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Artikel „Thürmer, Joseph“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 221–222, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Th%C3%BCrmer,_Joseph&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 21:29 Uhr UTC)
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Thürmer: Joseph Th., Architekt, Maler und Radirer, geboren am 3. November 1789 zu München, begann daselbst seine Studien unter Leitung des Professors Karl v. Fischer. Schon 1814 brachte Th. als Eleve der Akademie auf die Kunstausstellung die nach Façade, Grundriß und Durchschnitt ausgearbeiteten Projecte zu einer Kirche, einem Rathhaus und Lyceum. In jedem der folgenden Jahre zeigte er neue Entwürfe und Zeichnungen, sowohl von eigener Erfindung, wie auch perspectivische Ansichten von Domen und Kirchen (das Innere der Michaels- und Frauenkirche, der Dome zu Speier und Worms), mit vielen Nachbildungen von antiken Ornamenten, romanischen Säulen und Capitälen. Als weitere Resultate seiner fleißigen Wanderzüge und Reisestudien veröffentlichte er 1817 ein Heft mit malerischen, auf Stein gezeichneten Ansichten aus Maulbronn, Speier, Bamberg, Nürnberg, Schloß Eppstein und Bingen. In demselben Jahre erhielt Th. für den vollständig durchgearbeiteten Entwurf einer großen Residenz und eines Invalidenhauses den großen Preis der Akademie; dadurch gewann der unermüdliche Künstler die Mittel zu einer Reise nach Italien. In Venedig zeichnete er mehrere, mit Figuren und Schiffen staffirte Prospecte und betheiligte sich dann an der durch Baron v. Stackelberg betriebenen Eröffnung der etrurischen Gräber zu Tarquinii. In Rom fand Th. einen treuen, verständnißinnigen Kunstgenossen an J. G. Gutensohn, welcher damals schon das Material zu seinem 1822 mit J. M. Knapp herausgegebenen Werke über: Die ältesten christlichen Kirchen oder Basiliken Roms sammelte. Für Gutensohn betheiligte sich Th. an den „Römischen Denkmalen des 15. und 16. Jahrhunderts“, welche jedoch erst später in 24 geistreichen theilweise von Th. radirten Blättern (Dresden und Darmstadt 1832) erschienen und in eine durch L. Gruner mit 8 Platten vermehrte Ausgabe (Fresco Decorationas and Stuccos of Churches and Palaces in Italy during the XV. and XVI. Centuries. London 1844) übergingen. Von Rom begab sich Th. 1818 mit Hübsch und Heger nach Athen, dessen Denkmale seine ganze Aufmerksamkeit fesselten. Da das von den vorgenannten Künstlern projectirte Reisewerk nicht zu Stande kam, radirte Th. seine Zeichnungen selbst und gab selbe auf 16 Platten als „Ansichten von Athen und dessen Denkmalen“ (Rom 1823) heraus. Inzwischen [222] cultivirte Th. immer noch die Architektur als sein vorwiegendes Fach, wofür ihn auch der bairische Kronprinz Ludwig in besondere Affection und Aussicht genommen zu haben scheint; wenigstens dürfte das große Project eines „Gebäudes zur Ausstellung der Büsten berühmter Männer“, welches Th. mit bis ins kleinste Detail gehenden Zeichnungen 1820 in Rom zur Ausstellung brachte, mit den Intentionen dieses großmüthigen Mäcen im Zusammenhange gestanden sein. Leider verscherzte der leichtlebige, bei einer Sitzung in der spanischen Galerie des Meister Raffaele Anglada etwas angeheiterte Künstler durch einen lasciven Witz die Gunst des feinfühligen Prinzen, welcher die vielseitige originelle Begabung Thürmer’s sowohl als Architekt wie als Landschaftsmaler ausgiebig mit Aufträgen in Anspruch zu nehmen gesonnen war, aber ihn fortan völlig ignorirte. Gleichgeübt in treuer Darstellung architektonischer Gegenstände, wie in virtuoser Behandlung der Radirnadel, brachte Th. die „Ansicht der Villa Borghese“ (Rom 1822) zur Ausführung, und mit Beihülfe von Ernst Fries, die nordöstliche, vom Thurme des Capitol genommene „Ansicht von Rom mit dem Campo Vaccino“ (68 cm breit, 49 cm hoch, bezeichnet „E. F. u. J. Th. dis. inc. in Roma 1824“), eine bewunderungswürdig geätzte, mit großer malerischer Wirkung durchgeführte Radirung, welche nach den neuerlichen Ausgrabungen und der dadurch vielfach veränderten Scenerie, jetzt geradezu ein historisches Recht und gesteigertes Interesse beansprucht. Dazu gehört auch ein kleineres descriptives, gleichfalls von Th. in Umrissen radirtes Blatt. Diese vorgenannten Platten, wovon damals nur wenige Abdrücke in den Kunsthandel kamen, gelangten aus dem Nachlasse des Künstlers in den Besitz seines Bruders, eines in München angesessenen Friseurs, von welchem selbe (zugleich mit den 16 Platten der „Ansichten von Athen“) zu Ende der fünfziger Jahre der Bildhauer und Kunsthändler J. O. Entres erwarb, welcher neue, vorzügliche Abdrücke davon veranstaltete, die sich theilweise noch im Besitze seines Sohnes, des Kunstbildhauers Guido Entres befinden, während die Originalplatten bei der im März 1868 veranstalteten Auction der kostbaren „Sammlung Entres“ wieder in unbekannte Hand verschwanden. – Th., der eine neidenswerthe Thätigkeit und Stellung in seiner Heimath verscherzt hatte, wurde endlich 1827 als Professor der Baukunst nach Dresden berufen, wo er, später auch als Director der Akademie, durch seine Lehre einen wohlthätigen Einfluß übte. Er entwarf viele Pläne zu Gebäuden, von welchen beispielsweise die „Hauptwache“ und „k. Post“ zur Ausführung gelangten; erlag aber schon am 13. November 1833 auf einer Reise zu München einem rasch entwickelten Lungenleiden. Sein Porträt hat Vogel v. Vogelstein gezeichnet. Mehrere der von ihm und seinen Schülern ausgeführten Pläne und Aufrisse erschienen unter dem Titel „Architektonische Entwürfe und Details, herausgegeben von einem Vereine junger Künstler in Dresden“ (zwei Hefte in Folio, zweite Auflage 1834 mit einer uns leider nicht zugänglichen Biographie Thürmer’s von H. Haase). Th. übte unter dem unverkennbaren Vorbilde des früh verstorbenen Ernst Fries (1801–1833) die Landschaftsmalerei im großen historischen Stile und verdient deshalb nächst Rottmann und Preller eine ehrende Erinnerung. Auch im Genre scheint er sich versucht zu haben, eine „Italienische Lautenspielerin“ kam nachträglich 1842 im Münchener Kunstverein zur Ausstellung; 1843 erfolgte daselbst eine Exposition seiner sämmtlichen Radirungen.

Vgl. Kunstblatt 1834 S. 32. – Raczynski, III, 362. – Nagler, 1848 XVIII, 444 ff. – Katalog der Kunstsammlung J. O. Entres Nr. 3931. München 1868. – Julius Schnorr v. Carolsfeld, Briefe aus Italien. 1886. S. 300. 432. 463.