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Artikel „Cuspinian, Johannes“ von Adalbert Horawitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 662–664, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Cuspinianus,_Johannes&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:11 Uhr UTC)
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Band 4 (1876), S. 662–664 (Quelle).
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Cuspinian: Johannes C. (eigentlich Spießhaymer), Diplomat und Gelehrter, geb. 1473 zu Schweinfurt in Franken, † am 19. April 1529 zu Wien, studirte zuerst in der Vaterstadt, dann an der damals so ungemein besuchten Wiener Hochschule, die ja auch Zwingli, Watt, Glarean u. A. frequentirten. Hier waren es zuerst philosophische, dann aber die humanistischen Studien, denen er sich hingab; später betrieb er Medicin und wurde in dieser Facultät Doctor. Neben dem eindringendsten Eifer zeigte C. bald seine glänzende Beredsamkeit; bei Stabius’ Dichterkrönung machte seine Eloquenz auf Alle einen hinreißenden Eindruck, in ihm, meint Gerbel, sei „Periclea illa πειθώ“ gewesen. Längst ward Kaiser Maximilian auf ihn aufmerksam, auf ihn, der über Sallust, Vergil, Horaz und Cicero öffentliche Vorlesungen hielt, aber auch die Universität schmückte ihn mit Auszeichnungen, viermal wurde er Decan der medicinischen Facultät, 1500 Rector, nach Celtis’ Tod 1508, dem er die Trauerrede hielt, übernahm er dessen Professur. Aber C. sollte nicht in dem Kreise der Gelehrten bleiben, des Kaisers klare Erkenntniß seiner Bedeutung [663] wies ihm andere Aufgaben an; er verwandte den beredten Mann zu diplomatischen Missionen nach Ungarn, Böhmen und Polen. Wie viel beschäftigt er durch diese Sendungen war, zeigen am besten sein Tagebuch in den Jahren 1502–27 (herausgegeben von Karajan im I. Band der Scriptores der Fontes Rerum Austriacarum, p. 398–417) und das „Diarium (Joannis Cuspiniani) Praefecti urbis Viennensis de Congressu Caesaris Maximiliani Augusti et trium Regum etc.“, 1515. Nicht gering waren die Mühseligkeiten und Fahrnisse auf diesen Reisen, der Kaiser erkannte dies auch an, er machte ihn zum Vorsitzenden seines geheimen Rathes und zum Anwalt der Stadt Wien (1515). Er liebte ihn so, daß, wie Gerbel erzählt, er halbe Nächte mit ihm durchsprach. Groß waren denn auch die Verdienste, die sich C., dessen schwunghafte Beredsamkeit und diplomatisches Geschick Alle rühmen und auch Ferdinand und Karl – z. B. bei Sendungen nach Ungarn und Brandenburg (1525) – benützten, um das Haus Oesterreich erwarb; jene bekannte Doppelheirath, durch die das Haus Habsburg die Anwartschaft auf Ungarn und Böhmen gewann, ist mit sein Werk. Durch die aufopfernden Dienste errang er aber auch für sich materielle Vortheile, der mit Kindern reich gesegnete eines glücklichen Familienlebens sich erfreuende Politiker erscheint von nun ab als sehr begütert. Aber die unermüdliche Thätigkeit des Mannes erschöpfte sich nicht in dem so anstrengenden diplomatischen Wirken, sein Name hat nicht blos im Kreise der Politiker, sondern auch in dem der Gelehrten einen guten Klang. Männer wie Reuchlin, Pirkheimer, Aventinus, Piërius Gracchus Stabius, Stiborius, Rosinus, standen mit ihm in Verbindung. Aber nicht diese Beziehung und seine Bedeutung für die Donaugesellschaft allein sind es, die ihn der gelehrten Welt bekannt machten; er ist auch ein außerordentlich fruchtbarer Schriftsteller. Anfänglich schien er sich philologischen Studien zuzuwenden; Classiker zu suchen und herauszugeben, war auch ihm die angenehmste Arbeit. Auch später ist er dem treu geblieben und hat auf seinen Reisen Manuscripten nachgeforscht, so hat er u. a. in Ofen ein Exemplar des Diodor, des Zonaras und des Philostratus gefunden (vgl. Denis, Die Merkwürdigkeiten der garollischen Bibliothek, I, 256 u. 265) und eine Reihe von Classikern edirt. So erschien 1508 zu Wien (Winterburger) seine Ausgabe der „Descriptio orbis“, welche Rufus Festus Avienus nach der „Περιήγησις“ des Dionysios verfaßte. Sie ist dem Bischofe Stanislaus von Olmütz gewidmet, auf Grundlage einer ihm von Aldus Manutius geschenkten alten Handschrift der Περιήγησις und anderen Uebersetzungen des Dionysius ist der übel zugerichtete Text des Avienus verbessert und am Schlusse bemerkt: „Cuspinianus neuos et verrucas sustulit“. Um 1511 edirte er zu Wien bei Joh. Winter(burg) den Florus unter dem Titel: „Lucii Flori Libri Historiarum Quatuor a Cuspiniano Castigati cum indice.“ Die Ausgabe, welche Joach. Watt und Joh. Marius gewidmet ist, wird durch Gedichte des Watt, des Petreius Aperbachius und Stephanus Taurinus empfohlen, welche den C. preisen, daß er sich des vergessenen Autors erbarmt und dessen „ulcera et vulnera“ abgewaschen. Das Vorwort Cuspinian’s ist sehr interessant, es eifert gegen den Betrug jener Ausgaben, die sich fälschlich für emendirte ausgeben und gegen das Reclamewesen, das die Buchhändler treiben. (Seine Ausgabe der Hymnen des Prudenz konnte ich nicht erhalten.) Von den alten Classikern wandte sich C. zu den mittelalterlichen Autoren, um 1515 veranstaltete er mit Stabius zu Straßburg eine vortreffliche Ausgabe des Otto v. Freising mit der Fortsetzung des Ragewin. Hierauf erschienen mehrere Schriften gegen den Erbfeind der Christenheit, gegen die Türken in ähnlichem Stile wie die Invectiven Wimpfeling’s, Bebel’s, Celtis’ u. A. gehalten, aber mit reichlichem und interessantem historischen Materiale über Religion, Sitte und Geschichte der Türken versehen. In dieser Richtung ist vor allem seine Schrift [664] „De Turcorum origine, religione ac immanissima eorum in Christianos tyrannide etc.“ zu nennen, die seinem Werke „De Caesaribus“ entnommen ist. Die Hauptwerke, seine großen geschichtlichen Arbeiten sind aber hiermit noch nicht genannt, sie erschienen erst nach seinem Tode. In dem umfassenden Werke: „De Caesaribus atque Imperatoribus romanis opus insigne“, das erst Gerbel 1540 zu Straßburg bei Crato Mylius herausgab, bewies C. an der ausführlichen Geschichte der Kaiser West- und Ostroms und der deutschen Herrscher seinen eminenten Sammlerfleiß und, wie Gerbel rühmt, seine gründliche Beherrschung der Genealogie. C. hat nach den üblichen Quellen gearbeitet, daß diese hier und da ganz allgemein genannt werden (z. B. Annales Boëmorum), darf uns so wenig überraschen, als die Benutzung des Hunibaldus(!), dagegen sind viele Irrthümer vermieden, die uns sonst begegnen, die Darstellung ist anziehend, das Material überreich. C. konnte sich, wie er sagt, nicht entschließen, das Beispiel des Plutarch oder Sueton nachzuahmen und schrieb deshalb in pietätvoller Weise auch die Geschichte Maximilians I., eine werthvolle Zugabe. Wie dieses Werk ansprach, zeigt die Uebersetzung desselben durch Caspar Hedio und Joh. Lenglin unter dem Titel: „Ein außerlesne Chronika“, Straßburg 1541, mit dem Vorworte Melanchthon’s, in der sich dieser u. A. äußert: „Es hat C. under den newen u. letzten Chronikbeschreibern so viel herrlicher händell u. dings mit söllicher nutzbarkeyt u. liebligkeyt zusammen verfasset, daß ich nit weiß, ob zu unsern zeiten je etwas vollkommeners u. reichlichers außgangen seie.“ Aehnliches Lob fanden seine Ausgaben und Noten zu Sextus Rufus und Cassiodors Chronicon, die in Hunger’s Ausgabe, Frankfurt 1601, sich vorfinden mit einer Vorrede und Versen Gerbel’s und einer Biographie des Cassiodor durch C. versehen sind. Ebendort findet sich Cuspinian’s „Austria“ mit einem Gedichte des Caspar Brusch, ein sehr fleißig gearbeitetes Werk, das auch verschiedene Ansätze zur Kritik zeigt. Daß C. ein Werk über die römischen Consuln geschrieben, ist ein Mißverständniß, ebenso daß er Gouverneur(!) von Wien gewesen. Daß er Vorstand der Hofbibliothek war, ist eine absolute Unrichtigkeit, die ein Compendium dem anderen entlehnt; er so wenig wie Celtis oder Nidbruck waren Hofbibliothekare, der erste war Hugo Blotius. – In den letzten Zeiten seines Lebens traf ihn manch harter Schlag: Eigenthumseinbußen, Verlust von Freunden und Kindern, Krankheit und endlich die Sorge, die Alle beim Heranzuge der Türken erfüllte. – C. wurde im Dome zu St. Stephan begraben, wo sich sein Denkmal noch vorfindet.

Vgl. Vita Cuspiniani von Nic. Gerbelius vor der Ausgabe De Caesaribus 1540 und der des W. Hunger, Frankfurt 1601, vor allem das treffliche Werk von Aschbach, die Wiener Universität und ihre Humanisten. Wien 1877; über die Gesandtschaften Cuspinian’s: Programm des k. k. Josephstädter Gymnasiums zu Wien 1867.