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Artikel „Curtius, Georg“ von Richard Meister in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 597–602, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Curtius,_Georg&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 19:30 Uhr UTC)
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Curtius: Georg C., Philolog und Sprachforscher, geboren am 16. April 1820 in Lübeck, † am 12. August 1885 in Hermsdorf bei Warmbrunn. Sein Vater war Karl Georg C., Syndikus von Lübeck, seine Mutter Dorothea, geb. Plessing, aus deren Ehe vier Söhne stammten. Der älteste, Paul, wurde Theologe, und ist als junger Pfarrer gestorben; der zweite, Theodor, wurde Jurist, und hat sich als Senator von Lübeck und im Bürgermeisteramt, das er drei Mal bekleidete, um seine Vaterstadt große Verdienste erworben; die beiden anderen Söhne, Ernst und der um fünf Jahre jüngere Georg, wurden Philologen und blieben ihr Leben lang in inniger brüderlicher Gemeinschaft verbunden. Georg war als Kind wie als Mann von zarter Gesundheit; für Sprachen zeigte er frühzeitig hervorragende Begabung. Er besuchte das Gymnasium Catharineum seiner Vaterstadt, das von Friedrich Jacob geleitet wurde; von seinen Lehrern hat namentlich Johannes Classen nachhaltig auf ihn eingewirkt, wie dies C. mit dankbarer Pietät durch die Widmung des zweiten Bandes seines „Verbum der griechischen Sprache“ selbst bezeugt hat. Michaelis 1837 wurde er vom Gymnasium entlassen, verbrachte den folgenden Winter zur Kräftigung seiner Gesundheit bei den Eltern in Frankfurt a. M., wo der Vater damals die freien Städte am Bundestag vertrat, und bezog Ostern 1838 die Universität Bonn, Michaelis 1840 die Universität Berlin. Bei der Wahl seiner Studien steckte er sich das für die damalige Zeit neue Ziel, das er auch später in seiner Lehrthätigkeit und in seinen gelehrten Arbeiten unablässig im Auge behalten hat und dem er näher gekommen ist als irgend ein anderer: die classische Philologie, die er zunächst als Studium erwählt hatte, in enge Verbindung zu setzen mit der indogermanischen Sprachwissenschaft, und mit Hülfe der Resultate der Sprachwissenschaft den Bau der classischen Sprachen gründlicher und methodischer zu erforschen, als dies bisher geschehen war. So hörte er in Bonn außer Welcker und Ritschl auch A. W. v. Schlegel und Lassen, in Berlin Franz Bopp neben Boeckh und Lachmann, und zeigte in seiner Doctorarbeit: „De nominum Graecorum formatione“ (Berlin 1842), wie aus dem Studium des Sanskrit eine bessere Erkenntniß der Wortbildungslehre des Griechischen zu gewinnen sei. Von Michaelis 1842 bis 1845 war er als Lehrer am Vitzthum’schen Gymnasium in Dresden thätig. In diese Zeit fallen verschiedene Aufsätze grammatischen und etymologischen Inhalts, sowie die Programmabhandlung des Vitzthum’schen Gymnasiums (1845) über „Die Sprachvergleichung in ihrem Verhältniß zur Philologie“ (2. Aufl., Berlin 1848). Michaelis 1845 ging er nach Berlin zurück und habilitirte sich 1846 an der dortigen Universität für classische Philologie. Seine Vorlesungen fanden Anklang und wurden gut besucht, sein erstes Buch: „Die Bildung der Tempora und Modi im Griechischen und Lateinischen sprachvergleichend dargestellt“ (Berlin 1846), seinen Bonner Lehrern Lassen und Ritschl gewidmet, fand weitgehende Anerkennung. Er spricht in ihm als seine „Grundansicht“ aus, „daß nur durch die engste Verbindung der historischen Sprachvergleichung mit der besonderen Grammatik der einzelnen Sprachen eine gründliche und befriedigende Einsicht in den Bau derselben zu erreichen“ sei. Als sein Ziel bezeichnet er die Erforschung der beiden classischen Sprachen, die vergleichende Sprachforschung solle nur hülfeleistend [598] herangezogen werden. Aber wie er einerseits hervorhebt, daß er „nicht sowohl zur vergleichenden als zur besonderen Grammatik der classischen Sprachen einen Beitrag geben“ und „die Individualität der beiden Sprachen nicht etwa in einem Meere vergleichenden Stoffes zerfließen“ lassen wolle, so solle andererseits „die minutiöse Erforschung der Laute und Formen jener beiden Sprachen von der Wärme jenes allgemeinen Studiums durchdrungen werden“. In dieser universellen Betrachtungsweise der Sprache des einzelnen Volkes äußert sich besonders bei diesem ersten seiner Werke der Einfluß, den Wilhelm v. Humboldt’s Untersuchungen über den menschlichen Sprachbau auf ihn ausgeübt haben. Während dieser Berliner Zeit brachte ihm die mannichfaltigste Anregung der Verkehr mit seinem Bruder Ernst, der in Berlin seit 1843 habilitirt, seit 1844 außerordentl. Professor und Erzieher des Prinzen Friedrich Wilhelm war, und der ihn auch in die Kreise der Prinzessin von Preußen, nachmaligen Kaiserin Augusta, einführte, ferner mit hervorragenden Gelehrten wie Albrecht Weber, Adalbert Kuhn, Theodor Aufrecht, August Meineke, Adolf Trendelenburg, mit Emanuel Geibel, Kurd v. Schlözer und vielen anderen bedeutenden Männern. In das öffentliche Leben führte ihn das Jahr 1848. Er trat in das akademische Corps ein und betheiligte sich an den ersten Wahlversammlungen für das Frankfurter Parlament so eifrig und in so vertrauenerweckender Weise, daß er zum Wahlmann aufgestellt wurde, obwohl er der herrschenden radicalen Strömung energisch entgegentrat. Im nächsten Jahre folgte er einer Berufung nach Prag; zu gleicher Zeit wurde Bonitz nach Wien und wenig später Schleicher ebenfalls nach Prag gezogen, das bald infolge des Zusammenwirkens von Curtius und Schleicher den Ruf eines Hauptsitzes sprachwissenschaftlicher Studien erlangte. Namentlich das Studium des Griechischen, das in Oesterreich in den letzten Jahren darnieder gelegen hatte, nahm von Prag aus hauptsächlich durch die Thätigkeit von C. raschen Aufschwung. Dazu trug vor allem seine „Griechische Schulgrammatik“ bei, die in Prag 1852 erschien. Ihre Abfassung war zunächst durch das praktische Bedürfniß veranlaßt worden; die damals in Oesterreich gebrauchten schlechten Grammatiken sollten durch eine neue gute ersetzt werden. Kein geeigneterer Mann hätte für diese Aufgabe gefunden werden können als C. Seine praktische Erfahrung, seine Klarheit in allen Formulirungen, seine Kenntniß und wissenschaftliche Durchdringung des grammatischen Stoffes, seine Befähigung ihn sprachwissenschaftlich zu erklären, und nicht zum wenigsten seine Liebe zu dieser Arbeit und seine Ueberzeugung, Träger einer neuen, für Schule und Wissenschaft gleich ersprießlichen Auffassung zu sein, befähigten ihn vorzüglich dazu das Buch zu schaffen, das dem griechischen Unterricht des nächsten halben Jahrhunderts Richtung und Ziel geben sollte. Wie der Aufbau der griechischen Schulgrammatik auf den Resultaten der vergleichenden Sprachforschung das schulmäßige Erlernen des Griechischen nicht etwa erschwere, sondern vereinfache und erleichtere, das zeigte sein Buch so klar, daß dieser von ihm zuerst betretene Weg seitdem nicht wieder verlassen worden ist, und daß seitdem alle griechischen Schulgrammatiken von der Curtius’schen beeinflußt sind. Bis heute (1902) hat sie 23 Auflagen erlebt; von der 10. Auflage an zog er B. Gerth als Mitarbeiter, namentlich für die Syntax heran; von Curtius’ Tode an übernahm W. v. Hartel die Herausgabe (von der 17. bis zur 22. Auflage, darauf der Unterzeichnete); sie gehört auch heute noch in Oesterreich wie in Deutschland zu den verbreitetsten Grammatiken. Für Lehrer, die sich seiner Grammatik bedienten oder zu bedienen beabsichtigten, ohne von sprachwissenschaftlichen Studien nähere Kenntniß genommen zu haben, schrieb er 1863 „Erläuterungen“. (3. Aufl. 1875). – Im October 1850 verheirathete sich C. [599] mit Amalie Reichhelm, der Tochter des 1835 verstorbenen Regierungs- und Schulraths Reichhelm, deren Schwester in erster Ehe mit dem Buchhändler Besser, in dessen gastfreiem Hause C. während seines Berliner Aufenthaltes viel verkehrte, verheirathet gewesen war, nach dessen Tode aber Curtius’ Bruder Ernst heirathete (s. oben S. 593). So angenehm nun aber auch das gesellige Leben, und so befriedigend sich für ihn seine Thätigkeit an der Universität gestaltete, die immer deutlicher hervortretende politische und kirchliche Reaction in Oesterreich legte ihm den Gedanken nahe, Prag wieder zu verlassen; und so nahm er 1854 den Ruf an die kleinere Universität Kiel ohne längeres Zögern an. In Kiel verfaßte er sein Hauptwerk, die „Grundzüge der griechischen Etymologie“ (1. Bd. 1858, 2. Bd. 1862), das er seit langen Jahren vorbereitet hatte. Die Aufgabe, die er sich hier stellte, war, „diejenigen griechischen Wörter und Wortfamilien, für welche sich in den verwandten Sprachen mit Sicherheit angehörige ermitteln ließen, sammt diesen übersichtlich aufzuführen“, wobei er sich die größte Vorsicht zur Pflicht machte, sowohl was die Laute, als was die Bedeutung der in Frage kommenden Wörter anbetraf, indem er den Grundsatz aufstellte, „daß es besser sei, möglicherweise unverwandtes getrennt zu lassen, als vorschnell zu verbinden, und daß eine beschränkte Anzahl sicherer Zusammenstellungen viel mehr Werth habe als eine Fülle ungewisser Vermutungen“. Und so bezeichnet in der That schon nach dieser Seite hin sein Werk einen bedeutenden Fortschritt. Wenn auch die meisten der zusammengestellten Wörtervergleichungen von seinen Vorgängern herrührten, wie er selbst stets mit hoher Anerkennung des Gewinnes gedacht hat, den namentlich Pott und Benfey der griechischen Etymologie zugeführt haben, so bleibt es doch Curtius’ unbestreitbares Verdienst, eine sichere Methodik in die griechische Etymologie eingeführt zu haben. Und damit war ein anderer Erfolg verbunden. Es gelang ihm, in den Kreisen der classischen Philologen diesem Werke Aufnahme und Ansehen zu verschaffen, und zu den Ergebnissen der etymologischen Wissenschaft überhaupt Vertrauen zu erwecken. Geschaffen waren die „Grundzüge“ mit dem Material und dem Rüstzeug beider Wissenschaften, der vergleichenden Sprachwissenschaft und der classischen Philologie, und traten, wie ihr Verfasser es erstrebt hatte, nun auch in den Dienst beider Wissenschaften ein. Sie gehörten bald zu den am meisten gebrauchten wissenschaftlichen Handbüchern der classischen Philologen wie der Indogermanisten, und eine rasch auf einander folgende Reihe von Auflagen (2. 1866, 3. 1869, 4. 1873, 5. 1879, die beiden letzten unter der Mitwirkung von Ernst Windisch bearbeitet) bezeugt ihre große Verbreitung. – Ostern 1862 verließ C. Kiel, um einem Rufe nach Leipzig zu folgen. Er trat seine Leipziger Professur an mit einer für seine wissenschaftliche Stellung bedeutsamen Rede über „Philologie und Sprachwissenschaft“ (Leipzig 1862, wieder abgedruckt in den „Kleinen Schriften“ I, 132). Indem er es als das besondere Ziel, das er sich zur wissenschaftlichen Aufgabe seines Lebens gesetzt habe, bezeichnet, „die classische Philologie, die zu lehren und zu fördern ihm obliege, mit der allgemeinen Sprachwissenschaft in lebendige Wechselwirkung zu setzen“, begründet er seine Erwartung, daß sich in Zukunft die Jünger der classischen Philologie mit der vergleichenden Sprachforschung wenigstens insoweit vertraut machen möchten, „daß sie über ihre Resultate ein Urtheil hätten, daß einzelne unter ihnen die ihrem Gebiete angehörigen Sprachen, deren genauere Erforschung sich die Philologie nimmer entreißen lassen dürfe, selbst und selbständig zu bearbeiten imstande seien“. In Leipzig, wo C. 23 Jahre bis zu seinem Tode wirkte, entfaltete er als akademischer Lehrer den größten Einfluß. Seine Vorlesungen (Griechische Grammatik, Lateinische Grammatik, Einleitung [600] in die allgemeine Sprachwissenschaft, Griechische Litteraturgeschichte u. a.) wurden in den siebziger Jahren gewöhnlich von 200 bis 300 Zuhörern besucht; die allermeisten der damals in Leipzig studirenden Philologen benutzten die Gelegenheit, durch C. einen Einblick in die vergleichende Grammatik der classischen Sprachen zu erhalten, und nicht wenige traten in seine „Grammatische Gesellschaft“, um unter seiner Leitung selbständig auf dem Gebiete der griechischen und lateinischen Grammatik arbeiten zu lernen. Eine große Anzahl von Arbeiten, die in dieser Grammatischen Gesellschaft entstanden und später als Doctordissertationen eingereicht worden sind, hat C. zusammen mit Arbeiten früherer Schüler und kleineren Aufsätzen von ihm selbst herausgegeben in den 10 Bänden „Studien zur griechischen und lateinischen Grammatik“ (Leipzig, 1868–1878), die beiden letzten Bände im Vereine mit Karl Brugmann. Seine Vorlesungen waren klar und vorzüglich disponirt und fesselten durch geistvolle Behandlung des Stoffs wie durch Wärme des Vortrags. Bei der Besprechung der Arbeiten in seiner Grammatischen Gesellschaft war er ein liebenswürdiger Censor, der gern anerkannte und schonend tadelte, immer anregte und niemals entmuthigte. Eigen war ihm eine gewisse Zurückhaltung; starke Ausdrücke, leidenschaftliche Accente, heftige Polemik vermied er durchaus. Daß er neben reicher Anerkennung auch Angriffe zu erfahren hatte, nicht nur gegen Einzelheiten, sondern auch gegen seine ganze wissenschaftliche Richtung, ist begreiflich bei seiner hervorragenden und einzigartigen Stellung, in der er durch Personalunion zwei Wissenschaften, die classische Philologie, die er an der Universität als Professor vertrat, und die indogermanische Sprachwissenschaft, für die Leipzig damals noch keinen besonderen Vertreter hatte, in sich vereinigte: manchen Philologen schien er nicht Philolog genug, manchen Linguisten nicht Linguist genug zu sein, und der Vorwurf der Halbheit wurde von einseitigem Standpunkt aus gegen ihn erhoben. Er war aber als Mensch wie als Gelehrter ein ganzer Mann, und die zwei Seiten seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit waren zu einem harmonischen Ganzen in ihm unzertrennlich verbunden. Wenn er als akademischer Lehrer und Schriftsteller mehr nach der grammatisch-sprachwissenschaftlichen als nach der litterarisch-philologischen Seite hin wirkte, so ist doch der Ertrag, den die classische Philologie von seiner Lebensarbeit gewonnen hat, nicht geringer gewesen als der der Sprachwissenschaft. Seit C. ist kein bedeutenderes philologisches Werk grammatischen Inhalts geschrieben worden, das nicht in der von C. geforderten Weise von der indogermanischen Sprachwissenschaft die Hauptresultate übernommen hätte. Die Verbindung philologischer und sprachwissenschaftlicher Schulung, die C. zuerst in seiner Person vorbildlich gezeigt hat, haben seitdem alle die Gelehrten erstrebt, die auf den Gebieten der homerischen Sprache, der dialektischen litterarischen und epigraphischen Texte, der Dialektologie und der Grammatik beider classischer Sprachen die Forschung weiter geführt haben. Die zuerst von C. in das Arbeitsfeld der classischen Philologie, Mythologie, Archäologie eingeführten Ergebnisse der griechischen Etymologie haben sich auf diesem Boden fruchtbar erwiesen und reichen Ertrag gebracht. So ist jetzt der treibende Gedanke der Curtius’schen Lebensarbeit, Philologie und Sprachwissenschaft in lebendige Wechselwirkung zu setzen, allgemein als richtig und erfolgreich anerkannt: was er, der Einzelne, persönlich einst gefordert, ist heute Forderung der Wissenschaft. – Die Liebe und Verehrung, die C. bei seinen Schülern und innerhalb der gelehrten Kreise des In- und Auslandes genoß, trat in schöner Weise am Tage seines 25jährigen Professorjubiläums hervor. Mehrere Festschriften wurden ihm bei dieser Feier von seinen damaligen und von früheren Schülern gewidmet und ein Stiftungscapital übergeben, dessen [601] Zinsen der Bestimmung nach zu Preisen verwendet werden für tüchtige Arbeiten jüngerer Gelehrter aus dem Gebiete der griechischen und der italischen Sprachen („Curtius-Stiftung“). In die Leipziger Zeit fallen zahlreiche kleinere und größere Aufsätze von C., wie der „über die Spaltung des A-Lautes im Griechischen und Lateinischen mit Vergleichung der übrigen Glieder des indogermanischen Sprachstammes“ (Berichte der K. S. Ges. d. Wiss. 1864, S. 9; Kleine Schriften II, 13), „Zur Chronologie der indogermanischen Sprachforschung“ (Abhandlungen der K. S. Ges. d. Wiss., Bd. V; 2. Aufl. 1873), „Bemerkungen über die Tragweite der Lautgesetze, insbesondere im Griechischen und Lateinischen“ (Berichte der K. S. Ges. d. Wiss. 1870, S. 1; Kleine Schriften II, 50), und das Werk über „Das Verbum der griechischen Sprache“ (1. Bd. 1873, 2. Bd. 1876; 2. Aufl. 1877. 1880), das bestimmt war, den griechischen Teil seines ersten Buches über „die Bildung der Tempora und Modi“ zu erneuern, eine umfassende Uebersicht über den Bau des griechischen Verbums, wie sie bisher noch nirgends unternommen worden war. Seine letzte größere Schrift aus seinem letzten Lebensjahre: „Zur Kritik der neuesten Sprachforschung“ (Leipzig 1885) bezweckte eine Auseinandersetzung mit einer neuen Richtung in der Sprachwissenschaft, die seit Mitte der siebziger Jahre in den Schriften mehrerer jüngerer Sprachforscher zum Ausdruck gebracht worden war. Anlaß zum Widerspruch gegen sie boten ihm einerseits methodologische Fragen, wie die von jenen behauptete Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze und das Wirken der Analogie in der Sprachbildung, andererseits einzelne ihrer wissenschaftlichen Resultate, wie der von ihnen geführte Nachweis, daß das e und o der europäischen Sprachen alterthümlicher sei als das ihnen entsprechende a der arischen Sprachen und bis in die indogermanische Zeit zurückgehe, ein Satz, den C. selbst vorbereitet hatte durch seine Schrift über die Spaltung des A-Lautes; in dieser hatte er nämlich erwiesen, „daß der bunte Vocalismus etwas viel älteres sei, als man bisher glaube, daß er entschieden über das Sonderleben der Einzelsprachen hinausgehe“, und zwar nicht als indogermanisch, wohl aber als europäisch anzusehen sei (Zur Kritik d. n. Spr., S. 94). – In seinem Hause vereinigte C. oft Studenten, die er näher, namentlich in seiner Grammatischen Gesellschaft kennen gelernt hatte, zu heiterer Geselligkeit, wo er gern in liebenswürdiger Weise aus seinem Leben erzählte, während seine Gattin durch ihr freundliches Entgegenkommen und Eingehen auf die persönlichen Interessen der Einzelnen auch die schüchternen und wenig weltgewandten unter ihren jungen Gästen zum traulichen Gespräch heranzuziehen wußte. Wie er bei seinen Collegen von der Universität unbeschränktes Vertrauen genoß, hat Friedrich Zarncke, der älteste unter seinen Leipziger Freunden in den Worten, die er an seinem Grabe sprach, in schöner Weise ausgeführt („Zum Andenken an Georg Curtius“, S. 16): „Ein Grundzug seines Charakters war ein ernster, treuer Pflichteifer. Nichts achtete er gering, Nichts nahm er leicht, was er seines Amtes zu sein glaubte. So betheiligte er sich auch lebhaft an den Arbeiten all der Körperschaften, in die ein so großes Gemeinwesen wie eine Universität sich zerlegt. Er war thätig in der Facultät, im Senat, im Plenum der ordentlichen Professoren, im Docentenverein, in der Prüfungscommission, in der Gesellschaft der Wissenschaften, in der Jablonowski’schen Gesellschaft. Nicht leicht versäumte er eine Sitzung, und gerne unterzog er sich allen Aufträgen, die das Vertrauen seiner Collegen ihm zuwies, ohne auf seine wohl zuweilen wankende Gesundheit Rücksicht zu nehmen. Auch das Decanat und Procancellariat hat er verwaltet. Nur das Rectorat anzunehmen, haben wir ihn nicht bewegen können. Die mancherlei kleinen repräsentativen Nichtigkeiten, die mit diesem Amte verbunden [602] sind, widerstrebten ihm, auch glaubte er, daß hier seine Gesundheit ihm wirklich ein ernstes Veto entgegen rufe. Ueberlege ich, welche Eigenschaften es waren, die ihm so bald eine maßgebende Stellung in unserem Kreise verschafften, so glaube ich sie in drei Vorzügen seines Wesens zu erkennen. Es war die große Klarheit und Bestimmtheit seines Denkens, die überlegene Ruhe seiner Darstellung und die conciliante feine Urbanität seines Auftretens. Wie lebhaft auch die Debatte entflammt sein mochte, wie heftig die Geister auf einander platzen mochten, er bewahrte sich jene Eigenschaft und sicherte sich dadurch einen durchgreifenden Einfluß. Ja, lange Zeit ist er recht eigentlich der Vertrauensmann unserer Universität gewesen. … Und wie ein Vertrauensmann bei der Arbeit, so war er im Umgange seiner Collegen ein gern gesehener Freund. Eine treue Zuverlässigkeit, ein durch und durch loyales Wesen zeichneten ihn aus. Zum Theil waren diese Eigenschaften ein Ausfluß seiner vornehmen Natur. Nie hätte sich C. entschließen können, eine Handlung zu begehen, die ihm als kleinlich, als unwürdig stolzen Sinnes und echten Seelenadels erschienen wäre. Nicht immer ist ihm gegenüber mit gleichen Waffen gekämpft worden. Aber auch dann hat er sich nie zu einer Handlung hinreißen lassen, die nicht völlig seinem angeborenen Stolze homogen gewesen wäre“. C. war Mitglied der K. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, der Berliner und der Wiener Akademie der Wissenschaften und zahlreicher anderer gelehrter Gesellschaften, Comthur des K. S. Civilverdienstordens, Ritter des Ordens pour le mérite und des bairischen Maximilianordens; nach Bopp’s Tode schlug die Berliner Facultät ihn einstimmig zum Nachfolger vor, er zog es aber vor, in Leipzig zu bleiben. – Seit 1881 verschlimmerte sich sein Gesundheitszustand. 1885 reiste er, nachdem er sein Colleg zu Ende geführt hatte, Anfang August mit seiner Gattin nach Hermsdorf im Riesengebirge. Während der Reise schon unwohl geworden, erlitt er am 8. August einen Schlaganfall und starb am 12. August. Am 16. August wurde er in Leipzig auf dem Johanniskirchhofe begraben.

Zum Andenken an Georg C. Reden an seinem Grabe von G. Baur, E. Windisch, Fr. Zarncke, Leipzig 1885. – Constantin Angermann, Georg C. (Nekrolog), Bezzenberger’s Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen, Bd. X (1886), S. 325. – Ernst Curtius, Erinnerungen an Georg C., als Vorwort zu den Kleinen Schriften von Georg C., herausgegeben von E. Windisch, 2 Bde., Leipzig 1886. – Ernst Windisch, Georg C. Eine Charakteristik (Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde, 10. Jahrgang), Berlin 1887.