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Artikel „Semper, Gottfried“ von Hans Semper in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 706–717, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Semper,_Gottfried&oldid=- (Version vom 14. Oktober 2024, 05:30 Uhr UTC)
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Semper: Gottfried S., Architekt, geboren am 29. November 1803 zu Hamburg als Sohn des in seiner Jugend aus Landeshut in Schlesien nach Hamburg ausgewanderten Fabrikanten Gottfried Emanuel Semper und dessen [707] Gemahlin, Johanna Marie, geb. Paap aus Hamburg. S. wurde in der französisch-reformirten Kirche in Altona getauft und erhielt in letzterer Stadt auch seinen ersten Unterricht. Sodann absolvirte er die Gymnasialstudien am Johanneum zu Hamburg und bezog am 17. October 1823 die Universität Göttingen, wo er zunächst mathematische Studien (unter Gauß und Thibaut) sowie archäologische (unter Otfr. Müller, v. Heeren u. a.) betrieb. Seinen anfänglichen Plan, als Artillerieofficier in die niederländische oder preußische Armee einzutreten, gab er wieder auf und wandte sich seit 1825 in München unter Gärtner dem Studium der Architektur zu, welches er darauf in Paris unter Gau fortsetzte. 1830 trat er eine längere Studienreise nach dem Süden an. Ueber Südfrankreich, dessen römische Bauten ihn mächtig fesselten, begab er sich zunächst nach Genua, dessen prächtige Palastbauten mit ihrer wirkungsvollen Verwerthung des ansteigenden Terrains einen bleibenden Eindruck auf ihn machten, sodann nach Verona, Venedig, Florenz, wo ihn ebenfalls hauptsächlich die monumentalen Palastbauten eines Sammicheli, Sansovino, Brunelleschi u. a. anzogen. Schon jetzt gelangte er zu der Ueberzeugung, die er für sein ganzes Leben beibehielt, daß die antike, speciell die römische Architektur (vermöge ihrer Universalität) zwar die unverrückbare Grundlage alles architektonischen Schaffens im Abendlande sei und bleiben müsse, daß aber zugleich die italienische Renaissance eine zeitgemäße und harmonische Fortentwicklung der antiken Bauprincipien darstelle und daher für uns den nächsten Ausgangspunkt bilde, um, unter gleichzeitiger Berücksichtigung der antiken Vorbilder, den geeignetsten architektonischen Ausdruck für die modernen Bedürfnisse im Civilbau zu finden. Von dieser Grundidee geleitet, vertiefte er sich sodann in Rom, Sicilien, Athen und anderen Stätten alter Kunst mit größter Gründlichkeit und Unbefangenheit in das Studium der antiken Bauwerke und Ruinen und machte hierbei, in Bezug auf die Anlage, Proportions- und Compositionsgesetze, sowie insbesondere die Polychromie der griechischen und römischen Baukunst die wichtigsten Entdeckungen. In Rom ließ er sich z. B. an der Trajanssäule hinaufwinden, um Farbenreste davon abzukratzen, welche er hernach von seinem Bruder Wilhelm chemisch analysiren ließ. (Brief an den Secretär des archäologischen Instituts in Rom, Dr. Kellermann, im Bulletino dell’ istituto di corrispondenza archeologica. 1833, p. 92.) In Athen gab er sich mehrere Monate hindurch den mühe- und gefahrvollsten Ausgrabungen, Vermessungen und Untersuchungen der altgriechischen Baureste, zumal des Theseustempels und des Erechtheion, hin, wobei ihn vielfach sein Freund, der jungverstorbene französische Architekt Goury unterstützte. Daneben vernachlässigte er jedoch keineswegs das emsige Studium der mittelalterlichen Bauwerke und selbst der übrigen Kunstgebiete, im Gefühle des inneren Zusammenhanges aller Künste und zumal der verschiedenen Architekturstile. In einer später zu Dresden gehaltenen Vorlesung äußerte er sich in dieser Beziehung unter anderem wie folgt: „Es scheint, daß das Studium und die Vergleichung der Monumente aller Zeiten dem Architekten nothwendig sei und recht eigentlich zum Wesen seiner Ausbildung gehöre.“

Reichbeladen mit werthvollen Studien und Aufnahmen kehrte S. 1834 nach Deutschland zurück und stattete auf dem Wege zur Heimath Schinkel einen Besuch ab, welcher die Mappen seines jungen Collegen mit großem Interesse durchsah und dessen Ideen über die Polychromie in der Architektur begeisterten Beifall schenkte. S. legte dieselben, nach seiner Vaterstadt zurückgekehrt, zunächst in der geistvollen Broschüre „Bemerkungen über vielfarbige Architektur und Sculptur bei den Alten“ nieder und hoffte dadurch die Kunstwelt für eine große Publication empfänglich zu machen, welche in Farbendrucktafeln polychrome Monumente des Alterthums, Mittelalters sowie der Frührenaissance enthalten sollte. Die heftige Polemik jedoch, welche insbesondere Franz Kugler gegen [708] Semper’s Theorie erhob, (zumal in seiner 1835 erschienenen Schrift: „Ueber die Polychromie der antiken Architektur und Sculptur und ihre Grenzen“) hielt S. leider davon ab, seine angekündigte Publication herauszugeben, wovon er nur einige Exemplare der ersten, schon fertiggestellten Lieferung an Freunde vertheilte.

Gleichzeitig mit seinem litterarischen Hervortreten begann S. auch seine praktische Thätigkeit als Architekt; er baute das durch treffliche Beleuchtungsvorrichtungen ausgezeichnete Donnersche Museum, sowie das Haus seiner Mutter in Altona; doch weitere Aufträge wollten sich vorläufig nicht einstellen.

Da erhielt er, infolge warmer Empfehlung durch den ihm wohlgesinnten Schinkel, einen Ruf als Director der k. Bauakademie in Dresden, an Stelle des verstorbenen Thürmer, nachdem Schinkel dieses ihm zuerst angebotene Lehramt wegen seines vorgerückten Alters nicht angenommen hatte. Hiermit eröffnete sich für S. eine glänzende Laufbahn sowohl als anregender und einflußreicher Lehrer, der im Gegensatz zur schematisch-theoretischen Richtung seiner Zeit eine gründliche praktische Ausbildung seiner Schüler anstrebte und durchführte, wie auch als praktischer Architekt. In letzterer Eigenschaft sprach er sofort in seiner Antrittsvorlesung vom Jahre 1834 als leitendes Grundprincip der Composition „die Weisheit, Richtigkeit, Kraft und Anmuth in der Auffassung der Motive“ aus. Unter Motiven in der Baukunst verstand er „die einfachsten Grundbedingungen der räumlichen Verhältnisse, die zu ordnen und zu gestalten Aufgabe des Architekten ist“, dadurch allein erlange man nicht nur die zweckmäßigste Eintheilung der Gebäude, sondern vermeide auch den Fehler der Charakterlosigkeit, der den meisten modernen Bauten vorgeworfen werden könne. Der erste Bau, den er in Dresden (abgesehen von mehr decorativen Aufgaben) ausführte, war der Antikensaal im japanischen Palais (1835), den er nach den bereits am Donnerschen Museum befolgten Principien mit erhöhten Seitenlichtern versah. Es folgten einige Nutzbauten, wie das 1837–38 ausgeführte Madernihospital für betagte Frauen in Dresden sowie die Infanteriecaserne in Bautzen (1838 bis 1840). Aber gleichzeitig führte er auch Monumentalbauten aus, welche seinen Ruf dauernd begründeten, nämlich die Synagoge, welche er 1840 vollendete und das Dresdener Hoftheater, das um dieselbe Zeit entstand, wofür er den ersten Plan aber schon 1835, in Zusammenhang mit einem umfassenderen Projecte entworfen hatte. Der Synagoge verlieh er, trotz der Einfachheit der Ausführung, welche ihm durch die beschränkten Baumittel geboten war, doch einen hohen Grad von Charakter und Monumentalität; nach außen präsentirt sie sich als centraler Kuppelbau mit Vorhalle und Treppenthurm in ernsten romanischen Formen, während die innere, in Holz mit Farbenschmuck und Vergoldung ausgeführte Construction der Pfeiler, Emporen und der Kuppel in reichen, orientalischen Formen prangt. Auch alle Cultusgeräthschaften sind nach Semper’s Entwürfen in Einklang zum ganzen Bau ausgeführt worden. Im Theaterbau wandte er zum ersten Mal in äußerst zierlicher und geschmackvoller Weise die Formen der italienischen Frührenaissance im Stadium ihrer höchsten Reife (etwa zur Zeit Bramante’s) an und wies sowohl hierdurch, wie durch den charakteristischen Typus, den er diesem Gebäude verlieh, der modernen Architektur überhaupt, wie besonders dem Theaterbau neue Bahnen an. Auch wurde dieser harmonische, zierliche Bau ein Liebling der Fachmänner wie des Publicums wie selten ein Bau zuvor und verbreitete Semper’s Ruf durch ganz Europa. Anfangs hatte S. dieses Gebäude in Verbindung mit einer mächtigen, forumartigen Anlage von Gebäuden gedacht, die jedoch in ihrer Totalität nicht zur Ausführung kam. Näheres über Anlage und Einrichtung dieses am 21. September 1869 abgebrannten Theaters, sowie über jene ursprüngliche Idee einer Forumanlage [709] findet sich in dem 1849 von S. bei Vieweg und Sohn publicirten Werke über das Theater.

Auch die im echten toscanischen Villenstil behandelte anmuthige Villa Rosa an der Elbe entstand gleichzeitig mit diesen Bauten (1839). Hierauf folgten im J. 1840 der Elimeyer’sche Ladenvorbau am Neumarkt, 1841 das Haugk’sche Haus, Marienstraße 24, 1843 bis 1846 des Privathaus seines Bruders Wilhelm in der großen Bäckerstraße Nr. 22 zu Hamburg, das mit reizvollen Sgrafittos verziert ist, die Projecte für den Dresdener Bahnhof in Leipzig, für eine Schule in Blasewitz, für eine Erweiterung des Schlosses von Schwerin, für ein Schloß des Herzogs von Sachsen-Coburg-Gotha, für ein Hospital des Fürsten Ghika, sowie für die neue Nicolaikirche in Hamburg. Seinem Plane für letztere wurde ursprünglich von einer Commission Sachverständiger der Preis zuerkannt, ein Urtheil, das jedoch von der Kirchencommission nicht bestätigt wurde, welche der, leider noch heute in kirchlichen Kreisen beider Confessionen vielfach herrschenden, unhistorischen Anschauung huldigte, daß der gothische der eigentliche christliche oder kirchliche Stil sei, und demzufolge das in diesem Stil entworfene Project des Engländers Scott zur Ausführung bestimmte. S. vertheidigte seinen Standpunkt in der geistvollen und kenntnißreich geschriebenen Broschüre: „Ueber den Bau evangelischer Kirchen“, worin er nachwies, daß die altchristlichen und romanischen Motive, an welche er in der Anlage und Formenbildung seines Entwurfes angeknüpft hatte, viel geeigneter für den Ausdruck einer protestantischen Kirche und ihrer Culturbedürfnisse seien als der gothische Stil, welcher einer ganz bestimmten Phase des Katholicismus entsprungen sei und auch mit Unrecht als der specifisch germanische Stil betrachtet werde, da er vielmehr französischen Ursprungs sei.

Daß S. trotz einer gewissen Abneigung gegen den damals von den Romantikern ebenso bevorzugten wie in roh schematischer Weise gehandhabten gothischen Stil, dessen Formen gleichwohl vollkommen beherrschte und mit künstlerischer Feinheit anzuwenden wußte, bewies er in seinem zierlichen Cholerabrunnen zu Dresden, welchen er im Auftrage des Freiherrn v. Gutschmied im J. 1843 ausführte.

Den glänzenden Abschluß von Semper’s Bauthätigkeit in Dresden bilden das in den Jahren 1845 bis 1848 erbaute Oppenheim’sche Palais an der Bürgerwiese in Dresden, das ein Muster edler Stilbehandlung im Geiste der besten Hochrenaissance ist, sowie das Dresdener Museum, an welchem er von 1847 bis zur Zeit seiner Entfernung von Dresden im J. 1849 baute, ohne es ganz vollenden zu können. Dieses Museum nimmt die Nordseite des Zwingers ein und schließt sich durch seine Gliederung zwanglos und harmonisch den Arkaden desselben an, obschon in seinem Stile der edelsten Hochrenaissance durchaus davon verschieden. Es bildet ein langgestrecktes Viereck mit leise vorspringenden Eck- und Mittelrisaliten. Der Mittelbau, unter welchem ein durch eine achteckige Kuppel überwölbter Durchgang geht, ist an seiner Nord- und Ostseite durch eine prächtige, triumphbogenartige Architektur sowie durch einen erhöhten, durch eine Kuppel bekrönten Saalbau besonders betont und hervorgehoben, während die Flügel mit ihren kräftigen Pfeilerarkaden auf Rusticaunterbau und den majestätisch gegliederten Fenstern des Obergeschosses sich würdig anschließen. Leider wurde die Kuppel nach Semper’s Abgange von den Baumeistern Hänel und Krüger schwerer und niedriger ausgeführt, als S. sie geplant hatte. Dieser Bau bildet mit dem Hoftheater und dem Oppenheim’schen Palais eine Trias von classischen Schöpfungen, welche in Deutschland geradezu Epoche machten und nicht nur den italienischen Renaissancestil wieder zu neuem selbständigen Leben erweckten, sondern auch als Muster für ähnliche Anlagen dauernde Geltung erlangten.

[710] Semper’s Betheiligung am Dresdener Aufstande im J. 1849 bereitete seiner glänzenden Thätigkeit in Dresden ein jähes Ende und es gehörte die ganze Elasticität und Energie seines Wesens dazu, um ungebrochenen Muthes ein neues Leben zu beginnen und für sich und seine zahlreiche Familie wieder eine Existenz zu gründen. Auch wurde ihm dies anfangs keineswegs so leicht, wenn er auch zunächst in Paris an den Malern Séchan, Dietterle und Dépléchin, die an der Decorirung des Dresdener Theaters mitgewirkt hatten, treue Freunde fand, die ihn mit Rath und That unterstützten. Für Dietterle, welcher Director der Porzellanmanufactur zu Sévres war, entwarf er mehrere Zeichnungen für Prachtvasen. Da ihm Bauaufträge zunächst keine zugingen und für solche wenigstens in Deutschland auch noch für lange Zeit keine Aussicht war, wendete er sich litterarischen Arbeiten über sein Fach zu. Er entwarf den Plan, seine Dresdener Vorträge zu einem Buche auszuarbeiten, welches den Titel: „Vergleichende Baulehre“ tragen sollte. Außerdem nahm er die Polemik über Polychromie mit Kugler wieder auf, dessen oben erwähnte Schrift er in der Broschüre: „Die vier Elemente der Baukunst“ beantwortete. In dieser Schrift gab er zugleich die allgemeinen Grundideen an, welche ihn in seinem vorerwähnten größeren Werke, das er zu schreiben begonnen hatte, leiten sollten. Gleichzeitig knüpfte S. auch Beziehungen mit englischen Architekten und Kunstförderern an, wie Falkener, Henry Cole, Donaldson, welch Letzterer gleichfalls ein eifriger Verfechter der Polychromie bei den Alten war. Auch ließ S. Abschnitte seiner Schriften über Polychromie in englischer Sprache erscheinen. Diese Beziehungen in England waren es auch, welche S. im letzten Momente von einer Auswanderung nach Amerika abhielten, zu welcher er sich in seiner schwierigen Lage bereits entschlossen hatte. Er erhielt im J. 1851, bei Gelegenheit der großen Ausstellung in London, den Auftrag, die Abtheilungen von Canada, Aegypten, Schweden und Dänemark zu arrangiren, was ihn veranlaßte, mit seiner Familie nach London überzusiedeln. Diese Ausstellung regte ihn zu der bahnbrechenden Schrift: „Wissenschaft, Industrie und Kunst“ an, in welcher er die Geschmacksverwilderung der damaligen Industrie grell beleuchtete und an den Werken der Vergangenheit sowie der orientalischen und der Naturvölker die Grundsätze stilgerechten Schaffens erläuterte. Die Schrift erregte allgemeines Aufsehen und zog ihm die Aufmerksamkeit des edlen, kunstliebenden Prinzen Albert sowie der englischen Fachleute zu. Er erhielt infolgedessen die Professur für Architektur, plastische Decoration und Metalltechnik an der neugegründeten und wesentlich nach seinen Vorschlägen eingerichteten Zeichen- und Architekturschule in Marlboroughhouse zu London. Ebenso wurde das mit genannter Schule in Verbindung gesetzte neugegründete kunstgewerbliche Museum, aus welchem sich das jetzt weltberühmte South-Kensington-Museum entwickelte, wesentlich nach seinen Rathschlägen angelegt. Zahlreiche Ankäufe für jenes Museum wurden auf seine Vorschläge hin ausgeführt. Neben der praktischen Anleitung der Schüler im Marlboroughhouse hatte er auch Vorträge abzuhalten, welche besonders kunstgewerbliche Fragen im Zusammenhange mit der Architektur betrafen. So wandte sich seine Thätigkeit mehr und mehr den Kleinkünsten zu, auf welche sich auch die Mehrzahl der Entwürfe bezog, die er in Auftrag erhielt, so vor allem der prachtvolle Entwurf zum Leichenwagen des Herzogs von Wellington. Architektonische Aufträge wurden ihm nur wenige zu theil und diese nicht ausgeführt. Eine um so regere litterarische Thätigkeit entfaltete S. in London, in welcher er jetzt besonders dem Zusammenhange der Kleinkünste mit der Architektur sein Augenmerk zuwandte und außerdem verschiedene Fragen der Archäologie der Baukunst erörterte, wobei ihm seine gründliche philologische Vorbildung trefflich zu statten kam. Diese Aufsätze erschienen theils in englischen Zeitschriften, theils im „Deutschen Kunstblatt“ von Eggers und wurden sammt zahlreichen bis dahin [711] ungedruckten Abhandlungen und Vorträgen Semper’s aus dieser Zeit in die von seinen Söhnen herausgegebenen „Kleinen Schriften“ desselben aufgenommen.

Im Jahre 1855 erhielt S. einen Ruf als Professor der Baukunst an das neugegründete eidgenössische Polytechnikum zu Zürich, welchen er nach einigem Schwanken, namentlich mit Rücksicht auf die schwache Gesundheit seiner Frau, sowie die Erziehung seiner Kinder, annahm. Leider sollte er doch bald darauf, am 13. Februar 1859, seine Frau in Zürich verlieren. Am 1. Mai 1855 begann er seine Vorlesungen in Zürich, zunächst am Vorcurs des Polytechnikums: bei der eigentlichen Eröffnung desselben im October desselben Jahres wurde er zum Vorstand der Bauschule ernannt. Auch in Zürich beschränkte sich Semper’s Thätigkeit anfangs auf sein Lehramt und auf litterarische Arbeiten. Er gewann bald einen großen Anhang begeisterter Schüler, die seine Lehren und Anregungen nach allen Theilen Europas trugen und besonders auch in der Schweiz selbst in der Folgezeit einen neuen Aufschwung der Monumentalarchitektur sowie des Kunstgewerbes herbeiführten. Von wissenschaftlichen litterarischen Arbeiten Semper’s erschien in Zürich zunächst der geistvolle und elegant stilisirte Vortrag, den er im Rathhaus von Zürich im Jahre 1856 gehalten hatte: „Ueber die formelle Gesetzmäßigkeit des Schmuckes und dessen Bedeutung als Kunstsymbol“; ihm folgte 1859 die Abhandlung: „Ueber die bleiernen Schleudergeschosse der Alten und über zweckmäßige Gestaltung der Wurfkörper im Allgemeinen“, eine Schrift, in der S. seine ästhetischen mit mathematischen Speculationen verband. Diese Schriften sowohl, wie die in England erschienenen waren jedoch gewissermaßen nur plänkelnde Vorstöße, welche seine bald darauf (1861–63) erscheinende Hauptarbeit: „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, oder praktische Aesthetik“ einleiteten und vorbereiteten. Dieses in zwei Bänden erschienene Werk sollte in einem dritten Bande: „Vergleichende Baulehre“ seinen Abschluß finden, der jedoch leider als handschriftliches Fragment zurückblieb, obwohl dieser Band gerade den Ausgangspunkt des ganzen Werkes gebildet hatte, an welches sich erst später, in Folge der eingehenden Beschäftigung Semper’s mit dem Kunstgewerbe in London, die Conception zu den zwei ersten Bänden angeschlossen hatte. Gleichwohl aber bilden diese schon für sich ein abgeschlossenes Ganze, welches eine solche Fülle von damals ebenso neuen, wie überzeugenden und mit erstaunlichem Wissen durchgeführten Anschauungen über das Wesen des Stiles und über den Zusammenhang des Kunstgewerbes mit den höheren Künsten enthält, daß seit diesem Werk eine völlig neue Epoche in der Entwicklung des Kunstgewerbes und in der ästhetischen und archäologischen Forschung angebrochen ist. Seine letzte Schrift war der ideenreiche Rathhausvortrag vom Jahre 1869: „Ueber Baustile“, in welchem er in großen Zügen den Gedankengang des dritten Bandes seines Stils andeutete, welcher, wie gesagt, leider ein Fragment blieb.

Nach zwölfjähriger Pause, die jedoch, wie aus dem Vorstehenden erhellt, keineswegs unfruchtbar blieb, trat endlich wieder eine regere Bauthätigkeit an S. heran, dessen productive Künstlernatur doch allein in dieser ihr volles Genüge finden konnte.

Als sich in dem materiell wie geistig mächtig aufblühenden Zürich allmählich das Bedürfniß nach neuen, öffentlichen Bauten geltend machte, wandte sich das Vertrauen der Behörden zunächst dem inzwischen in der Schweiz völlig heimisch gewordenen S. zu. Im August 1858 erhielt er, gemeinsam mit dem Staatsbauinspector Wolff, welchem die Administration zufiel, den Auftrag, das Schulgebäude des Eidgenössischen Polytechnikums auszuführen, welches er, allerdings unter mancherlei Einschränkungen von Seiten der damals noch von einem Geiste nüchterner Sparsamkeit geleiteten Schweizer Behörden, doch in echt monumentaler Weise bis 1863 ausführte. Das architektonische Schwergewicht verlegte er auf das herrliche Mittelrisalit der die Stadt beherrschenden Westfront, auf das [712] Treppenhaus, Vestibul der Aula und die Gypssäle im Parterregeschoß, wogegen die Seitenflügel und Rückgebäude einfach, aber doch edel gehalten wurden. Ein Jahr später stellte er die, bei aller Einfachheit durch zweckmäßige und charakteristische Anlage, edle Gliederung und malerische Massenvertheilung ausgezeichnete Sternwarte auf dem Zürichberg fertig. Ein vom edelsten Geiste classischen Griechenthums und geläutertster Renaissance erfüllter Bau ist sodann das in den Jahren 1866–69 ausgeführte Rathhaus von Winterthur mit seinem herrlichen, durch Freitreppe, korinthische Vorhalle und Giebeldach ausgezeichneten Mittelbau, an welchen sich harmonisch die niedrigeren Seitenflügel anlegen.

Andere Bauten, die er um diese Zeit ausführte, sind der geschmackvolle Glockenthurm zu Affoltern bei Zürich, der ihm das Ehrenbürgerrecht dieser Gemeinde eintrug, ferner das in edlem Renaissancestil gehaltene Geschäftsgebäude des Nationalrathes Frey in Zürich, sowie eine Villa in Castasegna. Außerdem führte er noch eine Reihe, zum Theil großartiger Entwürfe aus, die nur theilweise zur Ausführung gelangten. Er entwarf einen Bebauungsplan für das Kratzviertel in Zürich, einschließlich eines neuen Rathhauses; einen neuen Bahnhof für Zürich, der mit Beibehaltung der wesentlichsten, an römische Thermenanlagen erinnernden Schönheiten, vom Architekten Wanner ausgeführt wurde; ein Rathhaus für Glarus, die Kuranstalten von Ragatz und Baden in der Schweiz, eine katholische Kirche für Winterthur und eine Villa für den Obersten Rothpletz daselbst; ein Project für den Umbau des Hotels Schwyzerhof sowie ein Palais für Oberst Segesser in Luzern; ein Denkmal für Bundesrath Furrer. Seine großartigsten, leider unausgeführten Entwürfe waren aber diejenigen für ein Theater in Rio de Janeiro, sowie für das Münchener Festtheater, welche um die Mitte der sechziger Jahre entstanden. Beide Theaterentwürfe zeigen eine logische Fortbildung und Ausreifung des Typus, den er im Dresdner Theater geschaffen, mit jeweiliger Berücksichtigung der besonderen Bedingungen. Das Halbrund des Zuschauerraumes löst sich in diesen Projecten auch in seinem äußeren, oberen Abschluß von dem dominirenden Bühnenraum ab, während die für Festsäle bestimmten Flügel des Münchener Festbaues zu beiden Seiten weiter ausladen, als an Semper’s früheren Theaterprojecten. Herrliche atticabekrönte Vorlagen mit Exedren schmücken auf beiden Projecten die halbrunde Front. In demselben Geiste schuf, am Ende seines Züricher Aufenthaltes (1870), S. auch den Plan für das neue Hoftheater in Dresden, welches nach dem Brande des alten (21. September 1869) ihm wieder in Auftrag gegeben worden war. Semper’s Sohn Manfred führte den Bau bis 1878 aus.

Semper’s europäischer Ruhm hatte Ende der sechziger Jahre seinen Höhepunkt erreicht, den er fortan für alle Zeiten behaupten wird. Nach fast allen Ländern Europas wurde er als Schiedsrichter bei Concurrenzen berufen. Anfang 1869 wurden ihm auch die Concurrenzprojecte der Architekten Löhr und v. Hasenauer für die neuen Hofmuseen in Wien nach Zürich zur Begutachtung geschickt; keines derselben aber konnte er zur Ausführung empfehlen und arbeitete deßhalb ein motivirtes Gutachten aus, worin er vor allem die der Aufgabe entsprechenden Forderungen einer zweckmäßigen und zugleich großartigen Monumentalarchitektur formulirte, die er in den Projecten beider Concurrenten nicht erfüllt fand. Das Oberhofmeisteramt in Wien lud ihn deßhalb, auf Wunsch S. M. des Kaisers, ein, selbst ein Project für die Ausführung auszuarbeiten, unter Zuziehung eines der beiden Concurrenten, welcher ihm als Beihelfer untergeordnet werden sollte. Semper’s Wahl fiel auf v. Hasenauer, mit Rücksicht auf dessen decorative Begabung und seine praktischen Localkenntnisse. Seiner generösen Natur widerstrebte es jedoch, seinen Arbeitsgenossen sich untergeordnet zu sehen, weßhalb er ihn sich vielmehr als gleichgestellten Collegen beiordnen ließ. Hierdurch wurde der Keim zu einer Menge von Competenzstreitigkeiten und zum völligen Zerwürfniß zwischen beiden Architekten [713] gelegt. Zum Theil noch in Zürich entwarf nun S. (1869 und 1870), entsprechend den Ideen, die er in seinem Gutachten über die früheren Concurrenzprojecte ausgesprochen hatte, insbesondere auch unter gleichzeitiger Berücksichtigung eines künftigen Umbaus der Hofburg, welche er als Mittelpunkt der ganzen Gebäudegruppe angesehen wissen wollte, einen Enblocplan, nebst perspectivischen Ansichten des Ganzen, unter Mithülfe seiner Schweizer Schüler, Koch und Reverdon. Außerdem entwarf S. noch in Zürich zwei Blätter mit dem Aufriß des Mittelbaues und der Kuppel des Museums, sowie eines Seitenrisalits. In diesen Blättern war die Physiognomie des Außenbaues der Museen in ihren Hauptzügen bereits festgestellt. In der Längen- und Breitenausdehnung stimmten diese Entwürfe (im Anschluß an das vorgeschriebene Bauprogramm) so ziemlich mit v. Hasenauer’s Plänen überein; ebenso hatte S. von Hasenauer’s Projecten die Kuppeln übernommen, in die er jedoch nicht, wie Hasenauer, die Treppen verlegte, sondern die er, aus perspectivischen Rücksichten, weiter vorrückte. – Auch die Proportionen der Oberlichtsäle wurden durch Hasenauer bestimmt, welcher zu diesem Zwecke die größeren Museen des Continentes besichtigt und seine so gesammelten Erfahrungen durch Beleuchtungsversuche einer Probehütte zu Wien controlirt hatte. Dagegen war die architektonische Durchbildung der Façaden, mit ihren großartigen Arkaden und römischen Säulenmotiven, mit ihren markigen Gliederungen und den das Glasdach verhüllenden Ballustraden ausschließlich Semper’s Werk. Nach seiner Berufung durch den Kaiser nach Wien im October 1871 hat S. sodann mit Hülfe seiner Schweizer Schüler Cattani, Pestalozzi und A. Müller, die Detailpläne sämmtlicher Façaden, die architektonische Ausstattung des Vestibule und des Treppenhauses im naturhistorischen Museum, sowie die Innendecoration der Hochparterresäle im kunsthistorischen Museum entworfen, während v. Hasenauer gleichzeitig durch seine Arbeiten für die Weltausstellung ganz in Anspruch genommen war. Dagegen hatte Baron v. Hasenauer an der decorativen Detailausstattung der Innenräume großen Antheil, nachdem S., „seiner baulichen Praxis gemäß, behufs besserer Beurtheilung der Verhältnisse der anzubringenden decorativen Details, vorerst bis zur Vollendung des Baues im Rohen, nur die Hauptformen und wesentlichsten Gliederungen der Räume festgestellt hatte.“ (Semper’s eigene Worte.) Urkundliche Belege für Semper’s hervorragenden Antheil an den Museumsbauten, bestehend in Zeichnungen und Schriften, befinden sich noch im Besitz der Familie.

Die Gebäude, wie sie nun dastehen, gehören zu den schönsten und großartigsten Monumentalbauten unserer Zeit und bilden eine glänzende Verwirklichung von Semper’s Bauideal, das er sich aus Roms und Italiens vollendetsten Bauschöpfungen selbständig herausgestaltet hatte. Seiner Idee gemäß, die er bereits im Enblocplan niederlegte, werden die Museen dereinst, in Verbindung mit dem Burgbau, einen ungeheuren, forumartigen Platz umschließen, der in seiner Mitte durch die Ringstraße durchschnitten, jedoch vermittels Triumphbögen an deren Durchschneidungsenden wieder zusammengefaßt wird. Auch für den Umbau der kaiserl. Hofburg hatte S. schon 1869 in Zürich eine perspectivische Skizze in rothen Umrißlinien, sowie den Gesammtgrundriß entworfen, welchen er in den Enblocplan aufnahm. In Gemeinschaft mit v. Hasenauer arbeitete er dann in Wien nach diesen Grundzügen das Project weiter aus, wie es jetzt im wesentlichen zur Ausführung gelangt. Dieser Bau wird aus drei mächtigen Baukörpern bestehen, welche hufeisenförmig den Burgplatz umfassen und deren Mittelbau die alte Burg maskirt. Die Mitte des Centralbaues wird ein achtseitiger Kuppelsaal einnehmen, der zu einem, innen von Colonnaden umgebenen Thronsaal führt. Den rechten Flügel des Mittelbaues wird ein riesiger, ebenfalls von Colonnaden umgebener Festsaal einnehmen, im linken Flügel werden die Galatreppen und Vorsäle Platz finden. Die beiden Gebäudetracte, welche den Platz [714] seitlich einfassen, werden symmetrisch gebildet sich in zwei ungeheuren concaven Kreissegmenten mit Portiken gegen den Platz öffnen und in der Mitte von einem rechtwinkligen Vorbau durchbrochen, der sich wieder in einer halbrunden Exedra öffnet. Hinter den segmentförmigen Bautheilen wird noch eine nach rückwärts geradlinig abgeschlossene Flucht von Räumen liegen, ebenso werden am Ende der Segmente, gegen die Ringstraße hin, quadratische Anbauten isolirte Paläste bilden, welche mit den gegenüber liegenden Seitenfaçaden der Museen correspondiren. Wir finden in dieser Wiederholung und Abwechslung die schönsten Architekturmotive, welche im Verhältniß zu der Wichtigkeit der einzelnen Theile welche sie schmücken, stärker oder schwächer betont sind, eine ebenso großartige wie harmonische Verwirklichung jener Prinzipien der rhythmischen Subordination und der Raumpoesie, welche S. so oft in seinen Schriften erläutert und in seinen Bauten durchgeführt hat.

Um dieselbe Zeit, da S. an diesen Bauten in Wien beschäftigt war, erhielten er und v. Hasenauer vom Kaiser den Auftrag, jeder für sich einen Plan für das neue Hofburgtheater zu entwerfen, welches nicht, wie anfänglich geplant war, an die Rückseite des einen Burgflügels, sondern selbstständig, dem Rathhaus gegenüber, an der Ringstraße erbaut werden sollte. Semper’s Project erhielt den Vorzug und wurde auch ohne wesentliche Aenderungen ausgeführt. Bloß der viereckige Ansatz mit den flachen Loggien an der Front des Theaters ist ein Motiv, welches S. auf des Kaisers Wunsch aus v. Hasenauer’s Projekt aufnahm. Dagegen hat er an der Façade eine durchgehende Colossalarchitektur als neues höchst wirksames Motiv eingeführt. Bis zum Hauptgesims ist die Façade des Theaters ganz nach Semper’s Plänen ausgeführt, dagegen hat v. Hasenauer an der Bedachung des Zuschauerraumes Veränderungen nach dem Vorbild der großen Oper in Paris vorgenommen, die nicht zum Vortheil ausgefallen sind und das dominirende Emporragen des Bühnenhauses abschwächen. Im übrigen sind die Treppenhäuser, das Vestibul, die Loggien, das Proscenium, der Plafond ganz nach Semper’s Entwürfen ausgeführt worden.

Nur in der Eintheilung des Zuschauerraumes, der auf das Drängen der Schauspieler nachmals verkleinert und in welchem, infolge der Ringtheaterkatastrophe für zahlreichere Ausgänge und Verbindungen gesorgt werden mußte, sind Veränderungen eingetreten, an denen S. nicht mehr Theil hatte. Ebenso hat v. Hasenauer innerhalb der von S. angegebenen Eintheilungen und Gliederungen im Foyer und anderwärts eine Fülle von glänzender Decoration eingeführt, welche S. jedenfalls mit mehr Maß angewendet hätte.

In seiner Gesammterscheinung und Anlage ist übrigens das Hofburgtheater den übrigen Theaterschöpfungen Semper’s, insbesondere dem Münchener Festbau, dessen Modell jetzt im Nationalmuseum zu München ausgestellt ist, so durchaus verwandt, daß an dessen geistiger Urheberschaft ein Unbefangener wohl kaum zweifeln kann. Auch hierfür finden sich noch urkundliche Belege im Familienbesitz.

Die überanstrengende Thätigkeit Semper’s in seinem Greisenalter – er arbeitete oft an Sommertagen von Morgens zehn Uhr bis zum Einbrechen der Dunkelheit ununterbrochen in seinem Bureau im Ballhaus – sowie die zunehmenden Conflicte mit seinem Collegen v. Hasenauer und Kränkungen aller Art durch eine schlecht informirte oder verlogene Presse, die, sei es aus krähwinklerischem Localpatriotismus, sei es aus was immer für Gründen, das Verdienst Semper’s an den Wiener Bauten zu schmälern und zu verdunkeln trachtete, rieben endlich seine stählerne Natur auf, so daß er sich von seiner Bauthätigkeit zurückzog und der Pflege seiner wankenden Gesundheit oblag, ohne doch weiteren Kränkungen ganz ausweichen zu können. Nach einem schweren asthmatischen Anfall im Frühjahr 1877 verbrachte er zur Erholung den Sommer in Reichenhall, wo er sich mit Gregorovius befreundete; den Winter [715] darauf in Venedig, wo er mit seinem alten Freund, dem Maler Nerly zusammentraf und im Umgange mit jüngeren Künstlern noch immer seine Geistesfrische bewies. Den Frühling 1878 verlebte er in glücklichen Erinnerungen am herrlichen Comersee, den Sommer in Brunecken und Bozen, wo ihn mehrmals der Maler Lenbach besuchte, auf dessen Rath er den Winter auf 1879 in Rom verbrachte. Hier starb er nach mehreren Monaten relativen Wohlbefindens, am 15. Mai 1879 an allgemeiner Entkräftung. Er wurde in dem protestantischen Friedhof bei der Cestiuspyramide bestattet, wo ihm die Familie ein Grabmonument errichtete. Mit ihm verschied einer der genialsten Architekten Deutschlands, dessen umwälzender Einfluß sich auf alle Gebiete künstlerischen Schaffens und Forschens erstreckte.

Semper’s Büste wurde im Jahre 1887 im Treppenhaus des Eidgenössischen Polytechnikums zu Zürich in Architekturumrahmung aufgestellt. Die Enthüllungsfeier ist in der „Schweizerischen Bauzeitung“ desselben Jahres näher beschrieben.

In Wien stellte im Jahre 1885 der Gemeinderath Ritter v. Goldschmied den Antrag, eine der Straßen nächst dem neuen Hofburgtheater Sempergasse zu taufen und Semper’s ehemaliger College Baron v. Hasenauer scheute sich nicht, Einspruch dagegen zu erheben und sich als alleinigen Urheber der Entwürfe zu den Museen, dem Hofburgtheater und der Hofburg zu bezeichnen, im Widerspruch mit allen, durch zahlreiche Zeugen und Urkunden beglaubigten Thatsachen!

Auch in Dresden hat sich ein Comité zur Errichtung eines Semper-Denkmals gebildet, für welches Prof. Joh. Schilling im Frühjahr 1891 das Modell für den Guß vollendete. In Anwesenheit der Wanderversammlung der deutschen Architekten- und Ingenieurvereine, welche im Sommer 1892 zur Erinnerung an den ersten Architektentag 1842 in Leipzig zusammentritt, soll das Denkmal enthüllt werden. Als Standort wurde demselben von Sr. Maj. dem König von Sachsen der Platz vor dem neuen Ausstellungsgebäude auf der Brühl’schen Terrasse angewiesen.

Bezüglich der Grundideen, welche Semper’s Schaffen beseelten, sei nur soviel noch bemerkt, daß das Princip, welches ihn im Leben leitete, auch seinem Schaffen zu Grunde lag, nämlich: „Wahrheit“. Ihm war infolge dessen jede absichtliche oder unwissentliche Scheinarchitektur verhaßt, das Gebäude sollte innen und außen seine Bestimmung kundgeben und den Ausdruck dafür fand er am sichersten im Streben nach absoluter Zweckmäßigkeit der Anlage und der Gruppirung der Räume und einzelnen Bautheile, sowie in einer, der praktischen und geistigen Bestimmung entsprechenden, sichtbaren Betonung der Haupträume und Theile, welchen sich die Nebenräume sowohl in der äußeren Silhouette wie in ihrem Schmuck unterordnen mußten. In den architektonischen Ordnungen, Profilen, Ziergliedern und Ornamenten sah er keinen äußerlichen Prunk, welcher dem constructiven Kern beliebig angeklebt werden könne, sondern er faßte sie als bedeutungsvolle Symbole auf, welche theils die dynamischen Functionen des Tragens, Verbindens, Getragenwerdens, theils (auf den neutralen Flächen, von Füllungen, Frießen, Giebelfenstern) die Bestimmung des Gebäudes in idealer Weise aussprechen sollten. Zu letzterer Art von symbolischem Schmuck zählte er also, neben der reinen Ornamentik, die vielfach auch zugleich dynamisch-symbolisch wirkt, vor allem die figurale Plastik und Malerei, welche zum Schmucke der Architektur beiträgt. Im Besitz der Familie sind noch mehrere Programme für die plastische und malerische Ausschmückung von Monumentalbauten Semper’s (so der Wiener Hofmuseen, des Dresdener Theaters etc.), aus denen hervorgeht, welch umfassendes, humanistisches Wissen, sowie welche Sorgfalt und Gedankentiefe er auf die Ausarbeitung dieses Theiles eines Monumentalprojectes verwendete. Die Bedeutung der dynamischen Symbole hatte sich nach ihm im Laufe der menschlichen Entwicklung schon lange bevor eine Monumentalarchitektur [716] existirte, in den technischen Gewerben allmählich ausgebildet und wurde von diesen erst in die Architektur aufgenommen und verwerthet. Organisch im Laufe der Jahrtausende allmählich entstanden, müssen sie ihrem ursprünglichen Sinne gemäß verwendet und weiter ausgebildet werden.

Infolge dieser streng logischen, zugleich von einem großartigen Sinne und feinem Schönheitsgefühl getragenen Grundsätze seines Schaffens, hat Semper in der That für die verschiedensten Gebäudegattungen Typen ins Leben gerufen, welche dauernde Giltigkeit besitzen.

Zum Schluß möge hier noch ein genaues Verzeichniß seiner wichtigsten Schriften in chronologischer Reihe folgen: „Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten“. Altona 1834, Hammerich, gr. 8°. – „Ueber den Bau evangelischer Kirchen. Mit besonderer Beziehung auf die gegenwärtige Frage über die Art des Neubaues der Nicolaikirche in Hamburg und auf ein dafür entworfenes Projekt“. Leipzig 1845, Teubner, gr. 8°. – „Das königliche Hoftheater zu Dresden“. Mit zwölf Kupfertafeln. Dresden 1849. Imp. Fol. – „Die vier Elemente der Baukunst. Ein Beitrag zur vergleichenden Baukunde“. Braunschweig 1851, Vieweg & Sohn. gr. 8°. – „Wissenschaft, Industrie und Kunst. Vorschläge zur Anregung nationalen Kunstgefühls. Bei dem Schlusse der Londoner Industrie-Ausstellung“. Braunschweig, Vieweg & Sohn, 1852. gr. 8°. – „Ueber die formelle Gesetzmäßigkeit des Schmuckes und dessen Bedeutung als Kunstsymbol“. Zürich 1856, Meyer u. Zeller. gr. 8°. – „Ueber die bleiernen Schleudergeschosse der Alten und zweckmäßige Gestaltung der Wurfkörper im Allgemeinen“. Zürich 1859. gr. 8°. – „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Aesthetik“. 2 Bände. Braunschweig, Vieweg 1861 (Band I), München, Bruckmann 1863 (Band II). 2. Aufl., München, Bruckmann 1879. gr. 8°. – „Ueber Baustile. Ein Vortrag, gehalten auf dem Rathhaus in Zürich am 4. März 1869“. Zürich, Fr. Schultheß 1869. Gr. 8°. – Nach seinem Tode erschienen, von dessen Söhnen M. und H. S. zusammengestellt, die in deutschen Zeitschriften publicirten Aufsätze und unedirten Abhandlungen G. Semper’s unter dem Titel: „Kleine Schriften“. Stuttgart 1884. 8°.

Besprechungen von Semper’s Werken und Biographien desselben sind in zahlreichen Zeitschriften und Tagesblättern, sowie auch selbstständig erschienen. Wir citiren hiervon, ohne auf Vollständigkeit Anspruch machen zu können, eine Anzahl derjenigen, welche in der Absicht geschrieben wurden, Semper’s Verdiensten und der Wahrheit gerecht zu werden, wogegen wir die zahlreichen falschen Berichte und Angaben, welche in Wiener Tages- und Winkelblättern und zum Theil leider auch in Kunstzeitschriften und in den Publicationen der Wiener Monumentalbauten zur Verkleinerung Semper’s und Vergrößerung seines Wiener Collegen veröffentlicht wurden, sogar im eignen Interesse ihrer Veranlasser und Autoren füglich mit Stillschweigen übergehen können.
I. Artikel in Zeitschriften u. Zeitungen. Deutsche Kunstzeitung von Eggers; Jahrg. 1855, S. 29, 41 (Das neue Museum zu Dresden). – Ueber Land und Meer. Allg. illustr. Zeitung. Stuttg. Hallberger 1867. Nr. 15. – Neues Wiener Tagblatt. 1868. Nr. 109 (Feuilleton von Carl Hoffmann). – Leipziger Illustrirte Zeitung. Nr. 1144. 3. Juni 1865. (Das projektirte Rathhaus in Winterthur); dto. Nr. 1558. 10. Mai 1873. (Das neue Hoftheater in Dresden); dto. Nr. 1594. 17. Januar 1874. (Biogr. Skizze bei Gelegenheit des 70jährigen Geburtstages von G. S. Mit Porträt.) – Neue illustrirte Zeitung. Wien 1873. Nr. 51. „Gottfried Semper“ von E. R. – Presse, 1873. Nr. 327 (Feuilleton: Zu Semper’s Geburtstag). – Neue freie Presse. 1873. Nr. 3328. (Feuilleton: „Gottfried Semper“). – Allgemeine Zeitung. Augsburg, Cotta 1874. Beil. Nr. 256 (24. Nov.); dto. 1875. Beil. Nr. 203 [717] (481. Wiener Brief); dto. 1879. Beil. Nr. 140 („Ueber Gottfried Semper’s bauliche Thätigkeit in Wien“. Von Constantin Jovanovits, mit Benutzung von nachgelassenen Mittheilungen G. Semper’s); dto. 1879. Nr. 197 („Gottfried Semper“ von Fr. Pecht). – Westermann’sche Monatshefte 1879 (G. Semper von Prof. H. Hettner). – Zeitschrift f. b. Kunst. 1880. („Gottfr. Semper“ von Prof. Jos. Bayer.) – Neues Wiener Tagblatt. 1885. Nr. 17 (Feuilleton: „Gottfried S. und der moderne Theaterbau“ von V. K. Schembera). – Deutsche Bauzeitung. 1885. Nr. 63 (Professors Antheil an den Wiener Monumentalbauten. Von Schweizer Schülern G. Semper’s); dto. 1885. Nr. 67 u. 68 („Zur kunstgeschichtlichen Würdigung Gottfr. Semper’s.“ von Manfred S.) Beilage zur Allg. Zeitung, 12. Sept. 1889. (Wiener Briefe CCXXVIII v. V.. Deutsche Zeitung. 1889, 4. Jan. Nr. 6112. („Hasenauer und sein Werk“) von Hans Grasberger.) – Wiener Allg. Zeitung. 1889, 5. Jan., (Feuilleton: „Zur Reconstruction des neuen Burgtheaters“ von O. Berggruen). – Deutsche Zeitung. 1889, 22. Januar (Hasenauer u. Semper. Eine Erklärung in Sachen des neuen Burgtheaters von H. Semper).
II. Artikel in lexicographischen Werken: J. Meyer’s großes Conversationslexicon, II. Hildburghausen. Bibl. Institut. – Brockhaus’ Conversationslexicon. – Nagler’s (G. K. D.) Neues allgem. Künstlerlexicon. – D. Constantin v. Wurzbach, Biographisches Lexicon des Kaiserthums Oesterreich etc. Wien 1877. XXXIV. – Chronik von Neumünster bei Zürich. 1889–90.
III. Selbstständige Schriften. Constantin Lipsius, k. Baurath. („Gottfried Semper“ Berlin 1880.) – Hans Semper, Prof. in Innsbruck. (Gottfr. Semper. Ein Bild seines Lebens u. Wirkens. Berlin 1880.) – Die Bauten, Entwürfe und Skizzen von Gottfried Semper, k. k. Oberbaurath, gesammelt u. hrsg. von Manfred Semper. I. Lief. Leipzig 1881. Gr. Folio in Kupfertafeln. Bloß eine Lieferung erschienen. – Etude sur l’architecture autrichienne. (Separatabdruck aus der Encyclopédie de l’Architecture, von P. Planat. Paris, Ed. Dujardin & Co. 1889.)