ADB:Hansen, Theophilos Edvard Freiherr von

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Artikel „Hansen, Theophilos“ von Julius Leisching in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 762–766, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hansen,_Theophilos_Edvard_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 23:29 Uhr UTC)
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Hansen: Theophilos H., Architekt, am 13. Juli 1813 zu Kopenhagen als Sohn von Rasmus H., Kassirer bei der kgl. dänischen Brandassecuranz-Gesellschaft, geboren, verlor schon mit 11 Jahren seinen Vater und mußte sich gleich seinen beiden älteren Brüdern Christian und Peter frühzeitig Geld verdienen. Wie Christian, der als Zeichenlehrer an der Bürgertugendschule zu Kopenhagen begann, dann Etatsrath und Stadtbaumeister wurde und später in Athen thätig war, fühlte sich auch Theophilos schon in jungen Jahren zur [763] Kunst hingezogen und studirte an der kgl. Bauakademie bei Gustav Hetsch Architektur. Schon in seiner Abgangsarbeit, dem Entwurf zu einer Börse, huldigt er dem griechischen Stil, der späterhin sein erklärter Liebling werden sollte. Schinkel’s Geist beginnt die Architektenwelt zu beherrschen; noch als Greis hat H. in Schinkel seinen Meister erblickt. Es ist ja auch die Zeit Thorwaldsen’s, die Nachwirkung Winckelmann’scher Theorien. Für H. bleibt auch die schon in Kopenhagen begonnene Verbindung mit dem Kunstgewerbe bezeichnend; selbst diese Möbelentwürfe schließen sich durchaus an griechische Motive an. Sie haben wenigstens in des Künstlers Heimath dem Wechsel der Mode getrotzt, denn nach Jahrzehnten verehrten ihm die Kopenhagener Tischler eine goldene Kette mit den Worten: „Wir haben Ihnen damals wenig gezahlt, und doch arbeiten wir noch heute unsere Möbel nach Ihren Zeichnungen und ziehen unseren Nutzen daraus.“

1838 geht H., dem außer Diplom und großer goldener Medaille auch ein Reisestipendium zu theil geworden, über Berlin, München, Venedig nach Athen, wo er am 8. October 1838 eintrifft, von Bruder Christian empfangen, der die dortige Universität zu bauen hatte. Ihm tritt er als Gehülfe zur Seite, bis ihn der erste selbständige Auftrag voll beansprucht. Es ist die Sternwarte in Athen, deren Grundstein 1843 gelegt wurde. Schon hier bethätigt H. seinen ausgesprochenen Farbensinn durch Bemalung des Aeußeren, wobei der gelbe Marmorstuck al fresco mit schwarzem Grund bedeckt wurde, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Unter mehreren Wohnhäusern folgt gleichzeitig das des Antonio Dimitrius, jetzt Hotel Bretagne. 1840–43 bekleidete er auch das Amt eines Zeichenprofessors an der polytechnischen Schule daselbst.

1846 trifft H. in Wien ein, um in das Atelier des Professors Ludwig Förster einzutreten, dessen Tochter Sophie er 1850 heirathete, aber schon nach wenigen Monaten durch den Tod wieder verlor. Gleich im ersten Jahre hatte er an zwölf Bauten (Wohnhäusern) mitzuwirken. Da kam der riesige Auftrag des k. k. Arsenalbaus. H. hatte das Waffenmuseum allein zu bauen, da indessen zwischen ihm und Förster ein völliger Bruch eingetreten war. 1856 wurde der Schlußstein gelegt, die reiche malerische Ausstattung durch seinen Freund Karl Rahl und durch Karl Blaas aber erst 1860 vollendet. H. bediente sich hierbei der byzantinischen Formen, die er in Griechenland studirt und dann in Wien auch bei dem für ihn erfolglosen Wettbewerb für die Altlerchenfelder Kirche (1848), dann an der 1849 erbauten evangelischen Kirche im Bezirk Gumpendorf und am Lemberger k. k. Provinzialinvalidenhause verwendete. Doch hat er sich hier ebensowenig wie bei den späteren „griechischen“ Bauten als strenger Formalist und einseitiger Stilist erwiesen, denn das für Baron Pereira in jener Zeit erbaute Landhaus in Königstetten mischt auch romanische und gothische Einzelheiten dazu und die Villa Pandchoulitseff zu Traunkirchen (1852) erinnert an italienische Renaissance-Landhäuser.

Sein Ruf war inzwischen über die Mauern Wiens hinausgedrungen, namentlich auch durch seine Restaurierungsentwürfe für das choragische Denkmal des Lysikrates (1845) und für das Erechtheion (1851). Vom griechischen Gesandten in Wien, Baron Simon Sina, 1859 beauftragt in Athen die Akademie der Wissenschaften aus dessen Mitteln zu errichten, kehrte er für kurze Zeit nach Griechenland zurück, erneuerte gleichzeitig darauf den Sina-Palast auf dem Hohen Markt in Wien und beaufsichtigte die Vollendung des Sina-Palastes in Venedig. Der infolge der Vertreibung König Otto’s und der politischen und finanziellen Wirren häufig unterbrochene langwierige Bau der Athener Akademie wurde erst 1887 vollendet. Hansen’s bedeutungsvollste Wirksamkeit begann jedoch erst mit der Wiener Stadterweiterung. Hier hatte [764] er inzwischen den Capellenbau auf dem evangelischen Friedhof (1857–58), den Umbau der griechisch-nichtunirten Kapelle und Schule auf dem Fleischmarkt – beide im byzantinischen Stil – und das evangelische Schulhaus mit dreistöckigem glasgedeckten Arkadenhof (1859) durchgeführt und auf der Ringstraße gegenüber der Oper im Heinrichshof, einem im Auftrage Heinrich Drasche’s[WS 1] 1861 begonnenen mächtigen Wohngebäude mit drei Durchhäusern, den Typus des Wiener Zinshauses geschaffen. Zahlreiche Paläste – in Wien Tedesco, Epstein (1870–73), Ephrussi (1872–73), die Villa Kratzer in Oberdöbling, das Wohnhaus Genthon in Vevey, der Umbau der Schlößchen Chrastowitz in Mähren und Montpreis bei Cilli, Wohnhaus Prazak und tschechisches Vereinshaus in Brünn, Wohnhaus Schiller in Troppau, der Umbau des Sina’schen Schlosses Rappoltenkirchen, die Villa Giuglia sammt Mausoleum am Gardasee für den Grafen Blome folgten.

Diese vielseitige Thätigkeit erschöpfte seine Arbeitslust indessen keineswegs. Die großen entscheidenden Thaten standen noch aus. Da kam im Jahre vor dem Krieg (1865) an ihn der ehrenvolle Ruf nebst Schmidt und Ferstel, dem Prager Hellmann, A. Essenwein in Graz und Nikolaus Ybl[WS 2] in Pest an einem Wettbewerb für die damals noch getrennt gedachten Bauten des Abgeordneten- und des Herrenhauses theilzunehmen. Auch hier wie so oft kritisirte er zunächst das ihm fehlerhaft erscheinende Bauprogramm, forderte für das Herrenhaus einen Platz an der Ringstraße und für die Abgeordneten die Stelle, auf der er späterhin (1872) die Akademie der bildenden Künste errichten sollte. Erst 1869 jedoch ward das ganze Programm umgestoßen, die Vereinigung beider Bauten beschlossen, erst 1871 H. mit der Ausführung dieses Parlaments betraut, 1874 der Grundstein gelegt, 1884 der Bau vollendet, mit Ausnahme der von H. hartnäckig verlangten Außenpolychromisirung, die erst nach seinem Tode (1891) zu Stande kam. Der plastische Schmuck war bis zum Sommer 1904 noch nicht abgeschlossen. 1903 gelangte vor der Rampe der riesige Minervabrunnen von Kundmann[WS 3], Haerdtl[WS 4] und Tautenhayn[WS 5], vorher schon eine Reihe sitzender Gestalten griechischer Historiker auf der Rampenmauer zur Aufstellung. Von Haerdtl und Karl Stern wurden die Giebelfiguren für die Parlamentshalle 1904 fertig, desgleichen die 18 Statuen von Staatsmännern, Politikern und Philosophen für die Sitzungssäle und die von Hugo Haerdtl modellierte Bildnißbüste Hansen’s selbst.

Schon ein Jahr nach diesem Auftrage, der ihm zu seinem berühmtesten Werke verhalf, ward er mit Ferstel, Hasenauer und Ministerialrath v. Löhr auch zu einem Wettbewerb für die Hofmuseen aufgefordert, die er sich nicht getrennt, sondern durch einen Verbindungsbau vereinigt dachte. Im Preisgericht ward sein Entwurf jedoch nur von einer Stimme empfohlen und späterhin Semper berufen, um den Plan Hasenauer’s umzuarbeiten. Glücklicher erging es ihm bei dem 1864 ausgeschriebenen Wettbewerb um das Musikvereinsgebäude, das er ausführen und Ende 1869 vollenden durfte. Die Akustik des mächtigen, großen Saales ist berühmt. Der wenige Wochen nach der Fertigstellung in der Garderobe ausgebrochene Brand konnte zum Glücke rasch gelöscht werden.

Noch vor der Beendigung dieses in italienischer Renaissance erbauten Palastes beauftragte ihn der Hoch- und Deutschmeister Erzherzog Wilhelm mit dem Entwurf für seinen Palast an der Ringstraße (1868), dessen Grundriß sich den italienischen Bauten der Hochrenaissance nähert. 1873 folgte dann noch die erst in den achtziger Jahren vollendete protestantische Kirche zu Kesmark in Ungarn, die byzantinische Capelle in Filias bei Krajowa, die Grabcapelle für den Fürsten Stirbey zu Bufta in Rumänien. Gleichzeitig [765] beschäftigten ihn noch zwei monumentale Bauten: die Börse, deren erster Entwurf schon 1868 fertig war, deren Vollendung jedoch erst 1877 erfolgt ist; dann die Akademie der bildenden Künste, deren 1872 entworfener Plan durch die nöthig gewordene Aufsetzung eines dritten Stockwerkes noch während des Baues Veränderungen erfuhr. 1876 entwarf H. eine von ihm verlangte Planskizze für die Basler Rheinbrücke; 1882 nahm er, wenngleich erfolglos, am Wettbewerb des Berliner Reichstagsgebäudes theil, nachdem er das Jahr zuvor auch einen Entwurf für das Victor Emanuel-Denkmal in Rom geliefert hatte. Auf das lebhafteste beschäftigte ihn – „der ich mich einen Schüler Schinkel’s nenne, ohne ihn je gesehen zu haben … da ich nun der einzige jetzt lebende Architekt bin, welcher sich mit diesem Stile befaßt“ – der ebenfalls 1882 ausgeschriebene Wettbewerb für die im griechischen Stil geplante Bebauung der Berliner Museumsinsel.

1883 hatte er die in Oesterreich für die Lehrthätigkeit vorgeschriebene Altersgrenze erreicht, blieb aber zufolge einer Aufforderung des Ministeriums noch ein Jahr in der ihm 1868 an Stelle van der Nüll’s übertragenen Professur an der Akademie der bildenden Künste, von seinen Schülern und Kollegen hoch verehrt. Nach Vollendung des Parlaments wurde er in den Freiherrnstand erhoben und von der Wiener Universität zum Ehrendoctor ernannt. 1884 berief ihn seine Vaterstadt zum Wiederaufbau des abgebrannten Schlosses Christiansburg und zur Planung eines mit dem Schlosse zu vereinigenden Reichstagsgebäudes. 1885 gelangte er endlich dazu, den schon unter König Otto für Athen entworfenen Bibliotheksbau durchzuführen, der als Gegenstück zu seiner Akademie mit ihr und dem Universitätsgebäude seines Bruders Christian die sogenannte Trilogie bildet. 1887 entstehen noch zwei nicht zur Ausführung gelangte Denkmalsentwürfe für Radetzky und Mozart, 1888 der Entwurf für das bisher nicht erbaute Museum in Athen und die Idealentwürfe zu einem hellenischen Schloßbau, einem Rathhaus für Kopenhagen und einer Villa auf der Insel Korfu. Von seiner Schwester Marie, die ihm den Haushalt führte, auf das treueste gepflegt, ist H. am 16. Februar 1891 im 78. Jahre gestorben.

Was H. erstrebt, ist eine hellenische Renaissance, nicht ohne Zugeständnisse selbstverständlich an die Anforderungen einer neuen Zeit. Er ist sich in dieser Hinsicht immer treu geblieben. Die Riesensäulen als Schornsteine am Parlamentsbau seines gereiften Alters haben ihr Vorbild in der Schülerarbeit, mit der er von der Kopenhagener Akademie schied, dem Entwurf zu einer Börse in griechischem Stile, deren Dach von einer mächtigen Säule getragen wird, die dem ganzen Hause zugleich als Rauchfang der Centralheizung dient. Selbst wo er „gothisch“ bauen mußte wie im erzherzoglichen Schloß Hernstein beanspruchte er doch wenigstens für die innere Ausstattung das Griechische und verschmolz beides ungescheut. Merkwürdig frei zeigt sich H., dem Drange einer stärkeren Zeit folgend, in den Inneneinrichtungen seiner Bauten, denen er besonderes Interesse widmet und oft zu großartiger Erscheinung zu verhelfen weiß. Fresken, Marmor und Vergoldung, Holzvertäfelung, Stuckmarmor und Stuccolustro und erlesenes kunstgewerbliches Geräthe sind in tiefen Farbentönen festlich zusammengestimmt. Dergleichen hatte das 19. Jahrhundert vor H. nicht gewagt. Es fehlte ihm freilich nicht an Malern, die auf seine Wünsche eingingen: Rahl, den er am meisten liebte, dessen Schüler Griepenkerl[WS 6], Bitterlich[WS 7] und Eisenmenger[WS 8], dann Hoffmann[WS 9] und schließlich (an dem Akademiebau) noch der zu früh verstorbene Feuerbach. Dem Kunstgewerbe trat er namentlich durch seine Freundschaft mit Ludwig Lobmeyr[WS 10] nahe, für den er nicht bloß Glaswaren sondern auch Bronzen im Renaissancestil und die ganze Wohnungseinrichtung [766] entwarf. Köchert führte von ihm gezeichneten Schmuck aus, Kunstguß und Thonindustrie verdankten ihm vielfache Anregungen. H. galt ja allen Jüngeren, wie Ferstel noch sterbend gestand, „als Vorbild und Lehrer“.

George Niemann und Ferd. v. Feldegg unter Mitwirkung des Hansen-Clubs: Theophilos Hansen und seine Werke. Wien 1893. Daselbst die gesammten Quellen. – Ludwig Hevesi, Oesterr. Kunst im 19. Jahrhundert. Leipzig 1903. – B. Förster, Der Bau der Akademie der Wissenschaften zu Athen. Z. f. bild. Kunst 1880. – C. v. Lützow, Feuerbach’s Deckengemälde für die Aula der Wiener Akademie in der Zeitschr. f. bild. Kunst, Neue Folge, IV. Jahrg. (1893). – C. v. Lützow, Zur Charakteristik Theophil Frhr. v. Hansen’s. Zeitschr. f. bild. Kunst XX. Bd. (1885). – Für die Vollendungsarbeiten insbes. des Parlaments mußten die Nachrichten der Wiener Tagesblätter herangezogen werden.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Heinrich Drasche von Wartinberg, ab 21. März 1870: Heinrich Drasche Ritter von Wartinberg, (1811–1880); österreichischer Großindustrieller und Ziegelfabrikant
  2. Nikolaus Ybl (1814–1891), ein ungarischer Architekt und ein bedeutender Vertreter des europäischen Historismus
  3. Carl Kundmann (1838–1919); österreichischer Bildhauer
  4. Hugo Haerdtl (1846–1918); österreichischer Bildhauer.
  5. Josef Tautenhayn (1837–1911); ein österreichischer Bildhauer und Medailleur
  6. Christian Griepenkerl (1839–1916); deutsch-österreichischer Maler und Professor an der Akademie der bildenden Künste in Wien
  7. Eduard Bitterlich (1833–1872); österreichischer Maler und Bildhauer
  8. August Eisenmenger (1830–1907); österreichischer Historien- und Porträtmaler in der Epoche der Ringstraßen- bzw. Gründerzeit
  9. Josef Hoffmann (1831–1904); österreichischer Maler und Bühnenbildner
  10. Josef Lobmeyr (1829–1917); Glaswarenfabrikant, Glasindustrieller in Wien