ADB:Diessenhofen, Heinrich Truchseß von

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Artikel „Diessenhofen, Heinrich Truchseß von“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 148–149, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Diessenhofen,_Heinrich_Truchse%C3%9F_von&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 21:59 Uhr UTC)
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Diessenhofen: Heinrich, Truchseß v. D., schwäbischer Annalist des 14. Jahrhunderts, † 22. Decbr. 1376. In der von Graf Hartmann von Friburg im Jahr 1178 gegründeten Stadt Diessenhofen am Rhein, oberhalb Schaffhausen, saß ein Ministerialengeschlecht, welches von dem Besitze der Burg daselbst und von seinem Amte am gräflichen Hofe den Namen der Truchsesse v. D. trug und beim Erlöschen des Friburgischen Hauses in den Dienst seiner Erben, der Grafen von Habsburg, überging. Zwei Männer aus diesem Geschlechte haben sich ausgezeichnet. Ritter Johann, Tr. v. D., bekleidete zur Zeit des Interregnums, nach Kaiser Heinrichs VII. Tode, im Namen Herzog Friedrichs von Oesterreich und seiner Brüder die Pflege des Reichsamtes in Sanct Gallen, kämpfte hierauf in ihren Diensten gegen Ludwig den Baier, ward Hofmeister König Friedrichs des Schönen und nahm unter dessen Räthen eine so ehrenvolle Stellung ein, daß ihn der König 1322 zum ersten weltlichen Mitgliede seiner Gesandtschaft an Papst Johann XXII. in Avignon, Kaiser Ludwig selbst aber 1330 zum Mitgliede des Schiedsgerichtes zwischen ihm und dem Hause Oesterreich ernannte. 1334 nahm D. als österreichischer Bevollmächtigter an der vom Kaiser angeordneten Kundschaftsaufnahme über die Rechte Oesterreichs in Schwyz und Unterwalden theil. Er starb um 1343. Unter seinen Söhnen widmeten sich zwei der Kirche: Konrad und Heinrich. Der letztgenannte, jüngere, vor dem 25. März 1303 geboren, erhielt frühzeitig ein Canonicat am Stifte Beromünster, dem ein mütterlicher Verwandter, Jakob von Rinach, als Propst vorstand, ging dann nach Avignon. wo er die Jahre 1333 bis 1337 zugebracht zu haben scheint und Caplan Papst Johanns XXII. wurde, kehrte aber hierauf wieder in die Heimath zurück. Als Doctor decretorum, als Domherr in Constanz (spätestens seit 1341) und als Custos von Beromünster, dem er sehr anhänglich blieb, lebte er nun mindestens noch viertehalb Jahrzehnte diesen Aemtern, wol meist in Constanz oder dessen Umgebungen sich aufhaltend. Als nach dem Tode des Bischofs Nikolaus von Kenzingen im Jahre 1344 eine Bischofswahl in Constanz nöthig wurde, erhielten neben dem Grafen Albrecht von Hohenberg auch Heinrich Tr. v. D. und sein Bruder Konrad Stimmen eines Theils des Domcapitels; Papst Clemens VI. ernannte aber keinen dieser drei Candidaten, sondern den Domdecan Ulrich Pfefferhard zum Amte. Seine Mußezeit widmete D. historischen Aufzeichnungen. Nachdem er zu den letzten Theilen der Kirchengeschichte des Ptolemäus Lucensis einige Zusätze gemacht, schrieb er in den ersten Jahren nach der Rückkehr in die Heimath ein um 1345 vollendetes fünfundzwanzigstes Buch zu jenem Werke. Im Anschlusse an ein von fremder Hand herrührendes summarisches Capitel über die ersten Regierungsjahre Papst Johanns XXII. werden darin ausführlicher die beiden letzten Jahre desselben, die Geschichte Benedicts XII. und die Anfänge Clemens’ VI. bis 1343 erzählt, wobei D. insbesondere als Augenzeuge über die Vorgänge in Avignon während der Jahre 1333–1337, von da an aber auch über Ereignisse in seiner Heimath berichtet. Diesem Buche schlossen sich annalistische Aufzeichnungen über die Jahre 1344–1361 an, die von D. selbst, oder doch wenigstens unter [149] seiner Leitung und Mitwirkung gemacht wurden. Sie umfassen die Reichs- und Papstgeschichte dieser Jahre, am ausführlichsten aber die Ereignisse in der nächsten und ferneren Umgebung des in Constanz schreibenden Verfassers. Vorzügliche Berücksichtigung findet darin, was auf das Haus Habsburg-Oesterreich in den sogenannten Vorlanden Bezug hat.

Der Ton all’ dieser Arbeiten Diessenhofen’s ist ziemlich trocken. Die Darstellung geht über die einfachste Verzeichnung der äußerlichen Thatsachen meist nicht hinaus, erhebt sich nicht zu einer zusammenhängenden, Personen und Verhältnisse eingehend schildernden Erzählung, ist auch nicht ganz frei von factischen Irrthümern untergeordneter Art, und selten fällt der Verfasser sein Urtheil über die Dinge. Aber seine Stellung, die ihm vieles zu sicherer Kunde bringen mußte, der bei aller Entschiedenheit seines kirchlichen Standpunktes gegenüber dem Kaiserthum doch durchblickende mäßige Sinn, die fast völlige Gleichzeitigkeit zwischen den Aufzeichnungen und dem Geschehenen und die Genauigkeit, wonach D. sichtlich strebte, so daß den meisten erzählten Ereignissen sogar das Tagesdatum beigesetzt ist, geben Diessenhofen’s Arbeit doch hohe Wichtigkeit für die Geschichte seiner Zeit. So verdankt man z. B. allein D. die bestimmte Nachricht vom Abschlusse des sogenannten Regensburger Friedens vom 25. Juli 1355, welcher, unter Vermittlung Kaiser Karls IV., den ersten längeren Krieg zwischen Herzog Albrecht II. und der durch Zürichs Beitritt erweiterten Eidgenossenschaft der Waldstätte ein Ziel setzte. – Von Diessenhofen’s Werk ist bis jetzt nur eine, früher in Ulm, jetzt in der Münchener Hofbibliothek befindliche Handschrift bekannt. Doch wurde der Anfang desselben (bis zum Jahre 1337/8 reichend) schon gleich nach seiner Entstehung abschriftlich in zwei, in Italien befindliche Codices des Ptolemäus eingetragen, und das Ganze schon zu Ende des 15. Jahrhunderts in Ulm durch den Dominicaner Felix Faber († 1502) bei Abfassung seiner Historia Suevorum benutzt.

Aus der Münchener Handschrift herausgegeben, findet sich der Text des Werkes in: 1) Beiträge zur Geschichte Böhmens, herausgegeben vom Verein der Deutschen in Böhmen. I. Abtheilung. Quellensammlung. Anhang zum II. Bande. (Prag und Leipzig 1865); ein von C. Höfler veranstalteter Abdruck; und: 2) im Bande IV der Fontes rerum Germanicarum von J. Fr. Böhmer (Stuttgart 1868), woselbst A. Huber auf Grund einer von Böhmer im Jahr 1842 zum Behufe der Fontes angefertigten, in seinem Nachlasse vorgefundenen Abschrift und der Ausgabe von C. Höfler einen neuen Abdruck des Ganzen desselben gegeben und mit einer erschöpfenden Einleitung über Diessenhofen’s Persönlichkeit begleitet hat. Eine treffliche Beurtheilung von Diessenhofen’s Arbeit siehe bei O. Lorenz, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Erster Band. Zweite Auflage. Berlin 1876.

Die eben genannten Werke von Höfler, Huber, Lorenz und Urkunden.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 149. Z. 13 v. u.: Vgl. die inzwischen erschienene Arbeit von K. Simonsfeld über H. von Diessenhofen in den „Forschungen zur deutschen Geschichte.“ Bd. XVIII (1878), S. 297 ff. [Bd. 7, S. 795]