So entstand sein „Josef Calafanz“ für die Piaristenkirche in Wien, ein Bild von colossalen Dimensionen, trefflich in der Gruppirung und im Aufbau. Mit diesem Bilde erwies er sich als vorzüglich auch im Gebiete der religiösen Historienmalerei, indem er es bei aller humanistischen Auffassung dennoch verstand, der kirchlichen Legende treu zu bleiben. Diesem Gemälde folgte sein „Odysseus“ und das gegenwärtig im Besitze der Belvedere-Galerie zu Wien befindliche Historienbild „Manfred’s Einzug in Luceria“; ferner die „Wahrsagerin“, mehrere römische Genrebilder, und eine große Anzahl von Porträts, welche er während seines Aufenthaltes in Berlin, Hamburg und Paris malte. Im Jahre 1848 finden wir R. neben Kupelwieser, Heinrich Schwemminger, und Gsellhofer als Corrector an der Wiener Akademie, und als die politischen Wirren und das geräuschvolle Leben die Sperrung der Zeichensäle veranlaßte, als Abgesandten im Studentenparlamente zu Eisenach. Dann ging er nach München und verblieb daselbst bis zum Jahre 1851. Dort vollendete er die Gemälde „Leopold der Tugendhafte auf den Mauern von Ptolomais“ und „Arion“. In der Heimath hatte sich mittlerweile ein gewaltiger Umschwung im Kunstleben bemerkbar gemacht. Die große Bewegung im Sturm- und Drangjahre verdrängte Dank den wackeren Bemühungen des damals ins Leben getretenen Ingenieurvereins die bureaukratisirende Art der Vergebung von Bauten zu Gunsten einer freien Concurrenz. Der jugendliche Kaiser Franz Josef I. hatte der österreichischen Kunst neue Bahnen zu weisen und die Künste zu erhöhtem Leben emporzubringen verstanden. Der Bau und die Ausschmückung der Altlerchenfelderkirche in Wien eröffnete auch den Schwesterkünsten ein neues Feld für ihr Wirken. Da meinte auch R., der mittlerweile provisorisch mit Dobiaschofsky und Hans Gasser zur Professur an der Wiener Akademie berufen worden war, sein langersehnter Wunsch nach Aufgaben einer monumentalen Malerei sollte in Erfüllung gehen. Doch, wie man sich ausdrückte, paßte der Heide, dessen Religion die Kunst, dessen Bibel die Geschichte war, nicht in die Kirche. Und wiewohl er Proben seiner Fähigkeit in den Gemälden der Piaristenkirche abgelegt hatte und trotz der Ueberzeugung, daß er unter den damaligen Wiener Künstlern der tüchtigste und genialste Historienmaler war, wurde er nicht nur von der Theilnahme an dieser Arbeit ausgeschlossen, sondern ihm auch die Stelle als Lehrer an der Akademie unleidlich gemacht. Schon nach einem Semester verließ er die Professur und gründete in der Theresianumgasse mit fünfundzwanzig Schülern eine Privatmalerschule. Aus dieser Schule gingen Bitterlich, Eisenmenger, Gaul, Griepenkerl, Hoffmann, Lotz, George Mayer, Otto, Than, Mantler, Romako und Pirchan hervor, Künstler, deren Namen in der Kunstwelt von gutem Klange sind.
Noch einmal bot sich Gelegenheit, Rahl’s eminentes Können zu verwerthen. Das von Hansen erbaute Waffenmuseum im Arsenale sollte mit Darstellungen aus der Kriegsgeschichte Oesterreichs geschmückt werden, und R. war dazu ausersehen, die Malereien auszuführen. Mit wahrhaftem Seherblick wußte der [171] Künstler dem Locale die Bedingung, unter welcher sich succedirende Zeiterscheinungen, dramatisch bewegte Handlungen bei Wahrung voller Einheitlichkeit geben ließen, abzusehen. Rahl’s Entwürfe zur symbolisch-allegorischen Darstellung der Kriegsgeschichte Oesterreichs zeigen, ganz abgesehen von rein künstlerischen Momenten, die gedankentiefe, logisch scharfe und zugleich historisch richtige Eintheilung der zu schmückenden Räume. Doch auch hier wurde R. zurückgedrängt, weil man mit seiner Art der Behandlung der Geschichte Oesterreichs nicht einverstanden war. Kleinliche Gesinnungen im Kreise einiger Fachgenossen machten es unmöglich, daß er seine Ideale verwirklicht sehen konnte. Kräften, die einer solchen umfassenden Aufgabe nicht gewachsen waren, wurde die Decoration jener Räume überlassen, die nun statt einer zusammenhängenden Geschichte, wie sie der geniale R. im Lichte der Dichtung verklären wollte, einzelne unzusammenhängende, jedes inneren Connexes entbehrende Darstellungen bieten. Schon nach der Zurücksetzung, welche R. erfuhr, da man ihn von der Theilnahme an der inneren Ausschmückung der Altlerchenfelder Kirche aus ganz niedrigen Motiven ausschloß, schrieb der tief gekränkte Künstler an seinen Freund Genelli: „Es ist wahr, ich existire bis jetzt in pecuniärer Hinsicht besser wie in München; aber ist das eine Existenz zu nennen, wenn man ganz auf sich beschränkt ist und ohne alle Zukunft so trüb und matt in die Welt hineinlebt wie ein lebendig Todter?“ Dennoch wurde dieser starke Geist auch durch das neueste Ungemach nicht gebrochen. Er blieb seinen Idealen treu, fest entschlossen, lieber als Tüchtiger zu fallen, denn als Servilist zu gefallen. Die Ideenfülle, welche Rahl’s dichterischem Kopfe entquoll, setzt in Erstaunen, besonders seit dem Künstler in Baron Sina und Todesco Mäcene wurden, welche seiner Schaffenskraft würdige Probleme stellten. Nachdem R. im Jahre 1860 die Entwürfe für die malerische Decorirung des Festsaales im großherzoglichen Schlosse in Oldenburg und in Verein mit Eisenmenger und Lotz die zwölf allegorischen Figuren an der Façade des Heinrichshofes in Wien vollendet hatte, schritt er im Jahre 1862 an die Ausführung der vier großen Staffeleibilder, die „Befreiung der Andromeda“, die „Rettung der Iphigenie“, die „Entführung der Helena“ und der „Raub des goldenen Vließes“ für Baron Sina. Mit diesen Gemälden hat R. sich den besten Coloristen würdig an die Seite gestellt. Während dieser Arbeiten componirte er den Entwurf des athenischen Frieses, dessen bildnerischer Schmuck Anfang, Blüthe und Verfall des griechischen Geisteslebens in einer Anordnung zur Anschauung bringt, die ähnliche Compositionen seiner Vorgänger, wie jene Rafael’s, Kaulbach’s, De la Roche’s weit übertrifft. Leider wurden die genialen Entwürfe, deren vollständige Zeichnung zuerst im Jahre 1864 in Wien ausgestellt war, durch politische Ereignisse und den frühen Tod des Künstlers nicht zur Ausführung gebracht. Im Jahre 1862 schmückte der Künstler acht Gemächer des Todesco’schen Palastes mit Darstellungen aus der Paris-Mythe, mit welchen Fresken er sich das Verdienst erwarb, diese Mythe als der Erste in einer cyclischen Composition ihrem ganzen Umfange nach erschöpft zu haben. Ebenso harmonisch in der Farbe, wie geistvoll im Concepte und formvollendet im Aufbau, wie in der vorangeführten Darstellung, erscheint R. in seinem Freskogemälde „Das Mädchen aus der Fremde“, welches er in der Villa Wisgrill in Gmunden gemalt hat. Plan und Anlage der A. D. Biographie verbieten leider, den übrigen Werken Rahl’s auch nur mit einigen charakterisirenden Worten gerecht zu werden, und wir müssen uns beschränken, anzuführen, daß der rastlos arbeitende Künstler außer einer großen Anzahl von meisterhaften Porträts und anderen Staffeleibildern auch noch zwanzig Zeichnungen für einen Cyclus aus dem Argonautenzuge, die acht allegorischen Figuren al fresco in der Ruhmeshalle des Arsenales in Wien, eine ideale Landschaft, ferner die Zeichnungen und [172] Farbenskizzen für den Vorhang, den Plafond und das Proscenium des Wiener Hofoperntheaters, die Zeichnung und den Carton zur Cimbernschlacht (im Auftrage des Baron Schack) vollendete, bei welch letzterer Arbeit der Tod den Künstler in der vollen Manneskraft hinwegraffte. Am 9. Juli des Jahres 1865 verschied R. sanft und ruhig, umgeben von mehreren seiner dankbaren Schüler; am 12. Juli um 6 Uhr Abends senkte man ihn in das Grab, das ein einfacher Denkstein mit einem Gemälde „Der Meister wird vom Todesengel ins Schattenreich geführt“ ziert, welches Rahl’s Lieblingsschüler Bitterlich gemalt hat. Mit wehmuthsvollem Stolze kann Oesterreich ihn als den seinen, die ganze große Kunst trotz dem Torso seiner besten Entwürfe als ihren Pfadfinder in der monumentalen Geschichtsmalerei nennen. Oesterreich hat in ihm einen Künstler besessen, den ein Eberhard Wächter hochschätzte, an dessen kraftgenialischen Schöpfungen sich ein Cornelius und Kaulbach erwärmten. Als Charakter groß, begeistert für Kunst und Wissenschaft, gedankentief und von echt Wienerischer herzgewinnender Gutmüthigkeit verstand er es, durch seine geistvolle zündende Sprache ebenso, wie durch seine genialen Werke zu entzücken. Was uns in den Werken eines Carstens, Wächter, Koch, Cornelius und Genelli mit Bewunderung erfüllt, die begeisterte Hingabe an das classische Alterthum, die Formvollendung in der Zeichnung, die Schönheit in der Anordnung, die Durchdachtheit der Composition, das besaß auch R. Aber er übertraf jene durch den Linienfluß der bewegten Figuren und durch die Kraft und Gewalt eines Colorits, welches an die Farbengluth eines Tizian erinnert.
- Vergl. Rheinisches Taschenbuch 1852. – Fr. Hottner: „Karl Rahl“ in den Recensionen und Mittheilungen 1862 und 1863. – Zeitschrift für bildende Kunst, Bd. I, II, III und IV. – Fr. Pecht, in der Zeitschrift „Der Botschafter“ 1864 Nr. 65. – L. Speidel in der Neuen freien Presse 1865 Nr. 329, 384, 391 und 423. – Wurzbach, biographisches Lexikon XXIV, 230 f. – Cyriak Bodenstein, Hundert Jahre Kunstgeschichte Wiens, S. XL. u. S. 155 u. f.