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Artikel „Fredigundis, merovingische Königin“ von Felix Dahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 733–737, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fredegund&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 18:14 Uhr UTC)
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Fredigundis, merovingische Königin (a. 567–597), Gemahlin Chilperich’s I. (a. 561–584, s. den Artikel), der, um es seinem Bruder Sigibert I. (a. 561–576, s. den Artikel) gleich zu thun, wie dieser eine westgothische Königstochter Gaileswintha (s. den Artikel), Schwester von Sigibert’s Gemahlin Brunichildis (s. den Artikel) geheirathet hatte (a. 566), diese aber „aus Liebe zu Fredigundis, die er schon früher gehabt hatte“ – ungewiß, ob als Buhle oder als eine seiner mehreren (gleichzeitigen) Frauen – bald erdrosseln ließ, schwerlich ohne Anregung Fredigundens, die er wenige Tage darauf (abermals?) zur Gemahlin, jetzt der einzigen, erhob. Diese merkwürdige Frauengestalt harrt noch ihres Shakespeare.

Unfrei oder doch in niederstem Stand der Freien geboren, behauptet das dämonische Weib die durch Mord errungene Stellung der Königin und die Beherrschung ihres sonst ebenso wankelmüthigen, treulosen, bösartigen wie geistreichen Gemahls, dem sie in vielen Stücken ähnlich ist, durch jedes Mittel der Schlauheit und mörderischer Gewalt, in Glück und Unglück, bis zu dessen Tod, ja darüber hinaus trotz aller Gefährdung bis zu ihrem eigenen sieggekrönten Ende; es ist ein grauenvolles, gleichwohl anziehendes Bild, das die kunstlose, aber überzeugend lebenswahre Geschichtserzählung des guten Gregor von Tours von ihr entwirft, der selbst sehr nahezu das Opfer ihrer unversöhnlichen Rachgier geworden wäre.

Zunächst vernichtete sie den tüchtigsten der Söhne Chlothachar’s I. (a. 575), Sigibert, ihren Schwager, den Gemahl Brunichildens, den Chilperich [734] wiederholt anfiel, aber mit schlechtem Erfolg: im Jahre 575 erfocht Sigibert mit seinen gefürchteten „Ueberrheinern“ mehrere Siege über Chilperich’s Truppen und drang bis Paris und Rouen vor, während der Geschlagene nach Tournai flüchtete: seine Unterthanen in dem ehemaligen Reich Childibert’s I. fielen von dem Unbeliebten ab und wählten den wackern Sieger zum König. Nun ging es dem in Tournai belagerten, hart Bedrängten schlecht; aber F. wußte Rath: sie gewann durch Zaubermittel zwei Diener, die sich nach Vitry begaben und Sigibert, wie er gerade auf den Schild erhoben ward, zwei vergiftete „Scramasachse“ (Dolchmesser) in die Brust stießen. Bevor die Nachricht von dem glücklichen Gelingen in Tournai eintraf, gebar F. daselbst einen Knaben; aber beide Gatten waren in so verzweifelter Lage, daß die Mutter das Kind von sich warf und tödten wollte: sie hatte auf Rettung verzichtet, sah ihren Untergang voraus und wollte das Kind nicht in siegreicher Feinde Gewalt fallen lassen. Aber Chilperich, auch sonst doch zuweilen menschlicher als sein Weib, schalt sie und verhinderte den Mord des Kindes durch die Mutter. Gleich darauf traf die Nachricht von Sigibert’s Ermordung ein, die Belagerung Tournais ward aufgehoben; alsbald griff Chilperich nach den verwaisten Landen des Bruders. Und Venantius Fortunatus, „der fromme Sänger“, später Bischof von Poitiers, der Fredigundens Schuld an Gaileswinthens und Sigibert’s Mord doch gewiß kannte, preist die „durch alle Tugenden ausgezeichnete, die herrliche F., durch deren Hilfe die Ehre des Königshauses blüht“! Alsbald ward der Wittwe Brunichildis das Knäblein Childibert II. (s. den Artikel) von dem austrasischen Dienstadel entführt, dessen reichsverderberische Willkürherrschaft die kraftvolle Fürstin zum Heile der Gesammtheit zu bekämpfen bis an ihren Tod nicht ermüdete, wobei es, den Sitten der Zeit gemäß, nicht ohne Gewaltthat abging. Aber himmelschreiend Unrecht geschieht der hochgesinnten, muthvollen gothischen Königstochter, stellt man sie, wie landläufige Unsitte thut, mit ihrer bluttriefenden Todfeindin F. in eine Reihe: nicht bloß hat diese ganz unvergleichlich häufiger zu Mord, Mordversuch, grausamster Folterung gegriffen, – der all’ entscheidende Gegensatz liegt darin, daß die Regentin Austrasiens ihre Herrschaft zum Wohle des Volkes ausübte und nur für diesen Zweck auch gewaltsame Mittel in seltenen Fällen – etwa zwei bis drei – nicht scheute, während F., nur von Herrschgier, Habgier, Rachgier, allen schlimmsten Leidenschaften der Selbstsucht getrieben, von Verbrechen zu Verbrechen stürmte. Als Brunichildis sich mit Chilperich’s Sohn Merovech (von Audovera) vermählte (a. 576) und Anhang fand, warf sie tödtlichen Haß wie auf dies Paar, so auf Bischof Praetextatus von Rouen, der es getraut hatte; sie, nicht der König, verfolgte Merovech bis in das Asyl des heiligen Martinus zu Tours, wie sie dann ihrer Stiefsöhne Tod herbeiwünschte und herbeiführte, ihren eigenen Söhnen die Nachfolge in das Reich allein zu sichern: sie dankte einem Feldherrn, der ihres ältesten Stiefsohnes, Theodibert, Fall in der Schlacht herbeigeführt hatte, sie war es, die Chilperich zu schonungsloser Verwüstung der Güter des heiligen Martinus antrieb, weil Bischof Gregor (der Geschichtschreiber) Merovech nicht aus dem Asyl auslieferte; sie war es, die Merovech, nachdem er aus Tours entflohen, zu Tode hetzen und seine Anhänger auf das scheußlichste verstümmeln ließ; sie setzte durch, daß Bischof Praetextatus von einem Concil zu Paris verurtheilt, in den Kerker geworfen, sehr schwer gegeißelt und auf der Insel Jersey eingebannt ward; ja, als ihn der König trotz ihres heftigen Widerstandes begnadigte, suchte sie ihn in Rouen auf, ließ ihn an dem Altar ermorden und weidete sich an seinem Sterbebette an seinem Verscheiden. Auch später noch suchte sie Gregor von Tours wegen seines damaligen pflichttreuen [735] Verhaltens zu verderben. Als zwei ihrer Knaben an einer Krankheit starben, sah sie freilich darin die Strafe des Himmels, hoffte aber, die Heiligen dadurch zu bestechen, daß sie auf die Besteuerung der Kirchen verzichtete und diese Steuerlisten in’s Feuer warf. Nicht lange doch währte diese Anwandlung von Reue: noch lebte ja der dritte Stiefsohn, Chlodovech, des unglücklichen Merovech Bruder; auch er mußte fallen. Sie glaubte oder gab vor zu glauben, er habe durch Zauber seiner Geliebten und deren Mutter die beiden Knaben vergiftet; sie ließ die beiden Frauen – nach unmenschlicher Peinigung – hängen oder verbrennen, verklagte Chlodovech beim König, ließ den Verhafteten ermorden, seine Mutter Audovera (Chilperich’s frühere Gattin) tödten, seine Schwester Basina, von Knechten „beschimpfen“ und in ein Kloster sperren, seine Anhänger foltern und verbannen; und all’ dieser Opfer Vermögen riß sie an sich.

Es ist unmöglich, die zahlreichen anderen Morde, Folterungen, Verstümmelungen, Beraubungen anzuführen, die sie theils selbst verübte, theils durch den ganz von ihr geleiteten Gemahl verüben ließ. Einer der ärgsten dieser Fälle ist die Verfolgung des Grafen Leudast von Tours. Kniefällig erbat sie vom König dessen grausamste Peinigung. Bei dem Wegsterben all’ ihrer Söhne ist ihr das Schmerzlichste, daß sie dadurch „ihre Rächer“ verliert. Bei dem Tode des dritten Knaben gerieth sie in gleiche Raserei des Schmerzes wie früher in Tournai (oben S. 734) und ließ wieder eine Menge von Vornehmen und Geringen wegen Zaubergifts, ja, schon weil sie ihr eine angeblich rettende Arznei nicht mitgetheilt, unter den furchtbarsten Qualen tödten.

Durch planmäßige Beraubung all’ ihrer Feinde hatte sie so reiche Schätze gehäuft, daß die verschwenderische Ausstattung, die sie ihrer Tochter Rigunthis bei der beabsichtigten Vermählung mit dem Westgothenkönig Rekared (s. den Artikel) mitgab, des Königs Staunen und Mißtrauen erregte, bis sie ihn beruhigte, kein Stück habe sie dem Königsschatz, Alles ihrem eigenen Vermögen entnommen. Nach Chilperich’s Ermordung (a. 584) flüchtete die Wittwe im Bewußtsein ihrer Verhaßtheit mit ihren Schätzen in das Asyl einer Kirche nach Paris, wo sie Bischof Ragnemod, einer ihrer Günstlinge, schützend aufnahm.

In harter Bedrängniß rief sie für sich und ihr wenige Monate altes – jetzt einziges – Knäblein (Chlothachar II.) den Schutz ihres gutmüthigen Schwagers Guntchramn (von Burgund) an, dem sie bis dahin auch wirklich nichts zu leide gethan. Er versprach ihr Beistand, kam nach Paris, lud sie öfter zum Mahle und verweigerte den Gesandten Childibert’s II. (d. h. Brunichildens und der Austrasier) die Auslieferung der Mörderin seines Vaters zur Bestrafung. Der Knabe ward nun von den Großen als König von Chilperich’s Reich anerkannt unter Muntschaft Guntchramn’s, aber auch – thatsächlich – unter starkem Einfluß Fredigundens. Kaum gerettet, verübte sie noch in dem Kirchenasyl zu Paris neue Frevel.

Die Ermordung Chilperich’s hatte die Verlobung Rigunthens rückgängig gemacht; sie war auf der Reise von ihrem Gefolge verlassen und ausgeplündert worden. F. bestrafte alle Begleiter der Tochter ohne Untersuchung ihrer Schuld auf das grausamste durch Vermögenseinziehung, Geißelung und Abhackung der Hände. Auch Andere suchte sie durch ihre Mit-Flüchtlinge im Asyl zu verderben, wie erst damals die „lanc-raeche“ auch Praetextatus von Rouen in später Rache zu Tode hetzte. Und da Guntchramn sie aus Paris nach Rueil entfernte, ihre Eingriffe einigermaßen einzudämmen, empfand sie in dieser Einbannung, die doch keineswegs Strafe war, so empfindliche Herabdrückung im Vergleich zu ihrer Todfeindin Brunichildis, die [736] in Austrasien starken (ob zwar vielfach angestrittenen) Einfluß übte, daß ihr dieser Gedanke unerträglich ward. Sie schickte einen ergebenen Geistlichen ab, der sich bei Brunichildis als Flüchtling vor Fredigundens Zorn einführen, so ihr Vertrauen gewinnen und sie ermorden sollte. Entdeckt, ward er nach seinem Geständniß begnadigt und zu F. zurückgesandt. Und dann stellt man beide Frauen auf eine Stufe! Diese aber ließ ihm wegen der ungeschickten Ausführung seines Auftrages Hände und Füße abhacken (a. 584).

Darauf beschuldigte sie bei König Guntchramn, der den Tod seines Bruders Chilperich rächen wollte, dieser That den Oberkämmerer Eberulf, weil dieser frühere Günstling sie verlassen hatte! worauf der König schwur, ihn und sein ganzes Geschlecht bis ins neunte Glied auszurotten. Der Flüchtling ward in dem heiligsten Asyl des Abendlandes, der Basilika Sanct Martin’s, zu Tours ermordet (a. 584). Den Argwohn des Königs, der wenige Monate vor Chilperich’s Tode geborene Chlothachar II. sei im Ehebruche, erzeugt, verscheuchte sie durch Eid, den eine große Zahl von Eidhelfern (303) bekräftigte. In der That ist ihr Untreue nicht nachzuweisen; entgegenstehende Geschichten entstammen späteren Quellen. Unerklärt bleibt dabei freilich das Vorgeben der Wittwe, wieder Entbindung zu erwarten, obwohl sie erst vor vier Monaten geboren hatte, eine Erwartung, die sich nicht erfüllte. Irrte sie nicht und verunglückte das Kind nicht, so wollte sie vielleicht für den Fall von Chlothachar’s II. Tod einen untergeschobenen Erben bereit halten. Die Sache ist nicht klar zu stellen.

Im nächsten Jahre (a. 585) wiederholte sie die Mordversuche gegen Childibert und seine Mutter; sie gewann hierfür durch reiche Versprechungen zwei Geistliche, deren wankenden Muth sie durch Zaubertränke anfeuerte – an dem Tage der That sollten sie abermals davon nehmen. Sie übergab ihnen zwei vergiftete Messer, „auf daß das Gift bewirke, was der Stoß nicht könne“, rieth, als Bettler verkleidet, den Knaben um Almosen anzugehen und hierbei ihn, vor allem aber Brunichildis zu tödten. Sie verrieth wider Willen die Beiden durch einen Dritten, den sie in ihrer Ungeduld zur Erkundigung nachgeschickt hatte; sie wurden nun grausam hingerichtet.

Das folgende Jahr gelang ihr dann endlich die Ermordung des Praetextatus von Rouen am Altar seiner Kirche, sowie die Vergiftung eines vornehmen Franken, den sie dieser That beschuldigte: sie reichte ihm mit eigener Hand im Abschiedbecher das Gift; dann lieferte sie den Knecht, der auf ihren Befehl den Bischof ermordet, dessen Neffen als alleinigen Thäter aus. Er ward grausam getödtet, gestand aber wiederholt die Anstiftung. Im folgenden Jahre (a. 586) mißglückte ihr ein Mordanschlag auf König Guntchramn während der Frühmesse; vielleicht ging auch ein zweiter, abermals in der Kirche versuchter von ihr aus. Kein Wunder, daß sich nach solchen Erfahrungen der König, der ihr allzustark auf Childibert’s II. Seite neigte, von ihr ab und Brunichildis und Childibert zuwandte. Sie hatte deshalb die Sachsen von Bajeux heimlich auf Guntchramn’s Lande gehetzt. Man staunt vielmehr, daß die nach allen Seiten hin züngelnde und beißende Giftnatter nicht schon längst zertreten ward. Freilich schrieb das Gerücht der Gefürchteten wohl alle grausen und räthselhaften Mordthaten im Reiche zu, und Furcht vor ihren Zauberkünsten, ihren Gifttränken und den Messern ihrer gedungenen Mörder hielt von ihr fern. Ohne irgend – etwa als Regentin – für ihren Sohn staatliche, obrigkeitliche Rechte zu haben, greift sie in die Strafrechtspflege in dessen Reich ein, freilich in der ihr geläufigen Form des Mordes. Drei Männer aus sich befehdenden fränkischen Sippen lädt sie zum Gelage in das Palatium und läßt sie, als sie berauscht sind, durch drei Diener mit drei [737] Streitäxten auf einen Streich ermorden. Der Rache der Gesippen und dem Versuche Childibert’s, sie zu verhaften, ward sie durch Hilfe der Ihrigen entrissen. Sie floh an eine anderen Ort in der Nähe von Paris.

Gleichwohl gelang es ihr bald darauf, König Guntchramn zu bewegen, ihren Knaben aus der Taufe zu heben – die Pathenschaft verpflichtete zu besonderem Schutz – zu Nanterre bei Paris (a. 591). Als er bald darauf (a. 593) starb, erhielt Childibert II. gemäß dem Erbverbrüderungsvertrag von Andelot (a. 586) sein reich. Bei dessen frühem Tod (a. 596) theilten sich in sein Erbe seine beiden unmündigen Söhne Theudibert II. und Theuderich II. (s. die Artikel), unter thatsächlicher, obzwar bestrittener Regentschaft ihrer Großmutter Brunichildis. Sofort fiel F. „nach Art der Barbaren“, d. h. ohne Kriegserklärung, die Verhaßte an: sie nahm Paris, Soissons, Laon, Sens und Chartres und schlug die vereinten Scharen von Auster und Burgund bei Latofao aufs Haupt. Im Glanze dieses Sieges starb sie bald darauf (a. 597) friedlich in ihrem Bett, während Brunichildis (s. den Artikel), von ihren Großen verrathen, durch Fredigundens Sohn eines grauenvoll grausamen Todes sterben sollte (a. 613).

Quellen und Litteratur: Dahn, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, III, 1888, S. 124–543.